103 IV 157
46. Urteil des Kassationshofes vom 10. Mai 1977 i.S. A. gegen B.
Regeste (de):
- Art. 173 ff. StGB, Ehrverletzung.
- Der Vorwurf, dem Gemeinwesen Waren oder Leistungen zu stark übersetztem Preis angeboten zu haben, ist an sich nicht ehrverletzend (Erw. 3).
Regeste (fr):
- Art. 173 ss CP, atteinte à l'honneur.
- L'accusation d'avoir offert à la communauté publique des marchandises ou des prestations à des prix fortement exagérés n'est en soi pas attentatoire à l'honneur (consid. 3).
Regesto (it):
- Art. 173 segg. CP, delitti contro l'onore.
- L'accusa d'aver offerto alla collettività pubblica merci o prestazioni a prezzi largamente eccessivi non è di per sè lesiva dell'onore (consid. 3).
Sachverhalt ab Seite 157
BGE 103 IV 157 S. 157
Die Bürger der Stadt Luzern hatten am 19./20. Mai 1973 einen neuen Baudirektor zu wählen. Kandidaten waren C., liberal, und B., parteilos. Am 18. Mai 1973 erschien in den Zeitungen "Luzerner Neueste Nachrichten", "Luzerner Tagblatt" und "Vaterland" ein Inserat, in dem B. hinsichtlich dreier verschiedener Vorkommnisse in Frageform kritisiert wurde. Der heute noch zu beurteilende Teil des Inserates lautet: "B. - Ritter ohne Fehl und Tadel? Herr B. gefällt sich in der Rolle des mutigen Streiters gegen Unsauberkeit und Spekulation. Wer, wie er, ständig angreift, muss sich gefallen lassen, dass auch seine Handlungsweisen kritisch betrachtet werden. Urteilen Sie selbst!
BGE 103 IV 157 S. 158
Fall 1: ...
Fall 2: Herr B. bot der Baudirektion der Stadt Luzern Aushubmaterial zum Kubikmeterpreis von Fr. 14.35 an. Der übliche Marktwert betrug in jener Zeit 2-5 Franken! Die Baudirektion verzichtete auf dieses Geschäft. Frage: Wer wollte hier auf dem Buckel der Öffentlichkeit ein Geschäft machen? Fall 3: ...
Diese drei Fälle sind jederzeit hieb- und stichfest beweisbar. Geben Sie Ihre Antwort am Wahltag vom 19./20. Mai 1973! Keine Stimme für B.!
Komitee für Offenheit auf beiden Seiten."
A., der damals Präsident des Wahlausschusses der Liberalen Partei der Stadt Luzern war, übernahm die Verantwortung für das Inserat. Auf Privatstrafklage des B. fand das Amtsgericht Luzern Stadt A. am 15. April 1976 im Fall 2 der üblen Nachrede gemäss Art. 173
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 173 - 1. Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt, |
|
1 | Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt, |
2 | Beweist der Beschuldigte, dass die von ihm vorgebrachte oder weiterverbreitete Äusserung der Wahrheit entspricht, oder dass er ernsthafte Gründe hatte, sie in guten Treuen für wahr zu halten, so ist er nicht strafbar. |
3 | Der Beschuldigte wird zum Beweis nicht zugelassen und ist strafbar für Äusserungen, die ohne Wahrung öffentlicher Interessen oder sonst wie ohne begründete Veranlassung, vorwiegend in der Absicht vorgebracht oder verbreitet werden, jemandem Übles vorzuwerfen, insbesondere, wenn sich die Äusserungen auf das Privat- oder Familienleben beziehen. |
4 | Nimmt der Täter seine Äusserung als unwahr zurück, so kann er milder bestraft oder ganz von Strafe befreit werden. |
5 | Hat der Beschuldigte den Wahrheitsbeweis nicht erbracht oder sind seine Äusserungen unwahr oder nimmt der Beschuldigte sie zurück, so hat das Gericht dies im Urteil oder in einer andern Urkunde festzustellen. |
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Wegen übler Nachrede gemäss Art. 173 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 173 - 1. Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt, |
|
1 | Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt, |
2 | Beweist der Beschuldigte, dass die von ihm vorgebrachte oder weiterverbreitete Äusserung der Wahrheit entspricht, oder dass er ernsthafte Gründe hatte, sie in guten Treuen für wahr zu halten, so ist er nicht strafbar. |
3 | Der Beschuldigte wird zum Beweis nicht zugelassen und ist strafbar für Äusserungen, die ohne Wahrung öffentlicher Interessen oder sonst wie ohne begründete Veranlassung, vorwiegend in der Absicht vorgebracht oder verbreitet werden, jemandem Übles vorzuwerfen, insbesondere, wenn sich die Äusserungen auf das Privat- oder Familienleben beziehen. |
4 | Nimmt der Täter seine Äusserung als unwahr zurück, so kann er milder bestraft oder ganz von Strafe befreit werden. |
5 | Hat der Beschuldigte den Wahrheitsbeweis nicht erbracht oder sind seine Äusserungen unwahr oder nimmt der Beschuldigte sie zurück, so hat das Gericht dies im Urteil oder in einer andern Urkunde festzustellen. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 173 - 1. Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt, |
|
1 | Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt, |
2 | Beweist der Beschuldigte, dass die von ihm vorgebrachte oder weiterverbreitete Äusserung der Wahrheit entspricht, oder dass er ernsthafte Gründe hatte, sie in guten Treuen für wahr zu halten, so ist er nicht strafbar. |
3 | Der Beschuldigte wird zum Beweis nicht zugelassen und ist strafbar für Äusserungen, die ohne Wahrung öffentlicher Interessen oder sonst wie ohne begründete Veranlassung, vorwiegend in der Absicht vorgebracht oder verbreitet werden, jemandem Übles vorzuwerfen, insbesondere, wenn sich die Äusserungen auf das Privat- oder Familienleben beziehen. |
4 | Nimmt der Täter seine Äusserung als unwahr zurück, so kann er milder bestraft oder ganz von Strafe befreit werden. |
5 | Hat der Beschuldigte den Wahrheitsbeweis nicht erbracht oder sind seine Äusserungen unwahr oder nimmt der Beschuldigte sie zurück, so hat das Gericht dies im Urteil oder in einer andern Urkunde festzustellen. |
BGE 103 IV 157 S. 159
2. Die Vorinstanz bejaht den ehrverletzenden Charakter der Äusserung lediglich mit den Worten, der Vorwurf sei geeignet gewesen, "den Privatkläger in der Achtung der Mitmenschen herabzusetzen". Die erste Instanz aber, auf welche das Obergericht hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen weitgehend verweist, führt in dieser Beziehung aus: "Damit wurde dem Kläger wiederum mangelndes Verantwortungsgefühl gegenüber der Allgemeinheit unterstellt, was ihn als Politiker unseriös erscheinen liess und die Unbestechlichkeit seiner Person in Frage stellte. Durch solche Vorwürfe pflegt der Betroffene seine Achtung als Mensch einzubüssen. Auch dieser Vorwurf ist daher ehrverletzend."
3. Was dem Beschwerdegegner hier vorgeworfen wird, ist lediglich, er habe der Baudirektion der Stadt Luzern Aushubmaterial zu stark übersetztem Preis angeboten. Die daraus gezogene Folgerung, er habe "auf dem Buckel der Öffentlichkeit ein Geschäft machen wollen", fügt diesem Vorwurf sinngemäss bloss noch hinzu, er sei sich bewusst gewesen, dass der Preis nicht der Marktlage entsprach. Im übrigen war der daraus gezogene Schluss eine durchaus angemessene Wertung aus dem erhobenen Vorwurf und könnte, wie die kantonalen Gerichte richtig entschieden haben, nicht Anlass zu einer selbständigen Verurteilung wegen Beschimpfung gemäss Art. 177
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 177 - 1 Wer jemanden in anderer Weise durch Wort, Schrift, Bild, Gebärde oder Tätlichkeiten in seiner Ehre angreift, wird, auf Antrag, mit Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen bestraft.234 |
|
1 | Wer jemanden in anderer Weise durch Wort, Schrift, Bild, Gebärde oder Tätlichkeiten in seiner Ehre angreift, wird, auf Antrag, mit Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen bestraft.234 |
2 | Hat der Beschimpfte durch sein ungebührliches Verhalten zu der Beschimpfung unmittelbar Anlass gegeben, so kann das Gericht den Täter von Strafe befreien. |
3 | Ist die Beschimpfung unmittelbar mit einer Beschimpfung oder Tätlichkeit erwidert worden, so kann das Gericht einen oder beide Täter von Strafe befreien. |
BGE 103 IV 157 S. 160
In Wirklichkeit war der hier zu beurteilende Vorwurf ein Angriff auf den Beschwerdegegner als Politiker. Das zeigt gerade die etwas genauere Begründung der ersten Instanz. Von einem Politiker, der sich um ein Amt als Stadtrat bewirbt und der allenfalls berufen sein könnte, die frei werdende Baudirektion zu übernehmen, kann der Bürger vermehrten Gemeinsinn fordern und finden, für dieses Amt sei nicht geeignet, wer als Privater dem Gemeinwesen, dem er in leitender Stellung vorstehen soll, zuvor ein finanziell ungünstiges Angebot gemacht hat. Nur für eine solche Stellung ist dem Beschwerdegegner damit mangelndes Verantwortungsgefühl gegenüber dem Gemeinwesen vorgeworfen. Nur "als Politiker" konnte ihn die Äusserung als "unseriös erscheinen" lassen. Inwiefern aber aus der Äusserung geschlossen werden könnte, dem Beschwerdegegner werde auch Bestechlichkeit unterstellt, wie die erste Instanz meint, ist schlechtweg nicht ersichtlich. Ob die eingeklagte Äusserung der Wahrheit entsprach, braucht daher nicht geprüft zu werden. Unwahre Äusserungen, die dem politischen Ansehen eines andern abträglich sind, sind zu verwerfen. Dies besonders dann, wenn sie kurz vor Abschluss eines Wahlkampfes öffentlich erfolgen und so das Wahlergebnis beeinflussen können. Entsprechendes gilt auch für unwahre Angaben über Gesetzes- und andere Abstimmungsvorlagen. Solche Äusserungen können der fehlerfreien demokratischen Willensbildung schaden und verstossen gegen die politische Fairness. Aber weder Art. 173 ff
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 173 - 1. Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt, |
|
1 | Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt, |
2 | Beweist der Beschuldigte, dass die von ihm vorgebrachte oder weiterverbreitete Äusserung der Wahrheit entspricht, oder dass er ernsthafte Gründe hatte, sie in guten Treuen für wahr zu halten, so ist er nicht strafbar. |
3 | Der Beschuldigte wird zum Beweis nicht zugelassen und ist strafbar für Äusserungen, die ohne Wahrung öffentlicher Interessen oder sonst wie ohne begründete Veranlassung, vorwiegend in der Absicht vorgebracht oder verbreitet werden, jemandem Übles vorzuwerfen, insbesondere, wenn sich die Äusserungen auf das Privat- oder Familienleben beziehen. |
4 | Nimmt der Täter seine Äusserung als unwahr zurück, so kann er milder bestraft oder ganz von Strafe befreit werden. |
5 | Hat der Beschuldigte den Wahrheitsbeweis nicht erbracht oder sind seine Äusserungen unwahr oder nimmt der Beschuldigte sie zurück, so hat das Gericht dies im Urteil oder in einer andern Urkunde festzustellen. |
Fehlt es nach dem Gesagten schon an einer strafbaren Ehrverletzung, stellt sich die Frage, ob die Entlastungsbeweise zuzulassen seien und ob sie erbracht wurden, überhaupt nicht.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Luzern vom 18. Oktober 1976 aufgehoben und die Sache zum Freispruch des Beschwerdeführers an die Vorinstanz zurückgewiesen.