Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

6B 165/2020

Urteil vom 20. Mai 2020

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichterin van de Graaf,
Bundesrichterin Koch,
Gerichtsschreiber Boog.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Pascal Veuve,
Beschwerdeführer,

gegen

1. Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau,
2. B.________,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Versuchter Mord, Drohung, Verteidigungsrechte,
Willkür, rechtliches Gehör, Strafzumessung,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts
des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer,
vom 19. Dezember 2019 (SST.2017.74).

Sachverhalt:

A.
Am 21. Dezember 2015 erhob die Staatsanwaltschaft Baden gegen A.________ Anklage wegen versuchten Mordes, qualifizierten Raubes, Diebstahls, Drohung, mehrfacher Sachbeschädigung und Beschimpfung. Ferner erhob sie gegen die Mitbeschuldigten C.________ und D.________ Anklage wegen qualifizierten Raubes, Sachbeschädigung und weiteren Delikten. Den Beschuldigten wird vorgeworfen, sie hätten gestützt auf einen gemeinsam gefassten Tatplan in der Nacht auf den 1. Juni 2014 einen Raubüberfall auf B.________ (nachfolgend: Privatkläger) an dessen Wohnort verübt, um Drogen zu erbeuten. Nachdem sie sich gewaltsam Zugang zur Wohnung des Privatklägers verschafft hatten, soll A.________ dem auf einem Sofa liegenden Privatkläger mindestens zwei Stromstösse mit einem Elektroschockgerät versetzt, ihn bedroht und nach Drogen gefragt haben. Bei der nachfolgenden Auseinandersetzung erlitt der sich heftig zur Wehr setzende Privatkläger am Oberkörper mehrere tiefe Stichverletzungen durch einen unbekannten, spitzen und geschliffenen Gegenstand, welche umgehend operativ versorgt werden mussten.

B.

B.a. Das Bezirksgericht Baden erklärte A.________ mit Urteil vom 22. September 2016 des Raubes, der Drohung, der Sachbeschädigung sowie der Beschimpfung schuldig, ordnete die Rückversetzung in den Strafvollzug für die Reststrafe von 699 Tagen gemäss Urteil des Bezirksgerichts Zürich vom 1. Februar 2006 (bedingte Entlassung am 22. September 2013) an und verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von 6 1/2 Jahren sowie zu einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu Fr. 30.-- als Gesamtstrafe im Sinne von Art. 89 Abs. 6
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 89 - 1 Begeht der bedingt Entlassene während der Probezeit ein Verbrechen oder Vergehen, so ordnet das für die Beurteilung der neuen Tat zuständige Gericht die Rückversetzung an.
1    Begeht der bedingt Entlassene während der Probezeit ein Verbrechen oder Vergehen, so ordnet das für die Beurteilung der neuen Tat zuständige Gericht die Rückversetzung an.
2    Ist trotz des während der Probezeit begangenen Verbrechens oder Vergehens nicht zu erwarten, dass der Verurteilte weitere Straftaten begehen wird, so verzichtet das Gericht auf eine Rückversetzung. Es kann den Verurteilten verwarnen und die Probezeit um höchstens die Hälfte der von der zuständigen Behörde ursprünglich festgesetzten Dauer verlängern. Erfolgt die Verlängerung erst nach Ablauf der Probezeit, so beginnt sie am Tag der Anordnung. Die Bestimmungen über die Bewährungshilfe und die Weisungen sind anwendbar (Art. 93-95).
3    Entzieht sich der bedingt Entlassene der Bewährungshilfe oder missachtet er die Weisungen, so sind die Artikel 95 Absätze 3-5 anwendbar.
4    Die Rückversetzung darf nicht mehr angeordnet werden, wenn seit dem Ablauf der Probezeit drei Jahre vergangen sind.
5    Die Untersuchungshaft, die der Täter während des Verfahrens der Rückversetzung ausgestanden hat, ist auf den Strafrest anzurechnen.
6    Sind auf Grund der neuen Straftat die Voraussetzungen für eine unbedingte Freiheitsstrafe erfüllt und trifft diese mit der durch den Widerruf vollziehbar gewordenen Reststrafe zusammen, so bildet das Gericht in Anwendung von Artikel 49 eine Gesamtstrafe. Auf diese sind die Regeln der bedingten Entlassung erneut anwendbar. Wird nur die Reststrafe vollzogen, so ist Artikel 86 Absätze 1-4 anwendbar.
7    Trifft eine durch den Entscheid über die Rückversetzung vollziehbar gewordene Reststrafe mit dem Vollzug einer Massnahme nach den Artikeln 59-61 zusammen, so ist Artikel 57 Absätze 2 und 3 anwendbar.
i.V.m. Art. 49
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 49 - 1 Hat der Täter durch eine oder mehrere Handlungen die Voraussetzungen für mehrere gleichartige Strafen erfüllt, so verurteilt ihn das Gericht zu der Strafe der schwersten Straftat und erhöht sie angemessen. Es darf jedoch das Höchstmass der angedrohten Strafe nicht um mehr als die Hälfte erhöhen. Dabei ist es an das gesetzliche Höchstmass der Strafart gebunden.
1    Hat der Täter durch eine oder mehrere Handlungen die Voraussetzungen für mehrere gleichartige Strafen erfüllt, so verurteilt ihn das Gericht zu der Strafe der schwersten Straftat und erhöht sie angemessen. Es darf jedoch das Höchstmass der angedrohten Strafe nicht um mehr als die Hälfte erhöhen. Dabei ist es an das gesetzliche Höchstmass der Strafart gebunden.
2    Hat das Gericht eine Tat zu beurteilen, die der Täter begangen hat, bevor er wegen einer andern Tat verurteilt worden ist, so bestimmt es die Zusatzstrafe in der Weise, dass der Täter nicht schwerer bestraft wird, als wenn die strafbaren Handlungen gleichzeitig beurteilt worden wären.
3    Hat der Täter eine oder mehrere Taten vor Vollendung des 18. Altersjahres begangen, so dürfen diese bei der Bildung der Gesamtstrafe nach den Absätzen 1 und 2 nicht stärker ins Gewicht fallen, als wenn sie für sich allein beurteilt worden wären.
StGB. Die ausgestandene Untersuchungshaft von 680 Tagen rechnete es auf den Vollzug der Freiheitsstrafe an. Von der Anklage des versuchten Mordes und des Diebstahls sprach es ihn frei. In einem Punkt stellte es das Verfahren infolge Rückzugs des Strafantrags ein. Ferner verpflichtete es A.________ zur Bezahlung von Schadenersatz in der Höhe von Fr. 572.80 sowie zur Leistung einer Genugtuung von Fr. 10'000.--, nebst Zins zu 5% seit dem 1. Juni 2014, an den Privatkläger, unter solidarischer Haftbarkeit mit den beiden Mitbeschuldigten. Im Mehrbetrag wies es die Zivilansprüche des Privatklägers auf den Zivilweg. Schliesslich entschied es über die Einziehung der beschlagnahmten
Gegenstände.
Mit Urteilen vom selben Datum erklärte das Bezirksgericht Baden die Mitbeschuldigten C.________ und D.________ unter anderem des einfachen Raubes schuldig und verurteilte sie zu mehrjährigen Freiheitsstrafen.

B.b. Gegen den Entscheid des Bezirksgerichts Baden vom 22. September 2016 erhoben der Beurteilte und die Staatsanwaltschaft je selbstständig Berufung. Die Mitbeschuldigten C.________ und D.________ erhoben ebenfalls Berufung, der sich die Staatsanwaltschaft anschloss. Der Privatkläger zog seine ebenfalls angemeldete Berufung wieder zurück. Mit Beschluss vom 6. März 2018 hob das Obergericht des Kantons Aargau die erstinstanzlichen Urteile gegen alle drei Beurteilten ohne Vorankündigung auf und wies die Angelegenheit im Sinne der Erwägungen zur Neubeurteilung an das Bezirksgericht zurück. In der Folge zogen die Mitbeschuldigten C.________ und D.________ ihre Berufungen zurück. Aufgrunddessen erachtete der Verfahrensleiter des Obergerichts des Kantons Aargau mit Verfügung vom 12. März 2019 den Rückweisungsbeschluss vom 6. März 2018 im Verfahren gegen A.________ als hinfällig und ordnete an, dass das ihn betreffende Berufungsverfahren im schriftlichen Verfahren weitergeführt werde. Am 29. Juli 2019 ordnete der Verfahrensleiter des Obergerichts sodann die Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung an. Mit Verfügung vom 26. August 2019 setzte er der Staatsanwaltschaft Frist zur Ergänzung der Anklage um eine Eventualanklage auf
versuchten Mord und qualifizierten Raub. Am 10. September 2019 reichte die Staatsanwaltschaft die ergänzte Anklageschrift ein.

B.c. Am 19. Dezember 2019 erklärte das Obergericht des Kantons Aargau A.________ des versuchten Mordes, des Raubes sowie der Beschimpfung schuldig und verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von 13 Jahren, unter Anrechnung der ausgestandenen Untersuchungs- und Sicherheitshaft sowie des vorzeitigen Strafvollzuges von insgesamt 1'863 Tagen (13. November 2014 bis 19. Dezember 2019), sowie zu einer unbedingten Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu Fr. 10.--. Hinsichtlich der Verpflichtung zur Leistung von Schadenersatz und Genugtuung bestätigte es das erstinstanzliche Urteil. Ferner stellte es eine Verletzung des Beschleunigungsgebots sowie die Rechtskraft des erstinstanzlichen Urteils hinsichtlich der Einstellung des Verfahrens, des Freispruchs, der Einziehung sowie der Verweisung der Mehrforderung auf den Zivilweg fest.

C.
A.________ führt Beschwerde in Strafsachen, mit der er beantragt, das angefochtene Urteil sei vollumfänglich aufzuheben und das Verfahren an die Vorinstanz zurückzuweisen, verbunden mit der Weisung, die Verfahrensakten zur Weiterführung des erstinstanzlichen Verfahrens im Sinne der Erwägungen des Rückweisungsbeschlusses des Obergerichts vom 6. März 2018 an das Bezirksgericht Baden zu übermitteln. Eventualiter stellt er den Antrag, die Sache sei zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Ferner ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Erteilung der aufschiebenden Wirkung für seine Beschwerde.

D.
Das Obergericht des Kantons Aargau hat auf Stellungnahme verzichtet. Die Oberstaatsanwaltschaft beantragt in ihrer Vernehmlassung die Abweisung der Beschwerde. Der Privatkläger hat sich innert Frist nicht vernehmen lassen. Die Vernehmlassung wurde A.________ zur Kenntnisnahme und eventuellen Stellungnahme zugestellt.

Erwägungen:

1.

1.1. Der Beschwerdeführer rügt in Bezug auf die Präsidialverfügung vom 12. März 2019 ein Anmassung der Entscheidkompetenz durch die Verfahrensleitung der Vorinstanz, eine Verletzung des Anspruchs auf Beurteilung durch ein gesetzmässiges Gericht sowie eine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Die Vorinstanz habe mit Beschluss vom 6. März 2018 die gegen ihn und die Mitbeschuldigten ergangenen erstinstanzlichen Urteile ohne Vorankündigung und ohne Gewährung des rechtlichen Gehörs gestützt auf Art. 409 Abs. 1
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 409 Aufhebung und Rückweisung - 1 Weist das erstinstanzliche Verfahren wesentliche Mängel auf, die im Berufungsverfahren nicht geheilt werden können, so hebt das Berufungsgericht das angefochtene Urteil auf und weist die Sache zur Durchführung einer neuen Hauptverhandlung und zur Fällung eines neuen Urteils an das erstinstanzliche Gericht zurück.
1    Weist das erstinstanzliche Verfahren wesentliche Mängel auf, die im Berufungsverfahren nicht geheilt werden können, so hebt das Berufungsgericht das angefochtene Urteil auf und weist die Sache zur Durchführung einer neuen Hauptverhandlung und zur Fällung eines neuen Urteils an das erstinstanzliche Gericht zurück.
2    Das Berufungsgericht bestimmt, welche Verfahrenshandlungen zu wiederholen oder nachzuholen sind.
3    Das erstinstanzliche Gericht ist an die vom Berufungsgericht im Rückweisungsbeschluss vertretenen Rechtsauffassungen und an die Weisungen nach Absatz 2 gebunden.
StPO aufgehoben und die Verfahren zur Neubeurteilung an das Bezirksgericht Baden zurückgewiesen. Zudem habe sie das Bezirksgericht angewiesen zu prüfen, ob der Staatsanwaltschaft vorgängig die Gelegenheit zur Anklageergänzung in Bezug auf den Anklagevorwurf des qualifizierten Raubes eingeräumt werden müsse. Dieser Beschluss sei in Rechtskraft erwachsen. Damit sei das von ihm angestrengte Berufungsverfahren erledigt und die Strafsache demnach wieder beim Bezirksgericht Baden rechtshängig gewesen. Es verletze daher Bundesrecht, wenn der Verfahrensleiter der Vorinstanz mit Präsidialverfügung vom 12. März 2019 das Verfahren wieder an sich gezogen habe. Ein in Rechtskraft erwachsener Beschluss, mit dem die Berufungsinstanz gestützt auf
Art. 409 Abs. 1
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 409 Aufhebung und Rückweisung - 1 Weist das erstinstanzliche Verfahren wesentliche Mängel auf, die im Berufungsverfahren nicht geheilt werden können, so hebt das Berufungsgericht das angefochtene Urteil auf und weist die Sache zur Durchführung einer neuen Hauptverhandlung und zur Fällung eines neuen Urteils an das erstinstanzliche Gericht zurück.
1    Weist das erstinstanzliche Verfahren wesentliche Mängel auf, die im Berufungsverfahren nicht geheilt werden können, so hebt das Berufungsgericht das angefochtene Urteil auf und weist die Sache zur Durchführung einer neuen Hauptverhandlung und zur Fällung eines neuen Urteils an das erstinstanzliche Gericht zurück.
2    Das Berufungsgericht bestimmt, welche Verfahrenshandlungen zu wiederholen oder nachzuholen sind.
3    Das erstinstanzliche Gericht ist an die vom Berufungsgericht im Rückweisungsbeschluss vertretenen Rechtsauffassungen und an die Weisungen nach Absatz 2 gebunden.
StPO das erstinstanzliche Urteil aufhebe und das Verfahren zur Neubeurteilung an die erste Instanz zurückweise, könne von der Berufungsinstanz nicht mehr rückgängig gemacht werden, weil die Entscheidkompetenz nunmehr bei der ersten Instanz liege. Mit Sicherheit läge ein derartiger Wiedererwägungsentscheid nicht in der Entscheidkompetenz des Verfahrensleiters. Mit der Anmassung einer Entscheidkompetenz habe der Verfahrensleiter den Anspruch auf Beurteilung durch ein gesetzmässig besetztes Gericht verletzt. Mit der von ihm (sc. dem Beschwerdeführer) vorgetragenen Rüge der fehlenden Entscheidkompetenz habe sich die Vorinstanz anlässlich der Berufungsverhandlung nicht auseinandergesetzt. Damit habe sie auch seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Insgesamt seien somit sowohl die Präsidialverfügung vom 12. März 2019 als auch die seither ergangenen verfahrensleitenden Verfügungen sowie letztlich auch das angefochtenes Urteil nichtig. Daraus folge, dass die Rechtshängigkeit des Strafverfahrens nach wie vor beim Bezirksgericht Baden liege. Das Verfahren müsse daher an dieses zurückgewiesen werden (Beschwerde S. 7 ff.).

Dieselben Rügen erhebt der Beschwerdeführer gegen die Präsidialverfügung vom 26. August 2019, mit welcher der Staatsanwaltschaft eine Frist zur Ergänzung der Anklage bzw. zur Erhebung einer Eventualanklage auf mittäterschaftliche Begehung des versuchten Mordes und des qualifizierten Raubes angesetzt worden sei. Die Einräumung der Gelegenheit zur Ergänzung der Anklage im Berufungsverfahren gemäss Art. 379
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 379 Anwendbare Vorschriften - Das Rechtsmittelverfahren richtet sich sinngemäss nach den allgemeinen Bestimmungen dieses Gesetzes, soweit dieser Titel keine besonderen Bestimmungen enthält.
i.V.m. Art. 329 Abs. 2
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 329 Prüfung der Anklage; Sistierung und Einstellung des Verfahrens - 1 Die Verfahrensleitung prüft, ob:
1    Die Verfahrensleitung prüft, ob:
a  die Anklageschrift und die Akten ordnungsgemäss erstellt sind;
b  die Prozessvoraussetzungen erfüllt sind;
c  Verfahrenshindernisse bestehen.
2    Ergibt sich aufgrund dieser Prüfung oder später im Verfahren, dass ein Urteil zurzeit nicht ergehen kann, so sistiert das Gericht das Verfahren. Falls erforderlich, weist es die Anklage zur Ergänzung oder Berichtigung an die Staatsanwaltschaft zurück.
3    Das Gericht entscheidet, ob ein sistierter Fall bei ihm hängig bleibt.
4    Kann ein Urteil definitiv nicht ergehen, so stellt das Gericht das Verfahren ein, nachdem es den Parteien und weiteren durch die Einstellung beschwerten Dritten das rechtliche Gehör gewährt hat. Artikel 320 ist sinngemäss anwendbar.
5    Soll das Verfahren nur in einzelnen Anklagepunkten eingestellt werden, so kann die Einstellung zusammen mit dem Urteil ergehen.
StPO liege nicht in der Verfügungskompetenz der Verfahrensleitung, sondern müsse zwingend vom urteilenden Kollegialgericht geprüft und mit einem Beschluss im Sinne von Art. 80 Abs. 1
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 80 Form - 1 Entscheide, in denen über Straf- und Zivilfragen materiell befunden wird, sowie selbstständige nachträgliche Entscheide und selbstständige Einziehungsentscheide ergehen in Form eines Urteils. Die anderen Entscheide ergehen, wenn sie von einer Kollegialbehörde gefällt werden, in Form eines Beschlusses, wenn sie von einer Einzelperson gefällt werden, in Form einer Verfügung.33 Die Bestimmungen des Strafbefehlsverfahrens bleiben vorbehalten.
1    Entscheide, in denen über Straf- und Zivilfragen materiell befunden wird, sowie selbstständige nachträgliche Entscheide und selbstständige Einziehungsentscheide ergehen in Form eines Urteils. Die anderen Entscheide ergehen, wenn sie von einer Kollegialbehörde gefällt werden, in Form eines Beschlusses, wenn sie von einer Einzelperson gefällt werden, in Form einer Verfügung.33 Die Bestimmungen des Strafbefehlsverfahrens bleiben vorbehalten.
2    Entscheide ergehen schriftlich und werden begründet. Sie werden von der Verfahrensleitung sowie der protokollführenden Person unterzeichnet und den Parteien zugestellt.
3    Einfache verfahrensleitende Beschlüsse und Verfügungen brauchen weder besonders ausgefertigt noch begründet zu werden; sie werden im Protokoll vermerkt und den Parteien in geeigneter Weise eröffnet.
StPO angeordnet werden. Die Vorgehensweise des Verfahrensleiters sei auch deshalb unhaltbar, weil dieser die Staatsanwaltschaft autoritativ dazu aufgefordert habe, die Anklage um eine Eventualanklage auf Mittäterschaft zu ergänzen. Die Präsidialverfügung vom 26. August 2019 sei daher ebenfalls nichtig, so dass die Vorinstanz nicht auf die von der Staatsanwaltschaft nachgereichte Anklageergänzung hätte eintreten dürfen (Beschwerde S. 9 ff.).

Eventualiter macht der Beschwerdeführer im Weiteren geltend, die gestützt auf die von der Staatsanwaltschaft nachgereichte Eventualanklage erfolgte Verurteilung sei auch deshalb unhaltbar, weil sich die Vorinstanz als erste und einzige kantonale Instanz mit den entsprechenden Tatumständen befasst habe. Dies bewirke für ihn einen Instanzenverlust und verletze das Double-Instance-Prinzip (Beschwerde S. 11 ff.). Überdies verletze die Vorgehensweise der Vorinstanz den Grundsatz der Einheit des Verfahrens gemäss Art. 29 Abs. 1 lit. b
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 29 Grundsatz der Verfahrenseinheit - 1 Straftaten werden gemeinsam verfolgt und beurteilt, wenn:
1    Straftaten werden gemeinsam verfolgt und beurteilt, wenn:
a  eine beschuldigte Person mehrere Straftaten verübt hat; oder
b  Mittäterschaft oder Teilnahme vorliegt.
2    Handelt es sich um Straftaten, die teilweise in die Zuständigkeit des Bundes fallen oder die in verschiedenen Kantonen und von mehreren Personen begangen worden sind, so gehen die Artikel 25 und 33-38 vor.
StPO und das durch Art. 3 Abs. 2 lit. c
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 3 Achtung der Menschenwürde und Fairnessgebot - 1 Die Strafbehörden achten in allen Verfahrensstadien die Würde der vom Verfahren betroffenen Menschen.
1    Die Strafbehörden achten in allen Verfahrensstadien die Würde der vom Verfahren betroffenen Menschen.
2    Sie beachten namentlich:
a  den Grundsatz von Treu und Glauben;
b  das Verbot des Rechtsmissbrauchs;
c  das Gebot, alle Verfahrensbeteiligten gleich und gerecht zu behandeln und ihnen rechtliches Gehör zu gewähren;
d  das Verbot, bei der Beweiserhebung Methoden anzuwenden, welche die Menschenwürde verletzen.
StPO und Art. 8
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 8 Rechtsgleichheit - 1 Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
1    Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
2    Niemand darf diskriminiert werden, namentlich nicht wegen der Herkunft, der Rasse, des Geschlechts, des Alters, der Sprache, der sozialen Stellung, der Lebensform, der religiösen, weltanschaulichen oder politischen Überzeugung oder wegen einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung.
3    Mann und Frau sind gleichberechtigt. Das Gesetz sorgt für ihre rechtliche und tatsächliche Gleichstellung, vor allem in Familie, Ausbildung und Arbeit. Mann und Frau haben Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit.
4    Das Gesetz sieht Massnahmen zur Beseitigung von Benachteiligungen der Behinderten vor.
BV garantierte Gleichbehandlungs- und Gleichheitsgebot. Nachdem die beiden Mitbeschuldigten ihre Berufungen zurückgezogen hätten und die Anschlussberufungen der Staatsanwaltschaft dahingefallen seien, sei die Vorinstanz nicht mehr befugt gewesen, bei der Staatsanwaltschaft eine Eventualanklage auf mittäterschaftliche Begehung des versuchten Mordes und qualifizierten Raubes einzuverlangen. Es sei der Vorinstanz mithin verwehrt gewesen, ihn in diesem Stadium des Verfahrens als einzigen noch im Verfahren verbliebenen Tatbeteiligten wegen Mittäterschaft zur Verantwortung zu ziehen. Das von der Vorinstanz gesprochene Urteil stehe in unverträglichem
Widerspruch zu den im gleichen Verfahren ergangenen rechtskräftigen Entscheiden gegen die Mitbeschuldigten (Beschwerde S. 14 ff.).

Schliesslich beanstandet der Beschwerdeführer eine Verletzung des Anklagegrundsatzes und seines Rechts auf eine wirksame Verteidigung. Haupt- und Eventualanklage stünden zueinander im Verhältnis der Subsidiarität. Die Vorinstanz hätte ihn daher nicht teilweise gestützt auf die Hauptanklage und teilweise gestützt auf die Eventualanklage wegen allein- bzw. mittäterschaftlich begangenem Mord schuldig erklären dürfen (Beschwerde S. 14 f.).

1.2. Das Bezirksgericht Baden sprach den Beschwerdeführer vom Vorwurf des versuchten Mordes frei. Es nahm an, es bestünden verschiedene Hinweise dafür, dass die Tat nicht vom Beschwerdeführer in Alleintäterschaft, sondern unter Mitwirkung der eines oder beider am Raub beteiligten Täter ausgeführt worden sei. Eine mittäterschaftliche Begehung sei in der damals vorliegenden Hauptanklage nicht angeklagt gewesen (angefochtenes Urteil S. 14; erstinstanzliches Urteil S. 40).

Nachdem die Staatsanwaltschaft die Anklage im Berufungsverfahren dahin ergänzt hatte, dass der Beschwerdeführer den versuchten Mord eventualiter gemeinsam mit den Tatbeteiligten C.________ und D.________ in Mittäterschaft begangen habe, prüfte die Vorinstanz den Anklagevorwurf sowohl unter dem Gesichtspunkt der Alleintäterschaft als auch unter demjenigen der Mittäterschaft. Dabei nimmt sie an, ein Anlass für die Rückweisung an die erste Instanz habe nicht bestanden. Die Staatsanwaltschaft sei zur Ergänzung der Anklageschrift lediglich eingeladen worden. Es sei nicht ersichtlich, inwiefern eine solche Einladung nicht durch die Verfahrensleitung habe erfolgen können. Im Übrigen habe sich das Berufungsgericht die verfahrensleitende Verfügung spätestens an der Berufungsverhandlung zu eigen gemacht, sodass ein allfälliger Mangel geheilt wäre (angefochtenes Urteil S. 15).

2.

2.1. Gemäss Art. 328
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 328 Rechtshängigkeit - 1 Mit dem Eingang der Anklageschrift wird das Verfahren beim Gericht rechtshängig.
1    Mit dem Eingang der Anklageschrift wird das Verfahren beim Gericht rechtshängig.
2    Mit der Rechtshängigkeit gehen die Befugnisse im Verfahren auf das Gericht über.
StPO wird das Verfahren mit dem Eingang der Anklageschrift beim Gericht rechtshängig (Abs. 1). Mit der Rechtshängigkeit gehen die Befugnisse im Verfahren auf das Gericht über (Abs. 2). Die Verfahrensleitung prüft in der Folge, ob die Anklageschrift und die Akten ordnungsgemäss erstellt sind, ob die Prozessvoraussetzungen erfüllt sind und ob Verfahrenshindernisse bestehen (Art. 329 Abs. 1
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 329 Prüfung der Anklage; Sistierung und Einstellung des Verfahrens - 1 Die Verfahrensleitung prüft, ob:
1    Die Verfahrensleitung prüft, ob:
a  die Anklageschrift und die Akten ordnungsgemäss erstellt sind;
b  die Prozessvoraussetzungen erfüllt sind;
c  Verfahrenshindernisse bestehen.
2    Ergibt sich aufgrund dieser Prüfung oder später im Verfahren, dass ein Urteil zurzeit nicht ergehen kann, so sistiert das Gericht das Verfahren. Falls erforderlich, weist es die Anklage zur Ergänzung oder Berichtigung an die Staatsanwaltschaft zurück.
3    Das Gericht entscheidet, ob ein sistierter Fall bei ihm hängig bleibt.
4    Kann ein Urteil definitiv nicht ergehen, so stellt das Gericht das Verfahren ein, nachdem es den Parteien und weiteren durch die Einstellung beschwerten Dritten das rechtliche Gehör gewährt hat. Artikel 320 ist sinngemäss anwendbar.
5    Soll das Verfahren nur in einzelnen Anklagepunkten eingestellt werden, so kann die Einstellung zusammen mit dem Urteil ergehen.
StPO). Ist auf die Anklage einzutreten, trifft die Verfahrensleitung unverzüglich die zur Durchführung der Hauptverhandlung notwendigen Anordnungen (Art. 330 Abs. 1
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 330 Vorbereitung der Hauptverhandlung - 1 Ist auf die Anklage einzutreten, so trifft die Verfahrensleitung unverzüglich die zur Durchführung der Hauptverhandlung notwendigen Anordnungen.
1    Ist auf die Anklage einzutreten, so trifft die Verfahrensleitung unverzüglich die zur Durchführung der Hauptverhandlung notwendigen Anordnungen.
2    Bei Kollegialgerichten setzt die Verfahrensleitung die Akten in Zirkulation.
3    Die Verfahrensleitung informiert das Opfer über seine Rechte, sofern die Strafverfolgungsbehörden dies noch nicht getan haben; Artikel 305 ist sinngemäss anwendbar.
StPO). Nach Durchführung der Hauptverhandlung fällt das Gericht, soweit es materiell über die Anklage entscheiden kann, ein Urteil über die Schuld, die Sanktionen und die weiteren Folgen (Art. 351 Abs. 1
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 351 Urteilsfällung und Urteilseröffnung - 1 Kann das Gericht materiell über die Anklage entscheiden, so fällt es ein Urteil über die Schuld, die Sanktionen und die weiteren Folgen.
1    Kann das Gericht materiell über die Anklage entscheiden, so fällt es ein Urteil über die Schuld, die Sanktionen und die weiteren Folgen.
2    Es fällt sein Urteil in allen Punkten mit einfacher Mehrheit. Jedes Mitglied ist zur Stimmabgabe verpflichtet.
3    Es eröffnet sein Urteil nach den Bestimmungen von Artikel 84.
StPO).

Das Rechtsmittelverfahren richtet sich gemäss Art. 379
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 379 Anwendbare Vorschriften - Das Rechtsmittelverfahren richtet sich sinngemäss nach den allgemeinen Bestimmungen dieses Gesetzes, soweit dieser Titel keine besonderen Bestimmungen enthält.
StPO, unter Vorbehalt besonderer Bestimmungen, sinngemäss nach den allgemeinen Bestimmungen der Strafprozessordnung. Gemäss Art. 398 Abs. 1
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 398 Zulässigkeit und Berufungsgründe - 1 Die Berufung ist zulässig gegen Urteile erstinstanzlicher Gerichte, mit denen das Verfahren ganz oder teilweise abgeschlossen worden ist, sowie gegen selbstständige nachträgliche Entscheide des Gerichts und gegen selbstständige Einziehungsentscheide.268
1    Die Berufung ist zulässig gegen Urteile erstinstanzlicher Gerichte, mit denen das Verfahren ganz oder teilweise abgeschlossen worden ist, sowie gegen selbstständige nachträgliche Entscheide des Gerichts und gegen selbstständige Einziehungsentscheide.268
2    Das Berufungsgericht kann das Urteil in allen angefochtenen Punkten umfassend überprüfen.
3    Mit der Berufung können gerügt werden:
a  Rechtsverletzungen, einschliesslich Überschreitung und Missbrauch des Ermessens, Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerung;
b  die unvollständige oder unrichtige Feststellung des Sachverhalts;
c  Unangemessenheit.
4    Bildeten ausschliesslich Übertretungen Gegenstand des erstinstanzlichen Hauptverfahrens, so kann mit der Berufung nur geltend gemacht werden, das Urteil sei rechtsfehlerhaft oder die Feststellung des Sachverhalts sei offensichtlich unrichtig oder beruhe auf einer Rechtsverletzung. Neue Behauptungen und Beweise können nicht vorgebracht werden.
5    Beschränkt sich die Berufung auf den Zivilpunkt, so wird das erstinstanzliche Urteil nur so weit überprüft, als es das am Gerichtsstand anwendbare Zivilprozessrecht vorsehen würde.
StPO ist die Berufung zulässig gegen Urteile erstinstanzlicher Gerichte, mit denen das Verfahren ganz oder teilweise abgeschlossen worden ist. Die Verfahrensleitung trifft, soweit auf die Berufung einzutreten ist, die notwendigen Anordnungen zur Durchführung des weiteren Berufungsverfahrens (Art. 403 Abs. 4
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 403 Eintreten - 1 Das Berufungsgericht entscheidet in einem schriftlichen Verfahren, ob auf die Berufung einzutreten sei, wenn die Verfahrensleitung oder eine Partei geltend macht:
1    Das Berufungsgericht entscheidet in einem schriftlichen Verfahren, ob auf die Berufung einzutreten sei, wenn die Verfahrensleitung oder eine Partei geltend macht:
a  die Anmeldung oder Erklärung der Berufung sei verspätet oder unzulässig;
b  die Berufung sei im Sinne von Artikel 398 unzulässig;
c  es fehlten Prozessvoraussetzungen oder es lägen Prozesshindernisse vor.
2    Es gibt den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme.
3    Tritt es auf die Berufung nicht ein, so eröffnet es den Parteien den begründeten Nichteintretensentscheid.
4    Andernfalls trifft die Verfahrensleitung ohne Weiteres die notwendigen Anordnungen zur Durchführung des weiteren Berufungsverfahrens.
StPO). Tritt das Berufungsgericht auf die Berufung ein, fällt es ein neues Urteil, welches das erstinstanzliche Urteil ersetzt (Art. 408
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 408 Neues Urteil - 1 Tritt das Berufungsgericht auf die Berufung ein, so fällt es ein neues Urteil, welches das erstinstanzliche Urteil ersetzt.
1    Tritt das Berufungsgericht auf die Berufung ein, so fällt es ein neues Urteil, welches das erstinstanzliche Urteil ersetzt.
2    Das Berufungsgericht entscheidet innerhalb von zwölf Monaten.270
StPO).

Nach Art. 409 Abs. 1
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 409 Aufhebung und Rückweisung - 1 Weist das erstinstanzliche Verfahren wesentliche Mängel auf, die im Berufungsverfahren nicht geheilt werden können, so hebt das Berufungsgericht das angefochtene Urteil auf und weist die Sache zur Durchführung einer neuen Hauptverhandlung und zur Fällung eines neuen Urteils an das erstinstanzliche Gericht zurück.
1    Weist das erstinstanzliche Verfahren wesentliche Mängel auf, die im Berufungsverfahren nicht geheilt werden können, so hebt das Berufungsgericht das angefochtene Urteil auf und weist die Sache zur Durchführung einer neuen Hauptverhandlung und zur Fällung eines neuen Urteils an das erstinstanzliche Gericht zurück.
2    Das Berufungsgericht bestimmt, welche Verfahrenshandlungen zu wiederholen oder nachzuholen sind.
3    Das erstinstanzliche Gericht ist an die vom Berufungsgericht im Rückweisungsbeschluss vertretenen Rechtsauffassungen und an die Weisungen nach Absatz 2 gebunden.
StPO hebt das Berufungsgericht bei wesentlichen, im Berufungsverfahren nicht heilbaren Mängeln das angefochtene Urteil ausnahmsweise auf und weist die Sache zur Durchführung einer neuen Hauptverhandlung und Fällung eines neuen Urteils an die Vorinstanz zurück. Dabei bestimmt das Berufungsgericht, welche Verfahrenshandlungen zu wiederholen oder nachzuholen sind (Abs. 2). Die kassatorische Erledigung durch Rückweisung ist aufgrund des reformatorischen Charakters des Berufungsverfahrens die Ausnahme und kommt nur bei derart schwerwiegenden, nicht heilbaren Mängeln des erstinstanzlichen Verfahrens in Betracht, in denen die Rückweisung zur Wahrung der Parteirechte, in erster Linie zur Vermeidung eines Instanzenverlusts, unumgänglich ist. Dies ist etwa der Fall bei Verweigerung von Teilnahmerechten oder nicht gehöriger Verteidigung, bei nicht richtiger Besetzung des Gerichts oder bei unvollständiger Behandlung sämtlicher Anklage- oder Zivilpunkte (BGE 143 IV 408 E. 6.1 mit Hinweisen; 6B 904/2018 vom 8. Februar 2019 E. 2.4; vgl. auch SCHMID/JOSITSCH, Praxiskommentar, Art. 409 N 1 ff.; Luzius Eugster, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N 1 zu Art. 409). Das erstinstanzliche
Gericht ist an die vom Berufungsgericht im Rückweisungsentscheid vertretenen Rechtsauffassungen und an die Weisungen in Bezug auf die Wiederholung oder Nachholung von Verfahrenshandlungen gebunden (Art. 409 Abs. 3
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 409 Aufhebung und Rückweisung - 1 Weist das erstinstanzliche Verfahren wesentliche Mängel auf, die im Berufungsverfahren nicht geheilt werden können, so hebt das Berufungsgericht das angefochtene Urteil auf und weist die Sache zur Durchführung einer neuen Hauptverhandlung und zur Fällung eines neuen Urteils an das erstinstanzliche Gericht zurück.
1    Weist das erstinstanzliche Verfahren wesentliche Mängel auf, die im Berufungsverfahren nicht geheilt werden können, so hebt das Berufungsgericht das angefochtene Urteil auf und weist die Sache zur Durchführung einer neuen Hauptverhandlung und zur Fällung eines neuen Urteils an das erstinstanzliche Gericht zurück.
2    Das Berufungsgericht bestimmt, welche Verfahrenshandlungen zu wiederholen oder nachzuholen sind.
3    Das erstinstanzliche Gericht ist an die vom Berufungsgericht im Rückweisungsbeschluss vertretenen Rechtsauffassungen und an die Weisungen nach Absatz 2 gebunden.
StPO).

Die Rückweisung der Sache und die Aufhebung des erstinstanzlichen Entscheids bezieht sich auf das Urteil in seiner Gesamtheit (Moreillon/Parein-Reymond; CPP, 2. Aufl., 2016, Art. 409 Rz. 4). Der Rückweisungsentscheid ergeht in Form eines Beschlusses. Soweit sich die Notwendigkeit der Rückweisung bereits aufgrund der Berufungserklärung ergibt, kann diese bereits vor der Ansetzung der mündlichen Berufungsverhandlung angeordnet werden. Den Verfahrensparteien ist in jedem Fall Gelegenheit einzuräumen, sich vorgängig zur Frage eines allfälligen Rückweisungsentscheids zu äussern (BGE 143 IV 408 E. 6.1; Niklaus Oberholzer, Grundzüge des Strafprozessrechts, 4. Aufl. 2020, N 2144; Marlène Kistler Vianin, in: CR CPP, 2. Aufl., 2019, N 7 zu Art. 409; Eugster, a.a.O., N 2 zu Art. 409).

2.2.

2.2.1. Nach dem Anklagegrundsatz bestimmt die Anklageschrift den Gegenstand des Gerichtsverfahrens (Umgrenzungsfunktion; Art. 9
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 9 Anklagegrundsatz - 1 Eine Straftat kann nur gerichtlich beurteilt werden, wenn die Staatsanwaltschaft gegen eine bestimmte Person wegen eines genau umschriebenen Sachverhalts beim zuständigen Gericht Anklage erhoben hat.
1    Eine Straftat kann nur gerichtlich beurteilt werden, wenn die Staatsanwaltschaft gegen eine bestimmte Person wegen eines genau umschriebenen Sachverhalts beim zuständigen Gericht Anklage erhoben hat.
2    Das Strafbefehls- und das Übertretungsstrafverfahren bleiben vorbehalten.
und Art. 325
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 325 Inhalt der Anklageschrift - 1 Die Anklageschrift bezeichnet:
1    Die Anklageschrift bezeichnet:
a  den Ort und das Datum;
b  die anklageerhebende Staatsanwaltschaft;
c  das Gericht, an welches sich die Anklage richtet;
d  die beschuldigte Person und ihre Verteidigung;
e  die geschädigte Person;
f  möglichst kurz, aber genau: die der beschuldigten Person vorgeworfenen Taten mit Beschreibung von Ort, Datum, Zeit, Art und Folgen der Tatausführung;
g  die nach Auffassung der Staatsanwaltschaft erfüllten Straftatbestände unter Angabe der anwendbaren Gesetzesbestimmungen.
2    Die Staatsanwaltschaft kann eine Alternativanklage oder für den Fall der Verwerfung ihrer Hauptanklage eine Eventualanklage erheben.
StPO; Art. 29 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
1    Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
2    Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör.
3    Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand.
und Art. 32 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 32 Strafverfahren - 1 Jede Person gilt bis zur rechtskräftigen Verurteilung als unschuldig.
1    Jede Person gilt bis zur rechtskräftigen Verurteilung als unschuldig.
2    Jede angeklagte Person hat Anspruch darauf, möglichst rasch und umfassend über die gegen sie erhobenen Beschuldigungen unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, die ihr zustehenden Verteidigungsrechte geltend zu machen.
3    Jede verurteilte Person hat das Recht, das Urteil von einem höheren Gericht überprüfen zu lassen. Ausgenommen sind die Fälle, in denen das Bundesgericht als einzige Instanz urteilt.
BV; Art. 6 Ziff. 1
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde.
a  innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden;
b  ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben;
c  sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist;
d  Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten;
e  unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht.
und 3
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde.
a  innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden;
b  ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben;
c  sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist;
d  Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten;
e  unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht.
lit. a und b EMRK). Die Anklage hat die der beschuldigten Person zur Last gelegten Delikte in ihrem Sachverhalt so präzise zu umschreiben, dass die Vorwürfe in objektiver und subjektiver Hinsicht genügend konkretisiert sind. Zugleich bezweckt das Anklageprinzip den Schutz der Verteidigungsrechte der beschuldigten Person und garantiert den Anspruch auf rechtliches Gehör (Informationsfunktion; BGE 143 IV 63 E. 2.2; 141 IV 132 E. 3.4.1 S. 142 f.; je mit Hinweisen). Diese muss aus der Anklage ersehen können, was ihr konkret vorgeworfen wird, damit sie ihre Verteidigungsrechte angemessen ausüben kann. Dies bedingt eine zureichende, d.h. möglichst kurze, aber genaue (Art. 325 Abs. 1 lit. f
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 325 Inhalt der Anklageschrift - 1 Die Anklageschrift bezeichnet:
1    Die Anklageschrift bezeichnet:
a  den Ort und das Datum;
b  die anklageerhebende Staatsanwaltschaft;
c  das Gericht, an welches sich die Anklage richtet;
d  die beschuldigte Person und ihre Verteidigung;
e  die geschädigte Person;
f  möglichst kurz, aber genau: die der beschuldigten Person vorgeworfenen Taten mit Beschreibung von Ort, Datum, Zeit, Art und Folgen der Tatausführung;
g  die nach Auffassung der Staatsanwaltschaft erfüllten Straftatbestände unter Angabe der anwendbaren Gesetzesbestimmungen.
2    Die Staatsanwaltschaft kann eine Alternativanklage oder für den Fall der Verwerfung ihrer Hauptanklage eine Eventualanklage erheben.
StPO) Umschreibung der Sachverhaltselemente, die für eine Subsumtion unter die anwendbaren Straftatbestände erforderlich sind. Entscheidend ist, dass die betroffene Person genau weiss, welcher konkreter Handlungen sie beschuldigt und wie ihr Verhalten rechtlich qualifiziert wird, damit sie sich in ihrer Verteidigung richtig vorbereiten kann (BGE 143
IV 63
E. 2.2).

Gemäss Art. 325 Abs. 2
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 325 Inhalt der Anklageschrift - 1 Die Anklageschrift bezeichnet:
1    Die Anklageschrift bezeichnet:
a  den Ort und das Datum;
b  die anklageerhebende Staatsanwaltschaft;
c  das Gericht, an welches sich die Anklage richtet;
d  die beschuldigte Person und ihre Verteidigung;
e  die geschädigte Person;
f  möglichst kurz, aber genau: die der beschuldigten Person vorgeworfenen Taten mit Beschreibung von Ort, Datum, Zeit, Art und Folgen der Tatausführung;
g  die nach Auffassung der Staatsanwaltschaft erfüllten Straftatbestände unter Angabe der anwendbaren Gesetzesbestimmungen.
2    Die Staatsanwaltschaft kann eine Alternativanklage oder für den Fall der Verwerfung ihrer Hauptanklage eine Eventualanklage erheben.
StPO kann die Staatsanwaltschaft eine Alternativanklage oder für den Fall der Verwerfung ihrer Hauptanklage eine Eventualanklage erheben, wenn eindeutige tatsächliche Feststellungen zwar nicht möglich sind, aber doch feststeht, dass die beschuldigte Person sich in jeder der in Betracht fallenden Sachverhaltsalternativen schuldig gemacht haben könnte (Urteil 6B 879/2018 vom 26. April 2019 E. 1.1 mit Hinweis; zum Begriff der Eventualanklage vgl. FABBRI/NOTO, Die Eventual- und Alternativanklage im Lichte des Akkusationsprinzips, AJP 2012 S. 899).

2.2.2. Das Gericht weist gemäss Art. 329 Abs. 2
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 329 Prüfung der Anklage; Sistierung und Einstellung des Verfahrens - 1 Die Verfahrensleitung prüft, ob:
1    Die Verfahrensleitung prüft, ob:
a  die Anklageschrift und die Akten ordnungsgemäss erstellt sind;
b  die Prozessvoraussetzungen erfüllt sind;
c  Verfahrenshindernisse bestehen.
2    Ergibt sich aufgrund dieser Prüfung oder später im Verfahren, dass ein Urteil zurzeit nicht ergehen kann, so sistiert das Gericht das Verfahren. Falls erforderlich, weist es die Anklage zur Ergänzung oder Berichtigung an die Staatsanwaltschaft zurück.
3    Das Gericht entscheidet, ob ein sistierter Fall bei ihm hängig bleibt.
4    Kann ein Urteil definitiv nicht ergehen, so stellt das Gericht das Verfahren ein, nachdem es den Parteien und weiteren durch die Einstellung beschwerten Dritten das rechtliche Gehör gewährt hat. Artikel 320 ist sinngemäss anwendbar.
5    Soll das Verfahren nur in einzelnen Anklagepunkten eingestellt werden, so kann die Einstellung zusammen mit dem Urteil ergehen.
StPO falls erforderlich, die Anklage zur Ergänzung oder Berichtigung an die Staatsanwaltschaft zurück. Nach Art. 333 Abs. 1
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 333 Änderung und Erweiterung der Anklage - 1 Das Gericht gibt der Staatsanwaltschaft Gelegenheit, die Anklage zu ändern, wenn nach seiner Auffassung der in der Anklageschrift umschriebene Sachverhalt einen andern Straftatbestand erfüllen könnte, die Anklageschrift aber den gesetzlichen Anforderungen nicht entspricht.
1    Das Gericht gibt der Staatsanwaltschaft Gelegenheit, die Anklage zu ändern, wenn nach seiner Auffassung der in der Anklageschrift umschriebene Sachverhalt einen andern Straftatbestand erfüllen könnte, die Anklageschrift aber den gesetzlichen Anforderungen nicht entspricht.
2    Werden während des Hauptverfahrens neue Straftaten der beschuldigten Person bekannt, so kann das Gericht der Staatsanwaltschaft gestatten, die Anklage zu erweitern.
3    Eine Erweiterung ist ausgeschlossen, wenn dadurch das Verfahren über Gebühr erschwert oder die Zuständigkeit des Gerichts ändern würde oder wenn ein Fall von Mittäterschaft oder Teilnahme vorliegt. In diesen Fällen leitet die Staatsanwaltschaft ein Vorverfahren ein.
4    Das Gericht darf eine geänderte oder erweiterte Anklage seinem Urteil nur zu Grunde legen, wenn die Parteirechte der beschuldigten Person und der Privatklägerschaft gewahrt worden sind. Es unterbricht dafür nötigenfalls die Hauptverhandlung.
StPO gibt das Gericht der Staatsanwaltschaft Gelegenheit, die Anklage zu ändern, wenn nach seiner Auffassung der in der Anklageschrift umschriebene Sachverhalt einen andern Straftatbestand erfüllen könnte, die Anklageschrift aber den gesetzlichen Anforderungen nicht entspricht.

3.

3.1. Die Vorinstanz hat mit Beschluss vom 6. März 2018 das erstinstanzliche Urteil ohne Vorankündigung und ohne Gewährung des rechtlichen Gehörs aufgehoben und die Angelegenheit zur Neubeurteilung an das Bezirksgericht zurückgewiesen. Sie nahm an, der Umstand, dass das Bezirksgericht es unterlassen habe, die Staatsanwaltschaft zur Ergänzung der Anklage gegen die beiden Mitbeschuldigten des Beschwerdeführers aufzufordern, stelle einen wesentlichen Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens dar. Ferner seien die Parteirechte der Beschuldigten, das Recht auf Wahrung des Instanzenzuges und der Grundsatz der Verfahrenseinheit zu beachten. Es sei daher notwendig, die erstinstanzlichen Urteile im Sinne von Art. 409
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 409 Aufhebung und Rückweisung - 1 Weist das erstinstanzliche Verfahren wesentliche Mängel auf, die im Berufungsverfahren nicht geheilt werden können, so hebt das Berufungsgericht das angefochtene Urteil auf und weist die Sache zur Durchführung einer neuen Hauptverhandlung und zur Fällung eines neuen Urteils an das erstinstanzliche Gericht zurück.
1    Weist das erstinstanzliche Verfahren wesentliche Mängel auf, die im Berufungsverfahren nicht geheilt werden können, so hebt das Berufungsgericht das angefochtene Urteil auf und weist die Sache zur Durchführung einer neuen Hauptverhandlung und zur Fällung eines neuen Urteils an das erstinstanzliche Gericht zurück.
2    Das Berufungsgericht bestimmt, welche Verfahrenshandlungen zu wiederholen oder nachzuholen sind.
3    Das erstinstanzliche Gericht ist an die vom Berufungsgericht im Rückweisungsbeschluss vertretenen Rechtsauffassungen und an die Weisungen nach Absatz 2 gebunden.
StPO aufzuheben und die Angelegenheiten zur inhaltlichen Vervollständigung der in den Anklageschriften vom 21. Dezember 2015 enthaltenen Sachverhalte und zur gemeinsamen Neubeurteilung an das Bezirksgericht zurückzuweisen (Beschluss vom 6. März 2018 S. 15 f., Akten des Obergerichts act. 137 f.).

3.2.

3.2.1. Im vorliegenden Strafverfahren konnte mangels Anfechtung durch den Beschwerdeführer nicht überprüft werden, ob der ohne Rechtsmittelbelehrung erlassene Rückweisungsbeschluss der Vorinstanz vom 6. März 2018 vor Bundesrecht standhält. Desgleichen konnte nicht beurteilt werden, ob der fragliche Beschluss nicht schon wegen der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör hätte aufgehoben werden müssen. Auf eine von einem der beiden Mitbeschuldigten des Beschwerdeführers gegen diesen Beschluss geführte Beschwerde ist die I. Öffentlich-rechtliche Abteilung des Bundesgerichts in einem Präsidialentscheid nicht eingetreten mit der Begründung, das nach der angeordneten Neubeurteilung ergangene neue erstinstanzliche Urteil könne mit Berufung angefochten und die Angelegenheit hernach an das Bundesgericht weitergezogen werden (Urteil 1B 225/2018 vom 15. Mai 2018 E. 4.3.

3.2.2. Mangels Anfechtung durch den Beschwerdeführer ist der Beschluss des Obergerichts vom 6. März 2018, mit dem die Angelegenheit zur Neubeurteilung an das Bezirksgericht zurückgewiesen worden ist, mithin in Rechtskraft erwachsen. Das Bezirksgericht ist nach der Rückweisung der Sache indes offenbar nicht tätig geworden, sodass die Angelegenheit geruht hat. Sie hat namentlich weder die Staatsanwaltschaft eingeladen, die Anklageschrift zu ergänzen, noch selber ein Urteil gefällt. Wie sich aus den Verfahrensakten, nicht aber aus der verkürzten Darstellung des Verfahrensgangs im angefochtenen Urteil ergibt, hat der Verfahrensleiter der Vorinstanz das Verfahren mit Verfügung vom 12. März 2019 (Akten des Obergerichts act. 150 f.; vgl. auch act. 147) wieder an das Obergericht gezogen, wobei die Weiterführung des Berufungsverfahrens lediglich in den Erwägungen thematisiert wird und sich das Dispositiv der Verfügung lediglich auf die Anordnung des schriftlichen Verfahrens bezieht. Für ein derartiges Vorgehen, sowohl des Verfahrensleiters als auch des Berufungsgerichts, fehlt indes jegliche gesetzliche Grundlage. Mit der Rückweisung der Sache zur Neubeurteilung und zur Einladung an die Staatsanwaltschaft zu einer Anklageergänzung an das
Bezirksgericht hat die Vorinstanz die Verfahrensleitung an die erste Instanz zurückübertragen und wurde diese zur Beurteilung der Sache funktional zuständig. Solange die erste Instanz kein Urteil gefällt hat bzw. gegen ein solches keine Berufung angemeldet worden ist, kommt dem Obergericht keine Verfahrensleitung zu. Dieses wird erst mit der Übermittlung der (erneuten) Berufungsanmeldung und des schriftlich begründeten Urteils der Vorinstanz samt Akten beim Berufungsgericht für die Verfahrensleitung zuständig (SCHMID/JOSITSCH, Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar, 3. Aufl. 2018, N 7 zu Art. 61; dies., Handbuch des schweizerischen Strafprozessrechts, 3. Aufl., 2017, N 1545; Adrian Jent, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N 14 zu Art. 61). Die Vorinstanz bzw. deren Verfahrensleiter waren mithin nicht befugt, das Verfahren aus eigener Initiative wieder an sich zu ziehen. Das angefochtene Urteil ist daher aufgrund der funktionalen Unzuständigkeit der entscheidenden Behörde nichtig (BGE 144 IV 362 E. 1.4.3). Die Nichtigkeit ist in jedem Verfahrensstadium zu beachten. Es ist daher ohne Bedeutung, dass die Verfügung des Verfahrensleiters nicht angefochten wurde. Aus diesem Grund ist
auch unbeachtlich, dass sich der Beschwerdeführer vor Erlass der fraglichen Verfügung unter Bezugnahme auf eine telefonische Besprechung mit dem Verfahrensleiter mit der Durchführung des schriftlichen Berufungsverfahrens einverstanden erklärt hat (Akten des Obergerichts act. 148).

Die Beschwerde erweist sich in diesem Punkt als begründet. Das Verfahren ist daher zu seiner Weiterführung an die erste Instanz zurückzuweisen. Bei diesem Ergebnis muss auf die weiteren erhobenen Verfahrensrügen, die Willkürrügen sowie die Rügen zur Strafzumessung nicht eingetreten werden.

4.
Aus diesen Gründen ist die Beschwerde gutzuheissen, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an das Bezirksgericht Baden zurückzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
1    Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
2    Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden.
3    Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht.
4    Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist.
5    Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen.
und 4
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
1    Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
2    Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden.
3    Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht.
4    Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist.
5    Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen.
BGG). Der Kanton Aargau hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren angemessen zu entschädigen (Art. 68 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 68 Parteientschädigung - 1 Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind.
1    Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind.
2    Die unterliegende Partei wird in der Regel verpflichtet, der obsiegenden Partei nach Massgabe des Tarifs des Bundesgerichts alle durch den Rechtsstreit verursachten notwendigen Kosten zu ersetzen.
3    Bund, Kantonen und Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen wird in der Regel keine Parteientschädigung zugesprochen, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis obsiegen.
4    Artikel 66 Absätze 3 und 5 ist sinngemäss anwendbar.
5    Der Entscheid der Vorinstanz über die Parteientschädigung wird vom Bundesgericht je nach Ausgang des Verfahrens bestätigt, aufgehoben oder geändert. Dabei kann das Gericht die Entschädigung nach Massgabe des anwendbaren eidgenössischen oder kantonalen Tarifs selbst festsetzen oder die Festsetzung der Vorinstanz übertragen.
BGG). Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gegenstandslos. Die zugesprochene Parteientschädigung ist praxisgemäss jedoch dem Vertreter des Beschwerdeführers auszurichten. Mit dem Entscheid in der Sache wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Es wird festgestellt, dass das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau vom 19. Dezember 2019 nichtig ist und die Sache wird zu neuer Entscheidung an das Bezirksgericht Baden zurückgewiesen.

2.
Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Der Kanton Aargau hat dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von CHF 3'000.-- auszurichten.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 20. Mai 2020

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Der Gerichtsschreiber: Boog
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 6B_165/2020
Date : 20. Mai 2020
Published : 07. Juni 2020
Source : Bundesgericht
Status : Unpubliziert
Subject area : Straftaten
Subject : Versuchter Mord, Drohung, Verteidigungsrechte, Willkür, rechtliches Gehör, Strafzumessung


Legislation register
BGG: 66  68
BV: 8  29  32
EMRK: 6
StGB: 49  89
StPO: 3  9  29  80  325  328  329  330  333  351  379  398  403  408  409
BGE-register
141-IV-132 • 143-IV-408 • 143-IV-63 • 144-IV-362
Weitere Urteile ab 2000
1B_225/2018 • 6B_165/2020 • 6B_879/2018 • 6B_904/2018
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AJP
2012 S.899