Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B 578/2009

Urteil vom 28. September 2009
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Favre, Präsident,
Bundesrichter Schneider, Wiprächtiger,
Gerichtsschreiber Keller.

Parteien
X.________,
vertreten durch Fürsprecher André Seydoux,
Beschwerdeführer,

gegen

Generalprokurator des Kantons Bern, 3001 Bern,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Umwandlung einer Busse in Haft,

Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Bern, 1. Strafkammer, vom 28. Mai 2009.

Sachverhalt:

A.
Am 16. März 2006 verurteilte das Obergericht des Kantons Bern X.________ wegen verschiedener Delikte unter anderem zu einer Busse von Fr. 10'000.--. Dieses Urteil ist in Rechtskraft erwachsen. Da die Busse nicht bezahlt wurde, eröffnete das Obergericht am 5. Februar 2009 auf Begehren der Inkassostelle der Steuerverwaltung des Kantons Bern ein Bussenumwandlungsverfahren gemäss Art. 49 Ziff. 3 aStGB.

Das Bussenumwandlungsbegehren konnte X.________ erst am 27. April 2009 via Gemeindeverwaltung Frauenkappelen rechtsgültig zur Vernehmlassung zugestellt werden.

X.________ liess sich in der Folge nicht vernehmen.

B.
Mit Beschluss vom 28. Mai 2009 wandelte das Obergericht des Kantons Bern auf Antrag der Generalprokuratur die am 16. März 2006 ausgefällte Busse von Fr. 10'000.-- in drei Monate Haft um.

C.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen vor Bundesgericht, in der er beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben, und die Sache sei zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

D.
Die 1. Strafkammer des Obergerichts sowie die Generalprokuratur des Kantons Bern verzichteten auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
1.1 Der Beschwerdeführer macht geltend, er sei früher wegen eines geistigen Gebrechens hospitalisiert gewesen und deswegen schon zweimal - am 28. April 2003 und am 17. November 2003 - an einer Gerichtsverhandlung unentschuldigt nicht erschienen. Die Vorinstanz hätte deshalb erkennen müssen, dass er das Bussenumwandlungsbegehren nicht aus bösem Willen nicht abgeholt und keine Vernehmlassung eingereicht habe. Vielmehr habe ihm sein geistiges Gebrechen ein adäquates Reagieren verunmöglicht. Die Vorinstanz hätte ihm gestützt auf Art. 50 Ziff. 2 lit. a [recte: lit. b] StRV/Bern sowie die Bundesverfassung spätestens zu diesem Zeitpunkt einen Anwalt beiordnen müssen (Beschwerde, S. 6 f.).

1.2 Die Argumentation des Beschwerdeführers, ihm hätte durch die Vorinstanz ein Verteidiger beigeordnet werden müssen, geht fehl. Das Bundesgericht hat mit ausführlicher Begründung dargelegt, dass weder aus der Bundesverfassung noch der EMRK ein Anspruch auf obligatorische Verbeiständung abgeleitet werden kann (BGE 131 IV 350 E. 3.1. und E. 3.2 mit zahlreichen Hinweisen auf Lehre und Rechtsprechung). Ein allfälliger Anspruch auf notwendige Verteidigung ergibt sich daher einzig gestützt auf kantonales Recht.
Gemäss Art. 50 Ziff. 2 lit. b StrV/BE ist die Verteidigung der angeschuldigten Person u.a. notwendig, wenn die angeschuldigte Person infolge geistiger oder körperlicher Gebrechen ihre Rechte nicht ausreichend zu wahren vermag.
Nach Art. 95
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 95 Schweizerisches Recht - Mit der Beschwerde kann die Verletzung gerügt werden von:
a  Bundesrecht;
b  Völkerrecht;
c  kantonalen verfassungsmässigen Rechten;
d  kantonalen Bestimmungen über die politische Stimmberechtigung der Bürger und Bürgerinnen und über Volkswahlen und -abstimmungen;
e  interkantonalem Recht.
BGG kann mit Beschwerde an das Bundesgericht die Anwendung kantonalen Rechts grundsätzlich nicht überprüft werden. Soweit nicht die Verletzung kantonaler verfassungsmässiger Rechte, politischer Rechte oder interkantonalen Rechts gerügt wird, kann die Verletzung kantonalen Rechts nur geltend gemacht werden, wenn darin gleichzeitig eine unrichtige Anwendung von Bundesrecht liegt.

1.3 Die Vorinstanz durfte, ohne in Willkür zu verfallen, annehmen, dass der Beschwerdeführer nicht an einem körperlichen Gebrechen leidet. Auch das vom Beschwerdeführer im bundesgerichtlichen Verfahren erstmals erwähnte Arztzeugnis von Dr. A.________ vom 7. September 2007, wonach das trotzig-ablehnende, aggressive Verhalten bei einer behördlichen Handlung oder Verpflichtung Ausdruck einer psychischen Erkrankung des Beschwerdeführers sei (Beschwerde, S. 6 sowie Beschwerdebeilage 4), kann hieran nichts ändern. Zum einen stellt nicht jede psychische Erkrankung ohne weiteres ein geistiges Gebrechen im Sinne von Art. 50 Ziff. 2 lit. b StrV/BE dar, zum anderen ist dieser Befund mittlerweile über zwei Jahre alt und kann den heutigen Geisteszustand des Beschwerdeführers nicht mehr abbilden. Die Auffassung der Vorinstanz ist jedenfalls nicht schlechterdings unhaltbar. Die Rüge des Beschwerdeführers erweist sich in diesem Punkt als unbegründet.

2.
2.1 Der Beschwerdeführer macht weiter geltend, dass das vorinstanzliche Urteil auch im Übrigen willkürlich und damit verfassungswidrig sei. Die Vorinstanz habe die ausführlich zitierten Behauptungen des stellvertretenden Generalprokurators unbesehen in die Urteilsbegründung übernommen. Zudem sei die Feststellung, er habe keinerlei Anstrengung unternommen, die notwendigen Mittel zur Bezahlung der Busse aufzubringen, völlig aus der Luft gegriffen und angesichts seines geistigen Gebrechens offensichtlich unrichtig (Beschwerde, S. 7).

2.2 Mit der Beschwerde in Strafsachen kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 95 Schweizerisches Recht - Mit der Beschwerde kann die Verletzung gerügt werden von:
a  Bundesrecht;
b  Völkerrecht;
c  kantonalen verfassungsmässigen Rechten;
d  kantonalen Bestimmungen über die politische Stimmberechtigung der Bürger und Bürgerinnen und über Volkswahlen und -abstimmungen;
e  interkantonalem Recht.
BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat. Die Feststellung des Sachverhalts durch die Vorinstanz kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig, d.h. willkürlich im Sinne von Art. 9
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 9 Schutz vor Willkür und Wahrung von Treu und Glauben - Jede Person hat Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür und nach Treu und Glauben behandelt zu werden.
BV ist (BGE 133 II 249 E. 1.2.2) oder wenn sie auf einer Verletzung von schweizerischem Recht im Sinne von Art. 95
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 95 Schweizerisches Recht - Mit der Beschwerde kann die Verletzung gerügt werden von:
a  Bundesrecht;
b  Völkerrecht;
c  kantonalen verfassungsmässigen Rechten;
d  kantonalen Bestimmungen über die politische Stimmberechtigung der Bürger und Bürgerinnen und über Volkswahlen und -abstimmungen;
e  interkantonalem Recht.
BGG beruht (Art. 97 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 97 Unrichtige Feststellung des Sachverhalts - 1 Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann.
1    Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann.
2    Richtet sich die Beschwerde gegen einen Entscheid über die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung, so kann jede unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gerügt werden.86
BGG). Die Rüge der offensichtlich unrichtigen Feststellung des Sachverhalts prüft das Bundesgericht gemäss Art. 106 Abs. 2
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 106 Rechtsanwendung - 1 Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an.
1    Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an.
2    Es prüft die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist.
BGG nur insoweit, als in der Beschwerde explizit vorgebracht und substantiiert dargelegt wird, inwiefern der Entscheid an einem qualifizierten und offensichtlichen Mangel leidet (BGE 135 III 232 E. 1.2; 133 II 249 E. 1.4.3; 130 I 258 E. 1.3 mit Hinweisen).

2.3 Was der Beschwerdeführer gegen die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz einwendet, erschöpft sich in einer blossen appellatorischen Kritik am angefochtenen Urteil, die für die Begründung einer willkürlichen Feststellung des Sachverhalts nicht genügt. Die Ausführungen des Beschwerdeführers sind nicht geeignet, offensichtlich erhebliche und schlechterdings nicht zu unterdrückende Zweifel an der vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellung darzutun. Denn für die Begründung von Willkür genügt praxisgemäss nicht, dass das angefochtene Urteil mit der Darstellung des Beschwerdeführers nicht übereinstimmt oder eine andere Lösung oder Würdigung vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre (BGE 127 I 54 E. 2b mit Hinweisen). Auf die Beschwerde ist in diesem Punkt nicht einzutreten.

3.
3.1 Der Beschwerdeführer wendet sich schliesslich dagegen, dass die Vorinstanz ohne jedes Beweisverfahren eine Prognose in Bezug auf die Erwartung seines künftigen Wohlverhaltens im Sinne von Art. 41 Ziff. 1 aStGB gestellt habe (Beschwerde, S. 7).

3.2 Die Vorinstanz lehnt die Gewährung des bedingten Vollzugs für die Umwandlungsstrafe ab und betont im Einklang mit den Ausführungen der Generalprokuratur, dass der Beschwerdeführer keinerlei Anstrengung unternommen habe, die notwendigen Mittel zur Bezahlung der Busse aufzubringen. Die Erwartung, er würde in Zukunft allfällige neue Bussen zu bezahlen versuchen, stelle nicht mehr als eine vage Vermutung dar. Eine weder bezahlte noch abgearbeitete Busse lasse auf eine Gesinnung der Gleichgültigkeit gegenüber staatlichen Anordnungen schliessen. Zudem sei die umzuwandelnde Busse neben einer bedingten Freiheitsstrafe als sogenannte "Denkzettel-Busse" ausgesprochen worden. Der Denkzetteleffekt würde zunichte gemacht, wenn die Busse nachträglich in eine bedingte Freiheitsstrafe umgewandelt würde (angefochtenes Urteil, S. 3).

3.3 Die Erwägungen der Vorinstanz sind nicht zu beanstanden. Es erscheint offensichtlich, dass der Beschwerdeführer neben der in diesem Verfahren nicht bezahlten Busse auch künftige Bussen nicht bezahlen wird und ihm daher keine günstige Prognose gestellt werden kann, weshalb sich die Gewährung des bedingten Vollzugs der Umwandlungsstrafe verbietet. Jedenfalls hat die Vorinstanz mit dieser Auffassung ihr Ermessen nicht verletzt. Inwiefern ein Beweisverfahren hieran etwas ändern könnte, ist nicht ersichtlich und wird vom Beschwerdeführer auch nicht geltend gemacht.

4.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Kosten des Verfahrens (Art. 66 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
1    Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
2    Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden.
3    Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht.
4    Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist.
5    Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen.
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, 1. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 28. September 2009

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Favre Keller
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 6B_578/2009
Date : 28. September 2009
Published : 16. Oktober 2009
Source : Bundesgericht
Status : Unpubliziert
Subject area : Strafrecht (allgemein)
Subject : Umwandlung einer Busse in Haft


Legislation register
BGG: 66  95  97  106
BV: 9
BGE-register
127-I-54 • 130-I-258 • 133-II-249 • 135-III-232
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