100 IV 27
7. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 10. Mai 1974 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau gegen Ferdinand und Hans Jäger
Regeste (de):
- Art. 139 Ziff. 2 Abs. 4, Raub.
- Die besondere Gefährlichkeit des Täters kann sich nicht nur aus den Tatumständen ergeben, sondern auch aus vorausgehenden und nachfolgenden Umständen.
- Zu solchen der Tat vorangehenden Umständen zählen Umsicht und Hartnäckigkeit bei der Verfolgung der räuberischen Absicht.
Regeste (fr):
- Art. 139 ch. 2 al. 4 CP; brigandage.
- Le danger particulier que représente l'auteur ne dépend pas exclusivement des circonstances de l'acte proprement dit, mais aussi de celles qui l'ont précédé ou suivi.
- Parmi les circonstances précédant l'acte, figurent les prècautions et l'acharnement dont l'auteur a fait preuve dans la poursuite de son dessein délictueux.
Regesto (it):
- Art. 139 num. 2 cpv. 4 CP; rapina.
- La particolare pericolosità dell'autore può risultare non solo dalle circostanze dell'atto criminoso, bensi anche dalle circostanze precedenti e susseguenti.
- Degli antefatti contano particolarmente le precauzioni prese e l'accanimento che l'autore ha dimostrato nel perseguire i suoi fini criminosi.
Sachverhalt ab Seite 27
BGE 100 IV 27 S. 27
A.- Am Vormittag des 12. Oktober 1971 suchten Ferdinand Jäger und Hans Jäger mit dem Auto ein für einen Raubüberfall geeignetes Postbüro. Sie fuhren zunächst von Zürich nach Killwangen. Dort kaufte Ferdinand J. im Postbüro zum Vorwand Briefmarken. Da den beiden der Zeitpunkt ungünstig erschien, fuhren sie zum Postbüro Stalden auf dem Bözberg, wo Hans J. Marken kaufte, den Ort aber für einen Überfall ungeeignet fand. Am Nachmittag reisten sie nach Biel in der Absicht, in einem Lebensmittel-Discountgeschäft Geld zu erbeuten, trafen jedoch zu spät ein. Darauf fuhren sie nach Lyss, um dem Drogisten Schober beim Einsteigen ins Auto die Tageseinnahmen zu entreissen. Weil Schober nicht bei seinem Wagen erschien, suchte Hans J. ihn in mehreren Restaurants und daheim telefonisch zu erreichen. Schliesslich begaben sie sich zur Wohnung Schobers, wo Hans J., mit der Pistole "Beretta" des Ferdinand J. bewaffnet, mehrmals klingelte. Unverrichteter
BGE 100 IV 27 S. 28
Dinge kehrten sie nach Zürich zurück. Dort stahlen sie aus einem Schaukasten gewaltsam ein Ölgemälde. Am folgenden Morgen gab Ferdinand J. dem Hans J. seine mit 3-4 Patronen geladene Pistole "Beretta", an der Korn und Magazinboden abgefeilt waren, damit sie leichter gezückt werden konnte. Er zeigte ihm, wie sie zu entsichern, nicht aber, wie sie durchzuladen war. Wiederum gings zur Post in Killwangen. Hans J. trat zum Schalter. Da ein Auto vorfuhr, beschränkte er sich darauf, einen Einzahlungsschein zu verlangen. Nachher fuhren die beiden noch drei- oder viermal an der Post vorbei. Da jeweils Leute im Schalterraum waren, kehrten sie zum Mittagessen nach Zürich zurück.
Am Nachmittag passierten sie erneut etwa dreimal vergeblich vor der Post Killwangen. Zwischenhinein fuhren sie zur Post Neuenhof, ohne dort ihr Vorhaben auszuführen. Nach Killwangen zurückgekehrt, begab sich Hans J. - während Ferdinand J. im Auto Schmiere stand - zum Postschalter und richtete die Pistole auf die Beamtin Ingrid Groth mit den Worten: "S'isch'n Raubüberfall, gänd Sie s'Gäld, aber schnäll." Die Beamtin fragte, ob er "spinne". Da drohte er: "S'isch'n Überfall, gänd Sie s'Gäld, schösch knall i Sie abe, Sie sind no jung, Sie händ s'Läbe no vor sich." Dazu hantierte er an der Waffe, wodurch ein klickendes Geräusch entstand. Hierauf gab die Beamtin einen Teil und nach zwei weiteren Drohungen schliesslich das gesamte Notengeld von Fr. 14 930.-- heraus.
B.- Am 11. Dezember 1973 erklärte das Geschwornengericht des Kantons Aargau Ferdinand Jäger des einfachen Raubs, des wiederholten, zum Teil bandenmässigen und versuchten Diebstahls, des wiederholten und fortgesetzten Betrugs, des fortgesetzten Betrugsversuchs, der fortgesetzten Urkundenfälschung, der Zuhälterei, der wiederholten Unzucht mit Kindern, der fortgesetzten Vernachlässigung von Unterstützungspflichten sowie verschiedener Widerhandlungen gegen das SVG schuldig und verurteilte ihn zu fünf Jahren Zuchthaus sowie zu Fr. 100.-- Busse.
Hans Jäger bestrafte es wegen einfachen Raubs, wiederholten und teilweise versuchten Diebstahls, wiederholten Hausfriedensbruchs und wiederholter Sachbeschädigung mit drei Jahren Zuchthaus.
C.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau führt
BGE 100 IV 27 S. 29
Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag auf Rückweisung der Sache an das Geschwornengericht zur Verurteilung beider Angeklagten wegen qualifizierten statt einfachen Raubes und zur Verwahrung beider nach Art. 42
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 42 - 1 Das Gericht schiebt den Vollzug einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten.33 |
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1 | Das Gericht schiebt den Vollzug einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten.33 |
2 | Wurde der Täter innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Tat zu einer bedingten oder unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten verurteilt, so ist der Aufschub nur zulässig, wenn besonders günstige Umstände vorliegen.34 |
3 | Die Gewährung des bedingten Strafvollzuges kann auch verweigert werden, wenn der Täter eine zumutbare Schadenbehebung unterlassen hat. |
4 | Eine bedingte Strafe kann mit einer Busse nach Artikel 106 verbunden werden.35 |
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Nach Art. 139 Ziff. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 139 - 1. Wer jemandem eine fremde bewegliche Sache zur Aneignung wegnimmt, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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1 | Wer jemandem eine fremde bewegliche Sache zur Aneignung wegnimmt, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | ...197 |
3 | Der Dieb wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft, wenn er: |
a | gewerbsmässig stiehlt; |
b | den Diebstahl als Mitglied einer Bande ausführt, die sich zur fortgesetzten Verübung von Raub oder Diebstahl zusammengefunden hat; |
c | zum Zweck des Diebstahls eine Schusswaffe oder eine andere gefährliche Waffe mit sich führt oder eine Explosion verursacht; oder |
d | sonst wie durch die Art, wie er den Diebstahl begeht, seine besondere Gefährlichkeit offenbart.198 |
4 | Der Diebstahl zum Nachteil eines Angehörigen oder Familiengenossen wird nur auf Antrag verfolgt. |