41. Auszug aus dem Beschluss der I. Beschwerdekammer in Sachen Kanton Zürich gegen Kanton Basel-Stadt vom 18. Oktober 2011 (BG.2011.34)
Gerichtsstandskonflikt; Frist.
Art. 40 Abs. 2

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 40 Gerichtsstandskonflikte - 1 Ist der Gerichtsstand unter Strafbehörden des gleichen Kantons streitig, so entscheidet die Ober- oder Generalstaatsanwaltschaft oder, wenn keine solche vorgesehen ist, die Beschwerdeinstanz dieses Kantons.17 |
Ein Grund für ein Abweichen vom gesetzlichen Gerichtsstand kann darin bestehen, dass die mit der Sache befasste Behörde des einen Kantons nach der Ablehnung eines Verfahrensübernahmegesuchs durch die angefragte Behörde
TPF 2011 178, p.179
des anderen Kantons mehr als vier Monate untätig bleibt. Diese Untätigkeit ist unter dem Aspekt des Prinzips von Treu und Glauben als konkludente Anerkennung des Gerichtsstandes durch die über einen zu langen Zeitraum untätig bleibende Behörde einzustufen (E. 2 und 3).
Conflit de fors; délai.
Art. 40 al. 2 CPP
Le fait que l'autorité de l'un des cantons, saisie de l'affaire après le refus d'une requête de reprise de la procédure par l'autorité sollicitée d'un autre canton, soit restée inactive pendant plus de quatre mois peut constituer un motif pour s'écarter du for légal. Sous l'aspect du principe de la bonne foi, cette inactivité doit être considérée comme une reconnaissance, par actes concluants, du for par l'autorité étant restée inactive pendant une période trop prolongée (consid. 2 et 3).
Conflitto in materia di foro; termine.
Art. 40 cpv. 2 CPP
Un motivo per prescindere dal foro legale può sussistere quando l'autorità competente di un cantone rimane inattiva per oltre quattro mesi dopo che le autorità richieste dell'altro cantone hanno rifiutato la domanda di assunzione del procedimento. Questa inattività può essere giudicata alla stregua di un riconoscimento, secondo il principio della buona fede, per atti concludenti della competenza da parte dell'autorità rimasta per troppo tempo inerte (consid. 2 e 3).
Zusammenfassung des Sachverhalts:
Der Kanton Zürich und der Kanton Basel-Stadt führten zusammen einen Meinungsaustausch über einen Gerichtsstand. Im Rahmen dieses Meinungsaustausches kam es seitens des Gesuchstellers (Kanton Zürich) zweimalig zu einem Stillstand von beinahe vier respektive einem Monat, ohne dass dafür Gründe geltend gemacht wurden.
Die I. Beschwerdekammer erklärte die Strafverfolgungsbehörden des Kantons Zürich für berechtigt und verpflichtet, die den Beschuldigten vorgehaltenen Straftaten zu verfolgen und zu beurteilen.
TPF 2011 178, p.180
Aus den Erwägungen:
2.
2.1 Vorweg sei erwähnt, dass dem Beschleunigungsgebot im Strafverfahren eine grosse Bedeutung zukommt, und dessen Verletzung je nach Ausmass einschneidende Folgen auch materiellrechtlicher Art, von der Reduktion des Strafmasses über das Absehen von Strafe bis hin zur Einstellung des Verfahrens, nach sich ziehen kann (WOHLERS, Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO], Zürich 2010, Art. 5

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 5 Beschleunigungsgebot - 1 Die Strafbehörden nehmen die Strafverfahren unverzüglich an die Hand und bringen sie ohne unbegründete Verzögerung zum Abschluss. |

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 39 Prüfung der Zuständigkeit und Einigung - 1 Die Strafbehörden prüfen ihre Zuständigkeit von Amtes wegen und leiten einen Fall wenn nötig der zuständigen Stelle weiter. |

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 39 Prüfung der Zuständigkeit und Einigung - 1 Die Strafbehörden prüfen ihre Zuständigkeit von Amtes wegen und leiten einen Fall wenn nötig der zuständigen Stelle weiter. |
3.
3.1 Bei Straftaten nach Art. 163bis

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 39 Prüfung der Zuständigkeit und Einigung - 1 Die Strafbehörden prüfen ihre Zuständigkeit von Amtes wegen und leiten einen Fall wenn nötig der zuständigen Stelle weiter. |

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 171bis |

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 36 - 1 Bei Straftaten nach den Artikeln 163-171 StGB15 sind die Behörden am Wohnsitz, am gewöhnlichen Aufenthaltsort oder am Sitz der Schuldnerin oder des Schuldners zuständig.16 |

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 31 Gerichtsstand des Tatortes - 1 Für die Verfolgung und Beurteilung einer Straftat sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem die Tat verübt worden ist. Liegt nur der Ort, an dem der Erfolg der Straftat eingetreten ist, in der Schweiz, so sind die Behörden dieses Ortes zuständig. |

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 37 Gerichtsstand bei selbstständigen Einziehungen - 1 Selbstständige Einziehungen (Art. 376-378) sind an dem Ort durchzuführen, an dem sich die einzuziehenden Gegenstände oder Vermögenswerte befinden. |
TPF 2011 178, p.181
(Art. 40 Abs. 3

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 40 Gerichtsstandskonflikte - 1 Ist der Gerichtsstand unter Strafbehörden des gleichen Kantons streitig, so entscheidet die Ober- oder Generalstaatsanwaltschaft oder, wenn keine solche vorgesehen ist, die Beschwerdeinstanz dieses Kantons.17 |

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 38 Bestimmung eines abweichenden Gerichtsstands - 1 Die Staatsanwaltschaften können untereinander einen anderen als den in den Artikeln 31-37 vorgesehenen Gerichtsstand vereinbaren, wenn der Schwerpunkt der deliktischen Tätigkeit oder die persönlichen Verhältnisse der beschuldigten Person es erfordern oder andere triftige Gründe vorliegen. |
3.2 Ein anderer triftiger Grund kann darin bestehen, dass die mit der Sache befasste Behörde des einen Kantons nach der Ablehnung eines Verfahrensübernahmegesuchs durch die angefragte Behörde des anderen Kantons mehr als vier Monate untätig bleibt, ist diese Untätigkeit unter dem Aspekt des Prinzips von Treu und Glauben doch als konkludente Anerkennung des Gerichtsstandes durch die über einen zu langen Zeitraum untätig bleibende Behörde einzustufen.
3.3 Soll bei der Festlegung der Zuständigkeit eines bestimmten Kantons vom gesetzlichen Gerichtsstand abgewichen werden, so kann dies nur geschehen, wenn ausser dem triftigen Grund bei diesem Kanton auch ein entsprechender Anknüpfungspunkt besteht (FINGERHUTH/LIEBER, Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO], Zürich 2010, Art. 40

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 40 Gerichtsstandskonflikte - 1 Ist der Gerichtsstand unter Strafbehörden des gleichen Kantons streitig, so entscheidet die Ober- oder Generalstaatsanwaltschaft oder, wenn keine solche vorgesehen ist, die Beschwerdeinstanz dieses Kantons.17 |
TPF 2011 178, p.182
Sitz von A. AG und F. AG sowie die Tatsache, dass die Konkurseröffnung und das Konkursverfahren etc. der F. AG in Z. stattfinden, bilden deshalb die einzigen Bezugspunkte zum Kanton Zürich. Im Übrigen spricht Einiges dafür, dass der heutige Sitz von A. AG und F. AG in Z. fiktiver Art ist, und dass die Sitzverlegungen nach Z. nur zum Zwecke der Zuständigkeitsbegründung (,,forum shopping") erfolgten. Hätte der Kanton Zürich deshalb den Gerichtsstand nicht konkludent anerkannt, so wäre diesbezüglich eventuell anders zu entscheiden. Letztendlich kann die Frage jedoch offen gelassen werden, ist doch, wie erwähnt, ein genügender Anknüpfungspunkt im Kanton Zürich gegeben, und damit ein Abweichen zulasten des Kantons Zürich auch für den Fall zulässig, als der gesetzliche Gerichtsstand im Sinne von Art. 40 Abs. 3

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 40 Gerichtsstandskonflikte - 1 Ist der Gerichtsstand unter Strafbehörden des gleichen Kantons streitig, so entscheidet die Ober- oder Generalstaatsanwaltschaft oder, wenn keine solche vorgesehen ist, die Beschwerdeinstanz dieses Kantons.17 |