Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
6B 1389/2017
Urteil vom 19. September 2018
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichter Oberholzer,
Bundesrichterin Jametti,
Gerichtsschreiber Briw.
Verfahrensbeteiligte
X.________, (verstorben am 30.6.2018),
vertreten durch Rechtsanwalt Armin Stöckli,
Beschwerdeführer,
gegen
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau, Frey-Herosé-Strasse 20, Wielandhaus, 5001 Aarau,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Abschreibung des Verfahrens (grobe Verletzung der Verkehrsregeln),
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht, 3. Kammer, vom 2. November 2017 (SST.2017.192).
Sachverhalt:
A.
Die Staatsanwaltschaft Baden wirft X.________ vor, am 1. Juli 2016 mit seinem Motorrad die signalisierte Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 36 km/h überschritten und damit eine grobe Verletzung der Verkehrsregeln begangen zu haben.
X.________ wurde im unmittelbaren Anschluss an die Geschwindigkeitskontrolle angehalten und polizeilich befragt. Sein Lernfahrausweis wurde zuhanden der Entzugsbehörde vorläufig abgenommen. Ein Übersetzer wurde für die Befragung nicht beigezogen. X.________ bestätigte aber unterschriftlich, in verständlicher Sprache zu den Personalien befragt, über den Gegenstand des Strafverfahrens informiert und über seine Rechte und Pflichten belehrt worden zu sein.
B.
Die Staatsanwaltschaft Baden sprach X.________ mit Strafbefehl vom 15. August 2016 der groben Verletzung der Verkehrsregeln durch Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit schuldig und bestrafte ihn mit einer bedingten Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu Fr. 120.-- sowie einer Verbindungsbusse von Fr. 800.--.
Der Strafbefehl wurde gleichentags mit eingeschriebener Post versandt und am 16. August 2016 X.________ zur Abholung avisiert. Nach Ablauf der siebentägigen Abholfrist retournierte die Post den Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Baden.
Im gleichzeitig geführten Administrativmassnahmenverfahren räumte das Strassenverkehrsamt des Kantons Aargau X.________ am 29. Juli 2016 die Möglichkeit zu einer Stellungnahme ein. Der von ihm daraufhin mandatierte Rechtsvertreter ersuchte am 17. August 2016 das Strassenverkehrsamt um Zustellung der Verfahrensakten und zugleich um Sistierung des Administrativmassnahmenverfahrens bis zum rechtskräftigen Abschluss eines allfälligen Strafverfahrens. Das Strassenverkehrsamt gelangte am 19. August 2016 an die Staatsanwaltschaft Baden und ersuchte um Zustellung des Strafbefehls nach rechtskräftigem Abschluss des Strafverfahrens. Die Staatsanwaltschaft übermittelte dem Strassenverkehrsamt am 20. September 2016 den Strafbefehl. Mit Mahnung vom gleichen Tag forderte die Staatsanwaltschaft X.________ auf, die ihrer Ansicht nach in der Zwischenzeit in Rechtskraft erwachsenen Busse und Kosten zu bezahlen.
Das Strassenverkehrsamt übermittelte am 30. September 2016 (Eingang am 3. Oktober 2016) dem Rechtsvertreter die Verfahrensakten. Dieser teilte am 5. Oktober 2016 dem Bezirksgericht Baden mit, sein Mandant habe lediglich die Mahnung vom 20. September 2016, nicht aber auch den darin erwähnten Strafbefehl vom 15. August 2016 erhalten. Zugleich ersuchte er um Zustellung der Verfahrensakten und erhob vorsorglich Einsprache gegen den Strafbefehl.
C.
Der Präsident des Bezirksgerichts Baden sprach X.________ auf Einsprache hin mit Urteil vom 31. Mai 2017 der groben Verletzung der Verkehrsregeln schuldig und bestrafte ihn mit einer bedingten Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu Fr. 120.-- sowie einer Verbindungsbusse von Fr. 800.--. Er zog für die mündliche Verhandlung eine Übersetzerin bei und stellte fest, dass X.________ kaum der deutschen Sprache mächtig und zwingend auf eine Übersetzung angewiesen sei. Der Präsident verwarf die von X.________ erhobenen Einwendungen gegen die Annahme einer Zustellfiktion. Er qualifizierte aber die Eröffnung des Strafbefehls als rechtsfehlerhaft, weil X.________ weder der wesentliche Inhalt des Strafbefehls noch die Rechtsmittelbelehrung übersetzt worden waren. Er erachtete deshalb das Datum der effektiven Kenntnisnahme des Strafbefehls durch X.________ bzw. seinen Rechtsvertreter für den Beginn der Einsprachefrist als massgebend, trat folglich auf die Einsprache ein und fällte ein neues Urteil, welches inhaltlich dem ursprünglichen Strafbefehl entsprach.
D.
Auf Berufung von X.________ setzte das Obergericht des Kantons Aargau die Berufungsverhandlung auf den 17. Oktober 2017 an. Am 28. September 2017 teilte es den Parteien mit, dass die Berufungsverhandlung abgesetzt und zunächst im schriftlichen Verfahren über die Rechtzeitigkeit der Einsprache entschieden werde.
Das Obergericht hob am 2. November 2017 das Urteil des Präsidenten des Bezirksgerichts Baden auf, stellte fest, dass der Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Baden vom 15. August 2016 in Rechtskraft erwachsen war und trat auf die Berufung nicht ein. Es auferlegte die obergerichtlichen Verfahrenskosten von Fr. 2'500.-- und die reduzierten erstinstanzlichen Verfahrenskosten von Fr. 1'000.-- X.________.
E.
X.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, den vorinstanzlichen Entscheid aufzuheben und die Sache zur materiellen Behandlung der Berufung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Im Vernehmlassungsverfahren teilte die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau mit, dass X.________ am 30. Juni 2018 verstorben ist. Das Obergericht hielt fest, das Verfahren sei, wie vom Bundesgericht in Aussicht gestellt, als gegenstandslos abzuschreiben.
Der Rechsvertreter beantragte, aufgrund des Todesfalls sei das Strafverfahren von der Anklägerin einzustellen, die Kosten seien dem Kanton Aargau aufzuerlegen, unter Verfahrens- und Entschädigungsfolgen zu Lasten des Kantons Aargau.
Erwägungen:
1.
Der Tod der beschuldigten Person während des kantonalen Verfahrens führt zur Verfahrenseinstellung (vgl. Art. 319 Abs. 1 lit. d

SR 312.0 Code de procédure pénale suisse du 5 octobre 2007 (Code de procédure pénale, CPP) - Code de procédure pénale CPP Art. 319 Motifs de classement - 1 Le ministère public ordonne le classement de tout ou partie de la procédure: |

SR 312.0 Code de procédure pénale suisse du 5 octobre 2007 (Code de procédure pénale, CPP) - Code de procédure pénale CPP Art. 403 Entrée en matière - 1 La juridiction d'appel rend par écrit sa décision sur la recevabilité de l'appel lorsque la direction de la procédure ou une partie fait valoir: |
Bei diesem Verfahrensausgang sind keine Gerichtskosten zu erheben.
Ergibt eine summarische Prüfung der Beschwerde, dass diese mit überwiegender Wahrscheinlichkeit begründet gewesen wäre, so ist der Kanton Aargau zu verpflichten, den Rechtsvertreter für das bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen (Art. 71

SR 173.110 Loi du 17 juin 2005 sur le Tribunal fédéral (LTF) - Organisation judiciaire LTF Art. 71 - Lorsque la présente loi ne contient pas de dispositions de procédure, les dispositions de la PCF32 sont applicables par analogie. |

SR 273 Loi fédérale du 4 décembre 1947 de procédure civile fédérale PCF Art. 72 - Lorsqu'un procès devient sans objet ou que les parties cessent d'y avoir un intérêt juridique, le tribunal, après avoir entendu les parties mais sans autres débats, déclare l'affaire terminée et statue sur les frais du procès par une décision sommairement motivée, en tenant compte de l'état de choses existant avant le fait qui met fin au litige. |
2.
Bevor sich die Vorinstanz zur Eintretensfrage äusserte, entschied sie im Rahmen des von ihr angeordneten schriftlichen Verfahrens "von Amtes wegen" vorab über die Gültigkeit der gegen den Strafbefehl erhobenen Einsprache. Sie gelangte im Unterschied zur ersten Instanz zum Ergebnis, dass der Strafbefehl rechtsgültig zugestellt worden war und die dagegen gerichtete Einsprache verspätet gewesen sei. Darauf gestützt hob sie das Urteil der Erstinstanz auf, stellte fest, dass der Strafbefehl in Rechtskraft erwachsen war und trat erst anschliessend auf die Berufung nicht ein.
Das Berufungsgericht entscheidet in einem schriftlichen Verfahren, ob auf die Berufung einzutreten ist, wenn die Verfahrensleitung oder eine Partei geltend macht, die Berufung sei verspätet oder unzulässig, ein zulässiges Anfechtungsobjekt sei nicht gegeben oder es fehlten Prozessvoraussetzungen oder lägen Prozesshindernisse vor (Art. 403 Abs. 1

SR 312.0 Code de procédure pénale suisse du 5 octobre 2007 (Code de procédure pénale, CPP) - Code de procédure pénale CPP Art. 403 Entrée en matière - 1 La juridiction d'appel rend par écrit sa décision sur la recevabilité de l'appel lorsque la direction de la procédure ou une partie fait valoir: |

SR 312.0 Code de procédure pénale suisse du 5 octobre 2007 (Code de procédure pénale, CPP) - Code de procédure pénale CPP Art. 408 Nouveau jugement - 1 Si la juridiction d'appel entre en matière, elle rend un nouveau jugement qui remplace le jugement de première instance. |

SR 312.0 Code de procédure pénale suisse du 5 octobre 2007 (Code de procédure pénale, CPP) - Code de procédure pénale CPP Art. 437 Entrée en force - 1 Les jugements et les autres décisions de clôture contre lesquels un moyen de recours selon le présent code est recevable entrent en force: |
Die Vorinstanz begründet ihren Nichteintretensentscheid nicht mit fehlenden Eintretensvoraussetzungen im Sinne von Art. 403 Abs. 1

SR 312.0 Code de procédure pénale suisse du 5 octobre 2007 (Code de procédure pénale, CPP) - Code de procédure pénale CPP Art. 403 Entrée en matière - 1 La juridiction d'appel rend par écrit sa décision sur la recevabilité de l'appel lorsque la direction de la procédure ou une partie fait valoir: |
3.
Mit seiner Berufung beantragte der Beschwerdeführer vor der Vorinstanz einen vollumfänglichen Freispruch von der Anklage der groben Verletzung der Verkehrsregeln. Er erhob Einwendungen sowohl gegen die Sachverhaltsfeststellung wie auch gegen die rechtliche Würdigung der Erstinstanz.
Wird gegen einen Strafbefehl Einsprache erhoben, gilt dieser als Anklageschrift (Art. 356 Abs. 1

SR 312.0 Code de procédure pénale suisse du 5 octobre 2007 (Code de procédure pénale, CPP) - Code de procédure pénale CPP Art. 356 Procédure devant le tribunal de première instance - 1 Lorsqu'il décide de maintenir l'ordonnance pénale, le ministère public transmet sans retard le dossier au tribunal de première instance en vue des débats. L'ordonnance pénale tient lieu d'acte d'accusation. |

SR 312.0 Code de procédure pénale suisse du 5 octobre 2007 (Code de procédure pénale, CPP) - Code de procédure pénale CPP Art. 356 Procédure devant le tribunal de première instance - 1 Lorsqu'il décide de maintenir l'ordonnance pénale, le ministère public transmet sans retard le dossier au tribunal de première instance en vue des débats. L'ordonnance pénale tient lieu d'acte d'accusation. |
Das Berufungsgericht überprüft das erstinstanzliche Urteil nur in den angefochtenen Punkten (Art. 404 Abs. 1

SR 312.0 Code de procédure pénale suisse du 5 octobre 2007 (Code de procédure pénale, CPP) - Code de procédure pénale CPP Art. 404 Étendue de l'examen - 1 La juridiction d'appel n'examine que les points attaqués du jugement de première instance. |

SR 312.0 Code de procédure pénale suisse du 5 octobre 2007 (Code de procédure pénale, CPP) - Code de procédure pénale CPP Art. 404 Étendue de l'examen - 1 La juridiction d'appel n'examine que les points attaqués du jugement de première instance. |

SR 312.0 Code de procédure pénale suisse du 5 octobre 2007 (Code de procédure pénale, CPP) - Code de procédure pénale CPP Art. 391 Décision - 1 Lorsqu'elle rend sa décision, l'autorité de recours n'est pas liée: |

SR 312.0 Code de procédure pénale suisse du 5 octobre 2007 (Code de procédure pénale, CPP) - Code de procédure pénale CPP Art. 391 Décision - 1 Lorsqu'elle rend sa décision, l'autorité de recours n'est pas liée: |
Nachdem das erstinstanzliche Gericht die Einsprache als rechtzeitig erachtet hatte und auf die Anklage eingetreten war, der Beschwerdeführer allein Berufung erhoben hatte, und die Gültigkeit der Anklage von keiner der Parteien angefochten worden war, bildete diese Frage nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens. Der Vorinstanz war es somit verwehrt, die Gültigkeit der Anklage und damit auch die Rechtzeitigkeit der Einsprache gegen den Strafbefehl einer erneuten Überprüfung zu unterziehen. Der angefochtene Entscheid wäre bereits deshalb aufzuheben gewesen.
4.
Eine summarische Prüfung ergibt, dass die Beschwerde gutzuheissen gewesen wäre. Entsprechend ist der Kanton Aargau zu verpflichten, den Rechtsvertreter für das bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen (oben E. 1). Der Rechtsvertreter macht einen Anspruch auf Entschädigung von [gerundet] Fr. 2'472.-- geltend (Vernehmlassung S. 3). Diese Entschädigung ist ihm ohne Weiteres zuzusprechen.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Das bundesgerichtliche Beschwerdeverfahren wird abgeschrieben.
2.
Es werden keine Kosten erhoben.
3.
Der Kanton Aargau hat Rechtsanwalt Armin Stöckli für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. Fr. 2'472.-- zu entschädigen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 3. Kammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 19. September 2018
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Denys
Der Gerichtsschreiber: Briw