Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
6B 959/2020
Urteil vom 22. Oktober 2020
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichter Muschietti,
Bundesrichterin Koch,
Gerichtsschreiberin Unseld.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
gegen
Amt für Justizvollzug des Kantons Thurgau, Vollzugs- und Bewährungsdienste,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Unentgeltliche Rechtspflege (Strafverbüssung in
der besonderen Vollzugsform der gemeinnützigen Arbeitsleistung und des elektronisch überwachten Hausarrestes); Kostenvorschuss,
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau
vom 29. Juli 2020 (VG.2020.57/Z).
Erwägungen:
1.
Das Amt für Justizvollzug (AJV) des Kantons Thurgau lehnte mit Entscheid vom 18. Februar 2020 das Gesuch des Beschwerdeführers um Strafverbüssung in der Vollzugsform einer gemeinnützigen Arbeitsleistung und eines elektronisch überwachten Hausarrestes ab. Den vom Beschwerdeführer dagegen erhobenen Rekurs wies das Departement für Justiz und Sicherheit des Kantons Thurgau (DJS) am 14. April 2020 ab. Dagegen führte der Beschwerdeführer Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau, wobei er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ersuchte. Das Verwaltungsgericht setzte dem DJS und dem AJV mit Schreiben vom 4. Mai 2020 eine Frist von 20 Tagen an zur Einreichung einer Vernehmlassung. Das AJV beantragte am 14. Mai 2020 die Abweisung der Beschwerde, verzichtete im Übrigen jedoch auf eine Stellungnahme. Das DJS reichte am 20. Mai 2020 eine ausführlich begründete Stellungnahme mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde ein. Mit Entscheid vom 29. Juli 2020 wies das Verwaltungsgericht das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege infolge Aussichtslosigkeit der Beschwerde ab. Gleichzeitig setzte es diesem zur Bezahlung eines Kostenvorschusses von Fr. 1'000.-- eine Frist von 20 Tagen ab Rechtskraft seines
Entscheids an, dies mit der Androhung, dass ansonsten auf die Beschwerde nicht eingetreten werde.
Der Beschwerdeführer gelangt dagegen mit Beschwerde an das Bundesgericht.
Das Verwaltungsgericht beantragt unter Hinweis auf seinen Entscheid die Abweisung der Beschwerde.
2.
Beim angefochtenen Entscheid handelt es sich um einen Zwischenentscheid, der das vorinstanzliche Verfahren nicht abschliesst. Gegen selbstständig eröffnete Zwischenentscheide ist die Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht u.a. zulässig, wenn der Entscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (Art. 93 Abs. 1 lit. a
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 93 Andere Vor- und Zwischenentscheide - 1 Gegen andere selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist die Beschwerde zulässig: |
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1 | Gegen andere selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist die Beschwerde zulässig: |
a | wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können; oder |
b | wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde. |
2 | Auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen und dem Gebiet des Asyls sind Vor- und Zwischenentscheide nicht anfechtbar.85 Vorbehalten bleiben Beschwerden gegen Entscheide über die Auslieferungshaft sowie über die Beschlagnahme von Vermögenswerten und Wertgegenständen, sofern die Voraussetzungen von Absatz 1 erfüllt sind. |
3 | Ist die Beschwerde nach den Absätzen 1 und 2 nicht zulässig oder wurde von ihr kein Gebrauch gemacht, so sind die betreffenden Vor- und Zwischenentscheide durch Beschwerde gegen den Endentscheid anfechtbar, soweit sie sich auf dessen Inhalt auswirken. |
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 93 Andere Vor- und Zwischenentscheide - 1 Gegen andere selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist die Beschwerde zulässig: |
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1 | Gegen andere selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist die Beschwerde zulässig: |
a | wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können; oder |
b | wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde. |
2 | Auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen und dem Gebiet des Asyls sind Vor- und Zwischenentscheide nicht anfechtbar.85 Vorbehalten bleiben Beschwerden gegen Entscheide über die Auslieferungshaft sowie über die Beschlagnahme von Vermögenswerten und Wertgegenständen, sofern die Voraussetzungen von Absatz 1 erfüllt sind. |
3 | Ist die Beschwerde nach den Absätzen 1 und 2 nicht zulässig oder wurde von ihr kein Gebrauch gemacht, so sind die betreffenden Vor- und Zwischenentscheide durch Beschwerde gegen den Endentscheid anfechtbar, soweit sie sich auf dessen Inhalt auswirken. |
Zwischenentscheide, mit denen zwecks Sicherstellung der mutmasslichen Gerichtskosten ein Kostenvorschuss verlangt wird, können nach der Rechtsprechung einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 93 Andere Vor- und Zwischenentscheide - 1 Gegen andere selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist die Beschwerde zulässig: |
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1 | Gegen andere selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist die Beschwerde zulässig: |
a | wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können; oder |
b | wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde. |
2 | Auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen und dem Gebiet des Asyls sind Vor- und Zwischenentscheide nicht anfechtbar.85 Vorbehalten bleiben Beschwerden gegen Entscheide über die Auslieferungshaft sowie über die Beschlagnahme von Vermögenswerten und Wertgegenständen, sofern die Voraussetzungen von Absatz 1 erfüllt sind. |
3 | Ist die Beschwerde nach den Absätzen 1 und 2 nicht zulässig oder wurde von ihr kein Gebrauch gemacht, so sind die betreffenden Vor- und Zwischenentscheide durch Beschwerde gegen den Endentscheid anfechtbar, soweit sie sich auf dessen Inhalt auswirken. |
Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Der Beschwerdeführer stellte im vorinstanzlichen Verfahren ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege, welches die Vorinstanz infolge Aussichtslosigkeit der Beschwerde abwies. Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde. Damit macht der Beschwerdeführer zumindest sinngemäss geltend, er verfüge nicht über die erforderlichen Mittel für die Bezahlung des Kostenvorschusses von Fr. 1'000.--, auch wenn er sich vor Bundesgericht nicht im Detail zu seinen finanziellen Verhältnissen äussert.
3.
Der Beschwerdeführer rügt, er sei über das im angefochtenen Entscheid erwähnte Vernehmlassungsverfahren vom 14. und 20. Mai 2020 nicht orientiert worden, was einen Verstoss gegen seinen Anspruch auf rechtliches Gehör im Sinne von Art. 29 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist. |
|
1 | Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist. |
2 | Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör. |
3 | Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand. |
4.
Der Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst insbesondere das Recht, von jeder dem Gericht eingereichten Stellungnahme Kenntnis zu nehmen und sich dazu äussern zu können (sog. Replikrecht). Die Wahrnehmung des Replikrechts setzt voraus, dass jede dem Gericht eingereichte Stellungnahme oder Vernehmlassung den Beteiligten zugestellt wird, so dass sie selbst entscheiden können, ob sie sich dazu äussern wollen oder nicht. Dies gilt unabhängig davon, ob in diesen Eingaben neue und erhebliche Gesichtspunkte enthalten sind oder nicht (zum Ganzen: BGE 144 III 117 E. 2.1 S. 118; 142 III 48 E. 4.1.1 S. 52 f.; 138 I 484 E. 2.1 S. 485 f.; 137 I 195 E. 2.3.1 S. 197; je mit Hinweisen).
Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist formeller Natur (BGE 144 IV 302 E. 3.1 S. 304 mit Hinweisen). Eine Verletzung des Replikrechts führt ungeachtet der materiellen Begründetheit des Rechtsmittels zur Gutheissung der Beschwerde und zur Aufhebung des angefochtenen Entscheids (Urteil 1B 25/2020 vom 27. Mai 2020 E. 3.2).
5.
Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe von der Stellungnahme des DJS vom 20. Mai 2020, auf welche die Vorinstanz im angefochtenen Entscheid Bezug nimmt, keine Kenntnis gehabt und sich dazu folglich nicht äussern können. Die Vorinstanz widerlegt dies in ihrer Stellungnahme vor Bundesgericht nicht. Damit ist von einer Verletzung des Replikrechts auszugehen. Der angefochtene Entscheid ist daher aufzuheben und die Angelegenheit zur Neubeurteilung unter Wahrung des rechtlichen Gehörs an die Vorinstanz zurückzuweisen. Damit erübrigt sich eine Behandlung der weiteren Rügen.
6.
Die Beschwerde ist gutzuheissen, soweit darauf einzutreten ist. Der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 29. Juli 2020 ist aufzuheben und die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Es sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben. |
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1 | Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben. |
2 | Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden. |
3 | Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht. |
4 | Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist. |
5 | Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen. |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist. Der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 29. Juli 2020 wird aufgehoben und die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
2.
Es werden keine Kosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 22. Oktober 2020
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Denys
Die Gerichtsschreiberin: Unseld