114 IV 154
43. Urteil des Kassationshofes vom 16. November 1988 i.S. M. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste (de):
- Art. 91 Abs. 3
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 91 - 1 Mit Busse wird bestraft, wer:
- Der Fahrzeugführer, der seinen Wagen nach einem folgenlos gebliebenen Schleudermanöver parkiert und sich zu Fuss davonmacht, weil er wegen seines von der Polizei beobachteten Schleuderns eine Kontrolle befürchtet, erfüllt nicht den Tatbestand der Vereitelung einer Blutprobe. Der Fahrzeugführer ist in dieser Situation mangels Eintritts eines Drittschadens nicht verpflichtet, die Polizei zu benachrichtigen bzw. sich ihr zur Verfügung zu halten und darf seine Flucht zu Fuss fortsetzen, auch wenn er merkt, dass er von einem Polizeibeamten verfolgt wird.
Regeste (fr):
- Art. 91 al. 3 LCR. Entrave à la prise de sang.
- Le conducteur qui, après un dérapage sans conséquences, parque son véhicule et s'éloigne à pied, parce qu'il craint le contrôle de la police, qui a observé le dérapage, ne se rend pas coupable d'entrave à la prise de sang. Le conducteur, dans cette situation, faute d'un dommage causé à un tiers, n'a en effet pas l'obligation d'aviser la police, ni de se tenir à disposition de celle-ci. Il peut donc continuer à fuir à pied, même s'il remarque qu'il est poursuivi par un policier.
Regesto (it):
- Art. 91 cpv. 3 LCS. Elusione della prova del sangue.
- Il conducente il quale, dopo che il suo veicolo è sbandato senza conseguenze, lo parcheggia e si allontana a piedi perché teme un controllo da parte della polizia che aveva osservato lo sbandamento, non si rende colpevole di elusione della prova del sangue. Infatti, in tale situazione, in assenza di un danno causato a terzi, il conducente non ha l'obbligo di avvisare la polizia e di tenersi a disposizione di quest'ultima. Egli può quindi proseguire la sua fuga a piedi, anche se sa d'essere inseguito da un agente di polizia.
Sachverhalt ab Seite 155
BGE 114 IV 154 S. 155
A.- M. fuhr in der Nacht vom 19. auf den 20. März 1987, zwischen 02.00 und 02.30 Uhr, mit einem PW Opel Kadett in Begleitung des angetrunkenen Fahrzeughalters A. und dessen Freundin S. von Kreuzlingen, wo er zwischen 21.00 und 02.00 Uhr in zwei Lokalen Weisswein getrunken hatte, nach Frauenfeld. Als er vom Schlossplatz in Frauenfeld in Richtung Kreuzplatz fuhr, liess er den Motor hochdrehen. Durch den dadurch verursachten Lärm wurde eine Polizeipatrouille, die gerade einen Personenwagen kontrollierte, auf den daherkommenden PW Opel Kadett aufmerksam. Dieser geriet auf dem mit Schneematsch bedeckten Kreuzplatz ins Schleudern, fuhr auf das rechte Trottoir, überquerte schleudernd die Fahrbahn und das linke Trottoir und kam auf dem trockenen Vorplatz vor einem Ladengeschäft zum Stehen. M. fuhr weiter, bog nach links in die Kesselstrasse ein und stellte den Wagen auf seinem Parkfeld in einem Hinterhof ab. Er hatte auf der Fahrt zum Kreuzplatz die Polizeipatrouille, die dort einen andern PW kontrollierte, gesehen und wusste, dass die Polizeibeamten sein Schleudermanöver hatten mitverfolgen können. Er machte sich zu Fuss davon und liess den angetrunkenen Fahrzeughalter und dessen Freundin im parkierten Wagen zurück. Als der Polizeibeamte X. wenig später mit dem Polizeifahrzeug beim Parkplatz eintraf, war M. bereits verschwunden. Der darüber per Funk verständigte Polizeibeamte Z., der auf dem Kreuzplatz geblieben war, verfolgte zu Fuss einen davonrennenden Mann, konnte diesen aber nicht einholen. Die Fahrzeuginsassen A. und S. weigerten sich bis zum Vormittag des 20. März 1987, den Namen des Fahrzeuglenkers anzugeben.
B.- Das Obergericht des Kantons Thurgau sprach M. am 9. Juni 1988 in Bestätigung des Entscheides des Bezirksgerichts Frauenfeld vom 8. Januar 1988 der Vereitelung einer Blutprobe (Art. 91 Abs. 3

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 91 - 1 Mit Busse wird bestraft, wer: |

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 90 - 1 Mit Busse wird bestraft, wer Verkehrsregeln dieses Gesetzes oder der Vollziehungsvorschriften des Bundesrates verletzt. |

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 31 - 1 Der Führer muss das Fahrzeug ständig so beherrschen, dass er seinen Vorsichtspflichten nachkommen kann. |

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 32 - 1 Die Geschwindigkeit ist stets den Umständen anzupassen, namentlich den Besonderheiten von Fahrzeug und Ladung, sowie den Strassen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen. Wo das Fahrzeug den Verkehr stören könnte, ist langsam zu fahren und nötigenfalls anzuhalten, namentlich vor unübersichtlichen Stellen, vor nicht frei überblickbaren Strassenverzweigungen sowie vor Bahnübergängen. |

SR 741.11 Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962 (VRV) VRV Art. 33 Vermeiden von Lärm - (Art. 42 Abs. 1 SVG) |
|
a | unnötiges Vorwärmen und Laufenlassen des Motors stillstehender Fahrzeuge; |
b | hohe Drehzahlen des Motors im Leerlauf oder beim Fahren in niedrigen Gängen; |
c | zu schnelles Beschleunigen des Fahrzeugs, namentlich beim Anfahren; |
d | fortgesetztes unnötiges Herumfahren in Ortschaften; |
e | Verursachen von vermeidbarem Lärm der Auspuffanlage, insbesondere das Erzeugen von Knallgeräuschen durch Schalten oder abrupte Gaswegnahme; |
f | unsorgfältiges Beladen und Entladen von Fahrzeugen; |
g | Zuschlagen von Wagentüren, Motorhauben, Kofferdeckeln und dergleichen; |
h | Störungen durch Tonwiedergabegeräte, die im Fahrzeug eingebaut sind oder mitgeführt werden. |
BGE 114 IV 154 S. 156
ihn deswegen zu einer Gefängnisstrafe von 14 Tagen, bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von drei Jahren, sowie zu einer Busse von Fr. 750.--.
C.- Der Verurteilte führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der Entscheid des Obergerichts des Kantons Thurgau sei aufzuheben und die Sache sei zu seiner Freisprechung vom Vorwurf der Vereitelung einer Blutprobe an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau beantragt in ihrer Vernehmlassung unter Hinweis auf die Akten, die Anklageschrift und die Urteile der ersten und der zweiten Instanz die Abweisung der Nichtigkeitsbeschwerde.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Gemäss Art. 91 Abs. 3

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 91 - 1 Mit Busse wird bestraft, wer: |
BGE 114 IV 154 S. 157
er diese Massnahme vereitelte, aus nachstehenden Gründen nicht den Tatbestand von Art. 91 Abs. 3

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 91 - 1 Mit Busse wird bestraft, wer: |
2. a) Der Kassationshof hat seine Rechtsprechung betreffend die Vereitelung einer Blutprobe durch Unterlassen der Unfallmeldung in BGE 109 IV 137 unter anderem dahingehend präzisiert, dass der objektive Tatbestand von Art. 91 Abs. 3

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 91 - 1 Mit Busse wird bestraft, wer: |

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 51 - 1 Ereignet sich ein Unfall, an dem ein Motorfahrzeug oder Fahrrad beteiligt ist, so müssen alle Beteiligten sofort anhalten. Sie haben nach Möglichkeit für die Sicherung des Verkehrs zu sorgen. |

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 91 - 1 Mit Busse wird bestraft, wer: |

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 91 - 1 Mit Busse wird bestraft, wer: |

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 91 - 1 Mit Busse wird bestraft, wer: |

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BGE 114 IV 154 S. 158
Grund, in diesen Fällen - anders als beim Wegfahren nach einem Unfall mit Drittschaden ohne Benachrichtigung des Geschädigten bzw. der Polizei - die Wegfahrt als die massgebende Tathandlung zu betrachten. Indem der Beschwerdeführer, nachdem der PW Opel Kadett nach dem Schleudermanöver auf dem trockenen Vorplatz vor einem Ladengeschäft zum Stehen gekommen war, die Fahrt fortsetzte, den Wagen auf seinem nahe gelegenen Parkfeld parkierte und sich zu Fuss davonmachte, hielt er sich, ähnlich einem Fahrzeuglenker, der nach einem Unfall ohne Benachrichtigung des Geschädigten bzw. der Polizei die Flucht ergreift und/ oder sich versteckt, der Polizei nicht für allfällige Abklärungen zur Verfügung. Der objektive Tatbestand von Art. 91 Abs. 3

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 91 - 1 Mit Busse wird bestraft, wer: |

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 27 - 1 Signale und Markierungen sowie die Weisungen der Polizei sind zu befolgen. Die Signale und Markierungen gehen den allgemeinen Regeln, die Weisungen der Polizei den allgemeinen Regeln, Signalen und Markierungen vor. |
BGE 114 IV 154 S. 159
d) Da der Beschwerdeführer somit nicht verpflichtet war, am Ort des Geschehens zu bleiben oder die Polizei zu benachrichtigen bzw. seine Flucht zu Fuss abzubrechen, stellt sein Verhalten, durch das er sich der von ihm befürchteten Kontrolle entzog, keine unter Art. 91 Abs. 3

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 91 - 1 Mit Busse wird bestraft, wer: |