Bundesstrafgericht
Tribunal pénal fédéral Tribunale penale federale Tribunal penal federal
Geschäftsnummer: BG.2022.46
Beschluss vom 30. Januar 2023 Beschwerdekammer
Besetzung
Bundesstrafrichter Roy Garré, Vorsitz, Daniel Kipfer Fasciati und Miriam Forni, Gerichtsschreiberin Chantal Blättler Grivet Fojaja
Parteien
Kanton Bern, Generalstaatsanwaltschaft, Gesuchsteller
gegen
Cantone Ticino, Ministero pubblico, Gesuchsgegner
Gegenstand
Gerichtsstandskonflikt (Art. 40 Abs. 2

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 40 Gerichtsstandskonflikte - 1 Ist der Gerichtsstand unter Strafbehörden des gleichen Kantons streitig, so entscheidet die Ober- oder Generalstaatsanwaltschaft oder, wenn keine solche vorgesehen ist, die Beschwerdeinstanz dieses Kantons.17 |
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1 | Ist der Gerichtsstand unter Strafbehörden des gleichen Kantons streitig, so entscheidet die Ober- oder Generalstaatsanwaltschaft oder, wenn keine solche vorgesehen ist, die Beschwerdeinstanz dieses Kantons.17 |
2 | Können sich die Strafverfolgungsbehörden verschiedener Kantone über den Gerichtsstand nicht einigen, so unterbreitet die Staatsanwaltschaft des Kantons, der zuerst mit der Sache befasst war, die Frage unverzüglich, in jedem Fall vor der Anklageerhebung, dem Bundesstrafgericht zum Entscheid. |
3 | Die zum Entscheid über den Gerichtsstand zuständige Behörde kann einen andern als den in den Artikeln 31-37 vorgesehenen Gerichtsstand festlegen, wenn der Schwerpunkt der deliktischen Tätigkeit oder die persönlichen Verhältnisse der beschuldigten Person es erfordern oder andere triftige Gründe vorliegen. |
Sachverhalt:
A. Am 7. September 2022 meldete sich A. über das Frauentelefon bei der Kantonspolizei Bern und gab an, in der Nacht vom 27. auf den 28. August 2022 in Z./TI von B. geschändet worden zu sein (Verfahrensakten Kt. Bern, Lasche «Anzeige»).
B. Am 9. September 2022 wurde A. von der Kantonspolizei Bern als Geschädigte einvernommen (Verfahrensakten Kt. Bern, Lasche «EV Opfer»). Daraufhin eröffnete die Staatsanwaltschaft des Kantos Bern, Region Bern-Mittelland, mit Verfügung vom 12. September 2022 gegen B. eine Untersuchung wegen des Verdachts der Schändung (Verfahrensakten Kt. Bern, Lasche «Eröffnung»).
C. Mit Verfügung vom 21. September 2022 forderte die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern das Spital C. (Frauenklinik) auf, sämtliche Unterlagen betreffend die Untersuchung von A. herauszugeben (Verfahrensakten Kt. Bern, Lasche «Edition»).
D. Mit Schreiben vom 27. September 2022 informierte die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern die Staatsanwaltschaft des Kantons Tessin über die bei ihr eröffnete Strafuntersuchung gegen B. und teilte mit, dass sie «[t]rotz des klaren Gerichtsstandes gemäss Art. 31 Abs. 1

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 31 Gerichtsstand des Tatortes - 1 Für die Verfolgung und Beurteilung einer Straftat sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem die Tat verübt worden ist. Liegt nur der Ort, an dem der Erfolg der Straftat eingetreten ist, in der Schweiz, so sind die Behörden dieses Ortes zuständig. |
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1 | Für die Verfolgung und Beurteilung einer Straftat sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem die Tat verübt worden ist. Liegt nur der Ort, an dem der Erfolg der Straftat eingetreten ist, in der Schweiz, so sind die Behörden dieses Ortes zuständig. |
2 | Ist die Straftat an mehreren Orten verübt worden oder ist der Erfolg an mehreren Orten eingetreten, so sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem zuerst Verfolgungshandlungen vorgenommen worden sind. |
3 | Hat eine beschuldigte Person am selben Ort mehrere Verbrechen, Vergehen oder Übertretungen verübt, so werden die Verfahren vereint. |

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 31 Gerichtsstand des Tatortes - 1 Für die Verfolgung und Beurteilung einer Straftat sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem die Tat verübt worden ist. Liegt nur der Ort, an dem der Erfolg der Straftat eingetreten ist, in der Schweiz, so sind die Behörden dieses Ortes zuständig. |
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1 | Für die Verfolgung und Beurteilung einer Straftat sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem die Tat verübt worden ist. Liegt nur der Ort, an dem der Erfolg der Straftat eingetreten ist, in der Schweiz, so sind die Behörden dieses Ortes zuständig. |
2 | Ist die Straftat an mehreren Orten verübt worden oder ist der Erfolg an mehreren Orten eingetreten, so sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem zuerst Verfolgungshandlungen vorgenommen worden sind. |
3 | Hat eine beschuldigte Person am selben Ort mehrere Verbrechen, Vergehen oder Übertretungen verübt, so werden die Verfahren vereint. |
E. Mit Verfügungen vom 7. und 27. Oktober 2022 setzte die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern Rechtsanwältin D. als amtliche Verteidigerin von B. und Rechtsanwalt E. als amtlichen Rechtsbeistand von A. ein (Verfahrensakten Kt. Bern, Laschen «RA D.» und «RA E.»). Ebenfalls am 27. Oktober 2022 erliess die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern eine Verfügung, welche diejenige vom 21. September 2022 ersetzte, und forderte das Spital C. nunmehr auf, den Untersuchungsbericht vom 9. September 2022 betreffend A. herauszugeben (Verfahrensakten Kt. Bern, Lasche «Edition»).
F. Am 31. Oktober 2022 wurde B. als Beschuldigter von der Kantonspolizei Bern einvernommen (Verfahrensakten Kt. Bern, Lasche «EV Beschuldigter»), und mit Durchsuchungsbefehl vom 8. November 2022 ordnete die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern die Durchsuchung des Mobiltelefons von B. an (Verfahrensakten Kt. Bern, Lasche «Durchsuchung Handy»).
G. Mit Schreiben vom 2. Dezember 2022 ersuchte die Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern die Staatsanwaltschaft des Kantons Tessin um Übernahme der Strafuntersuchung gegen B. (act. 1.1), was von dieser mit Schreiben vom 5. Dezember 2022 abgelehnt wurde. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Tessin stellte sich auf den Standpunkt, dass Gründe für das Vorliegen eines abweichenden Gerichtsstands im Sinne von Art. 38

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 38 Bestimmung eines abweichenden Gerichtsstands - 1 Die Staatsanwaltschaften können untereinander einen anderen als den in den Artikeln 31-37 vorgesehenen Gerichtsstand vereinbaren, wenn der Schwerpunkt der deliktischen Tätigkeit oder die persönlichen Verhältnisse der beschuldigten Person es erfordern oder andere triftige Gründe vorliegen. |
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1 | Die Staatsanwaltschaften können untereinander einen anderen als den in den Artikeln 31-37 vorgesehenen Gerichtsstand vereinbaren, wenn der Schwerpunkt der deliktischen Tätigkeit oder die persönlichen Verhältnisse der beschuldigten Person es erfordern oder andere triftige Gründe vorliegen. |
2 | Zur Wahrung der Verfahrensrechte einer Partei kann die Beschwerdeinstanz des Kantons auf Antrag dieser Partei oder von Amtes wegen nach Erhebung der Anklage die Beurteilung in Abweichung der Gerichtsstandsvorschriften dieses Kapitels einem andern sachlich zuständigen erstinstanzlichen Gericht des Kantons zur Beurteilung überweisen. |
Auf die Ausführungen der Parteien und die eingereichten Akten wird, soweit erforderlich, in den nachfolgenden rechtlichen Erwägungen Bezug genommen.
Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung:
1. Die Eintretensvoraussetzungen (durchgeführter Meinungsaustausch zwischen den involvierten Kantonen und zuständigen Behörden, Frist und Form) sind vorliegend erfüllt und geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Auf das Gesuch ist einzutreten.
2.
2.1 Gemäss Art. 31 Abs. 1

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 31 Gerichtsstand des Tatortes - 1 Für die Verfolgung und Beurteilung einer Straftat sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem die Tat verübt worden ist. Liegt nur der Ort, an dem der Erfolg der Straftat eingetreten ist, in der Schweiz, so sind die Behörden dieses Ortes zuständig. |
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1 | Für die Verfolgung und Beurteilung einer Straftat sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem die Tat verübt worden ist. Liegt nur der Ort, an dem der Erfolg der Straftat eingetreten ist, in der Schweiz, so sind die Behörden dieses Ortes zuständig. |
2 | Ist die Straftat an mehreren Orten verübt worden oder ist der Erfolg an mehreren Orten eingetreten, so sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem zuerst Verfolgungshandlungen vorgenommen worden sind. |
3 | Hat eine beschuldigte Person am selben Ort mehrere Verbrechen, Vergehen oder Übertretungen verübt, so werden die Verfahren vereint. |
2.2 Die Beschwerdekammer kann (wie die beteiligten Staatsanwaltschaften unter einander auch) einen anderen als den in Art. 31

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 31 Gerichtsstand des Tatortes - 1 Für die Verfolgung und Beurteilung einer Straftat sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem die Tat verübt worden ist. Liegt nur der Ort, an dem der Erfolg der Straftat eingetreten ist, in der Schweiz, so sind die Behörden dieses Ortes zuständig. |
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1 | Für die Verfolgung und Beurteilung einer Straftat sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem die Tat verübt worden ist. Liegt nur der Ort, an dem der Erfolg der Straftat eingetreten ist, in der Schweiz, so sind die Behörden dieses Ortes zuständig. |
2 | Ist die Straftat an mehreren Orten verübt worden oder ist der Erfolg an mehreren Orten eingetreten, so sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem zuerst Verfolgungshandlungen vorgenommen worden sind. |
3 | Hat eine beschuldigte Person am selben Ort mehrere Verbrechen, Vergehen oder Übertretungen verübt, so werden die Verfahren vereint. |

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 37 Gerichtsstand bei selbstständigen Einziehungen - 1 Selbstständige Einziehungen (Art. 376-378) sind an dem Ort durchzuführen, an dem sich die einzuziehenden Gegenstände oder Vermögenswerte befinden. |
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1 | Selbstständige Einziehungen (Art. 376-378) sind an dem Ort durchzuführen, an dem sich die einzuziehenden Gegenstände oder Vermögenswerte befinden. |
2 | Befinden sich die einzuziehenden Gegenstände oder Vermögenswerte in mehreren Kantonen und stehen sie aufgrund der gleichen Straftat oder der gleichen Täterschaft in Zusammenhang, so sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem das Einziehungsverfahren zuerst eröffnet worden ist. |

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 40 Gerichtsstandskonflikte - 1 Ist der Gerichtsstand unter Strafbehörden des gleichen Kantons streitig, so entscheidet die Ober- oder Generalstaatsanwaltschaft oder, wenn keine solche vorgesehen ist, die Beschwerdeinstanz dieses Kantons.17 |
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1 | Ist der Gerichtsstand unter Strafbehörden des gleichen Kantons streitig, so entscheidet die Ober- oder Generalstaatsanwaltschaft oder, wenn keine solche vorgesehen ist, die Beschwerdeinstanz dieses Kantons.17 |
2 | Können sich die Strafverfolgungsbehörden verschiedener Kantone über den Gerichtsstand nicht einigen, so unterbreitet die Staatsanwaltschaft des Kantons, der zuerst mit der Sache befasst war, die Frage unverzüglich, in jedem Fall vor der Anklageerhebung, dem Bundesstrafgericht zum Entscheid. |
3 | Die zum Entscheid über den Gerichtsstand zuständige Behörde kann einen andern als den in den Artikeln 31-37 vorgesehenen Gerichtsstand festlegen, wenn der Schwerpunkt der deliktischen Tätigkeit oder die persönlichen Verhältnisse der beschuldigten Person es erfordern oder andere triftige Gründe vorliegen. |
2.3 Ein Abweichen vom gesetzlichen Gerichtsstand ist unter anderem möglich, wenn ein Kanton seine Zuständigkeit konkludent anerkannt hat (Beschlüsse des Bundesstrafgerichts BG.2015.50 vom 22. April 2016 E. 2.2; BG.2013.31 vom 28. Januar 2014 E. 2.2; Schweri/Bänziger, Interkantonale Gerichtsstandsbestimmung in Strafsachen, 2. Aufl. 2004, S. 147 ff.). Betrachtet sich die Behörde als unzuständig, so hat sie den Fall rasch an die zuständige Stelle weiterzuleiten (vgl. Beschluss des Bundesstrafgerichts BG.2013.31 vom 28. Januar 2014 E. 2.2). Wartet sie mit der Gerichtsstandsanfrage zu lange zu bzw. unterlässt sie diese, so ist von einer konkludenten Anerkennung auszugehen (TPF 2011 178 E. 2.1 S. 180; Beschluss des Bundesstrafgerichts BG.2006.28 vom 26. September 2006 E. 3.1; vgl. auch sinngemäss Kuhn, Basler Kommentar, 2. Aufl. 2014, Art. 39

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 39 Prüfung der Zuständigkeit und Einigung - 1 Die Strafbehörden prüfen ihre Zuständigkeit von Amtes wegen und leiten einen Fall wenn nötig der zuständigen Stelle weiter. |
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1 | Die Strafbehörden prüfen ihre Zuständigkeit von Amtes wegen und leiten einen Fall wenn nötig der zuständigen Stelle weiter. |
2 | Erscheinen mehrere Strafbehörden als örtlich zuständig, so informieren sich die beteiligten Staatsanwaltschaften unverzüglich über die wesentlichen Elemente des Falles und bemühen sich um eine möglichst rasche Einigung. |
2.4 Eine konkludente Anerkennung des Gerichtsstandes darf nicht leichthin angenommen werden. Nach dem Eingang einer Strafanzeige haben die Strafverfolgungsbehörden von Amtes wegen summarisch und beschleunigt zu prüfen, ob ihre örtliche Zuständigkeit und damit die Gerichtsbarkeit ihres Kantons gegeben ist, um Verzögerungen des Verfahrens zu vermeiden. Die mit der Prüfung befasste Behörde muss alle für die Festlegung des Gerichtsstandes wesentlichen Tatsachen erforschen, die dazu notwendigen Erhebungen durchführen und insbesondere den Ausführungsort ermitteln. Solange die Frage der Zuständigkeit offen oder streitig ist, bleibt jeder Kanton verpflichtet, die sein Gebiet betreffenden Tatsachen so weit abzuklären, als es der Entscheid über den Gerichtsstand erfordert. Diese ersten Ermittlungshandlungen haben für sich allein keine zuständigkeitsbegründende Wirkung, denn es wäre unbillig, jene Behörden, welche Abklärungen für die Ermittlung des Gerichtsstandes vornehmen, allein deswegen schon zu verpflichten, nachher auch das ganze Verfahren durchzuführen (Beschluss des Bundesstrafgerichts BG.2015.46 vom 10. Februar 2016 E. 3.2).
3.
3.1 Vorliegend ist unbestritten, dass die Tathandlung auf dem Gebiet des Kantons Tessin erfolgt ist und somit der ordentliche Gerichtsstand im Sinne von Art. 31 Abs. 1

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 31 Gerichtsstand des Tatortes - 1 Für die Verfolgung und Beurteilung einer Straftat sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem die Tat verübt worden ist. Liegt nur der Ort, an dem der Erfolg der Straftat eingetreten ist, in der Schweiz, so sind die Behörden dieses Ortes zuständig. |
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1 | Für die Verfolgung und Beurteilung einer Straftat sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem die Tat verübt worden ist. Liegt nur der Ort, an dem der Erfolg der Straftat eingetreten ist, in der Schweiz, so sind die Behörden dieses Ortes zuständig. |
2 | Ist die Straftat an mehreren Orten verübt worden oder ist der Erfolg an mehreren Orten eingetreten, so sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem zuerst Verfolgungshandlungen vorgenommen worden sind. |
3 | Hat eine beschuldigte Person am selben Ort mehrere Verbrechen, Vergehen oder Übertretungen verübt, so werden die Verfahren vereint. |
3.2 Der Gesuchsgegner macht geltend, es lägen mehrere Gründe vor, um in Anwendung von Art. 40 Abs. 3

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 40 Gerichtsstandskonflikte - 1 Ist der Gerichtsstand unter Strafbehörden des gleichen Kantons streitig, so entscheidet die Ober- oder Generalstaatsanwaltschaft oder, wenn keine solche vorgesehen ist, die Beschwerdeinstanz dieses Kantons.17 |
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1 | Ist der Gerichtsstand unter Strafbehörden des gleichen Kantons streitig, so entscheidet die Ober- oder Generalstaatsanwaltschaft oder, wenn keine solche vorgesehen ist, die Beschwerdeinstanz dieses Kantons.17 |
2 | Können sich die Strafverfolgungsbehörden verschiedener Kantone über den Gerichtsstand nicht einigen, so unterbreitet die Staatsanwaltschaft des Kantons, der zuerst mit der Sache befasst war, die Frage unverzüglich, in jedem Fall vor der Anklageerhebung, dem Bundesstrafgericht zum Entscheid. |
3 | Die zum Entscheid über den Gerichtsstand zuständige Behörde kann einen andern als den in den Artikeln 31-37 vorgesehenen Gerichtsstand festlegen, wenn der Schwerpunkt der deliktischen Tätigkeit oder die persönlichen Verhältnisse der beschuldigten Person es erfordern oder andere triftige Gründe vorliegen. |
3.3 Der Gesuchsteller führt demgegenüber aus, dass keine triftigen Gründe vorliegen würden, um vom gesetzlichen Gerichtsstand abzuweichen. Insbesondere sei die italienische Sprache kein ausreichender Grund dafür. Hinzu komme, dass es dem Gesuchsgegner seit dem Erhalt des Schreibens des Gesuchstellers vom 27. September 2022 möglich gewesen wäre, seine Einwände gegen den Gerichtsstand im Kanton Tessin vorzubringen, was dieser jedoch unterlassen habe. Die Gerichtsstandsanfrage des Kantons Bern an den Kanton Tessin sei bereits im Schreiben vom 27. September 2022 in Aussicht gestellt worden und keine drei Monate nach dem Schreiben vom 27. September 2022 erfolgt, sodass eine konkludente Anerkennung infolge Nichteinleitung des Gerichtsstandsverfahrens von vornherein ausgeschlossen sei (act. 1 und 5).
4.
4.1 Dass der Gesuchsteller Ermittlungshandlungen durchgeführt hat, stellt grundsätzlich keine konkludente Anerkennung des Gerichtsstandes dar. Solange die Verfahrensführung bei ihm liegt, ist er verpflichtet, Beweissicherungen und Beweisabnahmen durchzuführen, die ihm dringlich oder notwendig erschienen. Die durch den Gesuchsgegner vorgebrachten Argumente in Bezug auf die Sprache und den Wohnort der Parteien sind nicht entscheidend, um vom ordentlichen Gerichtsstand des Tatortes abzuweichen. Hingegen ist im vorliegenden Fall die Gerichtsstandsanfrage vom 2. Dezember 2022 verspätet. Es ist nicht nachvollziehbar, warum der Gesuchsteller am 27. September 2022 eine Gerichtsstandsanfrage ankündigte, aber nicht stellte. A. gab bereits in der telefonischen Anzeige vom 7. September 2022, eine Adresse im Kanton Tessin ([…] in Z.) als Tatort an (Verfahrensakten Kt. Bern, Lasche «Anzeige»). In der Einvernahme vom 9. September 2022 bestätigte sie die Tatortsangabe widerspruchsfrei. Weitere durch den Gesuchsteller durchgeführte Untersuchungshandlungen waren gegebenenfalls zur Beweissicherung und -abnahme angezeigt, für die Ermittlung des Tatortes drängten sie sich hingegen nicht auf. Der Gesuchsteller hatte somit im September 2022 die nötigen Informationen, um beim Kanton Tessin eine Gerichtsstandanfrage zu stellen. Im Schreiben vom 27. September 2022 gab er auch an, dass der Gerichtsstand im Sinne von Art. 31 Abs. 1

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 31 Gerichtsstand des Tatortes - 1 Für die Verfolgung und Beurteilung einer Straftat sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem die Tat verübt worden ist. Liegt nur der Ort, an dem der Erfolg der Straftat eingetreten ist, in der Schweiz, so sind die Behörden dieses Ortes zuständig. |
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1 | Für die Verfolgung und Beurteilung einer Straftat sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem die Tat verübt worden ist. Liegt nur der Ort, an dem der Erfolg der Straftat eingetreten ist, in der Schweiz, so sind die Behörden dieses Ortes zuständig. |
2 | Ist die Straftat an mehreren Orten verübt worden oder ist der Erfolg an mehreren Orten eingetreten, so sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem zuerst Verfolgungshandlungen vorgenommen worden sind. |
3 | Hat eine beschuldigte Person am selben Ort mehrere Verbrechen, Vergehen oder Übertretungen verübt, so werden die Verfahren vereint. |
der Gesuchsteller seine Zuständigkeit konkludent anerkannt. Da der Gesuchsteller bereits mehrere Untersuchungshandlungen vorgenommen hat, die Parteien ihren Wohnsitz im Kanton Bern haben, die amtliche Verteidigerin und der amtliche Rechtsbeistand (beide im Kanton Bern) schon durch den Gesuchsteller ernannt worden sind, ist ein Abweichen vom Gerichtsstand auch verfahrensökonomisch dienlich.
4.2 Damit liegt zusammenfassend ein triftiger Grund vor, um vom ordentlichen Gerichtsstand abzuweichen.
5. Das Gesuch ist abzuweisen, und es sind die Strafverfolgungsbehörden des Kantons Bern berechtigt und verpflichtet zu erklären, die B. zur Last gelegten Straftaten zu verfolgen und zu beurteilen.
6. Es sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 423 Abs. 1

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 423 Grundsätze - 1 Die Verfahrenskosten werden vom Bund oder dem Kanton getragen, der das Verfahren geführt hat; abweichende Bestimmungen dieses Gesetzes bleiben vorbehalten. |
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1 | Die Verfahrenskosten werden vom Bund oder dem Kanton getragen, der das Verfahren geführt hat; abweichende Bestimmungen dieses Gesetzes bleiben vorbehalten. |
2 | und 3 ...274 |
Demnach erkennt die Beschwerdekammer:
1. Die Strafbehörden des Kantons Bern sind berechtigt und verpflichtet, die B. zur Last gelegte Straftat zu verfolgen und zu beurteilen.
2. Es wird keine Gerichtsgebühr erhoben.
Bellinzona, 30. Januar 2023
Im Namen der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
Zustellung an
- Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern
- Ministero pubblico del Cantone Ticino
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Entscheid ist kein ordentliches Rechtsmittel gegeben.