117 Ib 325
39. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 10. Juni 1991 i.S. Eidgenössisches Departement des Innern gegen Kantonalbank von Appenzell A.Rh. und Regierungsrat des Kantons Appenzell A.Rh. (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste (de):
- Rodungsbewilligung; Interessenabwägung und Pflicht zur Koordination der Verfahren.
- 1. Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen einen Teilentscheid (E. 1).
- 2. a) Voraussetzungen für die Erteilung einer Rodungsbewilligung, Art. 26
FPolV (E. 2).
- b) Die Interessenabwägung nach Art. 25
FPolV muss umfassend sein und von der nämlichen Behörde ausgehen (E. 2a).
- c) Bei der Erteilung einer Rodungsbewilligung ist die Koordination mit den übrigen, nach kantonalem und eidgenössischem Recht notwendigen Bewilligungsverfahren sicherzustellen (E. 2b).
Regeste (fr):
- Autorisation de défrichement; pesée des intérêts et devoir de coordonner les procédures.
- 1. Recevabilité du recours de droit administratif contre une décision partielle (consid. 1).
- 2. a) Conditions pour l'octroi d'une autorisation de défrichement, art. 26 OFor (consid. 2).
- b) La pesée des intérêts selon l'art. 26 OFor doit être étendue et opérée par la même autorité (consid. 2a).
- c) L'octroi d'une autorisation de défrichement implique l'obligation d'assurer la coordination avec les autres procédures d'autorisation requises par le droit cantonal et fédéral (consid. 2b).
Regesto (it):
- Permesso di dissodamento; ponderazione degli interessi e obbligo di coordinare le procedure.
- 1. Ammissibilità del ricorso di diritto amministrativo contro una decisione parziale (consid. 1).
- 2. a) Condizioni per il rilascio di un permesso di dissodamento, art. 26 OVPF (consid. 2).
- b) La ponderazione degli interessi secondo l'art. 26 OVPF dev'essere esauriente ed effettuata dalla stessa autorità (consid. 2a).
- c) Il rilascio di un permesso di dissodamento comporta l'obbligo di garantire il coordinamento con le altre procedure autorizzative richieste dal diritto cantonale e federale (consid. 2b).
Sachverhalt ab Seite 326
BGE 117 Ib 325 S. 326
Am 5. Juli 1990 stellte die Kantonalbank Appenzell A.Rh. beim Regierungsrat des Kantons Appenzell A.Rh. ein Gesuch um Rodung einer Fläche von 2850 m2 Wald auf dem Grundstück Kat. Nr. 1605 in der Walke in der Gemeinde Herisau. Das Grundstück liegt gemäss dem Gemeindezonenplan in der Industriezone. Die Gesuchstellerin beabsichtigt, in der Walke drei Gewerbetrakte zu erstellen. Für den Trakt C, der in den Bereich der betreffenden Rodungsfläche zu stehen kommt, wurde bei der Gemeinde ein Baugesuch eingereicht. Der Regierungsrat fasste am 20. November 1990 folgenden Beschluss: "1. Dem Rodungsgesuch der Appenzell-Ausserrhodischen Kantonalbank mit einer Rodungsfläche von ca. 2850 m2 wird dem Grundsatze nach entsprochen. 2. Die Justizdirektion wird beauftragt, auf besonderen Antrag der Gesuchstellerin die Einzelheiten (Fristen, Ersatzaufforstung) zu regeln. 3. Die Gesuchstellerin darf vor diesem Entscheid der Justizdirektion von der Bewilligung nicht Gebrauch machen."
Das Bundesgericht heisst die gegen diesen Entscheid erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde des Eidgenössischen Departements des Innern gut.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1. a) Der angefochtene Entscheid des Regierungsrates des Kantons Appenzell A.Rh. ist in Anwendung von Art. 25bis Abs. 1 lit. b
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BGE 117 Ib 325 S. 327
b) Der Regierungsrat hat mit dem angefochtenen Entscheid dem Rodungsgesuch "dem Grundsatze nach" entsprochen und die Justizdirektion beauftragt, die Einzelheiten zu regeln. Das kantonale Verfahren ist demnach noch nicht abgeschlossen. Gemäss der bundesgerichtlichen Praxis handelt es sich allerdings nicht um einen Zwischen-, sondern um einen Teilentscheid, mit welchem über einen Grundsatzaspekt des Streitgegenstandes entschieden wurde. Ein derartiger Teilentscheid ist im gleichen Verfahren wie eine Endverfügung anfechtbar (vgl. dazu BGE 107 Ib 343 E. 1 mit Hinweisen; FRITZ GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Auflage, Bern 1983 S. 140/141). Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist daher einzutreten.
2. Gemäss Art. 31 Abs. 1
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BGE 117 Ib 325 S. 328
gebührend Rechnung zu tragen (Art. 26 Abs. 4
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SR 700 Bundesgesetz vom 22. Juni 1979 über die Raumplanung (Raumplanungsgesetz, RPG) - Raumplanungsgesetz RPG Art. 24 Ausnahmen für Bauten und Anlagen ausserhalb der Bauzonen - Abweichend von Artikel 22 Absatz 2 Buchstabe a können Bewilligungen erteilt werden, Bauten und Anlagen zu errichten oder ihren Zweck zu ändern, wenn: |
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a | der Zweck der Bauten und Anlagen einen Standort ausserhalb der Bauzonen erfordert; und |
b | keine überwiegenden Interessen entgegenstehen. |
BGE 117 Ib 325 S. 329
Einzelfragen separaten Verfahren vorbehalten werden. Wird bei der Beurteilung einer Rodungsbewilligung in Missachtung des Grundsatzes der umfassenden Interessenabwägung durch die nämliche Behörde ein wesentlicher Gesichtspunkt ausser acht gelassen, so liegt darin in der Regel nicht nur eine unvollständige Sachverhaltsfeststellung, sondern auch eine Verletzung von Art. 26
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b) Zu diesen Überlegungen kommt noch ein weiterer Punkt hinzu. Die bundesgerichtliche Rechtsprechung lässt es zwar zu, dass über ein Rodungsgesuch, dem für die Erstellung einer im Wald geplanten Anlage vorrangige Bedeutung zukommt, vorweg entschieden wird (BGE 114 Ib 230 f. E. 8). Dies ist namentlich dann möglich, wenn von vornherein aufgrund eines zureichend abgeklärten Sachverhaltes klar feststeht, dass die geltend gemachten Interessen das gesetzliche Walderhaltungsgebot nicht zu überwiegen vermögen (vgl. BGE 113 Ib 153 f., nicht publiziertes Urteil des Bundesgerichts vom 24. Mai 1989 i.S. Stadtgemeinde Ilanz E. 4a). Wird eine Rodungsbewilligung in Erwägung gezogen, wie sie die Beschwerdegegnerin verlangt, so hat jedoch notwendigerweise eine Abstimmung mit den übrigen Behörden zu erfolgen, welche für die Erteilung der weiteren Bewilligungen zuständig sind. Im vorliegenden Fall bedarf das Vorhaben der Beschwerdegegnerin neben der Rodungsbewilligung noch verschiedener weiterer Bewilligungen nach kantonalem und gegebenenfalls auch nach eidgenössischem Recht (je nach Nutzungsart der geplanten Bauten evtl. Abklärung der UVP-Pflicht, vgl. Ziff. 7 Anhang der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung vom 19. Oktober 1988, UVPV, evtl. Ausnahmenbewilligungen, Baubewilligung etc.). Soll unter diesen Umständen eine Rodungsbewilligung vorweg, d.h. vor Erteilung der anderen Bewilligungen erteilt werden, so ist die Koordination mit den übrigen, nach kantonalem oder eidgenössischem Recht notwendigen Bewilligungsverfahren sicherzustellen. Dies setzt den Einbezug sämtlicher im Rahmen der übrigen Bewilligungsverfahren zu berücksichtigenden Interessen voraus; namentlich bedürfen die raumplanungs- sowie umwelt- und gewässerschutzrechtlichen Fragen einer eingehenden Prüfung. Dabei genügt nicht allein die materielle Berücksichtigung dieser Belange, die erforderliche Koordination ist vielmehr durch den
BGE 117 Ib 325 S. 330
formellen Einbezug der zuständigen Behörden in das Verfahren der Rodungsbewilligung sicherzustellen. Die zuständigen Verwaltungsbehörden haben im Verfahrensverlauf dafür zu sorgen, dass sowohl in materiellrechtlicher als auch in verfahrensmässiger Hinsicht eine Lösung gefunden wird, bei welcher alle in Frage stehenden Regeln möglichst gleichzeitig und vollumfänglich zum Zuge kommen und überdies die auf das zu beurteilende Projekt anwendbaren kantonalen Normen gebührend berücksichtigt werden (116 Ib 329 f.; ferner nicht publizierter Entscheid vom 24. Mai 1989 i.S. Stadtgemeinde Ilanz, E. 4c, d). An einer derartigen Koordination fehlt es aber im vorliegenden Fall vollumfänglich.