119 II 89
20. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 28. Januar 1993 i.S. Ortsgemeinde S. gegen G. (Berufung)
Regeste (de):
- Materielle Rechtskraft von Summarentscheiden.
- Die Frage, ob kantonalen Summarentscheiden materielle Rechtskraft zukommt, ist eine solche kantonalen Prozessrechts, unter Vorbehalt allfälliger bundesrechtlicher Vorschriften.
Regeste (fr):
- Autorité de chose jugée de décisions rendues en procédure sommaire.
- La question de savoir si des décisions cantonales rendues en procédure sommaire sont dotées de l'autorité de chose jugée relève du droit de procédure cantonal, sous réserve, le cas échéant, des dispositions du droit fédéral.
Regesto (it):
- Autorità di cosa giudicata delle decisioni rese in procedura sommaria.
- Con la riserva di eventuali disposizioni del diritto federale, la questione di sapere se le decisioni rese in procedura sommaria godano dell'autorità di cosa giudicata rileva del diritto cantonale di procedura.
Sachverhalt ab Seite 89
BGE 119 II 89 S. 89
In einem Amtsbefehlsverfahren wurde dem Pächter G. (Kläger) auf Begehren der Ortsgemeinde S. (Beklagte) die weitere Nutzung des Pachtlandes verboten. Darauf klagte er im ordentlichen Verfahren auf Feststellung der Ungültigkeit der Kündigung und Bezahlung von Schadenersatz. Überdies verlangte er, das bisherige Pachtland sei ihm zur weiteren Nutzung zu überlassen. Das Verfahren wurde vorerst auf die Vorfrage beschränkt, ob dem ergangenen Amtsbefehl materielle Rechtskraft zukomme. Das Bezirksgericht Werdenberg verneinte dies mit Entscheid vom 3. Dezember 1990, während das Kantonsgericht St. Gallen mit Urteil vom 29. November 1991 dem Amtsbefehl materielle Rechtskraft zuerkannte und auf die Klage nicht eintrat. Das Kassationsgericht des Kantons St. Gallen hiess am 30. Juni 1992 eine Nichtigkeitsbeschwerde des Klägers gut und hob das kantonsgerichtliche Urteil auf. Eine dagegen gerichtete Berufung der Beklagten weist das Bundesgericht ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2. Die Beklagte macht sinngemäss geltend, das Kassationsgericht missachte, dass die materielle Rechtskraft ein Institut des Bundesrechts sei. Wenn das Bundesrecht darüber bestimme, ob eine abgeurteilte Sache vorliege, richte sich die Frage, welchen Entscheiden in welchem Verfahren materielle Rechtskraft zukomme,
BGE 119 II 89 S. 90
ebenfalls nach Bundesrecht. Dem im Befehlsverfahren ergangenen Entscheid komme daher materielle Rechtskraft zu. a) Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist die materielle Rechtskraft, das heisst die Verbindlichkeit eines Urteils für spätere Prozesse, eine Frage des Bundesrechts, sofern der zu beurteilende Anspruch auf Bundesrecht beruht (BGE 115 II 190, BGE 112 II 272 E. a, BGE 101 II 377 E. 1, BGE 98 II 158 E. 3, BGE 95 II 642 E. 4a). Eine abgeurteilte Sache ist anzunehmen, wenn der streitige Anspruch mit einem schon rechtskräftig beurteilten identisch ist. Dies trifft zu, wenn der Anspruch dem Richter aus demselben Rechtsgrund und gestützt auf den gleichen Sachverhalt erneut zur Beurteilung unterbreitet wird (BGE 116 II 473 E. 2a, 112 II 272 E. b). Streitig sind im vorliegenden Verfahren jedoch nicht diese Voraussetzungen. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist vielmehr die Frage, ob dem im Amtsbefehlsverfahren ergangenen Entscheid materielle Rechtskraft zukommt. b) Das Bundesgericht hatte sich mehrfach im Rahmen von Art. 48 Abs. 1
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SR 101 Constitution fédérale de la Confédération suisse du 18 avril 1999 Cst. Art. 64 Recherche - 1 La Confédération encourage la recherche scientifique et l'innovation.29 |
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1 | La Confédération encourage la recherche scientifique et l'innovation.29 |
2 | Elle peut subordonner son soutien notamment à l'assurance de la qualité et à la mise en place de mesures de coordination.30 |
3 | Elle peut gérer, créer ou reprendre des centres de recherche. |
Demgegenüber schreibt das Bundesrecht mit seinem Verwirklichungsgebot den Kantonen zwingend vor, das Institut der materiellen Rechtskraft von Sachentscheiden und diesen gleichgestellten Surrogaten zu beachten. Ungeklärt scheint, ob damit auch das
BGE 119 II 89 S. 91
Bundesrecht abschliessend bestimmt, welchen kantonalen Hoheitsakten solche Rechtskraft zukommt (vgl. BGE 117 II 413 E. 3 und 4).
Die Frage ist zu verneinen. Im Bereich der Summarentscheide kommt den Kantonen in bestimmter Hinsicht eine Regelungsfreiheit auch in bezug auf die materielle Rechtskraftwirkung zu. Diese Freiheit besteht einzig dort nicht, wo das kantonale Recht einen bundesrechtlichen Anspruch ausschliesslich einem Summarverfahren unterstellt, soweit dies bundesrechtlich zulässig ist (BGE 94 II 108 E. b), oder das Bundesrecht eine Kompetenzattraktion vorschreibt und diese ein kantonales Summarverfahren erfasst. Hier entfaltet der Summarentscheid kraft Bundesrechts materielle Rechtskraft. Das Bundesrecht untersagt den Kantonen zumindest nicht, einen bundesrechtlichen Anspruch vorerst im Summarverfahren vorläufig zu beurteilen und die endgültige Bereinigung einem ordentlichen Verfahren vorzubehalten. Daraus folgt, dass allein das kantonale Prozessrecht - unter Vorbehalt von allfälligen bundesrechtlichen Vorschriften (MESSMER/IMBODEN, Die eidgenössischen Rechtsmittel in Zivilsachen, S. 114 N. 83 und Anm. 17; HABSCHEID, Schweizerisches Zivilprozess- und Gerichtsorganisationsrecht, 2. Aufl. 1990, N. 54) - bestimmt, ob einem Entscheid im Befehlsverfahren beschränkte oder definitive Rechtskraft zukommt (vgl. auch ELISABETH ROTH-GROSSER, Das Wesen der materiellen Rechtskraft und ihre subjektiven Grenzen, Diss. Zürich 1981, S. 26 f.). Anderer Ansicht ist GULDENER (Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Aufl. 1979, S. 590); es widerspreche dem materiellen Bundesrecht, wenn das kantonale Prozessrecht einem Anspruch, der in das summarische Verfahren verwiesen werde, die materielle Rechtskraft verweigere. Dieser Ansicht ist nicht beizupflichten, will doch der Autor nicht nur das Institut der materiellen Rechtskraft als solches, sondern auch dessen Ausgestaltung und Regelung dem materiellen Recht unterstellen. Er trägt der Kompetenzausscheidung hinsichtlich der Legiferierung im Zivil- und Zivilprozessrecht zwischen Bund und Kantonen nicht hinreichend Rechnung. Dem Einwand ist auch entgegenzuhalten, dass die Möglichkeit des Berechtigten, über seinen bundesrechtlichen Anspruch einen definitiven Entscheid zu erlangen, durch die unterschiedliche Ausgestaltung in den kantonalen Zivilprozessordnungen keineswegs beeinträchtigt wird, da ihm offensteht, das ordentliche Verfahren einzuleiten (ISAAK MEIER, Grundlagen des einstweiligen Rechtsschutzes, S. 128).
Nach dem Gesagten steht den Kantonen die Hoheit zu, über Verfahren und Gerichtsorganisation zu legiferieren. Ebenfalls obliegt
BGE 119 II 89 S. 92
ihnen, das kantonale Recht anzuwenden und über dessen richtige Anwendung zu wachen. Das Bundesgericht kann im Berufungsverfahren die Anwendung kantonalen Prozessrechts nicht überprüfen und darüber befinden, ob die kantonale Vorinstanz die Bestimmungen über die materielle Rechtskraft, soweit sie nicht bundesrechtlicher Natur sind, richtig auslegt. Würde es dies tun, griffe es in unzulässiger Weise in die kantonale Prozessrechtshoheit ein. Mit ihrer Rüge macht die Beklagte somit nicht eine Bundesrechtsverletzung, sondern vielmehr eine Verletzung kantonalen Rechts geltend (Art. 43 Abs. 1
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SR 101 Constitution fédérale de la Confédération suisse du 18 avril 1999 Cst. Art. 64 Recherche - 1 La Confédération encourage la recherche scientifique et l'innovation.29 |
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1 | La Confédération encourage la recherche scientifique et l'innovation.29 |
2 | Elle peut subordonner son soutien notamment à l'assurance de la qualité et à la mise en place de mesures de coordination.30 |
3 | Elle peut gérer, créer ou reprendre des centres de recherche. |
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SR 210 Code civil suisse du 10 décembre 1907 CC Art. 2 - 1 Chacun est tenu d'exercer ses droits et d'exécuter ses obligations selon les règles de la bonne foi. |
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1 | Chacun est tenu d'exercer ses droits et d'exécuter ses obligations selon les règles de la bonne foi. |
2 | L'abus manifeste d'un droit n'est pas protégé par la loi. |
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SR 210 Code civil suisse du 10 décembre 1907 CC Art. 4 - Le juge applique les règles du droit et de l'équité, lorsque la loi réserve son pouvoir d'appréciation ou qu'elle le charge de prononcer en tenant compte soit des circonstances, soit de justes motifs. |
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