117 II 410
76. Urteil der I. Zivilabteilung vom 16. Mai 1991 i.S. Luzia J. gegen W. und M. H. (Berufung)
Regeste (de):
- Mieterstreckung; materielle Rechtskraft (Art. 273
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 273 - 1 Will eine Partei die Kündigung anfechten, so muss sie das Begehren innert 30 Tagen nach Empfang der Kündigung der Schlichtungsbehörde einreichen.
- 1. Anwendungsbereich der Übergangsbestimmung von Art. 5 Abs. 2 der Schlussbestimmungen zum neuen Mietrecht (E. 1).
- 2. Ist im Anschluss an eine Kündigung ein Anfechtungs- oder Erstreckungsverfahren angehoben und vor dem 1. Juli 1990 rechtskräftig erledigt worden, hat bei Inkrafttreten des neuen Mietrechts für eine Klage mit identischem Streitgegenstand keine neue Frist i.S. von Art. 273
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 273 - 1 Will eine Partei die Kündigung anfechten, so muss sie das Begehren innert 30 Tagen nach Empfang der Kündigung der Schlichtungsbehörde einreichen.
- 3. Einem vorbehaltlosen Klagerückzug und der darauf folgenden Abschreibungsverfügung kommt materielle Rechtskraft zu (E. 3).
Regeste (fr):
- Prolongation de bail; autorité de chose jugée (art. 273 CO; art. 5 al. 2 des dispositions finales du nouveau droit du bail).
- 1. Champ d'application de la disposition de droit transitoire figurant à l'art. 5 al. 2 des dispositions finales du nouveau droit du bail (consid. 1).
- 2. Lorsque, à la suite de la notification d'un congé, une action en contestation de celui-ci ou en prolongation du bail a été ouverte et définitivement liquidée avant le 1er juillet 1990, un nouveau délai au sens de l'art. 273 CO ne commence pas à courir lorsque l'objet de l'action, introduite postérieurement à l'entrée en vigueur du nouveau droit du bail, est identique à celui de la précédente (consid. 2).
- 3. Le retrait inconditionnel de l'action et l'ordonnance de radiation du rôle bénéficient de l'autorité de la chose jugée (consid. 3).
Regesto (it):
- Protrazione della locazione; autorità di cosa giudicata (art. 273 CO; art. 5 cpv. 2 delle disposizioni finali del nuovo diritto in materia di locazione).
- 1. Ambito di applicazione della disposizione transitoria contenuta nell'art. 5 cpv. 2 delle disposizioni finali del nuovo diritto in materia di locazione (consid. 1).
- 2. Ove, in seguito a disdetta, un'azione di contestazione di quest'ultima sia stata aperta e definitivamente evasa prima del 1o luglio 1990, non comincia a correre un nuovo termine ai sensi dell'art. 273 CO se l'oggetto dell'azione promossa posteriormente all'entrata in vigore del nuovo diritto in materia di locazione sia identico a quello dell'azione precedente (consid. 2).
- 3. Il ritiro senza condizioni dell'azione e il relativo decreto di stralcio fruiscono dell'autorità di cosa giudicata (consid. 3).
Sachverhalt ab Seite 411
BGE 117 II 410 S. 411
A.- Zwischen Luzia J. als Mieterin und den Eheleuten Walter und Margot H. als Vermieter besteht seit dem 1. Oktober 1986 ein Mietvertrag über das Hotel Schifflände in A. zu einem jährlichen Mietzins von Fr. 72'000.--. Der Vertrag kann unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten jeweils auf den 30. September eines jeden Jahres gekündigt werden. Mit Schreiben vom 20. Juli 1989 und 5. März 1990 kündigten die Eheleute H. das Mietverhältnis auf den 30. September 1990. Mit Eingabe vom 6. April 1990 ersuchte Luzia J. das Bezirksgerichtspräsidium A., die Kündigung nichtig zu erklären, eventuell das Mietverhältnis um zwei Jahre zu erstrecken. Am 3. Mai 1990 zog ihr Anwalt das Begehren zurück, und der Vizepräsident des Bezirksgerichts
BGE 117 II 410 S. 412
schrieb das Verfahren mit Verfügung vom 7. Mai 1990 als durch Rückzug erledigt am Protokoll ab.
B.- Nachdem am 1. Juli 1990 das neue Mietrecht in Kraft getreten war, gelangte Luzia J. am 18. Juli 1990 an die Schlichtungsstelle für Mietverhältnisse der Gemeinde A. Sie beantragte erneut, die Kündigung sei ungültig zu erklären, eventuell das Mietverhältnis um sechs Jahre zu erstrecken. Die Schlichtungsstelle trat am 3. September 1990 auf das Anfechtungs- bzw. Erstreckungsgesuch nicht ein. Dieser Entscheid wurde vom Vizepräsidenten des Bezirksgerichts A. am 30. November 1990 bestätigt, und die Rekurskommission des Obergerichts des Kantons Thurgau wies einen dagegen eingereichten Rekurs am 21. Januar 1991 ab. Alle drei kantonalen Instanzen gelangten zum Ergebnis, dem neuen Anfechtungs- bzw. Erstreckungsbegehren stehe die materielle Rechtskraft der Abschreibungsverfügung des Vizepräsidenten des Bezirksgerichts A. vom 7. Mai 1990 entgegen. Eine Berufung der Luzia J. hat das Bundesgericht abgewiesen.
Erwägungen
Erwägungen:
1. Das auf den 1. Juli 1990 in Kraft getretene neue Mietrecht setzt in Art. 273

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 273 - 1 Will eine Partei die Kündigung anfechten, so muss sie das Begehren innert 30 Tagen nach Empfang der Kündigung der Schlichtungsbehörde einreichen. |

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 271 - 1 Die Kündigung ist anfechtbar, wenn sie gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstösst. |

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 271a - 1 Die Kündigung durch den Vermieter ist insbesondere anfechtbar, wenn sie ausgesprochen wird: |

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 272 - 1 Der Mieter kann die Erstreckung eines befristeten oder unbefristeten Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung der Miete für ihn oder seine Familie eine Härte zur Folge hätte, die durch die Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen wäre. |

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 272d - Legt der Erstreckungsentscheid oder die Erstreckungsvereinbarung nichts anderes fest, so kann der Mieter das Mietverhältnis wie folgt kündigen: |

SR 221.213.2 Bundesgesetz vom 4. Oktober 1985 über die landwirtschaftliche Pacht (LPG) LPG Art. 60 - 1 Das Gesetz gilt mit Ausnahme der Bestimmungen über die Pachtdauer und die parzellenweise Verpachtung und Zupacht auch für Pachtverträge, die vor seinem Inkrafttreten abgeschlossen oder fortgesetzt worden sind. Beginnt die Fortsetzung einer Pacht nach dem Inkrafttreten, gilt die neue Fortsetzungsdauer. |
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1 | Das Gesetz gilt mit Ausnahme der Bestimmungen über die Pachtdauer und die parzellenweise Verpachtung und Zupacht auch für Pachtverträge, die vor seinem Inkrafttreten abgeschlossen oder fortgesetzt worden sind. Beginnt die Fortsetzung einer Pacht nach dem Inkrafttreten, gilt die neue Fortsetzungsdauer. |
2 | Lässt sich das Datum des Pachtantritts nicht mehr feststellen, so gilt der ortsübliche Frühjahrstermin 1973 als Pachtantritt. |
3 | Wird der Pachtvertrag vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens oder auf ein späteres Datum gekündigt, so kann die betroffene Partei bis 30 Tage nach dem Inkrafttreten des Gesetzes auf Erstreckung nach den neuen Bestimmungen klagen. |
4 | Hängige Klagen und Gesuche werden nach dem Recht beurteilt, das zur Zeit des Urteils oder Entscheids gilt. |
BGE 117 II 410 S. 413
2. Es steht ausser Zweifel, dass in allen Fällen, in welchen ein Mieter eine unter die Übergangsbestimmung fallende Kündigung weder angefochten noch eine Mieterstreckung verlangt hat, am 1. Juli 1990 neue Fristen von 30 bzw. 60 Tagen im Sinne von Art. 273

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 273 - 1 Will eine Partei die Kündigung anfechten, so muss sie das Begehren innert 30 Tagen nach Empfang der Kündigung der Schlichtungsbehörde einreichen. |

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 273 - 1 Will eine Partei die Kündigung anfechten, so muss sie das Begehren innert 30 Tagen nach Empfang der Kündigung der Schlichtungsbehörde einreichen. |

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 271 - 1 Die Kündigung ist anfechtbar, wenn sie gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstösst. |

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 271a - 1 Die Kündigung durch den Vermieter ist insbesondere anfechtbar, wenn sie ausgesprochen wird: |

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 273 - 1 Will eine Partei die Kündigung anfechten, so muss sie das Begehren innert 30 Tagen nach Empfang der Kündigung der Schlichtungsbehörde einreichen. |
3. An den Wirkungen der materiellen Rechtskraft ändert auch der Umstand nichts, dass das frühere Verfahren nicht durch rechtskräftiges Sachurteil, sondern durch Abschreibung infolge Rückzugs des Begehrens erledigt worden ist. Einem vorbehaltlosen Klagerückzug und der gestützt darauf ergangenen Abschreibungsverfügung kommt sowohl nach Bundesrecht (BGE 105 II 151; vgl.
BGE 117 II 410 S. 414
auch Art. 73

SR 273 Bundesgesetz vom 4. Dezember 1947 über den Bundeszivilprozess BZP Art. 73 - 1 Der vor dem Richter erklärte oder dem Richter zur Verurkundung im Protokoll eingereichte Vergleich der Parteien und der Abstand einer Partei beenden den Rechtsstreit. |
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1 | Der vor dem Richter erklärte oder dem Richter zur Verurkundung im Protokoll eingereichte Vergleich der Parteien und der Abstand einer Partei beenden den Rechtsstreit. |
2 | In den gerichtlichen Vergleich können ausserhalb des Prozesses liegende Streitfragen zwischen den Parteien und einer Partei mit Dritten einbezogen werden, sofern es der Beilegung des Prozesses dient. |
3 | Ist die Einrede erhoben worden, der Anspruch sei nicht fällig oder er sei von einer Bedingung abhängig, oder ist ein Prozessmangel gerügt worden, so kann der Kläger die Klage unter dem Vorbehalt zurücknehmen, sie nach Eintritt der Fälligkeit oder der Bedingung oder nach Behebung des Prozessmangels wieder einzureichen. |
4 | Gerichtlicher Vergleich und Abstand sind wie das Urteil vollstreckbar. |

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 267a - 1 Bei der Rückgabe muss der Vermieter den Zustand der Sache prüfen und Mängel, für die der Mieter einzustehen hat, diesem sofort melden. |
4. Ebensowenig verfängt der Einwand, der im summarischen Verfahren ergangenen Abschreibungsverfügung komme nur provisorischer Charakter und somit keine materielle Rechtskraft zu. Wie das Obergericht im angefochtenen Entscheid zutreffend ausführt, stellt der Entscheid über ein Erstreckungsbegehren ein materielles und abschliessendes Sachurteil über einen bundesrechtlichen Anspruch dar; das gilt im Falle eines Klagerückzuges folgerichtig auch für die gestützt darauf ergangene Abschreibungsverfügung.
5. Abwegig ist schliesslich auch der Einwand der Klägerin, auf diese Weise werde ihr das Recht abgeschnitten, die mit dem neuen Mietrecht (Art. 271

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 271 - 1 Die Kündigung ist anfechtbar, wenn sie gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstösst. |

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 271a - 1 Die Kündigung durch den Vermieter ist insbesondere anfechtbar, wenn sie ausgesprochen wird: |

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 273 - 1 Will eine Partei die Kündigung anfechten, so muss sie das Begehren innert 30 Tagen nach Empfang der Kündigung der Schlichtungsbehörde einreichen. |
6. Steht somit der Klage die Einrede der abgeurteilten Sache entgegen, so ist nicht mehr zu prüfen, ob die Kündigung für die Klägerin eine unzumutbare Härte zur Folge hätte.