112 Ia 14
4. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 17. Januar 1986 i.S. T. gegen Regierungsrat des Kantons Luzern (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste (de):
- Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
- Es besteht im Verwaltungsbeschwerde- und Verwaltungsgerichtsverfahren der Kantone ein unmittelbar aus Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
Regeste (fr):
- Art. 4 Cst.; assistance judiciaire dans les recours administratifs et les recours de droit administratif cantonaux.
- Le droit à l'assistance judiciaire dans le cadre des recours administratifs et des recours de droit administratif institués par les cantons découle directement de l'art. 4 Cst. Il dispense non seulement en tout ou partie du paiement des frais de procédure, mais encore, lorsque la protection des intérêts du citoyen sans ressources l'exige, donne droit à l'assistance d'un avocat d'office (consid. 3c).
Regesto (it):
- Art. 4 Cost.; assistenza giudiziaria nelle procedure cantonali di ricorso amministrativo e di ricorso di diritto amministrativo.
- Il diritto all'assistenza giudiziaria nel quadro delle procedure cantonali di ricorso amministrativo e di ricorso di diritto amministrativo sgorga direttamente dall'art. 4 Cost. Esso non solo dispensa integralmente o parzialmente dal pagamento delle spese di procedura, ma comporta altresì, ove la tutela degli interessi del cittadino in stato di bisogno lo esiga, il diritto d'essere patrocinato gratuitamente da un avvocato (consid. 3c).
Sachverhalt ab Seite 14
BGE 112 Ia 14 S. 14
Das Bundesgericht hat eine staatsrechtliche Beschwerde gegen einen Entscheid, mit welchem der Regierungsrat des Kantons Luzern sich weigerte, den Beschwerdeführer von der Bezahlung der Verfahrenskosten im kantonalen Beschwerdeverfahren zu befreien und ihm einen unentgeltlichen Rechtsbeistand zu bestellen, gutgeheissen mit folgenden
Erwägungen
Erwägungen:
2. Gemäss § 204 Abs. 1 des luzernischen Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege (vom 3. Juli 1972; G XVIII 193) befreit die Behörde eine bedürftige Partei auf ihr begründetes Gesuch ganz oder teilweise von der Kosten- und Vorschusspflicht. Indessen geht - wie der angefochtene Entscheid unter Hinweis auf die kantonale Rechtsprechung (LGVE 1980 III Nr. 8) festhält und
BGE 112 Ia 14 S. 15
auch vom Beschwerdeführer nicht bestritten wird - aus Abs. 2 und 3 dieser Bestimmung unmissverständlich hervor, dass der kantonale Gesetzgeber einen unentgeltlichen Rechtsbeistand nur für das Verwaltungsgerichtsverfahren vorsehen wollte. Insoweit der Regierungsrat es gestützt auf das kantonale Recht abgelehnt hat, dem Beschwerdeführer für das bei ihm anhängig gemachte Verfahren einen Armenanwalt zu bestellen, kann deshalb sein Entscheid nicht als willkürlich bezeichnet werden. Nun hat aber der Regierungsrat des Kantons Luzern dem Beschwerdeführer die unentgeltliche Rechtspflege überhaupt verweigert, ihn also auch von der Bezahlung der Verfahrenskosten nicht befreit, weil nach der Meinung der Regierung das materielle Rechtsbegehren des Beschwerdeführers als aussichtslos erscheint. Ob der Regierungsrat sich auf kantonales Recht stützen kann oder ob dieses durch den angefochtenen Entscheid in willkürlicher Weise verletzt worden ist, kann offenbleiben, wenn unmittelbar aus Art. 4
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3. a) Das Bundesgericht hat in ständiger Rechtsprechung in nicht aussichtslosen Zivilprozessen einen unmittelbar auf Art. 4
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BGE 112 Ia 14 S. 16
wegen ein Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege und Beiordnung eines Armenanwaltes auch im Verfahren vor den Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichten der Kantone besteht. Das Bundesgericht hat erst in einem Entscheid vom 8. März 1985 einen Anspruch auf einen unentgeltlichen Rechtsbeistand für das Verwaltungsgerichtsverfahren bejaht (ZBl 86/1985, S. 412 ff.; EuGRZ 1985, S. 485 ff.); es hat diese neue Praxis in einem zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmten Urteil vom 17. Oktober 1985 (in Sachen M. gegen Regierungsrat und Verwaltungsgericht des Kantons Basel-Landschaft) bestätigt. Was das verwaltungsinterne Verfahren der Kantone anbetrifft, hat das Bundesgericht in seinem Entscheid vom 28. März 1985 (BGE 111 Ia 7 ff. E. 2) die Frage aufgeworfen, ob nicht auch hiefür ein unmittelbar aus Art. 4
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BGE 112 Ia 14 S. 17
von Verwaltungsbehörden wohl überschätzt, wenn man ihnen zumutet, dass sie in vollkommen unvoreingenommener Weise gleichzeitig das öffentliche Interesse wahrnehmen und dafür Sorge tragen, dass der an der verwaltungsrechtlichen Auseinandersetzung beteiligte Bürger nicht benachteiligt wird. Es ist auch nicht zu übersehen, dass das (materielle) Verwaltungsrecht an Umfang und Komplexität stark zugenommen hat. Damit ist nicht nur das Bedürfnis des Bürgers gewachsen, in Verwaltungsstreitigkeiten von einem sachkundigen Rechtsbeistand beraten und vertreten zu werden. Vielmehr besteht auch auf seiten der Verwaltungsbehörden ein Interesse daran, in schwierigen Fällen für die Rechtsprechung auf die Unterstützung eines Rechtsbeistandes zählen zu können, der den Bürger sach- und rechtskundig vertritt. Wo der Bürger aus wirtschaftlichen Gründen nicht in der Lage ist, einen Rechtsanwalt beizuziehen, soll ihm dies daher - auch im Interesse von Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichten - durch Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ermöglicht werden. Rechtfertigt sich aus den dargelegten Gründen die Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes, so lässt sich vollends keine Erklärung dafür finden, weshalb der bedürftige Bürger im Zivilprozess von der Bezahlung der Verfahrenskosten sollte befreit werden können, während dies in Verwaltungsstreitigkeiten nicht möglich ist. Das Bedürfnis des unbemittelten Bürgers, der einen Rechtsstreit auszutragen hat, auf Entlastung von den Kosten ist in allen Verfahren das gleiche. Gerade in den Grenzgebieten von Zivilrecht und Verwaltungsrecht - die vorliegende Auseinandersetzung um den Namen der Kinder des Beschwerdeführers ist eines von vielen Beispielen - darf es nicht vom Zufall des vom Gesetzgeber gewählten Verfahrensweges abhängen, ob ein Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege besteht oder nicht. c) Nach dem Gesagten ist ein unmittelbar aus Art. 4
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BGE 112 Ia 14 S. 18
in: Erhaltung und Entfaltung des Rechts in der Rechtsprechung des Schweizerischen Bundesgerichts, Basel 1975, S. 49 ff.). Dieser Anspruch befreit ganz oder teilweise von der Bezahlung der Verfahrenskosten und damit auch eines Kostenvorschusses, jedoch nicht von der Entrichtung einer allfälligen Entschädigung an die obsiegende Gegenpartei für ihre Umtriebe. Wo dies zur Wahrung der Interessen des unbemittelten Bürgers erforderlich ist, ergibt sich aus Art. 4
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Wie schon im erwähnten Bundesgerichtsurteil vom 8. März 1985 festgehalten, ist - ausser der Bedürftigkeit der um unentgeltliche Rechtspflege ersuchenden Partei - Voraussetzung, dass das Rechtsbegehren nicht zum vorneherein aussichtslos erscheint und die verlangten Prozesshandlungen nicht offensichtlich prozessual unzulässig sind (BGE 110 Ia 27 E. 2, BGE 104 Ia 73 E. 1, mit Hinweis). Der Entscheid muss ausserdem für die gesuchstellende Partei von erheblicher Tragweite sein. Schliesslich kann der Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand nur in den Fällen bejaht werden, wo sich die aufgeworfenen Fragen nicht leicht beantworten lassen und die das Gesuch stellende Partei selber nicht rechtskundig ist (BGE 104 Ia 77 E. 3c, mit Hinweisen).