Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

1B 649/2022

Urteil vom 28. März 2023

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Müller, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Merz, Kölz,
Gerichtsschreiber Schurtenberger.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Lucien W. Valloni,

gegen

Sandro Clausen,
c/o Bezirksgericht Zürich,
Badenerstrasse 90, Postfach, 8036 Zürich,
Beschwerdegegner,

Bezirksgericht Zürich, 4. Abteilung, Badenerstrasse 90, 8004 Zürich.

Gegenstand
Strafverfahren; Ausstand,

Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 21. November 2022 (UA220041-O/U/BEE>HEI).

Sachverhalt:

A.
Das Bezirksgericht Zürich, 4. Abteilung, Einzelgericht, sprach A.________ mit Urteil vom 30. September 2021 der üblen Nachrede und der Beschimpfung schuldig und verurteilte ihn zu einer bedingten Geldstrafe sowie einer Busse. Gegen dieses Urteil erhob A.________ Berufung an das Obergericht des Kantons Zürich, wo das Berufungsverfahren bei der II. Strafkammer hängig ist.

B.
Am 10. September 2022 stellte A.________ bei der III. Strafkammer des Obergerichts ein Ausstandsbegehren gegen Ersatzbezirksrichter lic. iur. Sandro Clausen, der als Einzelrichter am erstinstanzlichen Urteil vom 30. September 2021 mitgewirkt hatte. Er beantragte, es sei festzustellen, dass bei Ersatzrichter Clausen ein Ausstandsgrund im Sinne von Art. 56 lit. f
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 56 Ausstandsgründe - Eine in einer Strafbehörde tätige Person tritt in den Ausstand, wenn sie:
a  in der Sache ein persönliches Interesse hat;
b  in einer anderen Stellung, insbesondere als Mitglied einer Behörde, als Rechtsbeistand einer Partei, als Sachverständige oder Sachverständiger, als Zeugin oder Zeuge, in der gleichen Sache tätig war;
c  mit einer Partei, ihrem Rechtsbeistand oder einer Person, die in der gleichen Sache als Mitglied der Vorinstanz tätig war, verheiratet ist, in eingetragener Partnerschaft lebt oder eine faktische Lebensgemeinschaft führt;
d  mit einer Partei in gerader Linie oder in der Seitenlinie bis und mit dem dritten Grad verwandt oder verschwägert ist;
e  mit dem Rechtsbeistand einer Partei oder einer Person, die in der gleichen Sache als Mitglied der Vorinstanz tätig war, in gerader Linie oder in der Seitenlinie bis und mit dem zweiten Grad verwandt oder verschwägert ist;
f  aus anderen Gründen, insbesondere wegen Freundschaft oder Feindschaft mit einer Partei oder deren Rechtsbeistand, befangen sein könnte.
StPO vorgelegen habe, weshalb dieser hätte in den Ausstand treten sollen. Bei Bejahung des Ausstandsgrunds sei das Urteil vom 30. September 2021 im Sinne von Art. 60
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 60 Folgen der Verletzung von Ausstandsvorschriften - 1 Amtshandlungen, an denen eine zum Ausstand verpflichtete Person mitgewirkt hat, sind aufzuheben und zu wiederholen, sofern dies eine Partei innert 5 Tagen verlangt, nachdem sie vom Entscheid über den Ausstand Kenntnis erhalten hat.
1    Amtshandlungen, an denen eine zum Ausstand verpflichtete Person mitgewirkt hat, sind aufzuheben und zu wiederholen, sofern dies eine Partei innert 5 Tagen verlangt, nachdem sie vom Entscheid über den Ausstand Kenntnis erhalten hat.
2    Beweise, die nicht wieder erhoben werden können, darf die Strafbehörde berücksichtigen.
3    Wird der Ausstandsgrund erst nach Abschluss des Verfahrens entdeckt, so gelten die Bestimmungen über die Revision.
StPO vollumfänglich aufzuheben. Ersatzrichter Clausen nahm mit Eingabe vom 30. September 2022 zum Ausstandsbegehren Stellung. Am 31. Oktober 2022 äusserte sich A.________. Mit Beschluss vom 21. November 2022 wies das Obergericht das Ausstandsgesuch ab.

C.
A.________ begehrt mit Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht, der Beschluss des Obergerichts sei aufzuheben, sein Ausstandsgesuch gegen Ersatzrichter Clausen sei gutzuheissen und es sei festzustellen, dass ein Ausstandsgrund vorgelegen habe. Das Urteil des Bezirksgerichts vom 30. September 2021, an dem Ersatzrichter Clausen mitgewirkt habe, sei aufzuheben. Eventualiter sei die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Vorinstanz sowie Ersatzrichter Clausen haben auf eine Vernehmlassung verzichtet, letzterer unter Verweis auf seine Stellungnahme vom 30. September 2022 und den angefochtenen Beschluss.

Erwägungen:

1.
Der angefochtene Beschluss des Obergerichts schliesst das derzeit in zweiter Instanz hängige Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer nicht ab. Es handelt sich um einen selbstständig eröffneten, kantonal letztinstanzlichen Zwischenentscheid über ein Ausstandsbegehren, gegen den die Beschwerde in Strafsachen nach Art. 92 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 92 - 1 Gegen selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide über die Zuständigkeit und über Ausstandsbegehren ist die Beschwerde zulässig.
1    Gegen selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide über die Zuständigkeit und über Ausstandsbegehren ist die Beschwerde zulässig.
2    Diese Entscheide können später nicht mehr angefochten werden.
BGG offensteht. Der Beschwerdeführer ist als beschuldigte Person zur Beschwerde gegen die Abweisung des von ihm gestellten Ausstandsgesuchs berechtigt (siehe Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 81 Beschwerderecht - 1 Zur Beschwerde in Strafsachen ist berechtigt, wer:
1    Zur Beschwerde in Strafsachen ist berechtigt, wer:
a  vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen hat oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat; und
b  ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat, insbesondere:
b1  die beschuldigte Person,
b2  ihr gesetzlicher Vertreter oder ihre gesetzliche Vertreterin,
b3  die Staatsanwaltschaft, ausser bei Entscheiden über die Anordnung, die Verlängerung und die Aufhebung der Untersuchungs- und Sicherheitshaft,
b4  ...
b5  die Privatklägerschaft, wenn der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann,
b6  die Person, die den Strafantrag stellt, soweit es um das Strafantragsrecht als solches geht,
b7  die Staatsanwaltschaft des Bundes und die beteiligte Verwaltung in Verwaltungsstrafsachen nach dem Bundesgesetz vom 22. März 197455 über das Verwaltungsstrafrecht.
2    Eine Bundesbehörde ist zur Beschwerde berechtigt, wenn das Bundesrecht vorsieht, dass ihr der Entscheid mitzuteilen ist.56
3    Gegen Entscheide nach Artikel 78 Absatz 2 Buchstabe b steht das Beschwerderecht auch der Bundeskanzlei, den Departementen des Bundes oder, soweit das Bundesrecht es vorsieht, den ihnen unterstellten Dienststellen zu, wenn der angefochtene Entscheid die Bundesgesetzgebung in ihrem Aufgabenbereich verletzen kann.
BGG).

2.

2.1. Der Beschwerdeführer begründete das Ausstandsbegehren vor der Vorinstanz zusammengefasst damit, Ersatzrichter Clausen habe die anlässlich der Hauptverhandlung vom 23. September 2021 seitens des Privatklägers B.________ geäusserten haltlosen Behauptungen, der Beschwerdeführer habe Morddrohungen gegen ihn ausgesprochen und einen Auftragskiller auf ihn angesetzt, nicht den Strafverfolgungsbehörden gemeldet. Er (der Beschwerdeführer) habe aufgrund der Äusserungen des Privatklägers am 29. September 2021 Strafanzeige gegen diesen wegen falscher Anschuldigung, Irreführung der Rechtspflege und Verleumdung erstattet. Das daraufhin eröffnete Strafverfahren sei vor der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl hängig. Im Rahmen der am 1. September 2022 erstmals gewährten Akteneinsicht habe er festgestellt, dass Ersatzrichter Clausen das gravierende Verhalten des Privatklägers vor den Schranken einfach unbeachtet gelassen habe, obschon er von einem unzulässigen Beeinflussungsversuch auf die richterliche Entscheidfindung und allenfalls sogar von einer Irreführung der Rechtspflege sowie einer falschen Anschuldigung hätte ausgehen müssen, was eine entsprechende Meldung an die Strafverfolgungsbehörden des Kantons Zürich hätte zur Folge haben müssen.
Der Anschein der Befangenheit bestehe, weil Ersatzrichter Clausen bei einer möglichen, weit gravierenderen Straftat des Privatklägers als derjenigen, welche dieser zur Anzeige gebracht habe, offenbar beide Augen verschlossen habe, ihn (den Beschwerdeführer) jedoch aufgrund der Anzeige des Privatklägers verurteilt habe.

2.2. Nach Art. 30 Abs. 1
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 30 Gerichtliche Verfahren - 1 Jede Person, deren Sache in einem gerichtlichen Verfahren beurteilt werden muss, hat Anspruch auf ein durch Gesetz geschaffenes, zuständiges, unabhängiges und unparteiisches Gericht. Ausnahmegerichte sind untersagt.
1    Jede Person, deren Sache in einem gerichtlichen Verfahren beurteilt werden muss, hat Anspruch auf ein durch Gesetz geschaffenes, zuständiges, unabhängiges und unparteiisches Gericht. Ausnahmegerichte sind untersagt.
2    Jede Person, gegen die eine Zivilklage erhoben wird, hat Anspruch darauf, dass die Sache vom Gericht des Wohnsitzes beurteilt wird. Das Gesetz kann einen anderen Gerichtsstand vorsehen.
3    Gerichtsverhandlung und Urteilsverkündung sind öffentlich. Das Gesetz kann Ausnahmen vorsehen.
BV und Art. 6 Ziff. 1
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde.
a  innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden;
b  ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben;
c  sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist;
d  Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten;
e  unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht.
EMRK hat jede Person, deren Sache in einem gerichtlichen Verfahren beurteilt werden muss, Anspruch darauf, dass ihre Streitsache von einem unbefangenen, unvoreingenommenen und unparteiischen Richter beurteilt wird. Es soll garantiert werden, dass keine sachfremden Umstände, die ausserhalb des Prozesses liegen, in sachwidriger Weise zugunsten oder zulasten einer Partei auf das gerichtliche Urteil einwirken. Art. 30 Abs. 1
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 30 Gerichtliche Verfahren - 1 Jede Person, deren Sache in einem gerichtlichen Verfahren beurteilt werden muss, hat Anspruch auf ein durch Gesetz geschaffenes, zuständiges, unabhängiges und unparteiisches Gericht. Ausnahmegerichte sind untersagt.
1    Jede Person, deren Sache in einem gerichtlichen Verfahren beurteilt werden muss, hat Anspruch auf ein durch Gesetz geschaffenes, zuständiges, unabhängiges und unparteiisches Gericht. Ausnahmegerichte sind untersagt.
2    Jede Person, gegen die eine Zivilklage erhoben wird, hat Anspruch darauf, dass die Sache vom Gericht des Wohnsitzes beurteilt wird. Das Gesetz kann einen anderen Gerichtsstand vorsehen.
3    Gerichtsverhandlung und Urteilsverkündung sind öffentlich. Das Gesetz kann Ausnahmen vorsehen.
BV soll zu der für einen korrekten und fairen Prozess erforderlichen Offenheit des Verfahrens im Einzelfall beitragen und damit ein gerechtes Urteil ermöglichen. Die Garantie wird verletzt, wenn bei objektiver Betrachtung Gegebenheiten vorliegen, die den Anschein der Befangenheit oder die Gefahr der Voreingenommenheit zu begründen vermögen (BGE 147 III 379 E. 2.3.1; 144 I 159 E. 4.3; je mit weiteren Hinweisen). Art. 56
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 56 Ausstandsgründe - Eine in einer Strafbehörde tätige Person tritt in den Ausstand, wenn sie:
a  in der Sache ein persönliches Interesse hat;
b  in einer anderen Stellung, insbesondere als Mitglied einer Behörde, als Rechtsbeistand einer Partei, als Sachverständige oder Sachverständiger, als Zeugin oder Zeuge, in der gleichen Sache tätig war;
c  mit einer Partei, ihrem Rechtsbeistand oder einer Person, die in der gleichen Sache als Mitglied der Vorinstanz tätig war, verheiratet ist, in eingetragener Partnerschaft lebt oder eine faktische Lebensgemeinschaft führt;
d  mit einer Partei in gerader Linie oder in der Seitenlinie bis und mit dem dritten Grad verwandt oder verschwägert ist;
e  mit dem Rechtsbeistand einer Partei oder einer Person, die in der gleichen Sache als Mitglied der Vorinstanz tätig war, in gerader Linie oder in der Seitenlinie bis und mit dem zweiten Grad verwandt oder verschwägert ist;
f  aus anderen Gründen, insbesondere wegen Freundschaft oder Feindschaft mit einer Partei oder deren Rechtsbeistand, befangen sein könnte.
StPO konkretisiert diesen Grundsatz für das Strafverfahren (BGE 138 I 425 E. 4.2.1).
Fehlerhafte Verfügungen und Verfahrenshandlungen begründen für sich grundsätzlich keinen Anschein der Voreingenommenheit. Materielle oder prozessuale Rechtsfehler stellen einzig dann einen Ausstandsgrund gemäss Art. 56 lit. f
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 56 Ausstandsgründe - Eine in einer Strafbehörde tätige Person tritt in den Ausstand, wenn sie:
a  in der Sache ein persönliches Interesse hat;
b  in einer anderen Stellung, insbesondere als Mitglied einer Behörde, als Rechtsbeistand einer Partei, als Sachverständige oder Sachverständiger, als Zeugin oder Zeuge, in der gleichen Sache tätig war;
c  mit einer Partei, ihrem Rechtsbeistand oder einer Person, die in der gleichen Sache als Mitglied der Vorinstanz tätig war, verheiratet ist, in eingetragener Partnerschaft lebt oder eine faktische Lebensgemeinschaft führt;
d  mit einer Partei in gerader Linie oder in der Seitenlinie bis und mit dem dritten Grad verwandt oder verschwägert ist;
e  mit dem Rechtsbeistand einer Partei oder einer Person, die in der gleichen Sache als Mitglied der Vorinstanz tätig war, in gerader Linie oder in der Seitenlinie bis und mit dem zweiten Grad verwandt oder verschwägert ist;
f  aus anderen Gründen, insbesondere wegen Freundschaft oder Feindschaft mit einer Partei oder deren Rechtsbeistand, befangen sein könnte.
StPO dar, wenn sie besonders krass sind oder wiederholt auftreten, sodass sie einer schweren Amtspflichtverletzung gleichkommen und sich einseitig zulasten einer der Prozessparteien auswirken; andernfalls begründen sie keinen hinreichenden Anschein der Befangenheit. Gegen beanstandete Verfahrenshandlungen sind primär die zur Verfügung stehenden Rechtsmittel auszuschöpfen (BGE 143 IV 69 E. 3.2; 141 IV 178 E. 3.2.3; 138 IV 142 E. 2.3).
Gemäss Art. 58 Abs. 1
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 58 Ausstandsgesuch einer Partei - 1 Will eine Partei den Ausstand einer in einer Strafbehörde tätigen Person verlangen, so hat sie der Verfahrensleitung ohne Verzug ein entsprechendes Gesuch zu stellen, sobald sie vom Ausstandsgrund Kenntnis hat; die den Ausstand begründenden Tatsachen sind glaubhaft zu machen.
1    Will eine Partei den Ausstand einer in einer Strafbehörde tätigen Person verlangen, so hat sie der Verfahrensleitung ohne Verzug ein entsprechendes Gesuch zu stellen, sobald sie vom Ausstandsgrund Kenntnis hat; die den Ausstand begründenden Tatsachen sind glaubhaft zu machen.
2    Die betroffene Person nimmt zum Gesuch Stellung.
StPO hat die Partei, die den Ausstand einer in einer Strafbehörde tätigen Person verlangen will, der Verfahrensleitung ohne Verzug ein entsprechendes Gesuch zu stellen, sobald sie vom Ausstandsgrund Kenntnis hat; die den Ausstand begründenden Tatsachen sind glaubhaft zu machen. Wer den Mangel nicht unverzüglich vorbringt, wenn er davon Kenntnis erhält, sondern sich stillschweigend auf ein Verfahren einlässt, verwirkt nach ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung den Anspruch auf spätere Anrufung der angeblich verletzten Ausstandsbestimmung (BGE 143 V 66 E. 4.3; 141 III 210 E. 5.2; 140 I 271 E. 8.4.3; je mit weiteren Hinweisen).

2.3. Nach Art. 302 Abs. 1
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 302 Anzeigepflicht - 1 Die Strafbehörden sind verpflichtet, alle Straftaten, die sie bei ihrer amtlichen Tätigkeit festgestellt haben oder die ihnen gemeldet worden sind, der zuständigen Behörde anzuzeigen, soweit sie für die Verfolgung nicht selber zuständig sind.
1    Die Strafbehörden sind verpflichtet, alle Straftaten, die sie bei ihrer amtlichen Tätigkeit festgestellt haben oder die ihnen gemeldet worden sind, der zuständigen Behörde anzuzeigen, soweit sie für die Verfolgung nicht selber zuständig sind.
2    Bund und Kantone regeln die Anzeigepflicht der Mitglieder anderer Behörden.
3    Die Anzeigepflicht entfällt für Personen, die nach den Artikeln 113 Absatz 1, 168, 169 und 180 Absatz 1 zur Aussage- oder Zeugnisverweigerung berechtigt sind.
StPO sind die Strafbehörden (Art. 12 ff
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 12 Strafverfolgungsbehörden - Strafverfolgungsbehörden sind:
a  die Polizei;
b  die Staatsanwaltschaft;
c  die Übertretungsstrafbehörden.
. StPO) verpflichtet, alle Straftaten, die sie bei ihrer amtlichen Tätigkeit festgestellt haben oder die ihnen gemeldet worden sind, der zuständigen Behörde anzuzeigen, soweit sie für die Verfolgung nicht selber zuständig sind.
Ersatzrichter Clausen räumte in seiner Stellungnahme vom 30. September 2022 ein, dass seitens des Einzelgerichts keine Anzeige erstattet worden sei, obwohl die im Verhandlungsprotokoll festgehaltenen Äusserungen des Privatklägers B.________ "an sich eine Anzeigepflicht ausgelöst hätten". Zur Erklärung, weshalb das Einzelgericht keine Strafanzeige erstattet hatte, führte er aus, dass die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl das Einzelgericht kurze Zeit nach der massgeblichen Hauptverhandlung aufgrund einer vom Beschwerdeführer in dieser Angelegenheit eingereichten Strafanzeige um Zustellung der Verfahrensakten ersucht habe. Vor diesem Hintergrund habe das Einzelgericht von einer eigenen Strafanzeige abgesehen. Der Vorwurf des Beschwerdeführers, es seien bezüglich einer möglichen Straftat des Privatklägers "beide Augen" verschlossen worden, treffe nicht zu. Das Einzelgericht habe die gegen den Beschwerdeführer zur Anklage gebrachten Vorwürfe unvoreingenommen, unabhängig und unparteiisch beurteilt.
Die Vorinstanz geht zu Recht davon aus, dass das beanstandete Vorgehen des Einzelgerichts bei dieser Sachlage keine schwere Amtspflichtverletzung darstellt, die den Ausstand von Ersatzrichter Clausen rechtfertigen würde:
Ob das Einzelgericht - wie der Beschwerdeführer anzunehmen scheint - bei grundsätzlich bestehender Anzeigepflicht tatsächlich verpflichtet gewesen wäre, die Strafanzeige unmittelbar nach der Hauptverhandlung zu erstatten, ist für den Ausgang des vorliegenden Verfahrens nicht entscheidend, da ein Zuwarten von einigen Tagen zumindest kein besonders krasses Fehlverhalten darstellt, aus dem auf eine fehlende Distanz oder Neutralität gegenüber den Parteien des Strafverfahrens geschlossen werden muss. Dem Beschwerdeführer kann auch nicht gefolgt werden, wenn er die Verzögerung dahingehend interpretiert, dass das Einzelgericht - unabhängig von der Strafanzeige des Beschwerdeführers - gar nie vorgehabt habe, Strafanzeige zu erstatten. Vielmehr kann dieses Vorgehen ohne Weiteres auf administrative Abläufe oder andere Ursachen zurückzuführen sein. Ausserdem geht der Beschwerdeführer selbst nicht davon aus, Ersatzrichter Clausen habe die gegen ihn an der Gerichtsverhandlung geäusserten Anschuldigungen geglaubt und den Privatkläger aus diesem Grund nicht angezeigt.
Sodann erscheint auch zweifelhaft, ob das definitive Absehen von der Strafanzeige nach Kenntnisnahme von der Strafanzeige des Beschwerdeführers eine Pflichtverletzung darstellt, zumal dem Gericht bei der Frage, ob eine Strafanzeige zu erstatten ist, ein gewisses Ermessen zukommen muss (so die Vorinstanz zu Recht unter Hinweis auf BOSSHARD/LANDSHUT, in: Donatsch/Lieber/Summers/Wohlers [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO], 3. Aufl. 2020, N. 12 zu Art. 302
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 302 Anzeigepflicht - 1 Die Strafbehörden sind verpflichtet, alle Straftaten, die sie bei ihrer amtlichen Tätigkeit festgestellt haben oder die ihnen gemeldet worden sind, der zuständigen Behörde anzuzeigen, soweit sie für die Verfolgung nicht selber zuständig sind.
1    Die Strafbehörden sind verpflichtet, alle Straftaten, die sie bei ihrer amtlichen Tätigkeit festgestellt haben oder die ihnen gemeldet worden sind, der zuständigen Behörde anzuzeigen, soweit sie für die Verfolgung nicht selber zuständig sind.
2    Bund und Kantone regeln die Anzeigepflicht der Mitglieder anderer Behörden.
3    Die Anzeigepflicht entfällt für Personen, die nach den Artikeln 113 Absatz 1, 168, 169 und 180 Absatz 1 zur Aussage- oder Zeugnisverweigerung berechtigt sind.
StPO). Die genaue Tragweite von Art. 302 Abs. 1
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 302 Anzeigepflicht - 1 Die Strafbehörden sind verpflichtet, alle Straftaten, die sie bei ihrer amtlichen Tätigkeit festgestellt haben oder die ihnen gemeldet worden sind, der zuständigen Behörde anzuzeigen, soweit sie für die Verfolgung nicht selber zuständig sind.
1    Die Strafbehörden sind verpflichtet, alle Straftaten, die sie bei ihrer amtlichen Tätigkeit festgestellt haben oder die ihnen gemeldet worden sind, der zuständigen Behörde anzuzeigen, soweit sie für die Verfolgung nicht selber zuständig sind.
2    Bund und Kantone regeln die Anzeigepflicht der Mitglieder anderer Behörden.
3    Die Anzeigepflicht entfällt für Personen, die nach den Artikeln 113 Absatz 1, 168, 169 und 180 Absatz 1 zur Aussage- oder Zeugnisverweigerung berechtigt sind.
StPO bei möglicherweise strafbaren Äusserungen in einer Gerichtsverhandlung braucht jedoch an dieser Stelle - unter Ausstandsgesichtspunkten - nicht weiter erörtert zu werden. Die Vorinstanz hat die Frage, ob das Einzelgericht pflichtwidrig von einer Anzeige abgesehen hat, bundesrechtskonform offengelassen.
Im Übrigen vermag auch der Vorwurf des Beschwerdeführers, das Einzelgericht habe sich im erstinstanzlichen Strafverfahren nicht hinreichend mit seinen Argumenten auseinandergesetzt, keinen Anschein der Parteilichkeit zu begründen. Die Vorinstanz verweist den Beschwerdeführer mit seiner appellatorischen Kritik am erstinstanzlichen Strafurteil richtigerweise auf das hängige Berufungsverfahren, ohne im Einzelnen darauf einzugehen. Die in diesem Zusammenhang erhobene Gehörsrüge (Art. 29 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
1    Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
2    Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör.
3    Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand.
BV) geht fehl.
Die vom Beschwerdeführer ins Feld geführten Umstände vermögen insgesamt bei objektiver Betrachtung nicht den Anschein der Befangenheit oder die Gefahr der Voreingenommenheit von Ersatzrichter Clausen zu begründen. Die Vorinstanz hat das Ausstandsbegehren des Beschwerdeführers zu Recht abgewiesen. Dabei durfte sie offenlassen, ob der Beschwerdeführer das Ausstandsgesuch - neun Tage nach Kenntnisnahme des angeblichen Ausstandsgrunds - rechtzeitig im Sinne von Art. 58 Abs. 1
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 58 Ausstandsgesuch einer Partei - 1 Will eine Partei den Ausstand einer in einer Strafbehörde tätigen Person verlangen, so hat sie der Verfahrensleitung ohne Verzug ein entsprechendes Gesuch zu stellen, sobald sie vom Ausstandsgrund Kenntnis hat; die den Ausstand begründenden Tatsachen sind glaubhaft zu machen.
1    Will eine Partei den Ausstand einer in einer Strafbehörde tätigen Person verlangen, so hat sie der Verfahrensleitung ohne Verzug ein entsprechendes Gesuch zu stellen, sobald sie vom Ausstandsgrund Kenntnis hat; die den Ausstand begründenden Tatsachen sind glaubhaft zu machen.
2    Die betroffene Person nimmt zum Gesuch Stellung.
StPO gestellt hat. Die vom Beschwerdeführer gerügten Rechtsverletzungen liegen nicht vor.

3.
Die Beschwerde ist unbegründet und deshalb abzuweisen. Bei diesem Ausgang wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
1    Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
2    Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden.
3    Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht.
4    Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist.
5    Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen.
BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht zuzusprechen (Art. 68 Abs. 3
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 68 Parteientschädigung - 1 Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind.
1    Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind.
2    Die unterliegende Partei wird in der Regel verpflichtet, der obsiegenden Partei nach Massgabe des Tarifs des Bundesgerichts alle durch den Rechtsstreit verursachten notwendigen Kosten zu ersetzen.
3    Bund, Kantonen und Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen wird in der Regel keine Parteientschädigung zugesprochen, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis obsiegen.
4    Artikel 66 Absätze 3 und 5 ist sinngemäss anwendbar.
5    Der Entscheid der Vorinstanz über die Parteientschädigung wird vom Bundesgericht je nach Ausgang des Verfahrens bestätigt, aufgehoben oder geändert. Dabei kann das Gericht die Entschädigung nach Massgabe des anwendbaren eidgenössischen oder kantonalen Tarifs selbst festsetzen oder die Festsetzung der Vorinstanz übertragen.
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Bezirksgericht Zürich, 4. Abteilung, und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 28. März 2023

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied: Müller

Der Gerichtsschreiber: Schurtenberger
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Document : 1B_649/2022
Date : 28. März 2023
Published : 15. April 2023
Source : Bundesgericht
Status : Unpubliziert
Subject area : Zuständigkeitsfragen, Garantie des Wohnsitzrichters und des verfassungsmässigen Richters
Subject : Strafverfahren; Ausstand


Legislation register
BGG: 66  68  81  92
BV: 29  30
EMRK: 6
StPO: 12  56  58  60  302
BGE-register
138-I-425 • 138-IV-142 • 140-I-271 • 141-III-210 • 141-IV-178 • 143-IV-69 • 143-V-66 • 144-I-159 • 147-III-379
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