116 II 422
78. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 19. September 1990 i.S. M. gegen D. (Berufung)
Regeste (de):
- Art. 58 OR. Werkeigentümerhaftung.
- Werkmangel bejaht bei einem sog. "Plauschbad", wo die bauliche Anlage und das Betriebskonzept jugendliche Badegäste dazu verleitet, an einer gefährlichen Stelle ins Wasser zu springen, und wo die Werkeigentümerin trotz erkannter Gefahr keine zumutbaren Schutzvorkehren trifft (E. 1 und 2). Bedeutung des Selbstverschuldens für den Kausalzusammenhang (E. 3) und die Bemessung des Schadenersatzes; Verschuldenskompensation (E. 4).
Regeste (fr):
- Art. 58 CO. Responsabilité du propriétaire d'ouvrage.
- Défaut de l'ouvrage admis dans le cas d'une piscine d'amusement ("Plauschbad") dont la conception et les installations permettent à de jeunes baigneurs de sauter dans l'eau depuis une position dangereuse et dont le propriétaire, en dépit d'un danger reconnu, ne prend aucune mesure de protection raisonnable (consid. 1 et 2). Signification de la faute propre pour le lien de causalité (consid. 3) et pour la détermination des dommages-intérêts; compensation des fautes (consid. 4).
Regesto (it):
- Art. 58 CO. Responsabilità del proprietario di un'opera.
- Vizio dell'opera ammesso con riferimento a una piscina di divertimento ("Plauschbad") la cui concezione e le cui installazioni permettono a giovani bagnanti di saltare nell'acqua da una posizione pericolosa, senza che il proprietario, pur edotto del rischio, adotti misure di protezione ragionevoli (consid. 1, 2). Rilevanza della colpa propria per il nesso di causalità (consid. 3) e per la determinazione del risarcimento del danno; compensazione di colpa (consid. 4).
Sachverhalt ab Seite 423
BGE 116 II 422 S. 423
A.- Im Wellenbad S. in A., das der M. St. Gallen gehört, sprang der damals fünfzehnjährige D. am 5. Februar 1987 am südlichen Bassinrand aus 1,3 m Höhe kopfvoran in das 1,6 m tiefe Wasser. Er zog sich dabei eine Querschnittläsion zu und ist seither Tetraplegiker.
B.- Am 5. Juli 1988 erhob D. beim Bezirksgericht Gossau gegen die Werkeigentümerin Teilklage auf Zahlung von Fr. 35'786.90 Schadenersatz, entsprechend den wegen Selbstverschuldens um 25% reduzierten, durch die IV nicht gedeckten Kosten für ein Auto mit Rollstuhlausbau, für die invalidengerechte Ausgestaltung der elterlichen Liegenschaft und für einen Personalcomputer, zu dessen Bedienung die motorischen Funktionen des Klägers noch ausreichten. Das Bezirksgericht reduzierte die Ersatzforderung wegen Selbstverschuldens um einen Drittel und schützte die Klage für Fr. 31'810.55 nebst Zins. Auf Berufung der Beklagten hin bestätigte das Kantonsgericht St. Gallen am 10. Januar 1990 das erstinstanzliche Urteil. Die Beklagte führt gegen den Entscheid des Kantonsgerichts erfolglos Berufung beim Bundesgericht.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1. Gemäss Art. 58 Abs. 1
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SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 58 - 1 Der Eigentümer eines Gebäudes oder eines andern Werkes hat den Schaden zu ersetzen, den diese infolge von fehlerhafter Anlage oder Herstellung oder von mangelhafter Unterhaltung verursachen. |
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1 | Der Eigentümer eines Gebäudes oder eines andern Werkes hat den Schaden zu ersetzen, den diese infolge von fehlerhafter Anlage oder Herstellung oder von mangelhafter Unterhaltung verursachen. |
2 | Vorbehalten bleibt ihm der Rückgriff auf andere, die ihm hierfür verantwortlich sind. |
BGE 116 II 422 S. 424
Wohl darf der Werkeigentümer mit einem vernünftigen und dem allgemeinen Durchschnitt entsprechenden vorsichtigen Verhalten der Benützer des Werkes rechnen und braucht geringfügige Mängel, die bei solchem Verhalten normalerweise nicht Anlass zu Schädigungen geben, nicht zu beseitigen (OFTINGER/STARK, a.a.O., S. 209 f. Rz. 81 mit zahlreichen Hinweisen). Schaffen indessen wie im vorliegenden Fall die Konzeption und Zweckbestimmung der Anlage, der vom Werkeigentümer angesprochene Kreis der Benützer und das von einem Teil dieser Benützer zu erwartende unvernünftige Verhalten einen gefährlichen Zustand, kann sich der Werkeigentümer entgegen der Auffassung der Beklagten nicht darauf berufen, bei vernünftiger Benützung liege kein oder nur ein geringfügiger Mangel vor. Sind solche Umstände gegeben, ist vielmehr alles Zumutbare vorzukehren, damit sich die Gefahr nicht verwirklicht. Allein der Umstand, dass Badeunfälle einen grossen Teil aller Sportunfälle ausmachen, zeigt, dass gerade Badeanstalten nicht zu unterschätzende Gefahren bergen, denen es zum Schutz der Badegäste mit allen Mitteln zu begegnen gilt, sofern sich diese im Rahmen des wirtschaftlich und technisch Zumutbaren bewegen. Fehlt es an zumutbaren Schutzvorkehren, so liegt ein Werkmangel vor, für den der Werkeigentümer nach Art. 58
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SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 58 - 1 Der Eigentümer eines Gebäudes oder eines andern Werkes hat den Schaden zu ersetzen, den diese infolge von fehlerhafter Anlage oder Herstellung oder von mangelhafter Unterhaltung verursachen. |
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1 | Der Eigentümer eines Gebäudes oder eines andern Werkes hat den Schaden zu ersetzen, den diese infolge von fehlerhafter Anlage oder Herstellung oder von mangelhafter Unterhaltung verursachen. |
2 | Vorbehalten bleibt ihm der Rückgriff auf andere, die ihm hierfür verantwortlich sind. |
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SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 41 - 1 Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet. |
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1 | Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet. |
2 | Ebenso ist zum Ersatze verpflichtet, wer einem andern in einer gegen die guten Sitten verstossenden Weise absichtlich Schaden zufügt. |
2. In der Berufung gibt die Beklagte das angefochtene Urteil unvollständig wieder. Das Kantonsgericht begnügt sich keineswegs mit der Feststellung, der Mangel habe darin bestanden,
BGE 116 II 422 S. 425
dass an der Einsprungstelle keine Verbotstafel angebracht gewesen sei. a) Aufgrund von Augenscheinen stellt die Vorinstanz, die für den Sachverhalt ergänzend auf den erstinstanzlichen Entscheid verweist, in tatsächlicher Hinsicht für das Bundesgericht vorbehältlich der Ausnahmen von Art. 63 Abs. 2
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SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 41 - 1 Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet. |
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1 | Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet. |
2 | Ebenso ist zum Ersatze verpflichtet, wer einem andern in einer gegen die guten Sitten verstossenden Weise absichtlich Schaden zufügt. |
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SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 41 - 1 Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet. |
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1 | Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet. |
2 | Ebenso ist zum Ersatze verpflichtet, wer einem andern in einer gegen die guten Sitten verstossenden Weise absichtlich Schaden zufügt. |
BGE 116 II 422 S. 426
betrachtet ist das 28 cm hohe Hindernis knapp 1 m breit, von der Nische her betrachtet knapp 1 m tief. bb) Den festgestellten Tatsachen widersprechend und damit unzulässig (Art. 55 Abs. 1 lit. c
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SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 41 - 1 Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet. |
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1 | Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet. |
2 | Ebenso ist zum Ersatze verpflichtet, wer einem andern in einer gegen die guten Sitten verstossenden Weise absichtlich Schaden zufügt. |
BGE 116 II 422 S. 427
durch eine Abschrankung oder dadurch, dass die Umfassung des Pflanzentrogs statt mit Keramikplatten mit spitzen Steinen, die nicht zum Daraufstehen eingeladen hätten, belegt worden wäre. Das Fehlen derartiger, für die Beklagte ohne weiteres zumutbarer Massnahmen stellte in Anbetracht der baulichen Anlage, des freiheitlichen Betriebskonzepts, der jugendlichen Benützer und der Tatsache der erkannten Gefahr einen erheblichen Werkmangel dar, für den die Beklagte als Werkeigentümerin einzustehen hat. Ein gewisses, freilich mit grosser Zurückhaltung zu bewertendes Indiz dafür, dass die Beklagte ihre Anlage selbst als mangelhaft anerkennt, ergibt sich aus der vorinstanzlichen Feststellung, dass an der Unfallstelle nachträglich ein - entsprechend der "Plauschphilosophie" - diskretes Hinweisschildchen mit der Aufschrift "Hier springen wir nicht hinein" angebracht und ein Seil gespannt worden sei (OFTINGER/STARK, a.a.O., S. 212 Rz. 85 mit zahlreichen Hinweisen auf die Rechtsprechung in Fn. 310).
3. Wurden jugendliche Badegäste durch die bauliche Anlage und das Betriebskonzept der Beklagten dazu verleitet, an der fraglichen Stellen ins Wasser zu springen, so ist das Verhalten des Klägers entgegen den Berufungsvorbringen nicht derart abwegig und unvernünftig, dass der Werkmangel als Unfallursache völlig in den Hintergrund gedrängt würde und nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der Lebenserfahrung nicht mehr als adäquate Schadensursache erschiene (BGE 108 II 54 E. 3 mit Hinweisen).
4. Ebenso unbegründet ist das in der Berufung gestellte Eventualbegehren, das Selbstverschulden des Klägers gestützt auf Art. 44 Abs. 1
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SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 44 - 1 Hat der Geschädigte in die schädigende Handlung eingewilligt, oder haben Umstände, für die er einstehen muss, auf die Entstehung oder Verschlimmerung des Schadens eingewirkt oder die Stellung des Ersatzpflichtigen sonst erschwert, so kann der Richter die Ersatzpflicht ermässigen oder gänzlich von ihr entbinden. |
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1 | Hat der Geschädigte in die schädigende Handlung eingewilligt, oder haben Umstände, für die er einstehen muss, auf die Entstehung oder Verschlimmerung des Schadens eingewirkt oder die Stellung des Ersatzpflichtigen sonst erschwert, so kann der Richter die Ersatzpflicht ermässigen oder gänzlich von ihr entbinden. |
2 | Würde ein Ersatzpflichtiger, der den Schaden weder absichtlich noch grobfahrlässig verursacht hat, durch Leistung des Ersatzes in eine Notlage versetzt, so kann der Richter auch aus diesem Grunde die Ersatzpflicht ermässigen. |
BGE 116 II 422 S. 428
die Tatsache ausgeschlossen, dass ein Werkmangel vorlag, an dem die Beklagte, die nach den vorinstanzlichen Feststellungen trotz erkannter Gefahr keine Schutzvorkehren getroffen und das Bad nur lückenhaft überwacht hat (BGE 113 II 427 f. E. 1c; WEBER, a.a.O., S. 71 und 86), zusätzlich auch ein Verschulden trifft, welches das Selbstverschulden des Klägers zu einem grossen Teil kompensiert. Praxisgemäss findet bei leichtem Verschulden eine Reduktion um einen Viertel bis zu einem Drittel statt (BGE 106 II 212 E. 3, BGE 103 II 246 E. 5, BGE 91 II 212 E. 5c, BGE 60 II 348 E. 5; vgl. auch die Zusammenstellung bei BREHM, N 29 zu Art. 44
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SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 44 - 1 Hat der Geschädigte in die schädigende Handlung eingewilligt, oder haben Umstände, für die er einstehen muss, auf die Entstehung oder Verschlimmerung des Schadens eingewirkt oder die Stellung des Ersatzpflichtigen sonst erschwert, so kann der Richter die Ersatzpflicht ermässigen oder gänzlich von ihr entbinden. |
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1 | Hat der Geschädigte in die schädigende Handlung eingewilligt, oder haben Umstände, für die er einstehen muss, auf die Entstehung oder Verschlimmerung des Schadens eingewirkt oder die Stellung des Ersatzpflichtigen sonst erschwert, so kann der Richter die Ersatzpflicht ermässigen oder gänzlich von ihr entbinden. |
2 | Würde ein Ersatzpflichtiger, der den Schaden weder absichtlich noch grobfahrlässig verursacht hat, durch Leistung des Ersatzes in eine Notlage versetzt, so kann der Richter auch aus diesem Grunde die Ersatzpflicht ermässigen. |