118 IV 262
47. Urteil des Kassationshofes vom 24. August 1992 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau gegen G. (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste (de):
- Art. 23 Abs. 1
al. 5 und Abs. 4 ANAG; Beschäftigung von illegal sich in der Schweiz aufhaltenden Personen, Abgrenzung.
- Wer eine Person, die sich illegal in der Schweiz aufhält, nur beschäftigt, erleichtert ihr das rechtswidrige Verweilen im Lande gemäss Art. 23 Abs. 1
al. 5 ANAG nicht und erfüllt lediglich den Übertretungstatbestand des Art. 23 Abs. 4
ANAG.
Regeste (fr):
- Art. 23 al. 1 cinquième phrase et al. 4 LSEE; engagement de personnes séjournant illégalement en Suisse, distinction.
- Celui qui ne fait que donner du travail à une personne séjournant illégalement en Suisse ne lui facilite pas le séjour illégal au sens de l'art. 23 al. 1 cinquième phrase LSEE, mais se rend seulement coupable de la contravention réprimée à l'art. 23 al. 4 LSEE.
Regesto (it):
- Art. 23 cpv. 1 quinta proposizione e cpv. 4 LDDS; impiego di persone dimoranti illegalmente in Svizzera, delimitazione.
- Chi si limita a impiegare una persona che dimora illegalmente in Svizzera non le facilita il soggiorno illegale ai sensi dell'art. 23 cpv. 1 quinta proposizione LDDS, ma adempie solo la fattispecie contravvenzionale contemplata dall'art. 23 cpv. 4 LDDS.
Sachverhalt ab Seite 262
BGE 118 IV 262 S. 262
Vom 1. Februar 1989 bis 9. November 1990 beschäftigte G. den jugoslawischen Staatsangehörigen O. als Küchenburschen. Für die Zeit vom 1. November 1989 bis 31. Januar 1990 hatte G. für seinen ausländischen Arbeitnehmer eine Arbeitsbewilligung (sogenannte Dreimonatsbewilligung); für die übrige Zeit war O. weder im Besitze einer Aufenthalts- noch einer Arbeitsbewilligung. Mit Strafbefehl vom 12. Dezember 1990 sprach das Bezirksamt Baden G. schuldig der Widerhandlung gegen Art. 23 Abs. 1 und 4
BGE 118 IV 262 S. 263
des Bundesgesetzes über den Aufenthalt und die Niederlassung von Ausländern (ANAG) und bestrafte ihn mit einer Busse von Fr. 600.--. Auf Einsprache der Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau hin sprach das Bezirksgericht Baden G. von der Anklage der wiederholten Erleichterung des rechtswidrigen Aufenthaltes eines Ausländers in der Schweiz frei. Es fand ihn hingegen schuldig der wiederholten vorsätzlichen Beschäftigung eines Ausländers, der nicht berechtigt war, in der Schweiz zu arbeiten, im Sinne von Art. 3 Abs. 3
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Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Vorliegend geht es um die Frage, ob der Arbeitgeber, der vorsätzlich Ausländer beschäftigt, die sich illegal in der Schweiz aufhalten, bloss den Tatbestand des Art. 23 Abs. 4
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BGE 118 IV 262 S. 264
Verdienstmöglichkeit zweifellos auch das illegale Verbleiben in der Schweiz wesentlich erleichtert, wenn nicht gar überhaupt erst ermöglicht werde.
2. a) Gemäss Art. 23 Abs. 1
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Wer nach Absatz 4 wegen vorsätzlicher Begehung rechtskräftig verurteilt wurde und innert fünf Jahren erneut rechtswidrig einen Ausländer beschäftigt, kann zusätzlich zur Busse mit Gefängnis bis zu sechs Monaten oder mit Haft bestraft werden (Art. 23 Abs. 5
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3. a) In einem Urteil vom 16. September 1982 (vor der Revision von 1987) steckte der Kassationshof die Anwendungsbereiche von Abs. 1 al. 5 und altAbs. 3 (der dem heute geltenden Abs. 6 entspricht) des Art. 23
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BGE 118 IV 262 S. 265
ihn ein Zimmer mietet; die Beschäftigung eines Ausländers ohne Bewilligung fällt hingegen unter Abs. 3. b) Dieses Urteil bildete den unmittelbaren Anlass für die Motion Zehnder, die vom Nationalrat am 23. März 1984 und vom Ständerat am 19. September 1984 angenommen wurde. Diese Motion forderte den Bundesrat auf, die Strafbestimmungen im ANAG zu ergänzen, um der Beschäftigung von Ausländern ohne Bewilligung vermehrt entgegenzuwirken (Botschaft über eine Änderung des Bundesgesetzes über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer vom 17. September 1986, BBl 1986 III S. 254 und 259). In seinen Erläuterungen zur erwähnten Änderung des ANAG hielt der Bundesrat fest, der Entwurf unterscheide zwischen vorsätzlicher und fahrlässiger Begehung mit entsprechend unterschiedlichem Bussenminimum und -maximum. Mit dem vorgesehenen Bussenrahmen solle eine Koordination der Gerichtspraxis unter Berücksichtigung der im allgemeinen Teil des schweizerischen Strafgesetzbuches erwähnten Strafzumessungsgründe ermöglicht werden. Beim Rückfall werde die Gefängnisstrafe auf sechs Monate beschränkt, und sie könne nur angeordnet werden, wenn eine erneute vorsätzliche Begehung vorliege. Ein gänzlicher Verzicht auf eine Gefängnisstrafe würde dem Sinn und Zweck der von den eidgenössischen Räten angenommenen Motion Zehnder widersprechen, habe doch der unmittelbare Anlass für diese Motion die neuere Praxis des Bundesgerichts, wonach die Beschäftigung von Ausländern ohne Bewilligung nicht mehr nach Art. 23 Abs. 1
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BGE 118 IV 262 S. 266
von Anfang an mit Gefängnis bestrafen zu können, da dem Ausländer bereits bei erstmaliger Betätigung als Schwarzarbeiter diese Strafe drohe. Auf der anderen Seite hätte es ein Kanton begrüsst, dass der Rückfall anstatt mit Gefängnis höchstens mit drei Monaten Haft bestraft worden wäre (Sten.Bull. 1987 S 32; Botschaft, a.a.O., S. 254). Es wurde im weiteren darauf hingewiesen, dass die Vorlage, wie sie aus der Kommission hervorgegangen sei, ausgewogen und ein taugliches Instrument im Kampf gegen die Schwarzarbeit sei. In der Kommission sei man darauf bedacht gewesen, den Interessen der Gewerbetreibenden in sogenannten Randregionen Rechnung zu tragen, die vielfach mit Schwierigkeiten bei der Rekrutierung von Personal zu kämpfen hätten (Sten.Bull. 1987 S 34 und 36). Bundesrätin Kopp hielt fest, mit dem nun vorliegenden Gesetzesentwurf könnten die erforderlichen strafrechtlichen Sanktionen gegenüber Arbeitgebern getroffen werden, die Ausländer ohne Bewilligung beschäftigten. Der Strafrahmen sei so festgelegt, dass auch im Wiederholungsfall auf besondere Verhältnisse im Einzelfall Rücksicht genommen werden könne (a.a.O., S. 34 f.). Aus diesen Voten geht hervor, dass einerseits die Strafen gegenüber Arbeitgebern, die Ausländer ohne Bewilligung beschäftigen, grundsätzlich erhöht werden sollten, dass aber andererseits in Berücksichtigung der Interessen der Gewerbetreibenden in besonders leichten Fällen von einer Bestrafung Umgang genommen werden könne. Obwohl die bundesgerichtliche Praxis gemäss Urteil vom 16. September 1982 bekannt war und auch zitiert wurde (a.a.O., S. 34), stand auch hier nicht zur Diskussion, entgegen dieser bundesgerichtlichen Praxis einen fehlbaren Arbeitgeber in Idealkonkurrenz zum neu vorgeschlagenen Art. 23 Abs. 4
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BGE 118 IV 262 S. 267
Arbeitsmarkt trotz intensivem Bemühen keine einheimischen Arbeitskräfte fänden, insbesondere für Arbeiten, die bei Schweizern und langjährig anwesenden Ausländern verpönt seien und von ihnen gemieden würden. Daneben gebe es auch Arbeitgeber, die illegal in der Schweiz lebende Ausländer in klarer Ausbeutungsabsicht beschäftigten. Die blosse Beschäftigung eines Ausländers ohne Bewilligung sei nach dem Bundesgerichtsurteil vom 16. September 1982 nur Übertretungstatbestand und könne lediglich mit Bussen bis maximal Fr. 2'000.-- bestraft werden. Das genüge ganz einfach nicht. Es sei angezeigt, auch Arbeitgebern, die illegal Ausländer beschäftigten, härtere Strafen anzudrohen, wiederum durchaus im Sinne der Motion Zehnder (a.a.O., S. 1242 f.). Auch Bundesrätin Kopp bestätigte die vom Bundesgericht eingeschlagene Praxis. Sie führte aus, der Arbeitgeber, der Ausländer ohne Bewilligung beschäftige, könne im Hinblick auf diese Praxis gegenwärtig lediglich mit einer Busse bis zu Fr. 2'000.-- bestraft werden. Eine strengere Bestrafung - nämlich Gefängnis bis zu sechs Monaten und Busse bis zu Fr. 10'000.-- - sei nach dieser Praxis nur dann möglich, wenn der Arbeitgeber einem Ausländer über die Beschäftigung hinaus das rechtswidrige Verweilen im Lande erleichtere (a.a.O., S. 1243).
4. Die historische Auslegung bestätigt somit die Auffassung der Vorinstanz, es sei nämlich bei der Auslegung von Art. 23 Abs. 4
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BGE 118 IV 262 S. 268
könne deshalb dergestalt unter Umständen zu einem Gebot der Verhältnismässigkeit werden (a.a.O., S. 1243). Daraus erhellt, dass Arbeitgeber, die legal sich in der Schweiz aufhaltende Ausländer ohne Arbeitsbewilligung beschäftigen, in den Genuss einer möglichen Strafbefreiung kommen sollen und andererseits das Hauptanwendungsfeld von Art. 23 Abs. 4
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 64 - 1 Das Gericht ordnet die Verwahrung an, wenn der Täter einen Mord, eine vorsätzliche Tötung, eine schwere Körperverletzung, eine Vergewaltigung, einen Raub, eine Geiselnahme, eine Brandstiftung, eine Gefährdung des Lebens oder eine andere mit einer Höchststrafe von fünf oder mehr Jahren bedrohte Tat begangen hat, durch die er die physische, psychische oder sexuelle Integrität einer andern Person schwer beeinträchtigt hat oder beeinträchtigen wollte, und wenn:59 |
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1 | Das Gericht ordnet die Verwahrung an, wenn der Täter einen Mord, eine vorsätzliche Tötung, eine schwere Körperverletzung, eine Vergewaltigung, einen Raub, eine Geiselnahme, eine Brandstiftung, eine Gefährdung des Lebens oder eine andere mit einer Höchststrafe von fünf oder mehr Jahren bedrohte Tat begangen hat, durch die er die physische, psychische oder sexuelle Integrität einer andern Person schwer beeinträchtigt hat oder beeinträchtigen wollte, und wenn:59 |
a | auf Grund der Persönlichkeitsmerkmale des Täters, der Tatumstände und seiner gesamten Lebensumstände ernsthaft zu erwarten ist, dass er weitere Taten dieser Art begeht; oder |
b | auf Grund einer anhaltenden oder langdauernden psychischen Störung von erheblicher Schwere, mit der die Tat in Zusammenhang stand, ernsthaft zu erwarten ist, dass der Täter weitere Taten dieser Art begeht und die Anordnung einer Massnahme nach Artikel 59 keinen Erfolg verspricht. |
1bis | Das Gericht ordnet die lebenslängliche Verwahrung an, wenn der Täter einen Mord, eine vorsätzliche Tötung, eine schwere Körperverletzung, einen Raub, eine Vergewaltigung, eine sexuelle Nötigung, eine Freiheitsberaubung oder Entführung, eine Geiselnahme, ein Verschwindenlassen, Menschenhandel, Völkermord, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder ein Kriegsverbrechen (Zwölfter Titelter) begangen hat und wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:60 |
a | Der Täter hat mit dem Verbrechen die physische, psychische oder sexuelle Integrität einer anderen Person besonders schwer beeinträchtigt oder beeinträchtigen wollen. |
b | Beim Täter besteht eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, dass er erneut eines dieser Verbrechen begeht. |
c | Der Täter wird als dauerhaft nicht therapierbar eingestuft, weil die Behandlung langfristig keinen Erfolg verspricht.61 |
2 | Der Vollzug der Freiheitsstrafe geht der Verwahrung voraus. Die Bestimmungen über die bedingte Entlassung aus der Freiheitsstrafe (Art. 86-88) sind nicht anwendbar.62 |
3 | Ist schon während des Vollzugs der Freiheitsstrafe zu erwarten, dass der Täter sich in Freiheit bewährt, so verfügt das Gericht die bedingte Entlassung aus der Freiheitsstrafe frühestens auf den Zeitpunkt hin, an welchem der Täter zwei Drittel der Freiheitsstrafe oder 15 Jahre der lebenslänglichen Freiheitsstrafe verbüsst hat. Zuständig ist das Gericht, das die Verwahrung angeordnet hat. Im Übrigen ist Artikel 64a anwendbar.63 |
4 | Die Verwahrung wird in einer Massnahmevollzugseinrichtung oder in einer Strafanstalt nach Artikel 76 Absatz 2 vollzogen. Die öffentliche Sicherheit ist zu gewährleisten. Der Täter wird psychiatrisch betreut, wenn dies notwendig ist. |
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