100 IV 9
3. Urteil des Kassationshofes vom 7. Juni 1974 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz gegen Ochsner.
Regeste (de):
- Art. 41 Ziff. 1 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn: a eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder b eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann. 2 Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen. 3 Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36). - Bedingter Strafvollzug bei Fahren in angetrunkenem Zustand.
- Bestätigung der Rechtsprechung.
Regeste (fr):
- Art. 41 ch. 1 al. 1 CP.
- Sursis en matière de conduite en état d'ébriété.
- Confirmation de jurisprudence.
Regesto (it):
- Art. 41 num. 1 cpv. 1 CP.
- Sospensione condizionale della pena in materia di circolazione in stato di ebbrietà.
- Conferma della giurisprudenza.
Sachverhalt ab Seite 9
BGE 100 IV 9 S. 9
A.- Am Nachmittag des 1. August 1972 besuchte Alois Ochsner mehrere Wirtschaften, in denen er wiederholt Alkohol genoss. Er wusste, dass er nachher mit dem Wagen nach Hause fahren würde. Gegen 19 Uhr setzte er sich in einem schweren Rausch (2,6 ) ans Steuer, obwohl der Wirt Kälin ihn auf seinen Zustand hingewiesen und aufgefordert hatte, sein Fahrzeug nicht mehr zu lenken.
B.- Am 29. Mai 1973 verurteilte das Bezirksgericht Einsiedeln Ochsner wegen Führens in angetrunkenem Zustand zu 50 Tagen Gefängnis und Fr. 500.--- Busse. Es gewährte ihm den bedingten Strafvollzug. Am 28. Januar 1974 änderte das Kantonsgericht Schwyz den erstinstanzlichen Entscheid dahin ab, dass es die Gefängnisstrafe auf 30 Tage herabsetzte. Im übrigen bestätigte es das Urteil.
C.- Die StaatsanWaltschaft Schwyz führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Kantonsgerichts aufzuheben, soweit es den Vollzug der Freiheitsstrafe aufschiebt und die bedingte Löschung der Busse gewährt, und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Ochsner beantragt Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Nach ständiger Rechtsprechung darf angetrunkenen Motorfahrzeugführern der bedingte Strafvollzug nur mit grosser
BGE 100 IV 9 S. 10
Zurückhaltung gewährt werden. Es ist eine allgemein bekannte Tatsache, dass die Fahrtüchtigkeit schon durch geringe Mengen Alkohol beeinträchtigt wird. Wer sich darüber hinwegsetzt und trotz der vielfältigen öffentlichen Warnungen sich antrinkt, obwohl er weiss, dass er sich nachher ans Steuer setzen wird, bekundet in der Regel eine Gesinnung, die als hemmungs- und rücksichtslos bezeichnet werden muss und auf einen Charakterfehler schliessen lässt. Deshalb sind an die Gewähr, die ein nach Art. 91 Abs. 1
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SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 91 - 1 Mit Busse wird bestraft, wer: |
|
1 | Mit Busse wird bestraft, wer: |
a | in angetrunkenem Zustand ein Motorfahrzeug führt; |
b | das Verbot, unter Alkoholeinfluss zu fahren, missachtet; |
c | in fahrunfähigem Zustand ein motorloses Fahrzeug führt. |
2 | Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer: |
a | in angetrunkenem Zustand mit qualifizierter Atemalkohol- oder Blutalkoholkonzentration ein Motorfahrzeug führt; |
b | aus anderen Gründen fahrunfähig ist und ein Motorfahrzeug führt. |
2. Nach der verbindlichen Feststellung des Kantonsgerichtes ist der Beschwerdegegner mit dem Auto nach Einsiedeln gefahren im Bewusstsein, dass er im Verlaufe des Nachmittags oder des Abends noch nach Hause fahren würde. Er wäre deshalb verpflichtet gewesen, dem Rechnung zu tragen und sich im Genuss alkoholischer Getränke zurückzuhalten. Wie die Vorinstanz indessen anerkennt, hat er sich über dieses Gebot "leichthin hinweggesetzt", und sie hat denn auch festgehalten, dass die Tatumstände, namentlich der Grad der Alkoholisierung und die Verkehrsgefährdung sowie die Tatsache, dass er sich mit dem Auto auf die "Wirtschaftstour" begeben habe, objektiv und subjektiv schwer ins Gewicht fielen.
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Das trifft in der Tat zu, wenn man berücksichtigt, dass sich Ochsner ohne besonderen Anlass zu diesem Verhalten hinreissen liess und obschon er bereits einmal wegen Führens in angetrunkenem Zustand hatte bestraft werden müssen. Wenn diese Verurteilung auch ins Jahr 1963 zurückreicht, so ist sie doch nicht belanglos (BGE 76 IV 73, 171; BGE 79 IV 161; BGE 93 IV 3 Nr. 1; BGE 98 IV 82). Das Kantonsgericht meint, den bedingten Strafvollzug dennoch gewähren zu können, weil er bei einem Ersttäter, dem der Beschwerdegegner gleichgestellt werden könne, nur bei "besonderer Schwere" der neuen Tat verweigert werden dürfe. Diese Auffassung findet im Gesetz keinen Anhalt. Nach Art. 41 Ziff. 1 Abs. 1
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn: |
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1 | Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn: |
a | eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder |
b | eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann. |
2 | Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen. |
3 | Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36). |
3. Nach dem Gesagten steht fest, dass die Tatumstände schwer wiegen, namentlich der hohe Grad der Alkoholisierung erheblich ins Gewicht fällt und nach der angeführten Rechtsprechung den Schluss auf eine Charakterschwäche nahelegt. Diese Folgerung könnte nur vermieden werden, wenn wie dargetan, besondere individuelle Verhältnisse und Umstände sie zu entkräften vermöchten. Solche besonderen Gründe, die derart erheblich wären, dass sie die Schwere der Belastungsmomente im Rahmen einer Gesamtwürdigung aufzuwiegen vermöchten, liegen nicht vor.
Der von der Vorinstanz angeführte Umstand, dass der Beschwerdeführer nur über eine kurze Strecke gefahren ist, um
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zu seinem Wohnsitz zu gelangen, hilft nicht. Einmal stellt das Kantonsgericht selber fest, es handle sich dabei um eine regelmässig intensiv befahrene Strecke, und zum andern wäre es gerade bei der Kürze des Heimwegs dem Beschwerdeführer besonders zumutbar gewesen, auf den Gebrauch des Motorfahrzeugs zu verzichten. Gründe der Bequemlichkeit haben in jedem Fall vor der Sicherheit des Verkehrs zurückzutreten. Die Tatsache, dass Ochsner sich im Zeitpunkt, da er vom Wirt aufgefordert wurde, wegen seines Zustandes nicht mehr mit dem Auto zu fahren, bereits in einem schweren Rausch befand und nicht mehr in der Lage war, den Ernst und die Berechtigung der Warnung zu erkennen, kann nicht als ein besonderer Umstand im Sinne der Rechtsprechung zu seinen Gunsten wirken. Dass Vorleben und Leumund des Beschwerdeführers nur unwesentlich getrübt sind (drei Strafregistereinträge aus den Jahren 1962/63), genügt nicht, um den durch die schwerwiegenden Tatumstände geschaffenen negativen Eindruck aufzuwiegen. Je schwerer ein Belastungsmoment ist, desto erheblicher muss auch der für den Täter sprechende Grund sein, um bei gesamthafter Würdigung eine günstige Voraussage für die Zukunft zu rechtfertigen.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, der angefochtene Entscheid aufgehoben und die Sache zur Verweigerung des bedingten Strafvollzugs und der bedingt vorzeitigen Löschbarkeit der Busse an die Vorinstanz zurückgewiesen.