101 II 329
55. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 11. November 1975 i.S. Günthner gegen Grundstückgesellschaft Juventus AG.
Regeste (de):
- Art. 1 Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 1 - 1 Zum Abschlusse eines Vertrages ist die übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung der Parteien erforderlich.
1 Zum Abschlusse eines Vertrages ist die übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung der Parteien erforderlich. 2 Sie kann eine ausdrückliche oder stillschweigende sein. SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 216 - 1 Kaufverträge, die ein Grundstück zum Gegenstande haben, bedürfen zu ihrer Gültigkeit der öffentlichen Beurkundung.
1 Kaufverträge, die ein Grundstück zum Gegenstande haben, bedürfen zu ihrer Gültigkeit der öffentlichen Beurkundung. 2 Vorverträge sowie Verträge, die ein Vorkaufs-, Kaufs- oder Rückkaufsrecht an einem Grundstück begründen, bedürfen zu ihrer Gültigkeit der öffentlichen Beurkundung.76 3 Vorkaufsverträge, die den Kaufpreis nicht zum voraus bestimmen, sind in schriftlicher Form gültig.77 - 1. Auslegung einer Regelung über den Kaufpreis, die eine Übernahme bestehender Grundpfandschulden ausschliesst (Erw. 2).
- 2. Bei diesem Ergebnis lässt sich nicht sagen, die Pflicht des Verkäufers zur Ablösung der Pfandschulden sei durch die öffentliche Beurkundung des Vertrages nicht gedeckt (Erw. 3).
Regeste (fr):
- Art. 1 al. 1 et 216 al. 1 CO.
- 1. Interprétation d'une disposition relative au prix de vente qui exclut une reprise de dettes hypothécaires existantes (consid. 2).
- 2. Une telle disposition ne permet pas d'admettre que l'obligation du vendeur de libérer l'immeuble des dettes hypothécaires n'est pas couverte par la forme authentique de l'acte de vente (consid. 3).
Regesto (it):
- Art. 1 cpv. 1 e 216 cpv. 1 CO.
- 1. Interpretazione di una disposizione relativa al prezzo di compera, escludente la ripresa di debiti ipotecari (consid. 2).
- 2. Una tale disposizione non permette di ammettere che l'obbligo del venditore di liberare l'immobile dai debiti ipotecari non sia coperto dalla forma autentica dell'atto di compra-vendita (consid. 3).
Sachverhalt ab Seite 329
BGE 101 II 329 S. 329
A.- Franz Günthner verkaufte der Juventus AG am 2. Juli 1971 zum Preise von Fr. 880'000.-- die 464,8 m2 messende Liegenschaft Nr. 5566 in Zürich-Aussersihl. Der Kaufpreis sollte zu Fr. 400'000.-- bei der Eigentumsübertragung in bar und zu Fr. 480'000.-- durch einen Inhaber-Schuldbrief getilgt werden, der im 1. Rang zugunsten des Verkäufers zu errichten war. Dass auf dem Grundstück bereits fünf Schuldbriefe im 1. bis 5. Rang mit einer Gesamtsumme von Fr. 385'000.-- lasteten, wurde im Vertrag nicht gesagt. Das Eigentum sollte spätestens innert zweieinhalb Jahren auf die Käuferin übergehen. Mit Schreiben vom 1. November 1973 forderte die Juventus AG den Verkäufer auf, am 16. November zu diesem Zwecke auf dem Grundbuchamt zu erscheinen; sie fügte bei, dass ihm dabei die in bar zu entrichtende Summe des Kaufpreises bezahlt werde. Der Verkäufer kam nicht. Auf eine weitere Aufforderung vom 19. November antwortete er am 3. Dezember, dass er auf den Vertrag nicht eintreten könne, da sich die Lage inzwischen für ihn geändert habe.
BGE 101 II 329 S. 330
B.- Die Juventus AG klagte daraufhin gegen Günthner insbesondere auf Feststellung, dass sie nach dem Kaufvertrag die Übertragung des Grundstückes Nr. 5566 ohne die bestehenden Grundpfandschulden auf ihren Namen verlangen dürfe, der Beklagte folglich verpflichtet sei, die fünf Schuldbriefe im Gesamtbetrag von Fr. 385'000.-- abzulösen und im Grundbuch löschen zu lassen. Das Handelsgericht des Kantons Zürich schützte am 21. Oktober 1974 die Klage mit Bezug auf diese Verpflichtung des Beklagten.
C.- Der Beklagte hat gegen das Urteil des Handelsgerichtes Berufung eingelegt. Das Bundesgericht weist sie ab und bestätigt den angefochtenen Entscheid.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2. Die Parteien streiten sich vor allem um die fünf Schuldbriefe, welche zur Zeit des Vertragsschlusses auf der Liegenschaft lasteten, im Vertrag aber nicht erwähnt wurden. Die Klägerin will die Liegenschaft pfandfrei gekauft, der Beklagte sich dagegen nicht zur Ablösung der bestehenden Schuldbriefe verpflichtet haben. Wird ein mit Pfandrechten belastetes Grundstück veräussert, so haften das Pfand und der Schuldner unverändert weiter, wenn nichts anderes vereinbart wird (Art. 832 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 832 - 1 Wird das mit einer Grundpfandverschreibung belastete Grundstück veräussert, so bleibt die Haftung des Grundpfandes und des Schuldners, wenn es nicht anders verabredet ist, unverändert. |
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1 | Wird das mit einer Grundpfandverschreibung belastete Grundstück veräussert, so bleibt die Haftung des Grundpfandes und des Schuldners, wenn es nicht anders verabredet ist, unverändert. |
2 | Hat aber der neue Eigentümer die Schuldpflicht für die Pfandforderung übernommen, so wird der frühere Schuldner frei, wenn der Gläubiger diesem gegenüber nicht binnen Jahresfrist schriftlich erklärt, ihn beibehalten zu wollen. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 845 - Für die Folgen der Veräusserung und der Teilung des Grundstücks gelten die Bestimmungen über die Grundpfandverschreibung. |
BGE 101 II 329 S. 331
der Pfandschulden gleichkäme. Der klare Wortlaut der Klausel schliesst eine solche Annahme vielmehr aus. Der Beklagte sieht denn auch ein, dass der vertraglich vorgesehene Schuldbrief im 1. Rang nicht errichtet werden kann, solange ein anderer in diesem Rang und vier weitere in den Rängen 2 bis 5 bestehen. Nach der Vertrauenstheorie muss der Beklagte sich diese Auslegung selbst dann entgegenhalten lassen, wenn sie nicht seinem damaligen Willen entsprochen haben sollte. Er verkennt, dass zum Abschluss eines Vertrages nur die Übereinstimmung der gegenseitigen Willensäusserungen erforderlich ist (Art. 1 Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 1 - 1 Zum Abschlusse eines Vertrages ist die übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung der Parteien erforderlich. |
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1 | Zum Abschlusse eines Vertrages ist die übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung der Parteien erforderlich. |
2 | Sie kann eine ausdrückliche oder stillschweigende sein. |
3. Der Beklagte macht ferner geltend, die Verpflichtung über die Ablösung der bestehenden Belastung sei jedenfalls nicht öffentlich beurkundet worden, was den Vertrag als ganzes nichtig mache. a) Kaufverträge über Grundstücke bedürfen der öffentlichen Beurkundung (Art. 126 Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 126 - Auf die Verrechnung kann der Schuldner zum voraus Verzicht leisten. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 657 - 1 Der Vertrag auf Eigentumsübertragung bedarf zu seiner Verbindlichkeit der öffentlichen Beurkundung. |
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1 | Der Vertrag auf Eigentumsübertragung bedarf zu seiner Verbindlichkeit der öffentlichen Beurkundung. |
2 | Die Verfügung von Todes wegen und der Ehevertrag bedürfen der im Erbrecht und im ehelichen Güterrecht vorgeschriebenen Formen. |
BGE 101 II 329 S. 332
Meinung waren, sie werde noch vor der Eigentumsübertragung auf den verurkundeten Betrag herabgesetzt. Die Urkundsperson hätte den noch herzustellenden Stand der Pfandrechte nicht als bestehend ausgeben dürfen, sondern die wirkliche Belastung sowie die Verpflichtung des Verkäufers zu deren Herabsetzung auf Fr. 130'000.-- in den Vertrag aufnehmen müssen. Diese Rechtsprechung wurde in BGE 93 II 239 ff. dahin verdeutlicht, dass die Unterlassung der Urkundsperson, bestehende Hypotheken in den Vertrag aufzunehmen, jedenfalls dann nicht gegen Bundesrecht verstosse, wenn die Parteien nicht eine Übernahme der Pfandschulden durch den Käufer, sondern deren Ablösung durch den Verkäufer vereinbarten und dies aus dem Vertrag hervorgehe. b) Im vorliegenden Fall ist in der Vertragsurkunde weder von der bestehenden Belastung noch von der Pflicht des Verkäufers, sie abzulösen, die Rede. Die vertragliche Regelung über den Kaufpreis und seine Zahlung kann indes nur dahin verstanden werden, dass die Käuferin eine pfandfreie Liegenschaft erwerben, der Verkäufer folglich die vorbestehenden Pfandrechte bis zur Eintragung des Kaufes im Grundbuch ablösen sollte. Dafür hatte der Beklagte nach dem Vertrag denn auch zweieinhalb Jahre Zeit. Seine Pflicht zur Ablösung war keine zusätzliche Vereinbarung, mit welcher die Vertragsurkunde formlos ergänzt worden wäre. Sie war nicht ausdrücklich, aber dem Sinne nach als notwendiger Nebeninhalt der Klausel über den Kaufpreis im Vertragstext enthalten, folglich durch die Form der öffentlichen Beurkundung ebenfalls gedeckt. Bei diesem Ergebnis kommt nichts darauf an, unter welchen Voraussetzungen ergänzende Nebenabreden der Vertragsparteien, z.B. über Bedingungen oder Modalitäten der Zahlung oder über die Errichtung von Schuldbriefen zur teilweisen Tilgung des Kaufpreises, auch formlos gültig sind oder der öffentlichen Beurkundung bedürfen (vgl. BGE 71 II 270, BGE 75 II 146, BGE 86 II 260, 88 II 161; OSER/SCHÖNENBERGER, N. 9 und BECKER, N. 4 zu Art. 216
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 216 - 1 Kaufverträge, die ein Grundstück zum Gegenstande haben, bedürfen zu ihrer Gültigkeit der öffentlichen Beurkundung. |
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1 | Kaufverträge, die ein Grundstück zum Gegenstande haben, bedürfen zu ihrer Gültigkeit der öffentlichen Beurkundung. |
2 | Vorverträge sowie Verträge, die ein Vorkaufs-, Kaufs- oder Rückkaufsrecht an einem Grundstück begründen, bedürfen zu ihrer Gültigkeit der öffentlichen Beurkundung.76 |
3 | Vorkaufsverträge, die den Kaufpreis nicht zum voraus bestimmen, sind in schriftlicher Form gültig.77 |