Tribunal federal
{T 0/2}
6S.170/2005 /pai
Sitzung vom 29. September 2005
Kassationshof
Besetzung
Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Kolly, Karlen, Zünd,
Gerichtsschreiber Weissenberger.
Parteien
A.________,
B.________,
Beschwerdeführerinnen,
beide vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Raymond Caliezi,
gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz,
Archivgasse 1, 6430 Schwyz.
Gegenstand
Erleichtern des rechtswidrigen Verweilens im Lande (ANAG),
Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Schwyz, Strafkammer,
vom 22. Februar 2005.
Sachverhalt:
A.
A.________ und B.________ betrieben in Altendorf als Mitinhaberinnen/Geschäftsführerinnen gemeinsam den Sauna- und Fitnessclub "Atlantis". Anlässlich einer Hausdurchsuchung Anfang Februar 1999 und verschiedener Personenkontrollen zwischen Januar 2000 und März 2001 konnten insgesamt 60 Frauen, mehrheitlich Staatsangehörige der tschechischen Republik und von Ungarn, sowie drei Männer überprüft werden. Die Frauen prostituierten sich in den Räumlichkeiten des Sauna- und Fitnessclubs, ohne über fremdenpolizeiliche Aufenthalts- bzw. Arbeitsbewilligungen zu verfügen, und die meisten übernachteten gegen Entgelt im Club. In der Folge wurden 62 der kontrollierten Personen mit Strafverfügungen des - zum Teil mehrfachen - Stellenantritts ohne Bewilligung und der Missachtung der Meldepflicht gemäss Art. 2 Abs. 1
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B.
Mit Beschluss vom 5. Dezember 2003 stellte das Bezirksgericht March die Strafverfahren gegen A.________ und B.________ wegen "mehrfachen vorsätzlichen Beschäftigens von kontrollpflichtigen Ausländern ohne Bewilligung" gemäss Art. 23 Abs. 4
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Am 22. Februar 2005 wies das Kantonsgericht Schwyz die von beiden Verurteilten erhobenen Berufungen ab und bestätigte das angefochtene Urteil. Lediglich aus der Begründung des Entscheids geht hervor, dass das Kantonsgericht Schwyz A.________ und B.________ nur in Bezug auf zwei Ausländerinnen des Erleichterns des rechtswidrigen Aufenthaltes schuldig sprach.
C.
A.________ und B.________ führen eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur Gutheissung der Berufung und damit zu ihrer Freisprechung von Schuld und Strafe zurückzuweisen.
Das Kantonsgericht Schwyz ersucht um Abweisung der Nichtigkeitsbeschwerde, soweit darauf einzutreten sei, verzichtet aber auf eine weiter gehende Stellungnahme.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde ist kassatorischer Natur. Sie kann also im Fall ihrer Gutheissung nur zur Aufhebung des angefochtenen Entscheids führen (Art. 277ter Abs. 1
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2.
Die Beschwerdeführerinnen wenden ein, ihre Verurteilung verletze Bundesrecht, weil sich die beiden von ihnen beherbergten Ungarinnen rechtmässig in der Schweiz aufgehalten hätten.
2.1 Die Vorinstanz stellt für das Bundesgericht verbindlich fest (Art. 277bis Abs. 1
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2.2 Die Vorinstanz erwägt in rechtlicher Hinsicht, dass der Aufenthalt der Ungarinnen rechtswidrig war, weil sie zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit und nicht als Touristen in die Schweiz eingereist seien. Dies gelte unabhängig davon, "ob sie die formellen Einreisevoraussetzungen als Touristen (sei es visumsfrei oder mit einem Touristenvisum)" erfüllt hätten. Für Ausländer, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit einreisten, bestimme Art. 2 Abs. 1
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3.
3.1 Wer im In- oder Ausland die rechtswidrige Ein- oder Ausreise oder das rechtswidrige Verweilen im Lande erleichtert oder vorbereiten hilft, wird mit Gefängnis bis zu sechs Monaten bestraft. Mit dieser Strafe kann eine Busse bis zu 10'000 Franken verbunden werden; in leichten Fällen kann auch nur auf Busse erkannt werden (Art. 23 Abs. 1
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Nach Art. 23 Abs. 4
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Wer eine Person, die sich illegal in der Schweiz aufhält, nur beschäftigt, erleichtert ihr das rechtswidrige Verweilen im Lande gemäss Art. 23 Abs. 1
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3.2 Gemäss Art. 1a
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Das Gesetz unterscheidet somit grundsätzlich zwischen dem Aufenthaltsrecht gestützt auf eine individuell erteilte, das Recht erst begründende Bewilligung, und dem sich direkt aus dem Gesetz ergebenden Aufenthaltsrecht (Aufenthaltsrecht ex lege). Um in den Genuss dieses Aufenthaltsrechts ex lege zu kommen, muss der Ausländer kumulativ grundsätzlich folgende Voraussetzungen erfüllen: (1) Er muss legal in die Schweiz einreisen und (2) gegebenenfalls seinen gesetzlichen Anmelde- und Bewilligungspflichten nachkommen, d.h. sich innerhalb von acht Tagen bei beabsichtigter Wohnsitznahme oder Erwerbstätigkeit in der Schweiz fremdenpolizeilich anmelden und zugleich ein Gesuch um Ausstellung einer Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung stellen (Minh Son Nguyen, Droit public des étrangers, Bern 2003, S. 171 f.; Nicolas Wisard, Les renvois et leur exécution en droit des étrangers et en droit d'asile. Diss. Genf 1997, S.46 f.). Besondere Regeln in Bezug auf die Anmelde- und Bewilligungspflichten und die Folgen ihrer Verletzung gelten nach dem Freizügigkeitsabkommen (Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die
Freizügigkeit, in Kraft getreten am 1. Juni 2002; SR 0.142.112.681).
4.
4.1 Gemäss Ziffer 2 des Notenaustausches vom 7. August 1990 zwischen der Schweiz und Ungarn über die gegenseitige Aufhebung der Visumpflicht (SR 0.142.114.182) können ungarische Staatsangehörige, die einen gültigen ungarischen Pass oder eine gültige ungarische Identitätskarte besitzen und nicht beabsichtigen, sich länger als 90 Tage in der Schweiz aufzuhalten oder dort eine Erwerbstätigkeit auszuüben, ohne Visum in die Schweiz einreisen und sich dort aufhalten.
Die Bestimmungen des ANAG galten für die beiden Ungarinnen (Art. 1
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Die Vorinstanz führt in subjektiver Hinsicht aus, die Beschwerdeführerinnen hätten gewusst, dass die zwei Frauen keine Aufenthalts- bzw. Arbeitsbewilligung hatten und sich deshalb rechtswidrig in der Schweiz aufhielten. Sie stellt jedoch nicht fest, die Beschwerdeführerinnen hätten ebenfalls gewusst, dass die beiden Ungarinnen bereits rechtswidrig in die Schweiz eingereist waren. Wie es sich damit verhält, kann offen bleiben, da die Ungarinnen selbst bei einer - hypothetisch unterstellten - rechtmässigen Einreise rechtswidrig in der Schweiz verweilten.
4.2
4.2.1 Wer Prostituierte beschäftigt und beherbergt, die mit einem unrechtmässig erlangten Touristenvisum in die Schweiz eingereist sind und hier verweilen, um eine Erwerbstätigkeit auszuüben, erfüllt nach einem jüngeren Entscheid (BGE 128 IV 117 E. 9) nur den Tatbestand des Art. 23 Abs. 4
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4.2.2 Dieser Entscheid beruht offenbar stillschweigend auf der Annahme, ein Visum sei eine behördliche Bewilligung, in die Schweiz einzureisen und sich hier - für eine bestimmte Dauer - aufzuhalten. Beim Visum handelt es sich jedoch weder um eine Bewilligung zur Einreise (Botschaft vom 8. März 2002 zum Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer, BBl 2002 3774) noch gar zur Anwesenheit (Urbain Lambercy, La répartition des compétences entre Confédération et cantons en matière de police des étrangers, Diss. Lausanne 1983, S. 108). Das Erfordernis eines Visums erlaubt vielmehr, bereits im Herkunftsland vorzuprüfen, ob die Einreisevoraussetzungen im Einzelfall erfüllt sind (Botschaft, a.a.O.). Das Visum bestätigt einzig, dass bei seiner Erteilung die Einreisevoraussetzungen erfüllt sind (Art. 9 Abs. 1
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festgelegten Reise- und Aufenthaltszweck gebunden ist (Art. 11 Abs. 3
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Aus den dargelegten gesetzlichen Bestimmungen kann nicht geschlossen werden, dass ein zwecks Arbeitserwerbs mit einem Touristenvisum in die Schweiz eingereister Ausländer die Grenze rechtmässig überschreiten und bis zur Aufhebung des Visums rechtmässig in der Schweiz verweilen würde (anders aber BGE 128IV117 E. 9h). Das Visum berechtigt vielmehr nur zum Grenzübertritt, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen wie z.B. der Reisezweck tatsächlich erfüllt sind. Wurde ein Visum etwa durch Täuschung über den Einreisezweck unrechtmässig erwirkt, sind die gesetzlichen Einreisevoraussetzungen nicht erfüllt und damit sowohl die Einreise als auch der folgende Aufenthalt rechtswidrig. Einer Aufhebung des Visums bedarf es insoweit nicht. In diesem Sinne verhält es sich beim Visum anders als bei einer Bewilligung, die - Nichtigkeitsgründe vorbehalten - bis zu ihrem formellen Widerruf gültig bleibt.
4.3 Die beiden Ungarinnen sind als Touristinnen eingereist, wofür nach dem Notenaustausch mit Ungarn vom 7. August 1990 ein Visum nicht erforderlich gewesen wäre. Sie hätten zwar eines Visums bedurft, weil sie die Absicht hatten, eine Erwerbstätigkeit in der Schweiz auszuüben. Da aber nicht feststeht, dass die Beschwerdeführerinnen gewusst haben, dass die von ihnen beherbergten Ungarinnen bereits bei der Einreise die Absicht hatten, erwerbstätig zu sein, ist weiter zu prüfen, ob - rechtmässige Einreise unterstellt - der Aufenthalt rechtswidrig geworden ist.
4.4 Bevor die beiden Ausländerinnen in der Schweiz eine Erwerbstätigkeit aufnahmen, waren sie verpflichtet, sich bei der zuständigen Fremdenpolizeibehörde anzumelden und um eine Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung nachzusuchen (Art. 1a
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Ablauf des bewilligungsfreien oder des bewilligten zeitlich befristeten Aufenthaltes gilt (zu Letzterem vgl. Art. 9 Abs. 1 lit. a
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Entgegen einer Lehrmeinung wird damit keine unzulässige Ungleichbehandlung zwischen den zwei Arten von Anwesenheit - bewilligungsfreie und bewilligte - geschaffen (so aber Valentin Roschacher, Die Strafbestimmungen des Bundesgesetzes über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer vom 26. März 1931 (ANAG), Diss. Zürich 1991, S. 57 f.). Das Gesetz unterscheidet nicht verschiedene Formen der Rechtswidrigkeit eines Aufenthaltes. Ein Aufenthalt ist entweder rechtmässig oder rechtswidrig. Etwas Drittes gibt es nicht. Zwar ist richtig, dass die Aufenthaltsbewilligung einer ausländischen Person, die sich an eine Bedingung der ihr erteilten Bewilligung nicht hält, zum Beispiel als Student einer Erwerbstätigkeit nachgeht, nicht automatisch erlischt und die Fremdenpolizeibehörde die Bewilligung nur widerrufen kann (Art. 9 Abs. 2
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(Ausreisefrist; Art. 12 Abs. 3
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ändern, dass der Gesetzgeber mit der Gesetzesnovelle vom 9. Oktober 1987, in Kraft seit 1. März 1998 (AS 1988 S. 332, 333; BBl 1986 III 244), die Strafbestimmungen des ANAG mit Blick auf die verstärkte Bekämpfung der Schwarzarbeit erweitert hat (vgl. aber BGE 128 IV 117 E. 9f.).
4.4.1 Aus dem Gesagten ergibt sich, dass der Aufenthalt der beiden Ungarinnen nach der klaren Konzeption des Gesetzes spätestens ab Aufnahme ihrer Erwerbstätigkeit rechtswidrig im Sinne von Art. 23 Abs. 1
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5.
Die Beschwerdeführerinnen haben die beiden ungarischen Frauen in ihrem Betrieb als Prostituierte arbeiten lassen und sie gegen Entgelt beherbergt. Eine der Frauen hielt sich vom 28. Februar 2001 bis zur Personenkontrolle durch die Polizei am 26. März 2001 im "Atlantis" auf und arbeitete dort während rund 20 Tagen als Prostituierte. Die andere Ungarin wohnte während drei Wochen im "Atlantis" und prostituierte sich dort in dieser Zeit. Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz (Art. 277bis Abs. 1
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6.
Die Nichtigkeitsbeschwerde ist daher abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Dementsprechend haben die Beschwerdeführerinnen die Kosten des Verfahrens zu tragen (Art. 278 Abs. 1
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird den Beschwerdeführerinnen zu gleichen Teilen unter Solidarhaft auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführerinnen, der Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz und dem Kantonsgericht Schwyz schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 29. September 2005
Im Namen des Kassationshofes
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: