Bundesstrafgericht Tribunal pénal fédéral Tribunale penale federale Tribunal penal federal

Geschäftsnummer: BG.2006.34

Entscheid vom 21. Dezember 2006 Beschwerdekammer

Besetzung

Bundesstrafrichter Emanuel Hochstrasser, Vorsitz, Andreas J. Keller und Tito Ponti , Gerichtsschreiberin Petra Williner

Parteien

Kanton Bern, Generalprokuratur des Kantons Bern,

Gesuchsteller

gegen

1. Kanton Solothurn, Oberstaatsanwalt des Kantons Solothurn,

2. Kanton Graubünden, Staatsanwaltschaft Graubünden,

Gesuchsgegner

Gegenstand

Bestimmung des Gerichtsstandes i.S. A. (Art. 350 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 350 - 1 Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
1    Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
2    Es ist zuständig für die Informationsvermittlung zwischen den Strafverfolgungsbehörden von Bund und Kantonen einerseits sowie den Nationalen Zentralbüros anderer Staaten und dem Generalsekretariat von INTERPOL andererseits.
StGB)

Sachverhalt:

A. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn verurteilte A. mit Strafverfügung vom 16. März 2006 wegen mehrfacher Urkundenfälschung (4 Delikte, begangen zwischen dem 6. November 2003 und 16. Juli 2004), mehrfachen Betrugs (4 Delikte, begangen zwischen dem 6. November 2003 und dem 16. Juli 2004) und Zechprellerei (2 Delikte, begangen zwischen dem 29. Oktober 2003 und dem 15. November 2004) zu einer viermonatigen Gefängnisstrafe. Gegen diese Strafverfügung erhob A. Einsprache. Nach Überweisung einer weiteren Strafanzeige wegen Zechprellerei (begangen zwischen dem 2. und 9. Oktober 2005) und Sachentziehung (begangen am 9. Oktober 2005) am 12. April 2006 durch das Verhöramt des Kantons Obwalden ist derzeit beim Kanton Solothurn somit eine Strafuntersuchung wegen mehrfacher Urkundenfälschung (4 Delikte, begangen zwischen dem 6. November 2003 und 16. Juli 2004), mehrfachen Betrugs (4 Delikte, begangen zwischen dem 6. November 2003 und 16. Juli 2004), mehrfacher Zechprellerei (2 Delikte, begangen zwischen dem 29. Oktober 2003 und 9. Oktober 2005) sowie Sachentziehung (1 Delikt, begangen am 9. Oktober 2005) hängig (vgl. Akten des Kantons Bern, „aktuelles GS Dossier“, Schreiben der Oberstaatsanwalt-Stellvertreterin des Kantons Solothurn vom 14. September 2006).

Im Kanton Bern wird gegen A. derzeit ermittelt wegen mehrfacher Urkundenfälschung (5 Delikte, begangen zwischen dem 21. September 2005 und 17. März 2006) und gewerbsmässigen Betrugs (15 Delikte, begangen zwischen dem 5. September 2005 und 22. März 2006; vgl. Akten des Kantons Bern, „aktuelles GS Dossier“, Schreiben der Oberstaatsanwalt-Stellvertre­terin des Kantons Solothurn vom 14. September 2006). Das erste diesbezügliche Delikt wurde im Kanton Bern am 2. März 2006 beanzeigt (act. 1 S. 2).

Zudem führt der Kanton Graubünden gegen A. ein Strafverfahren wegen mehrfacher Urkundenfälschung (5 Delikte, begangen zwischen dem 24. Oktober 2005 und 27. Dezember 2005) und gewerbsmässigen Betrugs (11 Delikte, begangen zwischen dem 24. Oktober 2005 und 27. Dezember 2005; vgl. Akten des Kantons Bern, „aktuelles GS Dossier“, Schreiben der Oberstaatsanwalt-Stellvertreterin des Kantons Solothurn vom 14. September 2006). Das erste Delikt gelangte im Kanton Graubünden am 19. Dezember 2005 zur Anzeige (vgl. Akten des Kantons Bern, „aktuelles GS Dossier“, Schreiben der Staatsanwaltschaft Graubünden vom 18. Juli 2006).

B. Zwischen dem 11. Juli 2006 und dem 10. Oktober 2006 führten die Kantone Solothurn, Bern und Graubünden in dieser Sache unter sich einen Meinungsaustausch durch. Alle Kantone verneinten ihre Zuständigkeit (vgl. Akten des Kantons Bern, „aktuelles GS-Dossier“).

C. Mit Gesuch vom 24. Oktober 2006 gelangt die Generalprokuratur des Kantons Bern an die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts und verlangt, die Behörden des Kantons Solothurn seien für berechtigt und verpflichtet zu erklären, A. zu verfolgen und ihr Verhalten zu beurteilen (act. 1).

Die Oberstaatsanwalt-Stellvertreterin des Kantons Solothurn erkennt in ihrer Gesuchsantwort vom 2. November 2006 auf Abweisung des Gesuchs (act. 4).

Die Staatsanwaltschaft Graubünden ihrerseits schliesst sich in ihrer Gesuchsantwort vom 6. November 2006 dem Antrag der Generalprokuratur des Kantons Bern an (act. 5).

Die Gesuchsantworten wurden den Parteien am 18. Dezember 2006 wechselseitig zur Kenntnisnahme zugestellt (act. 6, 7 und 8).

Auf die Ausführungen der Parteien sowie die eingereichten Akten wird, soweit erforderlich, in den rechtlichen Erwägungen eingegangen.

Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung:

1.

Die Zuständigkeit der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts zum Entscheid über Gerichtsstandsstreitigkeiten ergibt sich aus Art. 351
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 351 - 1 Das Bundesamt für Polizei vermittelt kriminalpolizeiliche Informationen zur Verfolgung von Straftaten und zur Vollstreckung von Strafen und Massnahmen.
1    Das Bundesamt für Polizei vermittelt kriminalpolizeiliche Informationen zur Verfolgung von Straftaten und zur Vollstreckung von Strafen und Massnahmen.
2    Es kann kriminalpolizeiliche Informationen zur Verhütung von Straftaten übermitteln, wenn auf Grund konkreter Umstände mit der grossen Wahrscheinlichkeit eines Verbrechens oder Vergehens zu rechnen ist.
3    Es kann Informationen zur Suche nach Vermissten und zur Identifizierung von Unbekannten vermitteln.
4    Zur Verhinderung und Aufklärung von Straftaten kann das Bundesamt für Polizei von Privaten Informationen entgegennehmen und Private orientieren, wenn dies im Interesse der betroffenen Personen ist und deren Zustimmung vorliegt oder nach den Umständen vorausgesetzt werden kann.
StGB i.V.m. Art. 279 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 351 - 1 Das Bundesamt für Polizei vermittelt kriminalpolizeiliche Informationen zur Verfolgung von Straftaten und zur Vollstreckung von Strafen und Massnahmen.
1    Das Bundesamt für Polizei vermittelt kriminalpolizeiliche Informationen zur Verfolgung von Straftaten und zur Vollstreckung von Strafen und Massnahmen.
2    Es kann kriminalpolizeiliche Informationen zur Verhütung von Straftaten übermitteln, wenn auf Grund konkreter Umstände mit der grossen Wahrscheinlichkeit eines Verbrechens oder Vergehens zu rechnen ist.
3    Es kann Informationen zur Suche nach Vermissten und zur Identifizierung von Unbekannten vermitteln.
4    Zur Verhinderung und Aufklärung von Straftaten kann das Bundesamt für Polizei von Privaten Informationen entgegennehmen und Private orientieren, wenn dies im Interesse der betroffenen Personen ist und deren Zustimmung vorliegt oder nach den Umständen vorausgesetzt werden kann.
BStP und Art. 28 Abs. 1 lit. g
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 351 - 1 Das Bundesamt für Polizei vermittelt kriminalpolizeiliche Informationen zur Verfolgung von Straftaten und zur Vollstreckung von Strafen und Massnahmen.
1    Das Bundesamt für Polizei vermittelt kriminalpolizeiliche Informationen zur Verfolgung von Straftaten und zur Vollstreckung von Strafen und Massnahmen.
2    Es kann kriminalpolizeiliche Informationen zur Verhütung von Straftaten übermitteln, wenn auf Grund konkreter Umstände mit der grossen Wahrscheinlichkeit eines Verbrechens oder Vergehens zu rechnen ist.
3    Es kann Informationen zur Suche nach Vermissten und zur Identifizierung von Unbekannten vermitteln.
4    Zur Verhinderung und Aufklärung von Straftaten kann das Bundesamt für Polizei von Privaten Informationen entgegennehmen und Private orientieren, wenn dies im Interesse der betroffenen Personen ist und deren Zustimmung vorliegt oder nach den Umständen vorausgesetzt werden kann.
SGG. Voraussetzung für die Anrufung der Beschwerdekammer ist allerdings, dass ein Streit über den interkantonalen Gerichtsstand vorliegt und dass hierüber ein Meinungsaustausch durchgeführt wurde (Schweri/Bänziger, Interkantonale Gerichtsstandsbestimmung in Strafsachen, 2. Aufl., Bern 2004, N. 599). Eine Frist für die Anrufung der Beschwerdekammer besteht für die Behörden nicht (Schweri/Bänziger, a.a.O., N. 623). Welche Behörden in den einzelnen Kantonen berechtigt sind, ihren Kanton im Verfahren vor der Beschwerdekammer zu vertreten, ergibt sich aus kantonalem Recht (Schweri/Bänziger, a.a.O., N. 604 und Anhang II, S. 213 ff.).

1.1 Die Eintretensvoraussetzungen sind vorliegend erfüllt; auf das Gesuch ist somit einzutreten.

1.2 Es ist jedoch zu bemerken, dass dem Gesuch nicht sämtliche für die Gerichtsstandsbestimmung notwendigen Angaben entnommen werden können und es in diesem Sinne mangelhaft ist. Da dies aber von keiner Partei gerügt wird und der Aktenumfang gering ist, lässt es die Beschwerdekammer ausnahmsweise mit diesem Hinweis bewenden. Es kann indessen nicht Aufgabe der Beschwerdekammer sein, die für die Gerichtsstandsbestimmung notwendigen Angaben – wie beispielsweise das Datum des Eingangs der ersten Anzeigen in den jeweiligen Kantonen oder die sachverhaltsrelevanten Umstände – in den Akten zusammenzusuchen. Derartige Versäumnisse ziehen in der Regel die Folge des Nichteintretens nach sich (vgl. dazu auch Schweri/Bänziger, a.a.O., N. 630 f.).

2.

2.1 In der Strafverfügung der Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn vom 16. März 2006 werden die A. im Kanton Solothurn vorgeworfenen Taten unter anderem als mehrfache einfache Betrugsdelikte im Sinne von Art. 146 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 146 - 1 Wer in der Absicht, sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern, jemanden durch Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen arglistig irreführt oder ihn in einem Irrtum arglistig bestärkt und so den Irrenden zu einem Verhalten bestimmt, wodurch dieser sich selbst oder einen andern am Vermögen schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer in der Absicht, sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern, jemanden durch Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen arglistig irreführt oder ihn in einem Irrtum arglistig bestärkt und so den Irrenden zu einem Verhalten bestimmt, wodurch dieser sich selbst oder einen andern am Vermögen schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Handelt der Täter gewerbsmässig, so wird er mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.205
3    Der Betrug zum Nachteil eines Angehörigen oder Familiengenossen wird nur auf Antrag verfolgt.
StGB qualifiziert. Demgegenüber führen sowohl der Kanton Bern als auch der Kanton Graubünden wegen den Straftaten, die sich auf ihrem Kantonsgebiet zugetragen haben, je ein Strafverfahren wegen gewerbsmässigen Betrugs im Sinne von Art. 146 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 146 - 1 Wer in der Absicht, sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern, jemanden durch Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen arglistig irreführt oder ihn in einem Irrtum arglistig bestärkt und so den Irrenden zu einem Verhalten bestimmt, wodurch dieser sich selbst oder einen andern am Vermögen schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer in der Absicht, sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern, jemanden durch Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen arglistig irreführt oder ihn in einem Irrtum arglistig bestärkt und so den Irrenden zu einem Verhalten bestimmt, wodurch dieser sich selbst oder einen andern am Vermögen schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Handelt der Täter gewerbsmässig, so wird er mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.205
3    Der Betrug zum Nachteil eines Angehörigen oder Familiengenossen wird nur auf Antrag verfolgt.
StGB. Letztere bringen sinngemäss vor, diese qualifizierten Betrugsfälle stünden in einem derart engen Zusammenhang mit den Betrugsfällen auf dem Gebiet des Kantons Solothurn, dass sie eine Einheit bilden würden, und folglich der Kanton Solothurn als erstanhebende Behörde für den Fall zuständig sei. Wie es sich damit verhält, ist nachfolgend zu prüfen.

2.2 Beim Kollektivdelikt fallen vielfach gewerbsmässige und einzelne nicht gewerbsmässige Handlungen zusammen. Diese Einheit wirkt sich auch bei der Gerichtsstandsbestimmung in dem Sinne aus, dass alle dem Täter unter dem Titel des gewerbsmässigen Delikts zur Last gelegten Verfehlungen gleich zu behandeln sind und als mit der gleichen Strafe bedroht zu gelten haben. Gemäss Art. 346 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 146 - 1 Wer in der Absicht, sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern, jemanden durch Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen arglistig irreführt oder ihn in einem Irrtum arglistig bestärkt und so den Irrenden zu einem Verhalten bestimmt, wodurch dieser sich selbst oder einen andern am Vermögen schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer in der Absicht, sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern, jemanden durch Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen arglistig irreführt oder ihn in einem Irrtum arglistig bestärkt und so den Irrenden zu einem Verhalten bestimmt, wodurch dieser sich selbst oder einen andern am Vermögen schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Handelt der Täter gewerbsmässig, so wird er mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.205
3    Der Betrug zum Nachteil eines Angehörigen oder Familiengenossen wird nur auf Antrag verfolgt.
und Art. 350 Ziff. 1 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 350 - 1 Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
1    Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
2    Es ist zuständig für die Informationsvermittlung zwischen den Strafverfolgungsbehörden von Bund und Kantonen einerseits sowie den Nationalen Zentralbüros anderer Staaten und dem Generalsekretariat von INTERPOL andererseits.
StGB sind in einem solchen Fall die Behörden jenes Ortes zur Verfolgung zuständig, wo die Untersuchung zuerst angehoben wurde (BGE 112 IV 61, 63 E. 1). Das bedeutet nun aber nicht, dass in jedem Verfahren, in welchem ein einfacher Betrug mit gewerbsmässigen Betrugsdelikten zusammentrifft, Ersterer immer ohne weiteres auch Teil des Kollektivdelikts bildet. Vom Kollektivdelikt werden die nicht gewerbsmässigen Handlungen nur erfasst, wenn sie mit den gewerbsmässigen eine Einheit bilden, d.h. wenn sie als Teilhandlungen eines Gewerbes erscheinen. Das setzt zumindest einen äusseren Zusammenhang der gewerbsmässigen und nicht gewerbsmässigen Handlungen voraus (BGE 118 IV 91, 92 ff. E. 4, 108 IV 142, 144 E. 2).

Wenn die Untersuchung nun für eine einzelne nicht gewerbsmässige Handlung eingeleitet worden war, bevor die Untersuchung für die gewerbsmässigen Handlungen eröffnet wurde, wirkt sich die oben gemachte Unterscheidung für die Gerichtsstandsbestimmung praktisch wie folgt aus: Fällt die einzelne nicht gewerbsmässige Handlung mit den gewerbsmässigen Handlungen zu einer Einheit zusammen, dann gelten alle Handlungen als mit derselben Strafe bedroht; gemäss Art. 350 Ziff. 1 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 350 - 1 Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
1    Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
2    Es ist zuständig für die Informationsvermittlung zwischen den Strafverfolgungsbehörden von Bund und Kantonen einerseits sowie den Nationalen Zentralbüros anderer Staaten und dem Generalsekretariat von INTERPOL andererseits.
StGB sind die Behörden jenes Ortes zur Verfolgung zuständig, wo die Untersuchung zuerst eingeleitet wurde, das heisst die Behörden jenes Ortes, an dem die nicht gewerbsmässige Handlung ausgeführt wurde. Bildet demgegenüber die einzelne nicht gewerbsmässige Handlung mit den gewerbsmässigen Handlungen keine Einheit, so ist sie mit geringerer Strafe bedroht als die gewerbsmässigen Delikte, so dass sie nach Art. 350 Ziff. 1 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 350 - 1 Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
1    Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
2    Es ist zuständig für die Informationsvermittlung zwischen den Strafverfolgungsbehörden von Bund und Kantonen einerseits sowie den Nationalen Zentralbüros anderer Staaten und dem Generalsekretariat von INTERPOL andererseits.
StGB den Gerichtsstand nicht zu begründen vermag. Zuständig sind dann die Behörden jenes Ortes, an dem bezüglich der gewerbsmässigen Handlungen die Untersuchung zuerst angehoben wurde (vgl. zum Ganzen Schweri/Bänziger, a.a.O., N. 84 f. m.w.H.).

2.3 Im vorliegenden Fall liegt zwischen den Taten im Kanton Solothurn und den Vorfällen in den Kantonen Bern und Graubünden mit einem Abstand von rund einem Jahr eine relativ grosse Zeitspanne. Dieser Umstand deutet darauf hin, dass die Taten keine Einheit bilden. Überdies ist auch der modus operandi ein anderer: Bei den Taten im Kanton Solothurn ging es in erster Linie darum, bei der B. unter falschem Namen einen Vertrag zu erwirken, darüber Telefonleistungen zu beanspruchen und diese hernach nicht zu bezahlen. Die Taten in den anderen Kantonen sind vor allem dadurch charakterisiert, dass A. von einem Hotelzimmer oder einer gemieteten Ferienwohnung aus – die in ihrem Auftrag teils mit technischen Anlagen versehen worden waren – aufwändig telefonierte und dadurch den Empfänger – einen Besitzer von gebührenpflichtigen Telefonnummern – bereicherte, um hernach mit diesem gemeinsam die unrechtmässig erworbenen Vermögenswerte zur Bestreitung des Lebensunterhalts einzusetzen. Es steht damit fest, dass die strafbaren Handlungen im Kanton Solothurn mit den gewerbsmässigen Taten in den anderen Kantonen keine Einheit bilden und auch einer geringeren Strafandrohung unterliegen. Nach Massgabe der oben stehenden Ausführungen ist somit derjenige Kanton zur Strafverfolgung und -beurteilung zuständig, der die Untersuchung bezüglich der gewerbsmässigen Delikte zuerst angehoben hat.

3.

3.1 Allgemein gilt eine Untersuchung dann als angehoben und ein Täter dann als verfolgt, wenn eine Straf-, Untersuchungs- oder Polizeibehörde durch die Vornahme von Erhebungen oder in anderer Weise zu erkennen gegeben hat, dass sie jemanden – einen bekannten oder noch unbekannten Täter – einer strafbaren Handlung verdächtigt, oder wenn eine solche Handlung wenigstens zum Gegenstand einer Strafanzeige oder eines Strafantrags gemacht worden ist. Mit dem Eingang der Strafanzeige bei der zuständigen Behörde, insbesondere bei der gerichtlichen Polizei, ist die Untersuchung mit anderen Worten als angehoben zu betrachten (Schweri/Bänziger, a.a.O., N. 141 f. m.w.H.; vgl. TPF BG.2006.18 vom 12. Mai 2006 E. 4.1, BG.2006.5 vom 25. April 2006 E. 3.1 und BK_G 166/04 vom 11. November 2004 E. 2.2).

3.2 Im vorliegenden Fall stellt der Eingang der Strafanzeige vom 19. Dezember 2005 im Kanton Graubünden die erste Untersuchungshandlung wegen gewerbsmässigen Betrugs dar. Damit gilt die Untersuchung als zuerst im Kanton Graubünden angehoben. Dieser ist darum berechtigt und verpflichtet, die A. vorgeworfenen Straftaten zu verfolgen und zu beurteilen.

4. Es werden keine Kosten erhoben (Art. 245
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 350 - 1 Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
1    Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
2    Es ist zuständig für die Informationsvermittlung zwischen den Strafverfolgungsbehörden von Bund und Kantonen einerseits sowie den Nationalen Zentralbüros anderer Staaten und dem Generalsekretariat von INTERPOL andererseits.
BStP i.V.m. Art. 156 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 350 - 1 Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
1    Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
2    Es ist zuständig für die Informationsvermittlung zwischen den Strafverfolgungsbehörden von Bund und Kantonen einerseits sowie den Nationalen Zentralbüros anderer Staaten und dem Generalsekretariat von INTERPOL andererseits.
OG).

Demnach erkennt die Beschwerdekammer:

1. Die Behörden des Kantons Graubünden sind berechtigt und verpflichtet, die A. zur Last gelegten strafbaren Handlungen zu verfolgen und zu beurteilen.

2. Es werden keine Kosten erhoben.

Bellinzona, 21. Dezember 2006

Im Namen der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Zustellung an

- Generalprokuratur des Kantons Bern

- Oberstaatsanwalt des Kantons Solothurn

- Staatsanwaltschaft Graubünden

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Entscheid ist kein ordentliches Rechtsmittel gegeben.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : BG.2006.34
Datum : 21. Dezember 2006
Publiziert : 01. Juni 2009
Quelle : Bundesstrafgericht
Status : Unpubliziert
Sachgebiet : Beschwerdekammer: Strafverfahren
Gegenstand : Bestimmung des Gerichtsstandes i.S. A. (Art. 350 Ziff. 1 StGB)


Gesetzesregister
BStP: 245  279
OG: 156
SGG: 28
StGB: 146 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 146 - 1 Wer in der Absicht, sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern, jemanden durch Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen arglistig irreführt oder ihn in einem Irrtum arglistig bestärkt und so den Irrenden zu einem Verhalten bestimmt, wodurch dieser sich selbst oder einen andern am Vermögen schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer in der Absicht, sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern, jemanden durch Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen arglistig irreführt oder ihn in einem Irrtum arglistig bestärkt und so den Irrenden zu einem Verhalten bestimmt, wodurch dieser sich selbst oder einen andern am Vermögen schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Handelt der Täter gewerbsmässig, so wird er mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.205
3    Der Betrug zum Nachteil eines Angehörigen oder Familiengenossen wird nur auf Antrag verfolgt.
346  350 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 350 - 1 Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
1    Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
2    Es ist zuständig für die Informationsvermittlung zwischen den Strafverfolgungsbehörden von Bund und Kantonen einerseits sowie den Nationalen Zentralbüros anderer Staaten und dem Generalsekretariat von INTERPOL andererseits.
351
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 351 - 1 Das Bundesamt für Polizei vermittelt kriminalpolizeiliche Informationen zur Verfolgung von Straftaten und zur Vollstreckung von Strafen und Massnahmen.
1    Das Bundesamt für Polizei vermittelt kriminalpolizeiliche Informationen zur Verfolgung von Straftaten und zur Vollstreckung von Strafen und Massnahmen.
2    Es kann kriminalpolizeiliche Informationen zur Verhütung von Straftaten übermitteln, wenn auf Grund konkreter Umstände mit der grossen Wahrscheinlichkeit eines Verbrechens oder Vergehens zu rechnen ist.
3    Es kann Informationen zur Suche nach Vermissten und zur Identifizierung von Unbekannten vermitteln.
4    Zur Verhinderung und Aufklärung von Straftaten kann das Bundesamt für Polizei von Privaten Informationen entgegennehmen und Private orientieren, wenn dies im Interesse der betroffenen Personen ist und deren Zustimmung vorliegt oder nach den Umständen vorausgesetzt werden kann.
BGE Register
108-IV-142 • 112-IV-61 • 118-IV-91
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