Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}

9C 81/2014

Urteil vom 20. Mai 2014

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Meyer, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichterinnen Pfiffner, Glanzmann,
Gerichtsschreiber Fessler.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Christoph Erdös,
Beschwerdeführerin,

gegen

Aquilana Versicherungen,
Bruggerstrasse 46, 5400 Baden
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Krankenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich
vom 26. November 2013.

Sachverhalt:

A.
A.________erlitt bei einem Sturz aus dem Fenster ... u.a. mehrfache Zahnfrakturen. Mit Verfügung vom 8. März 2012 lehnte die Aquilana Versicherungen, bei welcher sie obligatorisch krankenpflegeversichert mit Unfalldeckung war, die Übernahme der Kosten für die vorgesehene zahnärztliche Versorgung mit Ausnahme der Kosten für die notwendigen Anästhesieleistungen und für die Benützung des Operationssaales ab. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 21. Mai 2012 fest.

B.
Die Beschwerde von A.________ wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 26. November 2013 ab.

C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt A.________, der Entscheid vom 26. November 2013 sei aufzuheben und ihr die gesetzlichen KVG/OKP-Leistungen zuzusprechen; eventualiter sei die Sache an die Vorinstanz zur Vornahme einer psychiatrischen Begutachtung und zu neuer Entscheidung zurückzuweisen.

D.
Mit Verfügung vom 10. März 2014 ist das Gesuch von A.________ um unentgeltliche Rechtspflege wegen Aussichtslosigkeit des Prozesses abgewiesen worden.

Erwägungen:

1.
Die Urteilsfähigkeit, um welchen Begriff es im Zusammenhang mit dem Sturz der Beschwerdeführerin aus dem Fenster am 20. September 2011 - nach unbestrittener Feststellung der Vorinstanz in suizidaler Absicht - geht, wird vermutet; wer sich auf Urteilsunfähigkeit beruft, hat diese zu beweisen (Urteile 2C 430/2013 vom 2. Juli 2013 E. 4.2 und 8C 271/2012 vom 17. Juli 2012 E. 3.3, je mit Hinweisen; Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts K 34/90 vom 16. November 1990 E. 3b, in: RKUV 1991 Nr. K 865 S. 21). Der Beweis gilt als geleistet, wenn eine durch übermächtige Triebe gesteuerte Suizidhandlung als wahrscheinlicher erscheint als ein noch in erheblichem Masse vernunftgemässes und willentliches Handeln (Urteil 8C 496/2008 vom 17. April 2009 E. 2.3 in fine mit Hinweisen).

2.
Die Vorinstanz ist in Würdigung der Akten (u.a. Bericht Zentrum B.________ für Kinder- und Jugendpsychiatrie vom 5. Oktober 2011 und Austrittsbericht Psychiatrie C.________ vom 2. März 2012 über den stationären Aufenthalt in der Klinik D.________ vom 25. Oktober 2011 bis 5. März 2012) zum Ergebnis gelangt, es sei nicht auszuschliessen, dass sich die Beschwerdeführerin anlässlich des Ereignisses vom ... in einer kurzen Phase von wahnhafter Symptomatik mit starker Agitiertheit befunden habe und ihre Fähigkeit, vernunftgemäss zu handeln, gänzlich aufgehoben gewesen sei. Ebenso wenig sei jedoch auszuschliessen, dass dem Suizidversuch ein bewusstes Verhalten mit appellativem Charakter zugrunde gelegen und die Fähigkeit zur bewussten Steuerung ihrer Affekte höchstens vermindert, aber nicht vollständig aufgehoben gewesen sei. Es sei nicht möglich, in Bezug auf die Frage, ob die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt des Suizidversuchs hinsichtlich dieser Handlung vollständig urteilsunfähig bzw. lediglich vermindert urteilsunfähig oder sogar uneingeschränkt urteilsfähig gewesen sei, einen Sachverhalt zu ermitteln, der zumindest die überwiegende Wahrscheinlichkeit habe, der Wirklichkeit zu entsprechen. Auf weitere Abklärungen zur Frage der
Urteilsfähigkeit der Beschwerdeführerin im massgebenden Zeitpunkt könne in antizipierender Beweiswürdigung verzichtet werden, da davon keine neuen Erkenntnisse zu erwarten seien.

3.
Die Vorbringen in der Beschwerde vermögen die vorinstanzliche Beweiswürdigung, insbesondere den Verzicht auf weitere Abklärungen, nicht als offensichtlich unrichtig oder sonstwie bundesrechtswidrig (vgl. Art. 97 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 97 Unrichtige Feststellung des Sachverhalts - 1 Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann.
1    Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann.
2    Richtet sich die Beschwerde gegen einen Entscheid über die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung, so kann jede unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gerügt werden.86
bzw. Art. 105 Abs. 2
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 105 Massgebender Sachverhalt - 1 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat.
1    Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat.
2    Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht.
3    Richtet sich die Beschwerde gegen einen Entscheid über die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung, so ist das Bundesgericht nicht an die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz gebunden.95
BGG) erscheinen zu lassen. Dies betrifft vorab das Argument, die Ärzte des jugendpsychiatrischen Dienstes E.________ hätten den Bericht vom 5. Oktober 2011 nicht im Auftrag verfasst, die Frage der Urteilsfähigkeit im massgebenden Zeitpunkt "im Rahmen eines Gutachtens eingehend zu klären". Allein deswegen verliert er nicht an Beweiswert. Sodann ist nicht anzunehmen, dass die Akten zum fürsorgerischen Freiheitsentzug (FFE) wegen erheblicher Selbstgefährdung mit Hospitalisation vom 25. August bis 19. September 2011 und das Polizeiprotokoll diesbezüglich weitere Klarheit bringen können. Erstere geben keine Auskunft über den Tag des Geschehnisses und legen - aufgrund der Entlassung - keine akuten Kontrollverluste nahe. Letzteres ist vor allem technischer Natur und dient der tatsächlichen Beweiserhebung. Im Übrigen hätte die Beschwerdeführerin diese Unterlagen auch selber auflegen können, wenn sich daraus entscheidwesentliche Erkenntnisse ergeben (könnten), wie sie geltend macht. Schliesslich ist das
Vorbringen, sie habe vor dem Sprung aus dem Fenster die Küchentüre abgeschlossen, um ein Eingreifen Dritter wie beim ersten Versuch im März 2011 durch die Eltern zu verhindern, neu und nicht zu hören, da nicht dargelegt wird, inwiefern diese (behauptete) Tatsache erst durch das angefochtene Erkenntnis rechtswesentlich geworden ist (Art. 99 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 99 - 1 Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt.
1    Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt.
2    Neue Begehren sind unzulässig.
BGG; Urteile 9C 970/2012 vom 23. April 2013 E. 4.3.2 und 5A 79/2008 vom 6. August 2008 E. 2.5). Aber selbst wenn es sich so verhalten hätte, änderte dies nichts daran, dass der diesen Geschehnissen zeitlich am nächsten liegende ausführliche Bericht vom 5. Oktober 2011 abschliessend festhielt: "Ob diese erneute schwerwiegende selbstschädigende Handlung im affektiven Ausnahmezustand impulshaft erfolgte, ob eine erneute minimal kurze Phase psychotischer Symptome vorlag oder ob A.________ möglicherweise damit gerechnet hatte, wie beim ersten Versuch, aus dem Fester zu springen (im März 2011) festgehalten zu werden, ist völlig unklar und wird auch in der Rückschau kaum eindeutig zu eruieren sein." Die Rüge der Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes (Art. 43 Abs. 1
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 43 Abklärung - 1 Der Versicherungsträger prüft die Begehren, nimmt die notwendigen Abklärungen von Amtes wegen vor und holt die erforderlichen Auskünfte ein. Mündlich erteilte Auskünfte sind schriftlich festzuhalten.
1    Der Versicherungsträger prüft die Begehren, nimmt die notwendigen Abklärungen von Amtes wegen vor und holt die erforderlichen Auskünfte ein. Mündlich erteilte Auskünfte sind schriftlich festzuhalten.
1bis    Der Versicherungsträger bestimmt die Art und den Umfang der notwendigen Abklärungen.32
2    Soweit ärztliche oder fachliche Untersuchungen für die Beurteilung notwendig und zumutbar sind, hat sich die versicherte Person diesen zu unterziehen.
3    Kommen die versicherte Person oder andere Personen, die Leistungen beanspruchen, den Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten in unentschuldbarer Weise nicht nach, so kann der Versicherungsträger auf Grund der Akten verfügen oder die Erhebungen einstellen und Nichteintreten beschliessen. Er muss diese Personen vorher schriftlich mahnen und auf die Rechtsfolgen hinweisen; ihnen ist eine angemessene Bedenkzeit einzuräumen.
und Art. 61 lit. c
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 61 Verfahrensregeln - Das Verfahren vor dem kantonalen Versicherungsgericht bestimmt sich unter Vorbehalt von Artikel 1 Absatz 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 20. Dezember 196846 nach kantonalem Recht. Es hat folgenden Anforderungen zu genügen:
a  Das Verfahren muss einfach, rasch und in der Regel öffentlich sein.
b  Die Beschwerde muss eine gedrängte Darstellung des Sachverhaltes, ein Rechtsbegehren und eine kurze Begründung enthalten. Genügt sie diesen Anforderungen nicht, so setzt das Versicherungsgericht der Beschwerde führenden Person eine angemessene Frist zur Verbesserung und verbindet damit die Androhung, dass sonst auf die Beschwerde nicht eingetreten wird.
c  Das Versicherungsgericht stellt unter Mitwirkung der Parteien die für den Entscheid erheblichen Tatsachen fest; es erhebt die notwendigen Beweise und ist in der Beweiswürdigung frei.
d  Das Versicherungsgericht ist an die Begehren der Parteien nicht gebunden. Es kann eine Verfügung oder einen Einspracheentscheid zu Ungunsten der Beschwerde führenden Person ändern oder dieser mehr zusprechen, als sie verlangt hat, wobei den Parteien vorher Gelegenheit zur Stellungnahme sowie zum Rückzug der Beschwerde zu geben ist.
e  Rechtfertigen es die Umstände, so können die Parteien zur Verhandlung vorgeladen werden.
f  Das Recht, sich verbeiständen zu lassen, muss gewährleistet sein. Wo die Verhältnisse es rechtfertigen, wird der Beschwerde führenden Person ein unentgeltlicher Rechtsbeistand bewilligt.
fbis  Bei Streitigkeiten über Leistungen ist das Verfahren kostenpflichtig, wenn dies im jeweiligen Einzelgesetz vorgesehen ist; sieht das Einzelgesetz keine Kostenpflicht bei solchen Streitigkeiten vor, so kann das Gericht einer Partei, die sich mutwillig oder leichtsinnig verhält, Gerichtskosten auferlegen.
g  Die obsiegende Beschwerde führende Person hat Anspruch auf Ersatz der Parteikosten. Diese werden vom Versicherungsgericht festgesetzt und ohne Rücksicht auf den Streitwert nach der Bedeutung der Streitsache und nach der Schwierigkeit des Prozesses bemessen.
h  Die Entscheide werden, versehen mit einer Begründung und einer Rechtsmittelbelehrung sowie mit den Namen der Mitglieder des Versicherungsgerichts schriftlich eröffnet.
i  Die Revision von Entscheiden wegen Entdeckung neuer Tatsachen oder Beweismittel oder wegen Einwirkung durch Verbrechen oder Vergehen muss gewährleistet sein.
ATSG) ist unbegründet.

4.
Der angefochtene Entscheid verletzt kein Bundesrecht.

5.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
1    Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
2    Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden.
3    Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht.
4    Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist.
5    Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen.
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 20. Mai 2014
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied: Meyer

Der Gerichtsschreiber: Fessler
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 9C_81/2014
Date : 20. Mai 2014
Published : 07. Juni 2014
Source : Bundesgericht
Status : Unpubliziert
Subject area : Krankenversicherung
Subject : Krankenversicherung


Legislation register
ATSG: 43  61
BGG: 66  97  99  105
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