110 Ia 136
29. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 25. Mai 1984 i.S. W. gegen Kanton Solothurn und Kantonale Rekurskommission Solothurn (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste (de):
- Ausschöpfung des Instanzenzuges nach Art. 87 OG bei Beschwerden wegen Verletzung von Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
- 1. Ein als "Revision" bezeichnetes kantonales Rechtsmittel, welches kassatorische Rügen zulässt, muss ergriffen werden, bevor eine staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
- 2. Die "Besondere Revision" gemäss § 121bis des solothurnischen Gesetzes über die direkten Staats- und Gemeindesteuern vom 29. Januar 1961, mit der die unrichtige Tatsachenwürdigung und die Verletzung klaren Rechts gerügt werden können, bildet einen Bestandteil des Instanzenzuges im Sinne von Art. 87 OG (E. 3).
- 3. Keine Praxisänderung, obwohl viele Kantone in ihren Steuergesetzen kassatorische Revisionsgründe kennen (E. 4).
Regeste (fr):
- Recours pour violation de l'art. 4 Cst. Epuisement des voies de droit cantonales au sens de l'art. 87 OJ.
- 1. Une voie de droit cantonale qualifiée de "révision", qui connaît des griefs de nature cassatoire, doit d'abord être utilisée avant qu'un recours de droit public pour violation de l'art. 4 Cst. soit recevable (consid. 2).
- 2. La "révision" prévue au paragraphe 121bis de la loi soleuroise sur l'impôt cantonal et communal direct du 29 janvier 1961, voie de droit dans laquelle peuvent être attaquées l'appréciation incorrecte des faits et la violation manifeste du droit, fait partie des instances cantonales à épuiser au sens de l'art. 87 OJ (consid. 3).
- 3. Le fait que plusieurs cantons connaissent dans leur loi fiscale des motifs de révision à caractère cassatoire ne saurait entraîner une modification de la jurisprudence (consid. 4).
Regesto (it):
- Ricorso per violazione dell'art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
- 1. Un rimedio di diritto cantonale qualificato come "revisione" e che ammette censure di natura cassatoria dev'essere esperito previamente a un ricorso di diritto pubblico per violazione dell'art. 4 Cost. (consid. 2).
- 2. La "revisione" prevista dal § 121bis della legge del cantone di Soletta sulle imposte dirette cantonale e comunale, del 29 gennaio 1961, e con la quale possono essere invocati l'apprezzamento inesatto dei fatti e la violazione manifesta del diritto, è uno dei rimedi di diritto cantonali da esperire previamente ai sensi dell'art. 87 OG (consid. 3).
- 3. Il fatto che vari Cantoni conoscano nella loro legislazione tributaria motivi di revisione di carattere cassatorio non può dar luogo ad un cambiamento della giurisprudenza (consid. 4).
Erwägungen ab Seite 136
BGE 110 Ia 136 S. 136
Aus den Erwägungen:
2. Gemäss Art. 87 OG sind staatsrechtliche Beschwerden wegen Verletzung von Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
BGE 110 Ia 136 S. 137
Endentscheide und in gewissen Fällen gegen letztinstanzliche Zwischenentscheide zulässig. Die Ausschöpfung des kantonalen Instanzenzuges ist bei Beschwerden wegen Verletzung von Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
BGE 110 Ia 136 S. 138
Rügen mit staatsrechtlicher Beschwerde vorgebracht werden können (BGE 106 Ia 54/55; 101 Ia 299/300 E. 1a; 100 Ia 33/34 E. 2; 99 Ia 474/5 E. 2b; KÄLIN, a.a.O., S. 283, Fn 140; LUDWIG, a.a.O., S. 190; LEVI, ZBl 79 (1978) S. 245 ff.). Eine Revision im Sinne von § 67 lit. a VRG ZH ist nur dann nicht erforderlich, wenn die streitige prozessuale Frage bereits im angefochtenen Urteil behandelt worden ist, denn das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich vertritt die Auffassung, die Revision wegen Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften (§ 67 lit. a VRG ZH) erlaube kein Zurückkommen auf prozessuale Fragen, die im angefochtenen Entscheid beantwortet worden sind (BGE 106 Ia 54/55 E. 1b). b) Die Beschwerdeführer werfen der Kantonalen Rekurskommission vor, im angefochtenen Entscheid in verschiedener Hinsicht Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
3. a) Der am 1. Januar 1971 in Kraft getretene § 121bis StG SO sieht vor, dass die am Verfahren Beteiligten innert 30 Tagen seit Zustellung gegen ein Urteil der Kantonalen Rekurskommission eine sogenannte besondere Revision einlegen können. Als Rügegründe kommen in Frage (1) unrichtige Tatsachenwürdigung und (2) Verletzung klaren Rechts. Die besondere Revision ist bei der Rekurskommission selbst einzulegen (§ 119 Abs. 1 StG SO).
b) Die sehr weit gefassten Rügegründe in § 121bis StG SO sind kassatorischer Natur. Es ist anzunehmen, dass mit der besonderen Revision jene rechtlichen Nachteile im wesentlichen beseitigt werden können, die bei Gutheissung einer staatsrechtlichen Beschwerde wegen Willkür oder Rechtsverweigerung ebenfalls beseitigt würden. Zudem hat jeder Beschwerdeführer einen Anspruch darauf, dass die Kantonale Rekurskommission auf ein Revisionsgesuch eintritt, in dem fristgerecht eine unrichtige Tatsachenwürdigung oder eine Verletzung klaren Rechts gerügt wird. Etwas anderes lässt sich dem kantonalen Recht nicht entnehmen und wird auch von der Rekurskommission in ihrer Stellungnahme vom 28. November 1983 nicht behauptet. Unter diesen Umständen handelt es sich bei der besonderen Revision nach § 121bis StG SO um ein Rechtsmittel im Sinne von Art. 87 OG, welches grundsätzlich ergriffen werden muss, bevor eine staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
BGE 110 Ia 136 S. 139
ursprüngliche Urteil der Kantonalen Rekurskommission gleichzeitig anfechten, da der Rekurskommission im besonderen Revisionsverfahren gemäss § 121bis StG SO im Gegensatz zum ursprünglichen Verfahren nur eine beschränkte Kognition zusteht (vgl. dazu BGE 107 Ia 207 E. 1a; BGE 106 Ia 55 E. 2; KÄLIN, a.a.O., S. 294, je mit vielen weiteren Nachweisen). Der Beschwerdeführer muss in diesem Fall allerdings ausdrücklich die Aufhebung beider Hoheitsakte verlangen (BGE 104 Ia 84).
c) Die Beschwerdeführer haben die besondere Revision gemäss § 121bis StG SO nicht eingelegt, obwohl mit diesem Rechtsmittel grundsätzlich die mit der staatsrechtlichen Beschwerde erhobenen Rügen hätten geltend gemacht und allfällige Mängel des Urteils hätten beseitigt werden können. Auf die vorliegenden staatsrechtlichen Beschwerden ist daher nicht einzutreten.
4. Die Frage der Letztinstanzlichkeit im Sinne von Art. 87 OG wird sich in Steuersachen in Zukunft vermehrt stellen, da verschiedene Kantone in ihren Steuergesetzen als Revisionsgrund die kassatorische Rüge zulassen, die erkennende Behörde habe erhebliche Tatsachen oder entscheidende Beweismittel, die ihr bekannt waren oder bekannt sein mussten, ausser acht gelassen oder in anderer Weise wesentliche Verfahrensgrundsätze verletzt (vgl. z.B. § 108 Abs. 1 lit. c StG ZH; Art. 113 Abs. 1 Ziff. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
5. Obwohl das solothurnische Steuergesetz die besondere Revision nach § 121bis schon seit dem Jahre 1971 kennt, ist das Bundesgericht in der Zwischenzeit auf zahlreiche staatsrechtliche Beschwerden wegen Verletzung von Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
BGE 110 Ia 136 S. 140
erklärt, die Entscheide der solothurnischen Rekurskommission würden das Erfordernis der Letztinstanzlichkeit erfüllen. Es kann unter diesen Umständen nicht verkannt werden, dass der vorliegende Nichteintretensentscheid, der sich zwar auf eine langjährige Praxis im Zusammenhang mit ausserordentlichen Rechtsmitteln anderer Kantone stützt, für die Beschwerdeführer eine gewisse Härte mit sich bringt. Die Kantonale Rekurskommission wird daher zu prüfen haben, ob die Beschwerdeführer nach kantonalem Recht oder unmittelbar gestützt auf Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |