110 II 220
45. Urteil der I. Zivilabteilung vom 17. April 1984 i.S. Elektrizitätswerk Bündner Oberland AG gegen Livers (Berufung)
Regeste (de):
- Art. 44 ff . und Art. 60 Abs. 1 lit. a und c OG.
- Beurteilt die Vorinstanz eine öffentlichrechtliche Streitigkeit zu Unrecht nach Bundeszivilrecht (hier: nach Kartellrecht), so ist auf die Berufung nicht einzutreten.
- Eine Aufhebung des Urteils und Rückweisung zur neuen Entscheidung ist nicht möglich.
Regeste (fr):
- Art. 44 ss et art. 60 al. 1 let. a et c OJ.
- Le recours en réforme est irrecevable lorsque l'autorité cantonale juge à tort une contestation de droit public selon le droit civil fédéral (en l'espèce, la loi sur les cartels).
- Il n'est pas possible d'annuler le jugement attaqué et de renvoyer la cause à l'autorité cantonale pour nouvelle décision.
Regesto (it):
- Art. 44 segg. e art. 60 cpv. 1 lett. a e c'OG.
- Il ricorso per riforma è inammissibile laddove l'autorità cantonale giudichi a torto una causa di diritto pubblico in base al diritto civile federale (nella fattispecie, in base alla legge sui cartelli).
- Non è consentito di annullare la decisione impugnata e rinviare la causa all'autorità cantonale per nuovo giudizio.
Sachverhalt ab Seite 220
BGE 110 II 220 S. 220
A.- Giusep Livers ersuchte die Elektrizitätswerk Bündner Oberland AG (EWBO) im Oktober 1980, ihm die Bewilligung für die Ausführung elektrischer Installationen und Anlagen auf dem Gebiet ihres Netzes zu erteilen. Am 16. März 1982 lehnte die EWBO das Gesuch ab, weil sie an der Erhaltung einer eigenen leistungsfähigen Belegschaft interessiert sei, die namentlich die ununterbrochene und störungsfreie Versorgung zu gewährleisten habe, weitere Installationsbewilligungen diesem Interesse aber widersprächen; in ihrem topographisch schwierigen Versorgungsgebiet gelte es, Kontrollarbeiten und Reparaturen rasch und fachmännisch auszuführen, was einen dauernd einsatzfähigen Pikettdienst voraussetze, der aus Installationspersonal bestehe.
B.- Im April 1982 klagte Livers gegen die EWBO wegen unzulässiger Wettbewerbsbehinderung. Er beantragte dem
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Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden: 1. festzustellen, dass die Weigerung der Beklagten widerrechtlich sei; 2. die Beklagte zu verpflichten, ihm die Bewilligung zur Ausführung elektrischer Hausinstallationen in ihrem Versorgungsgebiet zu erteilen. Der Kläger machte geltend, die Beklagte nehme in der Energielieferung für das Bündner Oberland eine Monopolstellung ein, weshalb seine Rechtsbegehren nach Kartellrecht zu beurteilen seien; durch die Weigerung der Beklagten werde ihm die Führung eines eigenen Geschäftes verunmöglicht, weil er ohne die gewünschte Bewilligung nur Telefon- und Schwachstromanlagen installieren dürfe.
Die Beklagte fand dagegen, dass die Streitfrage nach öffentlichem Recht zu entscheiden sei, da sie gestützt auf die Konzessionsverträge mit den Gemeinden öffentliche Aufgaben zu erfüllen habe; auf die Klage sei daher nicht einzutreten; für ihre Beurteilung sei die Verwaltungsjustiz zuständig. Mit Urteil vom 10. Januar 1983 schloss sich der Kantonsgerichtsausschuss der Rechtsauffassung des Klägers an und hiess die Klage dahin gut, dass er die Beklagte verpflichtete, dem Kläger für ihr Versorgungsgebiet die Bewilligung zur Ausführung von elektrischen Hausinstallationen zu erteilen.
C.- Die Beklagte hat gegen dieses Urteil Berufung und staatsrechtliche Beschwerde eingelegt. Mit der Berufung beantragt sie, das angefochtene Urteil aufzuheben und auf die Klage nicht einzutreten oder sie abzuweisen, weil die Vorinstanz zu Unrecht eine Zivilstreitigkeit angenommen habe. Der Kläger beantragt, die Berufung abzuweisen und das angefochtene Urteil zu bestätigen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Das Schicksal der vorliegenden Berufung hängt davon ab, ob eine Zivilrechtsstreitigkeit im Sinne von Art. 44 ff . OG vorliegt und ob das Bundesgericht das angefochtene Urteil allenfalls auch unbekümmert darum aufheben und die Sache nach Art. 60 Abs. 1 lit. c OG an die Vorinstanz zurückweisen könnte. a) Die Berufung ans Bundesgericht setzt eine vom Bundesrecht beherrschte Zivilstreitigkeit voraus (Art. 44 -46 OG). Sie kann denn auch nur damit begründet werden, dass der angefochtene Entscheid Bundesrecht verletze, der kantonale Richter solches Recht in einer Zivilsache nicht oder nicht richtig angewendet habe (Art. 43 Abs. 1 und 2 OG). Der allgemeinen Voraussetzung
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entspricht ferner, dass auf die Berufung nicht einzutreten ist, wenn sie sich als unzulässig erweist oder auf die Streitsache nur kantonales oder ausländisches Recht anwendbar ist (Art. 60 Abs. 1 lit. a OG). Nach Art. 60 Abs. 1 lit. c OG kann das Bundesgericht dagegen den angefochtenen Entscheid selbst dann aufheben und auf Rückweisung erkennen, wenn eine Streitsache ausschliesslich nach kantonalem oder ausländischem Recht zu beurteilen ist, der kantonale Richter aber statt dessen ganz oder teilweise nach Bundesrecht entschieden hat. Fragen kann sich daher bloss, ob diese Regelung ebenfalls auf Zivilrechtsstreitigkeiten zu beschränken sei oder ob das Bundesgericht nach Art. 60 Abs. 1 lit. c OG auch dann eingreifen und eine Sache zu neuer Entscheidung zurückweisen könne, wenn eine öffentlichrechtliche Streitigkeit vorliegt. b) Für eine solche Ausdehnung ist weder dem Sinn und Wortlaut der geltenden Ordnung noch ihrer Entstehungsgeschichte etwas zu entnehmen. Zu beachten ist vielmehr, dass diese Ordnung samt ihrer allgemeinen Voraussetzung und Beschränkung auf Zivilsachen schon im alten Organisationsgesetz von 1893 enthalten gewesen und unverändert ins neue übernommen worden ist (vgl. Art. 56, 57 und 79 aOG; Botschaft zum neuen Gesetz, BBl 1943 S. 117/18 und 128). Sie wurde zudem von Anfang an nicht anders verstanden (WEISS, Die Berufung an das Bundesgericht in Zivilsachen, 1908, S. 4, 12, 75 und 303 ff.). In der Lehre und im Schrifttum zur geltenden Ordnung wird ebenfalls hervorgehoben, dass die Berufung in Streitigkeiten des öffentlichen Rechts nicht möglich, sondern nur in Zivilsachen zulässig ist, der Streitgegenstand folglich privatrechtlicher Natur sein muss. Ausdrücklich oder zumindest sinngemäss ist man sich ferner einig darüber, dass Bundesrecht auch verletzt ist, wenn es statt des massgebenden kantonalen oder ausländischen Rechts angewendet worden ist (GULDENER, Schweiz. Zivilprozessrecht, 3. Aufl. S. 541 und 544/45; H.U. WALDER, Zivilprozessrecht, 3. Aufl. S. 486 und 488/89; HABSCHEID, Droit judiciaire privé suisse, 2. Aufl. 510 und 512; KUMMER, Grundriss des Zivilprozessrechts, 3. Aufl. S. 219/20; BIRCHMEIER, Bundesrechtspflege, S. 79, 87, 120 und 123 ff.; WURZBURGER, Les conditions objectives du recours en réforme au Tribunal fédéral, Diss. Lausanne 1964, S. 57/58, 63 ff. und 89; DERS. in ZSR 94/1975 II S. 77, 80, 82 und 85/86). Die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichts steht auf dem gleichen Boden (statt vieler: BGE 109 II 77, BGE 108 II 335 und 491, BGE 106 II 366, BGE 105 III 137, 102 II 57). Der Begriff der zivilrechtlichen
BGE 110 II 220 S. 223
Streitigkeit wird von ihm dann weiter ausgelegt, wenn es um Zivilklagen im Sinne von Art. 42 OG und Art. 110
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 110 * - 1 Der Bund kann Vorschriften erlassen über: |
|
1 | Der Bund kann Vorschriften erlassen über: |
a | den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer; |
b | das Verhältnis zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite, insbesondere über die gemeinsame Regelung betrieblicher und beruflicher Angelegenheiten; |
c | die Arbeitsvermittlung; |
d | die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen. |
2 | Gesamtarbeitsverträge dürfen nur allgemeinverbindlich erklärt werden, wenn sie begründeten Minderheitsinteressen und regionalen Verschiedenheiten angemessen Rechnung tragen und die Rechtsgleichheit sowie die Koalitionsfreiheit nicht beeinträchtigen. |
3 | Der 1. August ist Bundesfeiertag. Er ist arbeitsrechtlich den Sonntagen gleichgestellt und bezahlt. |
2. Wer elektrische Hausinstallationen ausführen will, bedarf gemäss Art. 118 ff
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 110 * - 1 Der Bund kann Vorschriften erlassen über: |
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1 | Der Bund kann Vorschriften erlassen über: |
a | den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer; |
b | das Verhältnis zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite, insbesondere über die gemeinsame Regelung betrieblicher und beruflicher Angelegenheiten; |
c | die Arbeitsvermittlung; |
d | die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen. |
2 | Gesamtarbeitsverträge dürfen nur allgemeinverbindlich erklärt werden, wenn sie begründeten Minderheitsinteressen und regionalen Verschiedenheiten angemessen Rechnung tragen und die Rechtsgleichheit sowie die Koalitionsfreiheit nicht beeinträchtigen. |
3 | Der 1. August ist Bundesfeiertag. Er ist arbeitsrechtlich den Sonntagen gleichgestellt und bezahlt. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 110 * - 1 Der Bund kann Vorschriften erlassen über: |
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1 | Der Bund kann Vorschriften erlassen über: |
a | den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer; |
b | das Verhältnis zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite, insbesondere über die gemeinsame Regelung betrieblicher und beruflicher Angelegenheiten; |
c | die Arbeitsvermittlung; |
d | die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen. |
2 | Gesamtarbeitsverträge dürfen nur allgemeinverbindlich erklärt werden, wenn sie begründeten Minderheitsinteressen und regionalen Verschiedenheiten angemessen Rechnung tragen und die Rechtsgleichheit sowie die Koalitionsfreiheit nicht beeinträchtigen. |
3 | Der 1. August ist Bundesfeiertag. Er ist arbeitsrechtlich den Sonntagen gleichgestellt und bezahlt. |
BGE 110 II 220 S. 224
dass sie in ihrem Versorgungsgebiet die Hausinstallationen gemäss den bundesrechtlichen Vorschriften kontrolliert und die Berechtigung, solche Installationen zu erstellen und zu unterhalten, sich selber oder Personen vorbehält, welche die dafür vorgesehene Bewilligung besitzen. Sie erfüllt somit nicht bloss durch die Verteilung von Energie, sondern auch als Kontroll- und Bewilligungsinstanz öffentlichrechtliche Aufgaben. Dass die Beklagte als Aktiengesellschaft organisiert ist und nach ihrer inneren Ordnung dem Privatrecht untersteht, ändert daran nichts. Entscheidend ist, dass die Rechtsverhältnisse zwischen ihr und Inhabern von Bewilligungen für Hausinstallationen sich aus der Ausübung staatlicher Hoheit ergeben, also nicht lediglich auf Beziehungen beruhen, die zwischen ihr und Dritten als gleichberechtigte Subjekte bestehen. Solche Hoheit übt die Beklagte auch aus, wenn sie einem Gesuchsteller, wie das hier geschehen ist, die Bewilligung verweigert. Die vorliegende Streitigkeit ist daher entgegen der Annahme des Kantonsgerichtsausschusses nicht nach Kartellrecht, sondern nach öffentlichrechtlichen Vorschriften zu beurteilen, die übrigens in Art. 23 Abs. 2
SR 251 Bundesgesetz vom 6. Oktober 1995 über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz, KG) - Kartellgesetz KG Art. 23 Aufgaben des Sekretariats - 1 Das Sekretariat bereitet die Geschäfte der Wettbewerbskommission vor, führt die Untersuchungen durch und erlässt zusammen mit einem Mitglied des Präsidiums die notwendigen verfahrensleitenden Verfügungen. Es stellt der Wettbewerbskommission Antrag und vollzieht ihre Entscheide. Es verkehrt mit Beteiligten, Dritten und Behörden direkt. |
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1 | Das Sekretariat bereitet die Geschäfte der Wettbewerbskommission vor, führt die Untersuchungen durch und erlässt zusammen mit einem Mitglied des Präsidiums die notwendigen verfahrensleitenden Verfügungen. Es stellt der Wettbewerbskommission Antrag und vollzieht ihre Entscheide. Es verkehrt mit Beteiligten, Dritten und Behörden direkt. |
2 | Es gibt Stellungnahmen ab (Art. 46 Abs. 1) und berät Amtsstellen und Unternehmen bei Fragen zu diesem Gesetz. |