Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
4A 602/2018
Urteil vom 28. Mai 2019
I. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Kiss, Präsidentin,
Bundesrichterinnen Klett, Niquille,
Gerichtsschreiber Hug.
Verfahrensbeteiligte
Schweizerische Bundesbahnen SBB,
vertreten durch die Rechtsanwältinnen
Barbara Klett und Dominique Müller,
Beschwerdeführerin,
gegen
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Volker Pribnow,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Eisenbahnhaftpflicht;
Beschwerde gegen das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 5. Oktober 2018 (HG170078-O).
Sachverhalt:
A.
A.________, geb. 1930, Jonen (Geschädigter, Kläger, Beschwerdegegner) wurde am 21. März 2016 schwer verletzt. Als er auf dem Bahnsteig im Bahnhof Affoltern am Albis/ZH wartete, wurde er von B.________ unter den einfahrenden Zug der S-Bahn gestossen und einige Meter vom Zug mitgeschleift. Der am Unfall beteiligte Personenzug gehört der Schweizerische Bundesbahnen SBB (Bahnunternehmung, Beklagte, Beschwerdeführerin).
B.________ wurde im Strafverfahren infolge einer Drogenabhängigkeit und einer psychiatrischen Erkrankung als schuldunfähig erklärt. Das Bezirksgericht Affoltern kam im Urteil vom 11. Januar 2017 zum Schluss, dass er den Tatbestand der versuchten Tötung (Art. 111
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 111 - Wer vorsätzlich einen Menschen tötet, ohne dass eine der besondern Voraussetzungen der nachfolgenden Artikel zutrifft, wird mit Freiheitsstrafe152 nicht unter fünf Jahren bestraft. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 22 - 1 Führt der Täter, nachdem er mit der Ausführung eines Verbrechens oder Vergehens begonnen hat, die strafbare Tätigkeit nicht zu Ende oder tritt der zur Vollendung der Tat gehörende Erfolg nicht ein oder kann dieser nicht eintreten, so kann das Gericht die Strafe mildern. |
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1 | Führt der Täter, nachdem er mit der Ausführung eines Verbrechens oder Vergehens begonnen hat, die strafbare Tätigkeit nicht zu Ende oder tritt der zur Vollendung der Tat gehörende Erfolg nicht ein oder kann dieser nicht eintreten, so kann das Gericht die Strafe mildern. |
2 | Verkennt der Täter aus grobem Unverstand, dass die Tat nach der Art des Gegenstandes oder des Mittels, an oder mit dem er sie ausführen will, überhaupt nicht zur Vollendung gelangen kann, so bleibt er straflos. |
B.
Mit Klage vom 29. März 2017 beantragte der Geschädigte dem Handelsgericht Zürich, die Bahnunternehmung sei zu verpflichten, ihm unter dem Titel Genugtuung einen Betrag von Fr. 35'000.-- nebst Zins zu 5 % seit 21. März 2016 zu bezahlen. Er begründete seine Klage mit der Gefährdungshaftung gemäss Art. 40b
SR 742.101 Eisenbahngesetz vom 20. Dezember 1957 (EBG) EBG Art. 40b Grundsätze |
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1 | Der Inhaber eines Eisenbahnunternehmens haftet für den Schaden, wenn die charakteristischen Risiken, die mit dem Betrieb der Eisenbahn verbunden sind, dazu führen, dass ein Mensch getötet oder verletzt wird oder ein Sachschaden entsteht. |
2 | Er haftet für Schäden: |
a | an Sachen in der Obhut der reisenden Person ausschliesslich nach dem Personenbeförderungsgesetz vom 20. März 2009215; |
b | an beförderten Sachen ausschliesslich nach dem Obligationenrecht217 und den massgeblichen internationalen Vereinbarungen. |
3 | Soweit die Haftung nach Absatz 2 nicht im Personenbeförderungsgesetz oder im Gütertransportgesetz vom 25. September 2015218 geregelt ist, gelten ausschliesslich die vertragsrechtlichen Bestimmungen des Obligationenrechts.219 |
SR 742.101 Eisenbahngesetz vom 20. Dezember 1957 (EBG) EBG Art. 40c Entlastung |
|
1 | Der Inhaber wird von der Haftpflicht entlastet, wenn ein Sachverhalt, der ihm nicht zugerechnet werden kann, so sehr zur Entstehung des Schadens beigetragen hat, dass er als dessen Hauptursache anzusehen ist. |
2 | Derartige Sachverhalte sind insbesondere: |
a | höhere Gewalt; oder |
b | grobes Verschulden der geschädigten oder einer dritten Person. |
Das Handelsgericht des Kantons Zürich verpflichtete die Beklagte mit Urteil vom 5. Oktober 2018, dem Kläger Fr. 35'000.-- zuzüglich Zins zu 5 % seit dem 21. März 2016 zu bezahlen. Das Gericht gelangte zum Schluss, das mit dem Betrieb einer Eisenbahn verbundene charakteristische Risiko habe sich verwirklicht und eine Entlastung oder Kürzung der Genugtuung aufgrund der Dritteinwirkung sei ausgeschlossen.
C.
Mit Beschwerde in Zivilsachen stellt die Beklagte die Rechtsbegehren, das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 5. Oktober 2018 sei aufzuheben und die Klage sei abzuweisen, eventuell sei die Sache an die Vorinstanz zur Neubeurteilung zurückzuweisen.
Der Beschwerdegegner beantragt in der Antwort, die Beschwerde sei abzuweisen. Das Handelsgericht hat auf Vernehmlassung verzichtet.
Erwägungen:
1.
Der angefochtene Entscheid betrifft eine Zivilsache (Art. 72
SR 742.101 Eisenbahngesetz vom 20. Dezember 1957 (EBG) EBG Art. 40c Entlastung |
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1 | Der Inhaber wird von der Haftpflicht entlastet, wenn ein Sachverhalt, der ihm nicht zugerechnet werden kann, so sehr zur Entstehung des Schadens beigetragen hat, dass er als dessen Hauptursache anzusehen ist. |
2 | Derartige Sachverhalte sind insbesondere: |
a | höhere Gewalt; oder |
b | grobes Verschulden der geschädigten oder einer dritten Person. |
SR 742.101 Eisenbahngesetz vom 20. Dezember 1957 (EBG) EBG Art. 40c Entlastung |
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1 | Der Inhaber wird von der Haftpflicht entlastet, wenn ein Sachverhalt, der ihm nicht zugerechnet werden kann, so sehr zur Entstehung des Schadens beigetragen hat, dass er als dessen Hauptursache anzusehen ist. |
2 | Derartige Sachverhalte sind insbesondere: |
a | höhere Gewalt; oder |
b | grobes Verschulden der geschädigten oder einer dritten Person. |
SR 742.101 Eisenbahngesetz vom 20. Dezember 1957 (EBG) EBG Art. 40c Entlastung |
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1 | Der Inhaber wird von der Haftpflicht entlastet, wenn ein Sachverhalt, der ihm nicht zugerechnet werden kann, so sehr zur Entstehung des Schadens beigetragen hat, dass er als dessen Hauptursache anzusehen ist. |
2 | Derartige Sachverhalte sind insbesondere: |
a | höhere Gewalt; oder |
b | grobes Verschulden der geschädigten oder einer dritten Person. |
SR 742.101 Eisenbahngesetz vom 20. Dezember 1957 (EBG) EBG Art. 40c Entlastung |
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1 | Der Inhaber wird von der Haftpflicht entlastet, wenn ein Sachverhalt, der ihm nicht zugerechnet werden kann, so sehr zur Entstehung des Schadens beigetragen hat, dass er als dessen Hauptursache anzusehen ist. |
2 | Derartige Sachverhalte sind insbesondere: |
a | höhere Gewalt; oder |
b | grobes Verschulden der geschädigten oder einer dritten Person. |
2.
Nach Art. 40b Abs. 1 des Eisenbahngesetzes in der Fassung gemäss Ziffer II. 13 des Bundesgesetzes vom 9. März 2009 über die Bahnreform haftet der Inhaber eines Eisenbahnunternehmens für den Schaden, wenn die charakteristischen Risiken, die mit dem Betrieb der Eisenbahn verbunden sind, dazu führen, dass ein Mensch getötet oder verletzt wird oder ein Sachschaden entsteht.
2.1. Die Vorinstanz führt im angefochtenen Urteil unter Verweis auf die Botschaft vom 8. Juni 2007 zur Güterverkehrsvorlage (BBl 2007 4479 Ziff. 1.7.3 und 4491 Ziff. 2.3.1) und die Beratungen des Nationalrates vom 19. Dezember 2007 (AB 2007, 1171) aus, dass unter die charakteristischen Risiken des Bahnbetriebs namentlich die Fortbewegung fällt, die insbesondere einen Zusammenstoss, eine Entgleisung oder ein Überfahren verursachen könnten. Sie erwog mit Hinweis auf die Lehre (MIRINA GROSZ, in: Fischer/Luterbacher [Hrsg.], Haftpflichtkommentar, 2016, N. 11 zu Art. 40b
SR 742.101 Eisenbahngesetz vom 20. Dezember 1957 (EBG) EBG Art. 40b Grundsätze |
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1 | Der Inhaber eines Eisenbahnunternehmens haftet für den Schaden, wenn die charakteristischen Risiken, die mit dem Betrieb der Eisenbahn verbunden sind, dazu führen, dass ein Mensch getötet oder verletzt wird oder ein Sachschaden entsteht. |
2 | Er haftet für Schäden: |
a | an Sachen in der Obhut der reisenden Person ausschliesslich nach dem Personenbeförderungsgesetz vom 20. März 2009215; |
b | an beförderten Sachen ausschliesslich nach dem Obligationenrecht217 und den massgeblichen internationalen Vereinbarungen. |
3 | Soweit die Haftung nach Absatz 2 nicht im Personenbeförderungsgesetz oder im Gütertransportgesetz vom 25. September 2015218 geregelt ist, gelten ausschliesslich die vertragsrechtlichen Bestimmungen des Obligationenrechts.219 |
dass Personen gefährdet sind, wenn sie sich in Bahnhöfen in grosser Menge auf Perrons aufhalten und nahe den Schienen auf einfahrende Züge warten.
2.2. Die Beschwerdeführerin stellt zu Recht nicht in Frage, dass sich vorliegend die charakteristischen Risiken verwirklicht haben, die mit dem Betrieb der Eisenbahn verbunden sind. Nach den Feststellungen der Vorinstanz war der Zug der Beklagten im Begriff, in den Bahnhof einzufahren und bewegte sich - wenn auch nicht mehr mit allzu hoher Geschwindigkeit -, als der Beschwerdegegner vom Perron gestossen wurde. Der Zugführer konnte das Unfallgeschehen an der Zugseite nicht bemerken und erst recht nicht darauf reagieren. Die erheblichen Verletzungen, die der Beschwerdegegner erlitt, als er vom einfahrenden Zug mehrere Meter mitgeschleift wurde, sind auf die charakteristischen Risiken zurückzuführen, die mit dem Betrieb der Eisenbahn verbunden sind.
2.3. Die Beschwerdeführerin haftet nach Art. 40b
SR 742.101 Eisenbahngesetz vom 20. Dezember 1957 (EBG) EBG Art. 40b Grundsätze |
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1 | Der Inhaber eines Eisenbahnunternehmens haftet für den Schaden, wenn die charakteristischen Risiken, die mit dem Betrieb der Eisenbahn verbunden sind, dazu führen, dass ein Mensch getötet oder verletzt wird oder ein Sachschaden entsteht. |
2 | Er haftet für Schäden: |
a | an Sachen in der Obhut der reisenden Person ausschliesslich nach dem Personenbeförderungsgesetz vom 20. März 2009215; |
b | an beförderten Sachen ausschliesslich nach dem Obligationenrecht217 und den massgeblichen internationalen Vereinbarungen. |
3 | Soweit die Haftung nach Absatz 2 nicht im Personenbeförderungsgesetz oder im Gütertransportgesetz vom 25. September 2015218 geregelt ist, gelten ausschliesslich die vertragsrechtlichen Bestimmungen des Obligationenrechts.219 |
SR 742.101 Eisenbahngesetz vom 20. Dezember 1957 (EBG) EBG Art. 40c Entlastung |
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1 | Der Inhaber wird von der Haftpflicht entlastet, wenn ein Sachverhalt, der ihm nicht zugerechnet werden kann, so sehr zur Entstehung des Schadens beigetragen hat, dass er als dessen Hauptursache anzusehen ist. |
2 | Derartige Sachverhalte sind insbesondere: |
a | höhere Gewalt; oder |
b | grobes Verschulden der geschädigten oder einer dritten Person. |
3.
Art. 40c
SR 742.101 Eisenbahngesetz vom 20. Dezember 1957 (EBG) EBG Art. 40c Entlastung |
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1 | Der Inhaber wird von der Haftpflicht entlastet, wenn ein Sachverhalt, der ihm nicht zugerechnet werden kann, so sehr zur Entstehung des Schadens beigetragen hat, dass er als dessen Hauptursache anzusehen ist. |
2 | Derartige Sachverhalte sind insbesondere: |
a | höhere Gewalt; oder |
b | grobes Verschulden der geschädigten oder einer dritten Person. |
"1 Der Inhaber wird von der Haftpflicht entlastet, wenn ein Sachverhalt, der ihm nicht zugerechnet werden kann, so sehr zur Entstehung des Schadens beigetragen hat, dass er als dessen Hauptursache anzusehen ist.
2 Derartige Sachverhalte sind insbesondere:
a. höhere Gewalt; oder
b. grobes Verschulden der geschädigten oder einer dritten Person."
3.1. Die Vorinstanz hat die Entlastung nach dieser Bestimmung abgelehnt. Insbesondere aus den Materialien hat sie geschlossen, es sei das Anliegen des Gesetzgebers gewesen, die Selbsttötung urteilsunfähiger Personen im Unterschied zur bisherigen Praxis als Entlastungsgrund zuzulassen, was der hauptsächliche Grund für die weite Umschreibung der Entlastungsgründe sei. Sie hat angenommen, die Entlastung bei Urteilsunfähigkeit sei nur ausnahmsweise zu gewähren, namentlich wenn die verletzte oder getötete Person eindeutig die Absicht hegte, sich das Leben zu nehmen. Das Handelsgericht erwog, die Norm knüpfe im Übrigen an die tradierte Lehre an, wonach zur Entlastung des Haftpflichtigen die Unterbrechung des Kausalzusammenhangs erforderlich sei. Es gelangte zum Schluss, das Verhalten des urteilsunfähigen Dritten rechtfertige keinen Haftungsausschluss der Beschwerdeführerin, zumal der Sphäre des Beschwerdegegners kein relevanter Faktor für das Unfallgeschehen zugerechnet werden könne und das charakteristische Risiko des Bahnbetriebs in der konkreten Unfallsituation keine unbedeutende oder zufällige Rolle gespielt habe. Denn der Stoss gegen den Beschwerdegegner hätte in kaum einer anderen denkbaren Situation derart schwerwiegende Folgen
gehabt, wie sie durch den einfahrenden Zug verursacht wurden.
3.2. Die Beschwerdeführerin rügt, die Vorinstanz habe Art. 40c
SR 742.101 Eisenbahngesetz vom 20. Dezember 1957 (EBG) EBG Art. 40c Entlastung |
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1 | Der Inhaber wird von der Haftpflicht entlastet, wenn ein Sachverhalt, der ihm nicht zugerechnet werden kann, so sehr zur Entstehung des Schadens beigetragen hat, dass er als dessen Hauptursache anzusehen ist. |
2 | Derartige Sachverhalte sind insbesondere: |
a | höhere Gewalt; oder |
b | grobes Verschulden der geschädigten oder einer dritten Person. |
SR 742.101 Eisenbahngesetz vom 20. Dezember 1957 (EBG) EBG Art. 40c Entlastung |
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1 | Der Inhaber wird von der Haftpflicht entlastet, wenn ein Sachverhalt, der ihm nicht zugerechnet werden kann, so sehr zur Entstehung des Schadens beigetragen hat, dass er als dessen Hauptursache anzusehen ist. |
2 | Derartige Sachverhalte sind insbesondere: |
a | höhere Gewalt; oder |
b | grobes Verschulden der geschädigten oder einer dritten Person. |
Art. 40c
SR 742.101 Eisenbahngesetz vom 20. Dezember 1957 (EBG) EBG Art. 40c Entlastung |
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1 | Der Inhaber wird von der Haftpflicht entlastet, wenn ein Sachverhalt, der ihm nicht zugerechnet werden kann, so sehr zur Entstehung des Schadens beigetragen hat, dass er als dessen Hauptursache anzusehen ist. |
2 | Derartige Sachverhalte sind insbesondere: |
a | höhere Gewalt; oder |
b | grobes Verschulden der geschädigten oder einer dritten Person. |
3.3. Zur Auslegung von Gesetzesnormen verfolgt das Bundesgericht einen pragmatischen Methodenpluralismus. Es legt die Norm nach deren Wortlaut in den drei Amtssprachen, nach deren Entstehungsgeschichte, deren systematischer Stellung im Rahmen des Gesetzes bzw. der massgebenden Rechtsprinzipien und nach deren Sinn und Zweck im Lichte der Verfassung und übergeordneter Rechtsgrundsätze aus; es lehnt es namentlich ab, die einzelnen Auslegungselemente einer hierarchischen Prioritätsordnung zu unterstellen (vgl. BGE 144 III 100 E. 5.2 S. 103 mit zahlreichen Hinweisen).
3.3.1. Der Wortlaut von Art. 40c Abs. 1
SR 742.101 Eisenbahngesetz vom 20. Dezember 1957 (EBG) EBG Art. 40c Entlastung |
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1 | Der Inhaber wird von der Haftpflicht entlastet, wenn ein Sachverhalt, der ihm nicht zugerechnet werden kann, so sehr zur Entstehung des Schadens beigetragen hat, dass er als dessen Hauptursache anzusehen ist. |
2 | Derartige Sachverhalte sind insbesondere: |
a | höhere Gewalt; oder |
b | grobes Verschulden der geschädigten oder einer dritten Person. |
3.3.2. Der Entstehungsgeschichte der kürzlich erlassenen Norm hat die Vorinstanz das gesetzgeberische Anliegen entnommen, mit der Ausweitung der Entlastungsgründe in erster Linie die Verantwortung der Bahnunternehmen für Selbsttötungen im Zustande der Urteilsunfähigkeit auszuschliessen. Die Beschwerdeführerin bestreitet dieses Anliegen nicht, hält jedoch dafür, der Gesetzgeber habe darüber hinaus allgemein durch die offene allgemeine Formulierung (Hauptursache) weitere Entlastungsgründe zulassen wollen. Sie beruft sich dabei namentlich auf das in der Botschaft genannte Beispiel eines Autos, das wegen eines technischen Defekts auf einen fahrenden Zug stürzt (BBl 2007 4481 Ziff. 1.7.4, 4493 Ziff. 2.3.1). Der Beschwerdegegner hält dem in der Antwort zutreffend entgegen, dass der Bundesrat bei der Kommentierung von Art. 40c
SR 742.101 Eisenbahngesetz vom 20. Dezember 1957 (EBG) EBG Art. 40c Entlastung |
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1 | Der Inhaber wird von der Haftpflicht entlastet, wenn ein Sachverhalt, der ihm nicht zugerechnet werden kann, so sehr zur Entstehung des Schadens beigetragen hat, dass er als dessen Hauptursache anzusehen ist. |
2 | Derartige Sachverhalte sind insbesondere: |
a | höhere Gewalt; oder |
b | grobes Verschulden der geschädigten oder einer dritten Person. |
entnehmen.
3.3.3. Systematisch werden in Art. 40c Abs. 2
SR 742.101 Eisenbahngesetz vom 20. Dezember 1957 (EBG) EBG Art. 40c Entlastung |
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1 | Der Inhaber wird von der Haftpflicht entlastet, wenn ein Sachverhalt, der ihm nicht zugerechnet werden kann, so sehr zur Entstehung des Schadens beigetragen hat, dass er als dessen Hauptursache anzusehen ist. |
2 | Derartige Sachverhalte sind insbesondere: |
a | höhere Gewalt; oder |
b | grobes Verschulden der geschädigten oder einer dritten Person. |
ROBERTO, Haftpflichtrecht, 2. Aufl. 2017, Rz. 06.43).
3.3.3.1. Art. 40c
SR 742.101 Eisenbahngesetz vom 20. Dezember 1957 (EBG) EBG Art. 40c Entlastung |
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1 | Der Inhaber wird von der Haftpflicht entlastet, wenn ein Sachverhalt, der ihm nicht zugerechnet werden kann, so sehr zur Entstehung des Schadens beigetragen hat, dass er als dessen Hauptursache anzusehen ist. |
2 | Derartige Sachverhalte sind insbesondere: |
a | höhere Gewalt; oder |
b | grobes Verschulden der geschädigten oder einer dritten Person. |
SR 742.101 Eisenbahngesetz vom 20. Dezember 1957 (EBG) EBG Art. 40c Entlastung |
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1 | Der Inhaber wird von der Haftpflicht entlastet, wenn ein Sachverhalt, der ihm nicht zugerechnet werden kann, so sehr zur Entstehung des Schadens beigetragen hat, dass er als dessen Hauptursache anzusehen ist. |
2 | Derartige Sachverhalte sind insbesondere: |
a | höhere Gewalt; oder |
b | grobes Verschulden der geschädigten oder einer dritten Person. |
3.3.3.2. Der Entlastungstatbestand von Art. 40c
SR 742.101 Eisenbahngesetz vom 20. Dezember 1957 (EBG) EBG Art. 40c Entlastung |
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1 | Der Inhaber wird von der Haftpflicht entlastet, wenn ein Sachverhalt, der ihm nicht zugerechnet werden kann, so sehr zur Entstehung des Schadens beigetragen hat, dass er als dessen Hauptursache anzusehen ist. |
2 | Derartige Sachverhalte sind insbesondere: |
a | höhere Gewalt; oder |
b | grobes Verschulden der geschädigten oder einer dritten Person. |
SR 742.101 Eisenbahngesetz vom 20. Dezember 1957 (EBG) EBG Art. 40c Entlastung |
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1 | Der Inhaber wird von der Haftpflicht entlastet, wenn ein Sachverhalt, der ihm nicht zugerechnet werden kann, so sehr zur Entstehung des Schadens beigetragen hat, dass er als dessen Hauptursache anzusehen ist. |
2 | Derartige Sachverhalte sind insbesondere: |
a | höhere Gewalt; oder |
b | grobes Verschulden der geschädigten oder einer dritten Person. |
Schadens beigetragen hat, dass er als dessen Hauptursache anzusehen ist, kann auch das Verhalten eines urteilsunfähigen Dritten fallen (vgl. FELLMANN, a.a.O., Rz. 1283).
3.3.3.3. Systematisch reiht sich Art. 40c
SR 742.101 Eisenbahngesetz vom 20. Dezember 1957 (EBG) EBG Art. 40c Entlastung |
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1 | Der Inhaber wird von der Haftpflicht entlastet, wenn ein Sachverhalt, der ihm nicht zugerechnet werden kann, so sehr zur Entstehung des Schadens beigetragen hat, dass er als dessen Hauptursache anzusehen ist. |
2 | Derartige Sachverhalte sind insbesondere: |
a | höhere Gewalt; oder |
b | grobes Verschulden der geschädigten oder einer dritten Person. |
SR 742.101 Eisenbahngesetz vom 20. Dezember 1957 (EBG) EBG Art. 40c Entlastung |
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1 | Der Inhaber wird von der Haftpflicht entlastet, wenn ein Sachverhalt, der ihm nicht zugerechnet werden kann, so sehr zur Entstehung des Schadens beigetragen hat, dass er als dessen Hauptursache anzusehen ist. |
2 | Derartige Sachverhalte sind insbesondere: |
a | höhere Gewalt; oder |
b | grobes Verschulden der geschädigten oder einer dritten Person. |
FELLMANN, a.a.O., Rz. 1262, 1267).
3.3.4. Der Sinn und Zweck der mit der Bahnreform neu formulierten Entlastungsgründe in Art. 40c
SR 742.101 Eisenbahngesetz vom 20. Dezember 1957 (EBG) EBG Art. 40c Entlastung |
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1 | Der Inhaber wird von der Haftpflicht entlastet, wenn ein Sachverhalt, der ihm nicht zugerechnet werden kann, so sehr zur Entstehung des Schadens beigetragen hat, dass er als dessen Hauptursache anzusehen ist. |
2 | Derartige Sachverhalte sind insbesondere: |
a | höhere Gewalt; oder |
b | grobes Verschulden der geschädigten oder einer dritten Person. |
SR 742.101 Eisenbahngesetz vom 20. Dezember 1957 (EBG) EBG Art. 40c Entlastung |
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1 | Der Inhaber wird von der Haftpflicht entlastet, wenn ein Sachverhalt, der ihm nicht zugerechnet werden kann, so sehr zur Entstehung des Schadens beigetragen hat, dass er als dessen Hauptursache anzusehen ist. |
2 | Derartige Sachverhalte sind insbesondere: |
a | höhere Gewalt; oder |
b | grobes Verschulden der geschädigten oder einer dritten Person. |
charakteristischen Betriebsgefahr der Eisenbahn (vgl. FELLMANN, a.a.O., Rz. 1283).
3.4. Es ist zu prüfen, ob das Verhalten des urteilsunfähigen Dritten im vorliegenden Fall nach wertender Betrachtung insoweit die Hauptursache für den Schaden darstellt, als es einen Wirkungsgrad aufweist, der derart ausserhalb des normalen Geschehens liegt, dass die von der Beschwerdeführerin zu verantwortende charakteristische Betriebsgefahr im Vergleich damit von solch untergeordneter Bedeutung ist, dass sie nur noch als eine zufällige, unbedeutende Teilursache des Schadens erscheint. Die Vorinstanz hat dies im Ergebnis verneint.
3.4.1. Nach den Feststellungen der Vorinstanz hat der urteilsunfähige Dritte den Beschwerdegegner vom Perron auf die Gleise gestossen, als der Zug einfuhr. Die schweren Verletzungen des Beschwerdegegners sind darauf zurückzuführen, dass er vom Zug einige Meter mitgeschleift wurde. Die Vorinstanz hat zutreffend erwogen, dass der Stoss des Dritten in kaum einer anderen denkbaren (Alltags-) Situation derart gravierende Verletzungen hätte mitverursachen können wie hier; zumal eine Eisenbahn mehr (Zerstörungs-) Kraft aufweist, als ein Automobil, wo ebenfalls eine Gefährdungshaftung greift. Dass der urteilsunfähige Dritte die Gefährlichkeit der Bahn ausgenutzt hat, um dem Beschwerdegegner schwere Verletzungen zuzufügen, bemerkt denn auch die Beschwerdeführerin. Ihr Schluss, dass aus diesem Grund die Gefährlichkeit bzw. Betriebsgefahr der Eisenbahn als Unfallursache gegenüber der Intensität des Stosses als weitere Unfallursache gänzlich in den Hintergrund trete, ist dagegen nicht überzeugend. Zwar ist der Stoss gegen den Geschädigten auf dem Perron vorliegend völlig unsinnig erfolgt. Aber dass Personen, welche auf dem Bahnsteig auf einen Zug warten, um von diesem befördert zu werden, von anderen Passagieren auf die Geleise gestossen
werden können, weicht nicht derart vom normalen Geschehen ab, als damit schlichtweg nicht zu rechnen wäre; zumal eine Person aus unterschiedlichen Gründen auf die Geleise gestossen werden kann, etwa zufolge eines Gedränges. Ein derartiges Geschehen liegt im Rahmen des Betriebsrisikos der Eisenbahn, die zur Beförderung von Personen von jedermann benützt werden kann. Die Vorinstanz hat entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin das charakteristische Risiko des Bahnbetriebs zu Recht nicht als unbedeutend und zufällig erachtet. Denn es hat sich eine trotz aller Sorgfalt schwierig zu beherrschende Gefahr verwirklicht, welche der Inhaberin der Eisenbahn zuzuschreiben ist (vgl. dazu BBl 2007 4480 Rz. 1.7.3).
3.4.2. Wie bereits aus der in in Art. 40c Abs. 1
SR 742.101 Eisenbahngesetz vom 20. Dezember 1957 (EBG) EBG Art. 40c Entlastung |
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1 | Der Inhaber wird von der Haftpflicht entlastet, wenn ein Sachverhalt, der ihm nicht zugerechnet werden kann, so sehr zur Entstehung des Schadens beigetragen hat, dass er als dessen Hauptursache anzusehen ist. |
2 | Derartige Sachverhalte sind insbesondere: |
a | höhere Gewalt; oder |
b | grobes Verschulden der geschädigten oder einer dritten Person. |
Risikobereich bzw. der "Sphäre" des Geschädigten zuzurechnen ist. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut von Art. 40c
SR 742.101 Eisenbahngesetz vom 20. Dezember 1957 (EBG) EBG Art. 40c Entlastung |
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1 | Der Inhaber wird von der Haftpflicht entlastet, wenn ein Sachverhalt, der ihm nicht zugerechnet werden kann, so sehr zur Entstehung des Schadens beigetragen hat, dass er als dessen Hauptursache anzusehen ist. |
2 | Derartige Sachverhalte sind insbesondere: |
a | höhere Gewalt; oder |
b | grobes Verschulden der geschädigten oder einer dritten Person. |
ist; doch ging die Vorinstanz weder von einer erhöhten Betriebsgefahr noch von einer entsprechenden Erstellungspflicht aus, sondern erwog einzig, das verwirklichte Risiko lasse sich seitens der Bahninhaberin zumindest theoretisch durch technische Vorkehrungen minimieren. Dieser Schluss überzeugt insoweit, als aufgrund der (theoretischen) Möglichkeit der Erstellung spezieller Vorrichtungen denn auch Steinschläge und gar Lawinen in aller Regel keinen derart hohen Wirkungsgrad aufweisen, dass sie den adäquaten Kausalzusammenhang (als höhere Gewalt) unterbrechen und die Eisenbahninhaberin von ihrer Haftung entbinden würden (vgl. dazu BBl 2007 4493 Ziff. 2.3.1 mit Hinweisen).
3.4.3. Die Vorinstanz hat im Ergebnis zutreffend geschlossen, dass sich im vorliegenden Fall das charakteristische Betriebsrisiko der Eisenbahn verwirklicht hat (Art. 40b Abs. 1
SR 742.101 Eisenbahngesetz vom 20. Dezember 1957 (EBG) EBG Art. 40b Grundsätze |
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1 | Der Inhaber eines Eisenbahnunternehmens haftet für den Schaden, wenn die charakteristischen Risiken, die mit dem Betrieb der Eisenbahn verbunden sind, dazu führen, dass ein Mensch getötet oder verletzt wird oder ein Sachschaden entsteht. |
2 | Er haftet für Schäden: |
a | an Sachen in der Obhut der reisenden Person ausschliesslich nach dem Personenbeförderungsgesetz vom 20. März 2009215; |
b | an beförderten Sachen ausschliesslich nach dem Obligationenrecht217 und den massgeblichen internationalen Vereinbarungen. |
3 | Soweit die Haftung nach Absatz 2 nicht im Personenbeförderungsgesetz oder im Gütertransportgesetz vom 25. September 2015218 geregelt ist, gelten ausschliesslich die vertragsrechtlichen Bestimmungen des Obligationenrechts.219 |
SR 742.101 Eisenbahngesetz vom 20. Dezember 1957 (EBG) EBG Art. 40c Entlastung |
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1 | Der Inhaber wird von der Haftpflicht entlastet, wenn ein Sachverhalt, der ihm nicht zugerechnet werden kann, so sehr zur Entstehung des Schadens beigetragen hat, dass er als dessen Hauptursache anzusehen ist. |
2 | Derartige Sachverhalte sind insbesondere: |
a | höhere Gewalt; oder |
b | grobes Verschulden der geschädigten oder einer dritten Person. |
4.
Die Beschwerdeführerin beruft sich schliesslich auf Art. 40f
SR 742.101 Eisenbahngesetz vom 20. Dezember 1957 (EBG) EBG Art. 40f Anwendbarkeit des Obligationenrechts - Soweit dieses Gesetz nichts anderes vorsieht, richtet sich die Haftung nach den Bestimmungen des Obligationenrechts220 über die unerlaubten Handlungen. |
SR 742.101 Eisenbahngesetz vom 20. Dezember 1957 (EBG) EBG Art. 40f Anwendbarkeit des Obligationenrechts - Soweit dieses Gesetz nichts anderes vorsieht, richtet sich die Haftung nach den Bestimmungen des Obligationenrechts220 über die unerlaubten Handlungen. |
SR 742.101 Eisenbahngesetz vom 20. Dezember 1957 (EBG) EBG Art. 40f Anwendbarkeit des Obligationenrechts - Soweit dieses Gesetz nichts anderes vorsieht, richtet sich die Haftung nach den Bestimmungen des Obligationenrechts220 über die unerlaubten Handlungen. |
SR 742.101 Eisenbahngesetz vom 20. Dezember 1957 (EBG) EBG Art. 40f Anwendbarkeit des Obligationenrechts - Soweit dieses Gesetz nichts anderes vorsieht, richtet sich die Haftung nach den Bestimmungen des Obligationenrechts220 über die unerlaubten Handlungen. |
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verletzt, wenn sie die Kürzung der Genugtuung verweigerte.
5.
Die Beschwerde ist als unbegründet abzuweisen. Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1
SR 742.101 Eisenbahngesetz vom 20. Dezember 1957 (EBG) EBG Art. 40f Anwendbarkeit des Obligationenrechts - Soweit dieses Gesetz nichts anderes vorsieht, richtet sich die Haftung nach den Bestimmungen des Obligationenrechts220 über die unerlaubten Handlungen. |
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Handelsgericht des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 28. Mai 2019
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Kiss
Der Gerichtsschreiber: Hug