119 II 201
41. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 17. Juni 1993 i.S. E. H. gegen O. H. (Berufung)
Regeste (de):
- Besuchsrecht des nichtobhutsberechtigten Elternteils (Art. 156 Abs. 2 und Art. 273
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 273 - 1 Eltern, denen die elterliche Sorge oder Obhut nicht zusteht, und das minderjährige Kind haben gegenseitig Anspruch auf angemessenen persönlichen Verkehr.332
1 Eltern, denen die elterliche Sorge oder Obhut nicht zusteht, und das minderjährige Kind haben gegenseitig Anspruch auf angemessenen persönlichen Verkehr.332 2 Die Kindesschutzbehörde kann Eltern, Pflegeeltern oder das Kind ermahnen und ihnen Weisungen erteilen, wenn sich die Ausübung oder Nichtausübung des persönlichen Verkehrs für das Kind nachteilig auswirkt oder wenn eine Ermahnung oder eine Weisung aus anderen Gründen geboten ist. 3 Der Vater oder die Mutter können verlangen, dass ihr Anspruch auf persönlichen Verkehr geregelt wird. - 1. Im Scheidungsverfahren gilt für die Kinderzuteilung und namentlich auch für die Regelung des Besuchsrechts uneingeschränkt die Offizialmaxime. Demzufolge sind weder neue Begehren ausgeschlossen, noch ist das Bundesgericht an die Anträge der Parteien gebunden; das Verbot der reformatio in peius gilt nicht (E. 1).
- 2. Der Scheidungsrichter ordnet die persönlichen Beziehungen der Eltern zu den Kindern grundsätzlich endgültig und dauerhaft. Eine den gegebenen Verhältnissen bloss für eine begrenzte Zeitspanne angepasste, indessen auf Dauer getroffene Regelung des Besuchsrechts verletzt diesen Grundsatz (E. 3).
- 3. Ist das Kindeswohl selbst bei einer Ausübung des Besuchsrechts unter Aufsicht gefährdet, und kann dieser Gefahr nicht durch andere Massnahmen wirksam und dauerhaft begegnet werden, so ist das Besuchsrecht zu verweigern (E. 4).
Regeste (fr):
- Droit de visite du parent qui n'a pas la garde des enfants (art. 156 al. 2 et art. 273 CC).
- 1. Dans la procédure de divorce, la maxime d'office s'applique sans restriction pour l'attribution des enfants et notamment pour la réglementation du droit de visite. En conséquence, de nouvelles conclusions ne sont pas exclues et le Tribunal fédéral n'est pas lié par les conclusions des parties; l'interdiction de la reformatio in peius ne s'applique pas (consid. 1).
- 2. Le juge du divorce règle les relations personnelles entre parents et enfants en principe définitivement et durablement. Quoique durable, une réglementation du droit de visite adaptée aux circonstances données seulement pour une période limitée viole ce principe (consid. 3).
- 3. Si le bien-être de l'enfant est menacé même en cas d'exercice du droit de visite sous surveillance et qu'un tel danger ne puisse pas être écarté efficacement et durablement par d'autres mesures, le droit de visite doit être refusé (consid. 4).
Regesto (it):
- Diritto di visita del genitore che non ha la custodia dei figli (art. 156 cpv. 2 e art. 273 CC).
- 1. Nella procedura di divorzio la massima ufficiale vale senza limitazioni per l'assegnazione dei figli e segnatamente anche per la regolamentazione del diritto di visita. Di conseguenza non sono escluse nuove conclusioni né il Tribunale federale è vincolato dalle domande delle parti; il divieto di una reformatio in peius non si applica (consid. 1).
- 2. Il giudice del divorzio regola le relazioni personali dei genitori con i figli, in linea di principio, in modo definitivo e duraturo. Una regolamentazione duratura, ma unicamente adattata alle circostanze di un periodo limitato di tempo, viola questo principio (consid. 3).
- 3. Se il bene del figlio è minacciato anche con l'esercizio del diritto di visita sotto sorveglianza e se questo pericolo non può essere eliminato efficacemente e in modo duraturo con altre misure, il diritto di visita dev'essere rifiutato (consid. 4).
Sachverhalt ab Seite 202
BGE 119 II 201 S. 202
A.- Mit Urteil vom 21. Dezember 1992 schied das Obergericht des Kantons Luzern die Ehe der E. und des O. H. und genehmigte die Vereinbarung der Parteien über die Nebenfolgen. Danach wurden die Kinder M. und D. unter die elterliche Gewalt der E. H. gestellt (Ziffer 2); das Gericht ordnete eine Erziehungsbeistandschaft an und beauftragte die Vormundschaftsbehörde Emmen damit, den Kindern einen Beistand zu ernennen, welcher die Ausübung des Besuchsrechts zu überwachen und die entsprechenden Termine nach Rücksprache mit den Parteien festzulegen habe; ferner verfügte es, dass die Ausübung des Besuchsrechts in Anwesenheit einer Drittperson zu erfolgen habe, welche vom Beistand beauftragt werde, sofern dieser nicht persönlich anwesend sein könne; das Obergericht erklärte sodann den Beistand für berechtigt, die nötigen Einzelheiten für eine reibungslose Abwicklung der Besuche selber verbindlich festzulegen, und wies ihn schliesslich an, die Parteien bei der Wiederherstellung des Vertrauensverhältnisses zu unterstützen (Ziffer 3). Die Vorinstanz räumte O. H. im weiteren das Recht ein, die Kinder nach den Weisungen des Beistands pro Monat zweimal vier Stunden zu besuchen oder zu sich auf Besuch zu nehmen (Ziffer 4).
B.- E. H. hat Berufung eingelegt mit dem Antrag, Ziffer 4 des Urteils des Obergerichts aufzuheben und durch folgenden Urteilsspruch zu ersetzen: "Der Beklagte sei für berechtigt zu erklären, die Kinder M. und D. pro Monat zweimal vier Stunden zu sich auf Besuch zu nehmen, sofern er durch eine schriftliche Bestätigung eines Psychotherapeuten gegenüber der Klägerin nachweist, dass er eine Psychotherapie begonnen hat; andernfalls sei die Besuchsrechtsausübung des Beklagten bis zur Therapie-Aufnahme zu stornieren.
BGE 119 II 201 S. 203
Weist der Beklagte mittels schriftlicher Bestätigung eines
Psychotherapeuten den erfolgreichen Abschluss der Psychotherapie nach, sei er für berechtigt zu erklären, die beiden Kinder jeweils am ersten Sonntag eines jeden Monats von 0900-1800 Uhr sowie am 26. Dezember ohne Aufsicht einer Drittperson zu sich zu nehmen."
O. H. schliesst auf Abweisung der Berufung, soweit darauf einzutreten sei. Das Bundesgericht heisst die Berufung teilweise gut, hebt die Ziffern 3 und 4 des vorinstanzlichen Urteils auf und weist die Sache zu neuer Entscheidung an das Obergericht zurück.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1. Im Scheidungsverfahren gilt für die Kinderzuteilung und die damit unmittelbar zusammenhängenden Fragen, also auch für die Regelung des Besuchsrechts, uneingeschränkt die Offizialmaxime (BGE 96 II 73 E. 2 mit Hinweisen). Demzufolge sind weder neue Begehren ausgeschlossen, noch ist das Bundesgericht an die Anträge der Parteien gebunden (BGE 82 II 470, vgl. auch BGE 116 II 386 E. 2; BGE 108 II 375, BGE 96 II 73 E. 2). Es kann somit offenbleiben, inwiefern die Begehren der Klägerin neu sind; nicht von Bedeutung ist ausserdem, dass diese lediglich die Aufhebung von Ziffer 4 des angefochtenen Urteils verlangt. Sodann gilt das Verbot der reformatio in peius nicht (BÜHLER/SPÜHLER, N. 43 zu Art. 156
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 273 - 1 Eltern, denen die elterliche Sorge oder Obhut nicht zusteht, und das minderjährige Kind haben gegenseitig Anspruch auf angemessenen persönlichen Verkehr.332 |
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1 | Eltern, denen die elterliche Sorge oder Obhut nicht zusteht, und das minderjährige Kind haben gegenseitig Anspruch auf angemessenen persönlichen Verkehr.332 |
2 | Die Kindesschutzbehörde kann Eltern, Pflegeeltern oder das Kind ermahnen und ihnen Weisungen erteilen, wenn sich die Ausübung oder Nichtausübung des persönlichen Verkehrs für das Kind nachteilig auswirkt oder wenn eine Ermahnung oder eine Weisung aus anderen Gründen geboten ist. |
3 | Der Vater oder die Mutter können verlangen, dass ihr Anspruch auf persönlichen Verkehr geregelt wird. |
2. Das Obergericht geht in tatsächlicher Hinsicht davon aus, der Beweis für einen sexuellen Missbrauch von M. durch den Beklagten sei zwar nicht strikte erbracht, der Verdacht diesem gegenüber jedoch begründet. Das Kindeswohl sei ausserdem bei Ausübung des Besuchsrechts infolge des gestörten Vertrauensverhältnisses unter den Parteien gefährdet, welches die noch kleinen Kinder verunsichere und sie in einen Loyalitätskonflikt bringe. Der Beklagte habe erwiesenermassen physische und psychische Probleme und befinde sich seit längerer Zeit in ärztlicher Behandlung; der Vorwurf sexuellen Missbrauchs von M. aber auch die ganze Scheidungssituation belaste ihn sehr; die Klägerin, welche als Kind selbst missbraucht worden sei, habe wegen ihrer persönlichen sexuellen Erlebnisse Schwierigkeiten; sie habe offensichtlich das Vertrauen in den Beklagten verloren und sei gerade bezüglich der Ausübung des Besuchsrechts voller Angst. Unbestritten sei anderseits, dass die Kinder den Beklagten liebten und gerne zu ihm gingen, zu ihm eine gute Beziehung hätten, die aufrechtzuerhalten und weiterzuentwickeln
BGE 119 II 201 S. 204
ebenfalls im Kindesinteresse liege. Ein Anlass, das Besuchsrecht zu verweigern, bestehe nicht; hingegen verlange die nachgewiesene Gefährdung des Kindeswohls nach flankierenden Massnahmen für die Ausübung dieses Rechts. Da die von der Klägerin geforderte psychotherapeutische Behandlung des Beklagten nicht mehr verhältnismässig sei und zudem als fraglich erscheine, ob damit überhaupt ein Erfolg garantiert werden könne, dürfte insbesondere auch im Hinblick darauf, dass die beiden Kinder noch klein seien, ein begleitetes Besuchsrecht dem Kindeswohl zur Zeit am besten dienen. Zu diesem Zweck sei die bestehende Erziehungsbeistandschaft fortzuführen und anzuordnen, dass das Besuchsrecht nur in Anwesenheit einer Drittperson ausgeübt werden dürfe. Der Beklagte habe die Möglichkeit, durch eine Therapie oder auf andere Weise zu bestätigen, dass er das für die Ausübung eines uneingeschränkten Besuchsrechts notwendige Vertrauen auch wirklich verdiene, während die Klägerin ihrerseits alles zu unterlassen habe, was das Verhältnis der Kinder zum Beklagten beeinträchtigen könnte; im übrigen stehe es beiden Parteien frei, bei veränderten Verhältnissen eine Änderung der Besuchsrechtsregelung zu verlangen.
Die Klägerin rügt, die vom Obergericht getroffene Ordnung des Besuchsrechts verstosse gegen die Kindesinteressen. Sie macht im wesentlichen geltend, eine trotz des bestehenden Gefahrenzustandes für den Beklagten an keinerlei Bedingungen geknüpftes, im Verfahren um Erlass vorsorglicher Massnahmen Anfang 1991 als bloss vorläufige Regelung angeordnetes begleitetes Besuchsrecht auf Dauer bestehenzulassen, wirke sich auf die Entwicklung der Kinder negativ aus, verursache einen unverantwortbaren Aufwand und vermöge, so wie es praktiziert werde, die Sicherheit der Kinder ohnehin nicht zu gewährleisten. Angesichts der Einschränkungen und Belastungen, denen die Kinder, sie selber und auch das mit der Überwachung betraute Sozialamt unterworfen seien, erweise es sich keineswegs als unverhältnismässig, dem Beklagten als Voraussetzung für die Einräumung des Besuchsrechts aufzutragen, sich der notwendigen psychotherapeutischen Behandlung zu unterziehen.
3. Art. 156 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 273
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 273 - 1 Eltern, denen die elterliche Sorge oder Obhut nicht zusteht, und das minderjährige Kind haben gegenseitig Anspruch auf angemessenen persönlichen Verkehr.332 |
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1 | Eltern, denen die elterliche Sorge oder Obhut nicht zusteht, und das minderjährige Kind haben gegenseitig Anspruch auf angemessenen persönlichen Verkehr.332 |
2 | Die Kindesschutzbehörde kann Eltern, Pflegeeltern oder das Kind ermahnen und ihnen Weisungen erteilen, wenn sich die Ausübung oder Nichtausübung des persönlichen Verkehrs für das Kind nachteilig auswirkt oder wenn eine Ermahnung oder eine Weisung aus anderen Gründen geboten ist. |
3 | Der Vater oder die Mutter können verlangen, dass ihr Anspruch auf persönlichen Verkehr geregelt wird. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 274 - 1 Der Vater und die Mutter haben alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum anderen Elternteil beeinträchtigt oder die Aufgabe der erziehenden Person erschwert.334 |
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1 | Der Vater und die Mutter haben alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum anderen Elternteil beeinträchtigt oder die Aufgabe der erziehenden Person erschwert.334 |
2 | Wird das Wohl des Kindes durch den persönlichen Verkehr gefährdet, üben die Eltern ihn pflichtwidrig aus, haben sie sich nicht ernsthaft um das Kind gekümmert oder liegen andere wichtige Gründe vor, so kann ihnen das Recht auf persönlichen Verkehr verweigert oder entzogen werden. |
3 | Haben die Eltern der Adoption ihres Kindes zugestimmt oder kann von ihrer Zustimmung abgesehen werden, so erlischt das Recht auf persönlichen Verkehr, sobald das Kind zum Zwecke künftiger Adoption untergebracht wird. |
BGE 119 II 201 S. 205
abgesprochen werden; solche liegen vor, wenn die ungestörte körperliche, seelische oder sittliche Entfaltung der Kinder durch ein auch nur begrenztes Zusammensein mit dem nichtobhutsberechtigten Elternteil bedroht ist, und dieser Bedrohung nicht durch geeignete Massnahmen begegnet werden kann (BGE 107 II 302 E. 4; HEGNAUER, Grundriss des Kindesrechts, 3. Aufl. Bern 1989, S. 127 N. 19.20; HINDERLING, a.a.O., S. 106). Beim Entscheid hierüber sind die gesamten Umstände zu berücksichtigen, in ihrem Zusammenspiel zu würdigen und gegeneinander abzuwägen (BÜHLER/SPÜHLER, N. 66 zu Art. 156
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 273 - 1 Eltern, denen die elterliche Sorge oder Obhut nicht zusteht, und das minderjährige Kind haben gegenseitig Anspruch auf angemessenen persönlichen Verkehr.332 |
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1 | Eltern, denen die elterliche Sorge oder Obhut nicht zusteht, und das minderjährige Kind haben gegenseitig Anspruch auf angemessenen persönlichen Verkehr.332 |
2 | Die Kindesschutzbehörde kann Eltern, Pflegeeltern oder das Kind ermahnen und ihnen Weisungen erteilen, wenn sich die Ausübung oder Nichtausübung des persönlichen Verkehrs für das Kind nachteilig auswirkt oder wenn eine Ermahnung oder eine Weisung aus anderen Gründen geboten ist. |
3 | Der Vater oder die Mutter können verlangen, dass ihr Anspruch auf persönlichen Verkehr geregelt wird. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 274 - 1 Der Vater und die Mutter haben alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum anderen Elternteil beeinträchtigt oder die Aufgabe der erziehenden Person erschwert.334 |
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1 | Der Vater und die Mutter haben alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum anderen Elternteil beeinträchtigt oder die Aufgabe der erziehenden Person erschwert.334 |
2 | Wird das Wohl des Kindes durch den persönlichen Verkehr gefährdet, üben die Eltern ihn pflichtwidrig aus, haben sie sich nicht ernsthaft um das Kind gekümmert oder liegen andere wichtige Gründe vor, so kann ihnen das Recht auf persönlichen Verkehr verweigert oder entzogen werden. |
3 | Haben die Eltern der Adoption ihres Kindes zugestimmt oder kann von ihrer Zustimmung abgesehen werden, so erlischt das Recht auf persönlichen Verkehr, sobald das Kind zum Zwecke künftiger Adoption untergebracht wird. |
BGE 119 II 201 S. 206
leidet ausserdem insofern an einem inneren Widerspruch, als sich ihm nicht entnehmen lässt, ob und allenfalls durch welche Massnahmen sich das bestehende Gefahrenmoment dauerhaft beseitigen liesse; die von der Klägerin geforderte Psychotherapie für den Beklagten hat das Obergericht mit der blossen, durch nichts belegten Annahme abgetan, es sei fraglich, ob damit überhaupt ein Erfolg garantiert werden könne. Obwohl die Vorinstanz selber von einem begründeten Verdacht ausgegangen ist, hat sie überdies der Forderung der Klägerin entgegengehalten, es sei nicht eindeutig bewiesen, dass der Beklagte M. effektiv sexuell missbraucht habe. Als völlig ungenügend erweist sich aber auch die an den Beklagten gerichtete Empfehlung, durch eine Therapie oder auf andere Weise zu bestätigen, dass er das für die Ausübung eines uneingeschränkten Besuchsrechts notwendige Vertrauen auch wirklich verdiene. Denn wo so hochwertige Güter wie die seelische Gesundheit und sittliche Unversehrtheit von Kindern auf dem Spiele stehen, bedarf es keiner besonders grossen Wahrscheinlichkeit ihrer Verletzung, um statt blosser Beschränkung eine vollständige Aufhebung des Besuchsrechts zu rechtfertigen (BGE 89 II 8). Sollte daher die Gefährdung durch geeignete andere Massnahmen als die Ausübung des Besuchsrechts unter Aufsicht nicht ausgeschlossen werden können, so wäre dem Beklagten jegliches Besuchsrecht zu versagen. Von entscheidender Bedeutung ist sodann, dass das Kindeswohl nach den Erwägungen des Obergerichts bei der Ausübung des Besuchsrechts auch durch das gegenseitige Verhalten der Parteien gefährdet ist; der Beklagte habe erwiesenermassen physische und psychische Probleme, befinde sich seit längerer Zeit in ärztlicher Behandlung, während die Klägerin ihr Vertrauen in den Beklagten - das Obergericht spricht sinnigerweise vom Angeklagten - verloren habe und in bezug auf das Besuchsrecht voller Angst sei; dieses gefährdete Vertrauensverhältnis der Parteien selbst verunsichere die noch kleinen Kinder und bringe sie in einen Loyalitätskonflikt. Unter diesen Umständen ist die Auflage, das Besuchsrecht nur unter Aufsicht auszuüben, entgegen der Auffassung des Obergerichts in keiner Weise geeignet, das stark gefährdete, das Kindeswohl beeinträchtigende Vertrauensverhältnis aufzufangen und zu verbessern. Dafür bedarf es anderer Massnahmen als der Anwesenheit Dritter. Das Obergericht hat jedoch keine anderen Massnahmen angeordnet; und solche vermöchten im übrigen die an die Klägerin gerichtete Aufforderung, alles zu unterlassen, was das Verhältnis der Kinder zum Beklagten beeinträchtigen könnte, nicht zu ersetzen.
BGE 119 II 201 S. 207
4. Der Entscheid des Obergerichts ist demnach aufzuheben, soweit er die Regelung des Besuchsrechts betrifft (Ziffer 3 und 4). Die Sache ist zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Diese wird abzuklären haben, ob und durch welche Massnahmen den aufgrund der vorliegenden Erwägungen das Kindeswohl wesentlich beeinträchtigenden Umständen wirksam und dauerhaft begegnet werden kann; alsdann wird das Obergericht erneut darüber entscheiden müssen, ob und allenfalls unter welchen Auflagen dem Beklagten ein Besuchsrecht gewährt werden darf. Die Vorinstanz wird ausserdem darauf zu achten haben, dass durch ihren Entscheid eine endgültige und dauernde Ordnung getroffen wird. Solange das Kindeswohl durch den persönlichen Verkehr mit dem Beklagten weiterhin ernstlich gefährdet sein sollte, und dieser Gefahr durch geeignete Massnahmen nicht wirksam und dauerhaft begegnet werden kann, müsste die Einräumung eines Besuchsrechts verweigert werden.