114 II 91
16. Urteil der I. Zivilabteilung vom 24. März 1988 i.S. Parfums Christian Dior SA und Mitbeteiligte gegen Impo Import Parfümerien AG (Berufung)
Regeste (de):
- Unlauterer Wettbewerb. Verletzung von Persönlichkeitsrechten.
- 1. Prüfung des Streitwertes, der von der Vorinstanz ermittelt wird. Anwendbares Recht; Bedeutung des neuen UWG (E. 1).
- 2. Zulässigkeit und Schutz eines selektiven Vertriebssystems, das ausschliesslich auf rechtsgeschäftlichen Bindungen beruht (E. 2). Angebliche Verleitung zu Vertragsbruch und Ausnützung eines solchen: Beweislast gemäss Art. 8
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 8 - Wo das Gesetz es nicht anders bestimmt, hat derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet.
- 3. Art. 1 Abs. 1 aUWG. Die Beeinträchtigung relativer Rechte durch Dritte lässt sich grundsätzlich nicht als widerrechtlich, folglich auch nicht als wettbewerbswidrig ausgeben. Die Verleitung zu Vertragsbruch und die Ausnützung eines solchen können dagegen, wenn besondere Umstände vorliegen, das Verhalten Dritter als unlauter erscheinen lassen. Besondere Umstände im Sinne der Ausnahme (E. 4).
- 4. Umstände, unter denen das Verhalten eines Dritten nicht als wettbewerbswidrig zu bezeichnen ist (E. 5).
- 5. Art. 28
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 28 - 1 Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, kann zu seinem Schutz gegen jeden, der an der Verletzung mitwirkt, das Gericht anrufen.
1 Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, kann zu seinem Schutz gegen jeden, der an der Verletzung mitwirkt, das Gericht anrufen. 2 Eine Verletzung ist widerrechtlich, wenn sie nicht durch Einwilligung des Verletzten, durch ein überwiegendes privates oder öffentliches Interesse oder durch Gesetz gerechtfertigt ist.
Regeste (fr):
- Concurrence déloyale. Violation de droits de la personnalité.
- 1. Examen de la valeur litigieuse déterminée par l'autorité cantonale. Droit applicable; portée de la nouvelle loi sur la concurrence déloyale (consid. 1).
- 2. Licéité et protection d'un système de vente sélectif reposant exclusivement sur des liens contractuels (consid. 2). Moyen tiré de l'incitation à la violation d'un contrat et de l'exploitation d'une telle violation: fardeau de la preuve selon l'art. 8 CC (consid. 3).
- 3. Art. 1er al. 1 aLCD. L'atteinte portée à des droits relatifs par des tiers ne peut en principe être qualifiée d'acte illicite ni, par conséquent, d'acte de concurrence déloyale. L'incitation à la violation d'un contrat et l'exploitation d'une telle violation peuvent en revanche, en cas de circonstances particulières, faire apparaître le comportement de tiers comme déloyal. Circonstances particulières justifiant cette exception (consid. 4).
- 4. Circonstances dans lesquelles le comportement d'un tiers ne peut être qualifié d'acte de concurrence déloyale (consid. 5).
- 5. Art. 28 CC. Cette disposition ne peut fonder des prétentions tirées d'une atteinte à des intérêts purement économiques ni conférer une protection absolue à des droits de créance relatifs (consid. 6).
Regesto (it):
- Concorrenza sleale. Violazione dei diritti della personalità.
- 1. Esame del valore litigioso determinato dall'autorità cantonale. Diritto applicabile; rilevanza della nuova legge sulla concorrenza sleale (consid. 1).
- 2. Liceità e protezione di un sistema di vendita selettivo, fondato esclusivamente su vincoli creati contrattualmente (consid. 2). Preteso incitamento a violare un contratto e sfruttamento di tale violazione: onere della prova secondo l'art. 8 CC (consid. 3).
- 3. Art. 1 cpv. 1 LCSl previgente. Il pregiudizio arrecato da terzi a diritti relativi non può, in linea di principio, essere qualificato come atto illecito né, di conseguenza, come atto di concorrenza sleale. L'incitamento a violare un contratto e lo sfruttamento di tale violazione possono, per converso, ove sussistano circostanze particolari, far apparire come sleale il comportamento di terzi. Circostanze particolari che giustificano questa eccezione (consid. 4).
- 4. Circostanze in cui il comportamento di un terzo non può essere considerato come atto di concorrenza sleale (consid. 5).
- 5. Art. 28 CC. Questa disposizione non può costituire una base per pretese fondate su di un pregiudizio d'interessi meramente economici, né conferire una protezione assoluta a diritti di credito relativi (consid. 6).
Sachverhalt ab Seite 92
BGE 114 II 91 S. 92
A.- Die Parfums Christian Dior SA, Paris, vertreibt seit 1947 Parfums und kosmetische Erzeugnisse, die sie selber herstellt. Ihr Sortiment umfasst heute etwa 550 Markenartikel. Sie bedient sich eines sogenannten selektiven Vertriebssystems für den französischen Markt, bestehend aus einem Netz von ausgewählten Händlern, die ihr gegenüber insbesondere verpflichtet sind, Dior-Erzeugnisse nur an Endverbraucher zu verkaufen. Ihre gleichnamige Zweigniederlassung in Zürich ist für den Vertrieb in der Schweiz verantwortlich. Sie hat hier durch Verträge mit ausersehenen Fachgeschäften ein ähnliches Vertriebsnetz aufgebaut. Diese Geschäfte
BGE 114 II 91 S. 93
sind als Depositäre verpflichtet, Dior-Produkte nur in Detailhandelsmengen und in den Originalpackungen zu verkaufen; Verkäufe an Wiederverkäufer, die für sie erkennbar als solche auftreten, sind ihnen untersagt. Die Impo Import Parfümerien AG, Zürich, besteht seit 1978. Sie handelt mit Parfümerie- und Kosmetikwaren und führt in Zürich, Basel, Bern und Luzern Verkaufsgeschäfte. Sie vertreibt auch Dior-Erzeugnisse, gehört aber nicht zum Vertriebssystem der Herstellerin; sie beschafft sich diese Erzeugnisse auf dem sogenannten grauen Markt.
B.- Im Januar 1986 erwirkten die Parfums Christian Dior SA und ihre schweizerische Filiale eine vorsorgliche Massnahme gegen die Impo Import Parfümerien AG, der damit verboten wurde, in ihrem Geschäft in Luzern Dior-Produkte zu verkaufen; gleichzeitig wurden die Vorräte dieses Geschäftes beschlagnahmt. Im September 1986 sodann klagten die beiden Dior-Firmen gegen die Impo mit den Begehren, der Beklagten bei Strafe zu verbieten, in ihrem Geschäft in Luzern Dior-Produkte anzubieten, zu verkaufen oder dafür zu werben, die beschlagnahmten Erzeugnisse zu vernichten, die Beklagte zu Schadenersatz von mindestens Fr. 10'000.-- nebst Zins zu verurteilen und das Urteil veröffentlichen zu lassen. Sie warfen der Beklagten unlautere Wettbewerbshandlungen und Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte vor. Die Beklagte widersetzte sich diesen Begehren und verlangte insbesondere, dass die beschlagnahmten Produkte freigegeben werden. Mit Urteil vom 20. Oktober 1987 wies das Obergericht des Kantons Luzern die Klage ab und hob die Beschlagnahme auf.
C.- Die Klägerinnen haben gegen dieses Urteil Berufung eingelegt, mit der sie an ihren Rechtsbegehren festhalten; eventuell sei die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Beklagte beantragt, die Berufung abzuweisen und das angefochtene Urteil zu bestätigen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Das Obergericht ist bei der Ermittlung des Streitwertes vom Bruttogewinn ausgegangen, den die Beklagte im Jahr aus dem Handel mit Dior-Produkten erzielte; es hat diesen Gewinn auf Fr. 75'000.-- beziffert und sodann kapitalisiert, was einen Streitwert
BGE 114 II 91 S. 94
von Fr. 1'500'000.-- ergibt. Die Beklagte äussert sich dazu nicht, während die Klägerinnen die ermittelte Summe für übersetzt halten; sie verzichten aber darauf, ihre Auffassung zu begründen, da der für eine Berufung erforderliche Streitwert auf jeden Fall erreicht sei. Gegen die Annahme des Obergerichts ist jedenfalls im Rahmen des Art. 36
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 28 - 1 Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, kann zu seinem Schutz gegen jeden, der an der Verletzung mitwirkt, das Gericht anrufen. |
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1 | Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, kann zu seinem Schutz gegen jeden, der an der Verletzung mitwirkt, das Gericht anrufen. |
2 | Eine Verletzung ist widerrechtlich, wenn sie nicht durch Einwilligung des Verletzten, durch ein überwiegendes privates oder öffentliches Interesse oder durch Gesetz gerechtfertigt ist. |
2. Das selektive Vertriebssystem der Klägerinnen beruht ausschliesslich auf rechtsgeschäftlichen Bindungen, welche die Beteiligten in den Schranken der Vertragsfreiheit an sich selber festlegen können. Solche Bindungen sind jedenfalls solange nicht zu beanstanden, als sie nicht gegen Persönlichkeitsrechte verstossen (Art. 27
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 27 - 1 Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. |
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1 | Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. |
2 | Niemand kann sich seiner Freiheit entäussern oder sich in ihrem Gebrauch in einem das Recht oder die Sittlichkeit verletzenden Grade beschränken. |
SR 251 Bundesgesetz vom 6. Oktober 1995 über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz, KG) - Kartellgesetz KG Art. 6 Gerechtfertigte Arten von Wettbewerbsabreden - 1 In Verordnungen oder allgemeinen Bekanntmachungen können die Voraussetzungen umschrieben werden, unter denen einzelne Arten von Wettbewerbsabreden aus Gründen der wirtschaftlichen Effizienz in der Regel als gerechtfertigt gelten. Dabei werden insbesondere die folgenden Abreden in Betracht gezogen: |
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1 | In Verordnungen oder allgemeinen Bekanntmachungen können die Voraussetzungen umschrieben werden, unter denen einzelne Arten von Wettbewerbsabreden aus Gründen der wirtschaftlichen Effizienz in der Regel als gerechtfertigt gelten. Dabei werden insbesondere die folgenden Abreden in Betracht gezogen: |
a | Abreden über die Zusammenarbeit bei der Forschung und Entwicklung; |
b | Abreden über die Spezialisierung und Rationalisierung, einschliesslich diesbezügliche Abreden über den Gebrauch von Kalkulationshilfen; |
c | Abreden über den ausschliesslichen Bezug oder Absatz bestimmter Waren oder Leistungen; |
d | Abreden über die ausschliessliche Lizenzierung von Rechten des geistigen Eigentums; |
e | Abreden mit dem Zweck, die Wettbewerbsfähigkeit kleiner und mittlerer Unternehmen zu verbessern, sofern sie nur eine beschränkte Marktwirkung aufweisen. |
2 | Verordnungen und allgemeine Bekanntmachungen können auch besondere Kooperationsformen in einzelnen Wirtschaftszweigen, namentlich Abreden über die rationelle Umsetzung von öffentlich-rechtlichen Vorschriften zum Schutze von Kunden oder Anlegern im Bereich der Finanzdienstleistungen, als in der Regel gerechtfertigte Wettbewerbsabreden bezeichnen. |
3 | Allgemeine Bekanntmachungen werden von der Wettbewerbskommission im Bundesblatt veröffentlicht. Verordnungen im Sinne der Absätze 1 und 2 werden vom Bundesrat erlassen. |
SR 251 Bundesgesetz vom 6. Oktober 1995 über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz, KG) - Kartellgesetz KG Art. 29 Einvernehmliche Regelung - 1 Erachtet das Sekretariat eine Wettbewerbsbeschränkung für unzulässig, so kann es den Beteiligten eine einvernehmliche Regelung über die Art und Weise ihrer Beseitigung vorschlagen. |
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1 | Erachtet das Sekretariat eine Wettbewerbsbeschränkung für unzulässig, so kann es den Beteiligten eine einvernehmliche Regelung über die Art und Weise ihrer Beseitigung vorschlagen. |
2 | Die einvernehmliche Regelung wird schriftlich abgefasst und bedarf der Genehmigung durch die Wettbewerbskommission. |
SR 942.20 Preisüberwachungsgesetz vom 20. Dezember 1985 (PüG) PüG Art. 12 Wettbewerbspolitischer Grundsatz - 1 Preismissbrauch im Sinne dieses Gesetzes kann nur vorliegen, wenn die Preise auf dem betreffenden Markt nicht das Ergebnis wirksamen Wettbewerbs sind. |
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1 | Preismissbrauch im Sinne dieses Gesetzes kann nur vorliegen, wenn die Preise auf dem betreffenden Markt nicht das Ergebnis wirksamen Wettbewerbs sind. |
2 | Wirksamer Wettbewerb besteht insbesondere, wenn die Abnehmer die Möglichkeit haben, ohne erheblichen Aufwand auf vergleichbare Angebote auszuweichen. |
BGE 114 II 91 S. 95
nicht. Dagegen macht sie geltend, das Absatzsystem der Klägerinnen erübrige sich warentechnisch und sei zudem wettbewerbswidrig, da es bloss ihre Preise schützen solle. Wie sie indes selbst einräumt, ändern diese Umstände an der Rechtmässigkeit des Systems an sich nichts. Die Zulässigkeit markt- und wettbewerbsbezogener Abreden beurteilt sich nicht positiv nach deren objektiven Notwendigkeit (z.B. aus Qualitätsgründen), sondern negativ nach einer möglichen Beeinträchtigung des wirksamen Wettbewerbs und nach Auswirkungen auf die Freiheit Dritter, sich wirtschaftlich zu betätigen. Die volkswirtschaftliche Bedeutung solcher Abreden kann dort relevant werden, wo das Gesetz zu einer Interessenabwägung verpflichtet und Vor- und Nachteile einer Ordnung bei der Prüfung deren Rechtmässigkeit einander gegenüberzustellen sind, wie z.B. nach Art. 7
SR 251 Bundesgesetz vom 6. Oktober 1995 über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz, KG) - Kartellgesetz KG Art. 7 - 1 Marktbeherrschende und relativ marktmächtige Unternehmen verhalten sich unzulässig, wenn sie durch den Missbrauch ihrer Stellung auf dem Markt andere Unternehmen in der Aufnahme oder Ausübung des Wettbewerbs behindern oder die Marktgegenseite benachteiligen.14 |
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1 | Marktbeherrschende und relativ marktmächtige Unternehmen verhalten sich unzulässig, wenn sie durch den Missbrauch ihrer Stellung auf dem Markt andere Unternehmen in der Aufnahme oder Ausübung des Wettbewerbs behindern oder die Marktgegenseite benachteiligen.14 |
2 | Als solche Verhaltensweisen fallen insbesondere in Betracht: |
a | die Verweigerung von Geschäftsbeziehungen (z. B. die Liefer- oder Bezugssperre); |
b | die Diskriminierung von Handelspartnern bei Preisen oder sonstigen Geschäftsbedingungen; |
c | die Erzwingung unangemessener Preise oder sonstiger unangemessener Geschäftsbedingungen; |
d | die gegen bestimmte Wettbewerber gerichtete Unterbietung von Preisen oder sonstigen Geschäftsbedingungen; |
e | die Einschränkung der Erzeugung, des Absatzes oder der technischen Entwicklung; |
f | die an den Abschluss von Verträgen gekoppelte Bedingung, dass die Vertragspartner zusätzliche Leistungen annehmen oder erbringen; |
g | die Einschränkung der Möglichkeit der Nachfrager, Waren oder Leistungen, die in der Schweiz und im Ausland angeboten werden, im Ausland zu den dortigen Marktpreisen und den dortigen branchenüblichen Bedingungen zu beziehen. |
SR 251 Bundesgesetz vom 6. Oktober 1995 über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz, KG) - Kartellgesetz KG Art. 29 Einvernehmliche Regelung - 1 Erachtet das Sekretariat eine Wettbewerbsbeschränkung für unzulässig, so kann es den Beteiligten eine einvernehmliche Regelung über die Art und Weise ihrer Beseitigung vorschlagen. |
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1 | Erachtet das Sekretariat eine Wettbewerbsbeschränkung für unzulässig, so kann es den Beteiligten eine einvernehmliche Regelung über die Art und Weise ihrer Beseitigung vorschlagen. |
2 | Die einvernehmliche Regelung wird schriftlich abgefasst und bedarf der Genehmigung durch die Wettbewerbskommission. |
SR 942.20 Preisüberwachungsgesetz vom 20. Dezember 1985 (PüG) PüG Art. 12 Wettbewerbspolitischer Grundsatz - 1 Preismissbrauch im Sinne dieses Gesetzes kann nur vorliegen, wenn die Preise auf dem betreffenden Markt nicht das Ergebnis wirksamen Wettbewerbs sind. |
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1 | Preismissbrauch im Sinne dieses Gesetzes kann nur vorliegen, wenn die Preise auf dem betreffenden Markt nicht das Ergebnis wirksamen Wettbewerbs sind. |
2 | Wirksamer Wettbewerb besteht insbesondere, wenn die Abnehmer die Möglichkeit haben, ohne erheblichen Aufwand auf vergleichbare Angebote auszuweichen. |
Das ist auch der Auffassung entgegenzuhalten, jeder Einbruch in ein selektives Vertriebssystem beeinträchtige wegen des Prestigeverlustes, der sich daraus ergebe, die Wettbewerbsrechte von Angehörigen des Systems und sei widerrechtlich. Die Wettbewerbsfreiheit ist weder schrankenlos noch ist sie absolut geschützt. Im Verhältnis zu Mitbewerbern begründet sie bloss einen Lauterkeitsschutz, der nicht Beeinträchtigungen schlechthin, sondern nur unlauteren Wettbewerbshandlungen Dritter eine Schranke setzt. Auch zulässige Absatzsysteme geniessen wettbewerbsrechtlich keinen weitergehenden Schutz. Daran ändert nichts, dass Systeme der
BGE 114 II 91 S. 96
streitigen Art wettbewerbspolitisch bedeutsam und ein wirksames Mittel sein können, in bestimmten Bereichen die Rolle des freien Wettbewerbs zu gewährleisten (AHLERT, Die Bedeutung des vertraglichen Selektivvertriebs für den freien Wettbewerb und die Funktionsfähigkeit von Märkten, in WRP (Wettbewerb in Recht und Praxis) 33/1987 S. 215 ff.).
3. Nach dem angefochtenen Urteil haben die Klägerinnen eine einzige Anfrage der Beklagten bei einem ihrer Vertragspartner nachgewiesen, der die Bestellung aber nicht ausgeführt habe. Die Klägerinnen erblicken darin eine Verletzung von Art. 8
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 8 - Wo das Gesetz es nicht anders bestimmt, hat derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet. |
Die Rüge geht fehl. Für die Beweislast besteht im Haftpflichtrecht gemäss Art. 41 ff
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 41 - 1 Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet. |
|
1 | Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet. |
2 | Ebenso ist zum Ersatze verpflichtet, wer einem andern in einer gegen die guten Sitten verstossenden Weise absichtlich Schaden zufügt. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 8 - Wo das Gesetz es nicht anders bestimmt, hat derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 8 - Wo das Gesetz es nicht anders bestimmt, hat derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet. |
4. Die Beklagte kann sich als Aussenseiterin Dior-Produkte nur beschaffen, wenn Vertragspartner der Klägerinnen sich über ihre Pflichten hinwegsetzen. Nach Auffassung des Obergerichts liegt darin kein unlauterer Wettbewerb, da die Beklagte nicht selbst zum Vertragsbruch verleitet habe und die Ausnützung fremden Vertragsbruchs in der hier zu beurteilenden Erscheinungsform nicht als wettbewerbswidrig anzusehen sei. Die Klägerinnen beharren dagegen auf ihrem Standpunkt, dass der Einbruch der Beklagten in ihr Vertriebsnetz die Voraussetzungen des unlauteren Wettbewerbs erfülle; wenn das Verhalten der Beklagten, wie geboten, gesamthaft betrachtet werde, fehle es namentlich nicht an besondern Umständen, welche die Ausnützung fremden Vertragsbruchs nach der vorherrschenden schweizerischen Rechtsauffassung unlauter machten.
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a) Nach der in Art. 1 Abs. 1 aUWG enthaltenen Generalklausel gilt jeder Missbrauch des wirtschaftlichen Wettbewerbs durch täuschende oder andere Mittel, die gegen Treu und Glauben verstossen, als unlauter. Die Klägerinnen berufen sich vor allem auf die allgemeine Bestimmung, die entgegen der Annahme des Obergerichts auch das Verhalten der Beklagten erfasse, da diese auf fremde Vertragsbrüche angewiesen sei. Die Frage nach den Rechtsfolgen eines solchen Verhaltens stellt sich nicht nur im Wettbewerbsrecht, sondern in der ganzen Privatrechtsordnung. Zu prüfen ist daher vorweg, inwiefern die Beeinträchtigung relativer Rechte durch Dritte, die daran nicht beteiligt sind, überhaupt widerrechtlich sein kann. Dies rechtfertigt sich umso mehr, als der Begriff der Unlauterkeit des Wettbewerbs dem Deliktsrecht beizuordnen ist und seinerseits als eine Form der Widerrechtlichkeit erscheint (TROLLER, II S. 914; OFTINGER/STARK, Schweizerisches Haftpflichtrecht, II/1 S. 25 ff.). aa) Die subjektiven Rechte lassen sich nach dem Kreis ihrer Adressaten in absolute und relative scheiden; Zwischenstufen sind nach geltendem Recht nicht mehr anzunehmen. Absolute Rechte richten sich gegen jedermann, relative gegen eine oder mehrere Personen, die bestimmt oder bestimmbar sind. Die Forderung aus einem Schuldverhältnis, auch aus einem vertraglichen, ist das typische Beispiel eines relativen Rechts, weil sie auf einer Sonderbeziehung zwischen bestimmten Personen beruht und nur dem Schuldner, nicht aber einem unbeteiligten Dritten entgegengehalten werden kann. Das Bundesgericht hat es deshalb seit Jahrzehnten abgelehnt, in der Verletzung vertraglicher Rechte durch Dritte eine widerrechtliche Handlung im Sinne von Art. 41 Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 41 - 1 Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet. |
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1 | Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet. |
2 | Ebenso ist zum Ersatze verpflichtet, wer einem andern in einer gegen die guten Sitten verstossenden Weise absichtlich Schaden zufügt. |
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 41 - 1 Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet. |
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1 | Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet. |
2 | Ebenso ist zum Ersatze verpflichtet, wer einem andern in einer gegen die guten Sitten verstossenden Weise absichtlich Schaden zufügt. |
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 41 - 1 Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet. |
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1 | Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet. |
2 | Ebenso ist zum Ersatze verpflichtet, wer einem andern in einer gegen die guten Sitten verstossenden Weise absichtlich Schaden zufügt. |
BGE 114 II 91 S. 98
S. 121 ff.). Diese Auffassung vermochte sich indes nicht durchzusetzen; sie stiess vielmehr auf berechtigte Kritik, weil sie der Rechtsentwicklung zuwiderläuft (KRAMER, OR Allg. Einl. N. 56) und dazu führen würde, zwischen absoluten und relativen Rechten wieder eine Zwischenstufe anzunehmen (MERZ, Obligationenrecht, in Schweiz. Privatrecht (SPR) VI/1 S. 58). Nach der angeführten Rechtsprechnung kann dagegen in der Verleitung zum Vertragsbruch und in der Ausbeutung einer Vertragsverletzung ein sittenwidriges Verhalten im Sinne von Art. 41 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 41 - 1 Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet. |
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1 | Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet. |
2 | Ebenso ist zum Ersatze verpflichtet, wer einem andern in einer gegen die guten Sitten verstossenden Weise absichtlich Schaden zufügt. |
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 41 - 1 Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet. |
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1 | Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet. |
2 | Ebenso ist zum Ersatze verpflichtet, wer einem andern in einer gegen die guten Sitten verstossenden Weise absichtlich Schaden zufügt. |
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 48 |
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 41 - 1 Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet. |
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1 | Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet. |
2 | Ebenso ist zum Ersatze verpflichtet, wer einem andern in einer gegen die guten Sitten verstossenden Weise absichtlich Schaden zufügt. |
BGE 114 II 91 S. 99
erlangt wird. An diese Unterscheidung hat sich das Bundesgericht auch bei der Auslegung der altrechtlichen Generalklausel (Art. 1 Abs. 1 aUWG) gehalten, indem es festhielt, die Ausnützung einer solchen Verletzung verstosse nicht ohne weiteres, sondern nur unter besondern Umständen gegen Treu und Glauben; andernfalls würde das Recht des Aussenseiters auf freie Berufsausübung unzulässig eingeengt (BGE 86 II 112 /13; vgl. auch BGE 95 IV 100 f.). Auch dem hat sich die herrschende Lehre angeschlossen, die übrigens zu Recht auf die Verwandtschaft zwischen Verstössen gegen Treu und Glauben gemäss Art. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 1 - 1 Zum Abschlusse eines Vertrages ist die übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung der Parteien erforderlich. |
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1 | Zum Abschlusse eines Vertrages ist die übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung der Parteien erforderlich. |
2 | Sie kann eine ausdrückliche oder stillschweigende sein. |
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 41 - 1 Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet. |
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1 | Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet. |
2 | Ebenso ist zum Ersatze verpflichtet, wer einem andern in einer gegen die guten Sitten verstossenden Weise absichtlich Schaden zufügt. |
SR 241 Bundesgesetz vom 19. Dezember 1986 gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) UWG Art. 4 Verleitung zu Vertragsverletzung oder -auflösung - Unlauter handelt insbesondere, wer: |
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a | Abnehmer zum Vertragsbruch verleitet, um selber mit ihnen einen Vertrag abschliessen zu können; |
b | ... |
c | Arbeitnehmer, Beauftragte oder andere Hilfspersonen zum Verrat oder zur Auskundschaftung von Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnissen ihres Arbeitgebers oder Auftraggebers verleitet; |
d | einen Konsumenten, der einen Konsumkreditvertrag abgeschlossen hat, veranlasst, den Vertrag zu widerrufen, um selber mit ihm einen solchen Vertrag abzuschliessen. |
BGE 114 II 91 S. 100
(GROSSEN, a.a.O. S. 121 ff.; zum französischen Recht ferner R. KRASSER, Der Schutz vertraglicher Rechte gegen Eingriffe Dritter, S. 10 ff. und 68). Ähnlich verhält es sich in den Beneluxstaaten, wo die Ausnützung fremder Vertragsverletzungen deliktsrechtlich ebenfalls als rechtswidrig erachtet wird, Verkäufe ausserhalb eines Vertriebssystems, das vom Hersteller vorgeschrieben wird, davon aber wettbewerbsrechtlich ausgenommen werden (VERKADE, Unlautere Ausnutzung und Beeinträchtigung des guten Rufs bekannter Marken, Namen und Herkunftsangaben, in GRUR Int. 1986 S. 17 ff. und 23; R. KRASSER, a.a.O. S. 70 ff.).
Nach österreichischer Rechtsprechung gelten die Verleitung zum Vertragsbruch und die Beteiligung an fremdem Vertragsbruch bei Kenntnis der Umstände nicht nur als widerrechtlich, sondern auch als wettbewerbswidrig; bei Preisbindungen haftet selbst der Aussenseiter gemäss § 1 öUWG, was in der Lehre allerdings als zu weitgehend kritisiert wird, weil solche Bindungen keine Drittwirkungen zu entfalten vermöchten. Greift ein Dritter in das Alleinvertriebsrecht eines andern ein, ist dies dagegen nur zu beanstanden, wenn er sich die Ware auf unlautere Weise verschafft (RUMMEL/KOZIOL, Österreichisches Haftpflichtrecht II, 2. Aufl. S. 280 mit Hinweisen in Anm. 135 f.). Nach deutscher Lehre und Rechtsprechung gelten Forderungsrechte Dritter grundsätzlich nicht als "andere Rechte" im Sinne von § 823 BGB, die Verleitung zum Vertragsbruch und die Ausnützung eines solchen folglich auch nicht als rechtswidrig; besondere Umstände können solche Handlungen dagegen im Sinne von § 826 BGB sittenwidrig machen (R. KRASSER, a.a.O. S. 87 mit Zitaten). Die deutsche Rechtsauffassung deckt sich deshalb im wesentlichen mit der schweizerischen, zumal sie die beiden Tatbestände ebenfalls auseinanderhält, indem sie die Verleitung zum Vertragsbruch allgemein als wettbewerbswidrig erachtet, wenn damit Wettbewerbszwecke verfolgt werden, das Ausnützen eines Vertragsbruchs dagegen nur, wenn besondere Umstände für Sittenwidrigkeit sprechen (ULMER-REIMER, Das Recht des unlauteren Wettbewerbs in den Mitgliedstaaten der EWG III, S. 247 ff. und 742 ff.; BAUMBACH/HEFERMEHL, Wettbewerbsrecht, 15. Aufl. N. 643 ff. zu § 1 dtUWG; VON GODIN, Wettbewerbsrecht, 2. Aufl. N. 174 zu § 1 dtUWG). dd) Für das schweizerische Recht ist daran festzuhalten, dass die Beeinträchtigung fremder Forderungsrechte auch wettbewerbsrechtlich nur dann als unzulässig anzusehen ist, wenn besondere
BGE 114 II 91 S. 101
Umstände sie als Verstoss gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Das folgt nicht nur aus der Entwicklung des Wettbewerbsrechts, seinem Wesen als Teil der Privatrechtsordnung sowie aus den gesetzlichen Sondertatbeständen, die als Erläuterung der Generalklausel zu verstehen sind; das entspricht auch ständiger Rechtsprechung und herrschender Lehre. Diesen Schutzbereich auszudehnen, besteht jedenfalls nach dem alten Recht, das vorliegend noch anwendbar ist, kein Anlass. Ob die Verleitung zum Vertragsbruch entsprechend der inhaltlich verwandten Rechtsordnung Deutschlands grundsätzlich auch nach schweizerischem Recht als unlauter zu gelten hat, kann dagegen offenbleiben; für einen solchen Vorwurf liegt hier, wie das Obergericht feststellt, schon in tatsächlicher Hinsicht nichts vor. Auch lässt sich nicht sagen, die Vorinstanz habe dabei den Rechtsbegriff der Verleitung verkannt; sie hat es vielmehr zu Recht abgelehnt, eine einfache Anfrage der Beklagten bei einem Vertragspartner der Klägerinnen einer Verleitung gleichzusetzen. Der Begriff der Unlauterkeit würde offensichtlich überspannt, wollte man bereits den Versuch eines Aussenseiters, einen Angehörigen eines Selektivvertriebes zu einer Lieferung zu veranlassen, als sittenwidrig bezeichnen, wie dies von den Klägerinnen verlangt wird (vgl. dazu TROLLER, II 948; BAUMBACH/HEFERMEHL, N. 708 zu § 1 dtUWG). b) Besondere Umstände, welche die Ausnützung eines fremden Vertragsbruches als unlauter erscheinen lassen, können sich nach der Rechtsprechung insbesondere aus der Art und dem Zweck des Vorgehens ergeben, was z.B. bei Schädigungsabsicht aus blosser Rachsucht oder arglistiger Täuschung des Lieferanten anzunehmen ist (BGE 57 II 339, BGE 52 II 377). In Frage kommen ferner persönliche Beziehungen des Störers zum Verpflichteten, wenn dieser sich z.B. mit Hilfe jenes über ein Konkurrenzverbot hinwegsetzt (BGE 53 II 333 /34). Die Ausnützung eines Vertragsbruches, der in der blossen Umgehung einer geschlossenen Marktordnung oder vertraglicher Preisbindungen besteht, reicht für sich allein dagegen nicht aus, selbst wenn solche Bindungen sich zur Erhaltung gesunder Verhältnisse in einem bestimmten Gewerbezweig strukturpolitisch als notwendig erweisen (BGE 86 II 113 /14, BGE 52 II 381 /82). Das schweizerische Schrifttum geht unter Hinweis auf diese Rechtsprechung und Gesetzesmaterialien, insbesondere auf BBl 1934 II 533/34, von den gleichen Kriterien aus
BGE 114 II 91 S. 102
(VON BÜREN, a.a.O. S. 65 N. 62; GERMANN, a.a.O. S. 308; P. H. EULAU, Verleitung zum Vertragsbruch und Ausnutzung fremden Vertragsbruchs, Diss. Basel 1976, S. 71 und 97 ff.). In der Beurteilung der Umstände kommt es nach deutscher Lehre und Rechtsprechung vor allem auf die Art und Weise an, wie der Dritte sich durch die Ausnützung fremden Vertragsbruchs einen eigenen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen sucht. Bei Einbrüchen in lückenlose Preis- oder Vertriebssysteme ist die Wettbewerbswidrigkeit in der Regel dagegen schon zu bejahen, wenn der Aussenseiter sich gegenüber gebundenen Konkurrenten oder andern Aussenseitern einen preis- oder sortimentsbezogenen Vorteil zu sichern vermag, da diesfalls der besondere Umstand bereits in der Lückenlosigkeit des Systems erblickt wird (BAUMBACH/HEFERMEHL, N. 652 ff. und 748/49 zu § 1 dtUWG; VON GODIN, N. 174 und 184 zu § 1 dtUWG). Eine solche Ausnahme für Preis- oder Vertriebssysteme ist nach schweizerischem Recht abzulehnen, da die Lückenlosigkeit als solche sich nicht als besondern Umstand ausgeben lässt und ein Einbruch in eine fremde Ordnung sich jedenfalls als sittenwidrig erweisen muss, um Wettbewerbswidrigkeit begründen zu können. Dies lässt sich von der blossen Ausnützung eines fremden Vertragsbruchs aber nicht sagen, gleichviel ob es um einen Einzelvertrag oder um ein System von Verträgen geht; andernfalls würde die betroffene Bindung unbekümmert darum, dass sie sich in relativen Rechten erschöpft, gegen jede Beeinträchtigung, also absolut geschützt. Dass der Dritte dadurch einen wettbewerbsrechtlichen Vorteil erlangen kann, vermag für sich allein den Vorwurf der Unlauterkeit ebenfalls nicht zu begründen (BGE 86 II 113). Das Streben nach solchen Vorteilen gehört zum Begriff des freien Wettbewerbs und ist nicht zu beanstanden, solange es auf lauteren Mitteln beruht. Daran ändert auch die mögliche markt- und strukturpolitische Bedeutung des Systems nichts. Ob eine Handlung als lauter oder als unlauter anzusehen ist, beurteilt sich nach dem Grundsatz von Treu und Glauben und nicht danach, von wem die Handlung ausgeht oder wer von ihr betroffen wird (BGE 107 II 282). So wenig ein Preis, der betriebswirtschaftlich gerechtfertigt ist, vor Unterbietungen durch Dritte geschützt ist, so wenig vermag ein marktpolitisch erwünschtes Vertriebssystem seiner funktionalen Vorteile wegen wettbewerbsrechtlich eine Sonderbehandlung zu rechtfertigen; jedenfalls geht es nicht an, eine solche Behandlung im Wege der Rechtsanwendung einzuführen.
BGE 114 II 91 S. 103
5. Fragen kann sich somit bloss, ob vorliegend im Sinne der Rechtsprechung und schweizerischen Schrifttums von besondern Umständen gesprochen werden kann, die das Vorgehen der Beklagten als unlauter und damit als wettbewerbswidrig erscheinen lassen. Dass die Beschaffung von Dior-Produkten durch einen Aussenseiter nur unter solchen Umständen als widerrechtlich bezeichnet werden kann, anerkennen auch die Klägerinnen, weshalb dahingestellt bleiben mag, was sie mit dem Vorhalt, das Obergericht verlange nicht bloss gravierende, sondern besonders gravierende Umstände, dartun wollen. Sie machen ferner zu Recht nicht geltend, ihr Vertriebsnetz sei wettbewerbsrechtlich absolut geschützt. Ihr Vorwurf sodann, die Beklagte habe Vertragspartner zu Vertragsverletzungen verleitet, scheitert schon an verbindlichen Feststellungen des Obergerichts, fällt folglich bei der Prüfung der Begleitumstände ausser Betracht. Zu prüfen bleibt dagegen, wie es sich mit der angeblichen Ausnützung von Vertragsverletzungen unter diesem Gesichtspunkt verhält. a) Erschwerende Umstände, welche den Handel eines Aussenseiters mit Erzeugnissen der streitigen Art unlauter machen sollen, erblicken die Klägerinnen darin, dass die Beklagte Dior-Produkte bezogen und vertrieben hat, auf denen die Kontrollnummern entfernt worden seien. Der Vertrieb von Waren mit beseitigten Verkaufscodes gilt schon nach BGE 86 II 112 E. 2 nicht als unlauterer Wettbewerb. Ausnahmen sind zwar denkbar, z.B. wenn die Veränderung die Qualität der Ware oder schutzwürdige Interessen des Herstellers an einer unversehrten Ausstattung der Ware berührt (SJZ 53/1957 S. 367; K. TROLLER, in Schweiz. Mitteilungen über Immaterialgüterrechte (SMI) 1987 S. 23 ff. insbes. S. 33; MARTIN-ACHARD, in SMI 1953 S. 119 ff.). Entgegen der Auffassung der Klägerinnen geht es aber nicht an, den Lauterkeitsschutz des Wettbewerbsrechts leichthin auf die äussere Aufmachung oder Kennzeichnung der Ware auszudehnen. Dies gilt umso mehr, als Verkaufscodes zur Kontrolle des Warenweges oder zur Überwachung eines Selektivvertriebs wettbewerbsrechtlich an sich nicht geschützt sind. Die Auffassung der Klägerinnen läuft genau besehen darauf hinaus, für relative Rechte und einen möglichen Imageverlust durch Einbrüche in ihr Vertriebsnetz umfassenden Schutz zu beanspruchen, wofür sie sich aber nicht auf Wettbewerbsrecht berufen können. Das ist auch den Einwänden entgegenzuhalten, welche die Klägerinnen aus der Rolle der Fabrikationscodes ableiten. Selbst
BGE 114 II 91 S. 104
wenn diese Codes unter anderem der Qualitätskontrolle dienen, lässt sich ihre Entfernung nicht als Beeinträchtigung wettbewerbsrechtlicher Konsumenteninteressen ausgeben, sind sie doch so verschlüsselt gehalten, dass sie vom Konsumenten ohne weitere Angaben nicht zu verstehen sind. Wie es sich diesfalls mit allgemein verständlichen Codes, z.B. mit geläufigen Verfalldaten, verhalten würde, braucht nicht entschieden zu werden. Die Möglichkeit sodann, ganze Serien wegen Gefährdung der Gesundheit zurückzurufen, erscheint nach der Erfahrung zu entfernt, als dass sie eine Ausnahme von den allgemeinen Grundsätzen des Wettbewerbsrechts zu rechtfertigen vermöchte. Wie aus den Akten erhellt, sind die Packungen durch das Entfernen von Codes übrigens sehr geringfügig verändert worden; auffällige Beschädigungen sind nicht zu ersehen, weshalb auch die Berufung auf Ausstattungsschutz fehlgeht. Dazu kommt, dass Kunden von Discountgeschäften nicht nur der Beratung und Bedienung, sondern auch der äussern Aufmachung und Präsentation der Ware erfahrungsgemäss weniger Bedeutung beimessen, weil sie in solchen Geschäften billiger einkaufen können, als in herkömmlichen Fachgeschäften (vgl. BGE 94 IV 37 E. 1a). Dass dies bei Luxusartikeln insbesondere wegen des sogenannten "Snob-Effektes" (AHLERT, a.a.O. S. 223) zu einem Prestigeverlust des Herstellers und seiner ausgewählten Fachhändler führen kann, ist eine Folge des relativen Schutzes und rechtfertigt den Vorwurf der Unlauterkeit schon deshalb nicht. Ähnlich verhält es sich mit der Kritik der Klägerinnen an den Verkaufs- und Preisetiketten der Beklagten. Klebeetiketten mit Angaben über Preis und Verkaufsgeschäft sind wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden und selbst im gebundenen Fachhandel üblich. b) Als unbehelflich erweist sich ferner der Einwand, dass die Beklagte Produkte verkaufe, welche nach dem Hinweis auf der Verpackung nur durch ausgewählte Händler vertrieben werden dürften; darin seien Verstösse im Sinne von Art. 1 Abs. 2 aUWG zu erblicken. Gewiss kann unter die vom Gesetz (Abs. 2 lit. b) verpönte Irreführung auch fallen, wer sich eines Agentur- oder Vertretungsverhältnisses rühmt, das nicht besteht (VON BÜREN, a.a.O. S 79 N. 25). Das setzt indes mehr als den Verkauf ausserhalb eines Selektivvertriebs voraus. Wettbewerbswidrig wird auch ein solcher Verkauf erst, wenn besondere Umstände, z.B. die werbehafte Vortäuschung eines Vertretungsverhältnisses, das Geschäft als unlauter erscheinen lassen. Für eine Verwechslungsgefahr
BGE 114 II 91 S. 105
(Abs. 2 lit. d) von Kennzeichnungsrechten sodann liegt schon nach den tatsächlichen Feststellungen des Obergerichts nichts vor. Allgemeine marktpolitische, wirtschaftsethische und rechtsvergleichende Überlegungen schliesslich, welche die Klägerinnen ergänzend berücksichtigt wissen wollen, lassen sich zum vorneherein nicht als besondere Umstände des Einzelfalles ausgeben, fallen folglich bei der Prüfung der behaupteten Wettbewerbswidrigkeit ausser Betracht. Darüber hilft auch eine "mosaikartige Betrachtungsweise des Gesamtverhaltens" nicht hinweg, wie sie von den Klägerinnen befürwortet wird.
6. Die Klägerinnen werfen dem Obergericht eine Verletzung von Art. 28
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 28 - 1 Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, kann zu seinem Schutz gegen jeden, der an der Verletzung mitwirkt, das Gericht anrufen. |
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1 | Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, kann zu seinem Schutz gegen jeden, der an der Verletzung mitwirkt, das Gericht anrufen. |
2 | Eine Verletzung ist widerrechtlich, wenn sie nicht durch Einwilligung des Verletzten, durch ein überwiegendes privates oder öffentliches Interesse oder durch Gesetz gerechtfertigt ist. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 28 - 1 Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, kann zu seinem Schutz gegen jeden, der an der Verletzung mitwirkt, das Gericht anrufen. |
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1 | Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, kann zu seinem Schutz gegen jeden, der an der Verletzung mitwirkt, das Gericht anrufen. |
2 | Eine Verletzung ist widerrechtlich, wenn sie nicht durch Einwilligung des Verletzten, durch ein überwiegendes privates oder öffentliches Interesse oder durch Gesetz gerechtfertigt ist. |
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann, und das Urteil des Obergerichts (I. Kammer) des Kantons Luzern vom 20. Oktober 1987 wird bestätigt.