Bundesverwaltungsgericht
Tribunal administratif fédéral
Tribunale amministrativo federale
Tribunal administrativ federal


Abteilung VI

F-2025/2018

Urteil vom 18. Januar 2019

Richter Martin Kayser (Vorsitz),

Richterin Regula Schenker Senn,
Besetzung
Richter Andreas Trommer,

Gerichtsschreiberin Ulrike Raemy.

A._______,
Parteien
Beschwerdeführer,

gegen

Staatssekretariat für Migration SEM,

Quellenweg 6, 3003 Bern,

Vorinstanz.

Gegenstand Visum aus humanitären Gründen.

Sachverhalt:

A.
Der bangladeschische Staatsangehörige A._______ (geb. [...]) beantragte für sich und seine Familie am 25. Oktober 2017 bei der Schweizerischen Botschaft in Dhaka (Bangladesch; nachfolgend: Botschaft) die Ausstellung von Visa, nachdem er sich bereits am 3. Oktober 2017 sowie am 10. Oktober 2017 mit einer E-Mail an die Vorinstanz gewandt hatte. Die Botschaft nahm seinen Antrag als Gesuch um Ausstellung humanitärer Visa entgegen.

B.
Mit Formularverfügung vom 4. Februar 2018 verweigerte die Botschaft die Ausstellung von Visa aus humanitären Gründen an A._______ und dessen Familie (Akten der Vorinstanz [SEM-act.] 12 S. 135 f.).

C.
Eine gleichentags dagegen erhobene Einsprache des Beschwerdeführers wies die Vorinstanz mit Verfügung vom 20. Februar 2018 ab. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, es lägen keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer gesteigerten Bedrohung der Lebens- und Existenzbedingen des Beschwerdeführers und seiner Familie bedingt durch deren christlichen Glauben vor. Wie der Beschwerdeführer in seiner Einsprache selber erwähnt habe, proklamiere die bangladeschische Verfassung zwar den Islam als Staatsreligion, garantiere aber die religiöse Bekenntnisfreiheit und es bestehe grundsätzlich keine unmittelbare Einschränkung religiöser Bestätigung durch staatliche Behörden. Im Zusammenhang mit den geltend gemachten Behelligungen hielt das SEM fest, dass es dem Beschwerdeführer möglich gewesen sei, bei der Polizei eine Anzeige zu machen ("General Diary"). Folglich könne davon ausgegangen werden, dass er Zugang zur Schutzinfrastruktur in Bangladesch habe und er daher nicht auf den Schutz der Schweiz angewiesen sei (vgl. SEM-act. 15).

D.
Gegen den Einspracheentscheid gelangte der Beschwerdeführer mit einer Eingabe vom 2. April 2018 an die schweizerische Vertretung in Dhaka, welche die Eingabe zuständigkeitshalber an das Bundesverwaltungsgericht weiterleitete. In seiner Begründung wiederholte er die ihm und seiner Familie widerfahrenen Behelligungen und verwies auf aus den Medien bekannte Übergriffe islamischer Gruppierungen auf Einzelpersonen in den letzten Jahren (vgl. Akten des Bundesverwaltungsgerichts [BVGer-act.] 1).

E.
In ihrer Vernehmlassung vom 17. April 2018 hielt die Vorinstanz an ihren Ausführungen fest (vgl. BVGer-act. 4).

F.
Replikweise liess sich der Beschwerdeführer am 31. Mai 2018 vernehmen (vgl. BVGer-act. 6).

G.
Mit E-Mail vom 16. Oktober 2018 erkundigte er sich bei der Schweizer Vertretung nach dem aktuellen Verfahrensstand, woraufhin ihn der damals zuständige Instruktionsrichter mit Schreiben vom 13. November 2018 noch um etwas Geduld bat. Dieses Schreiben wurde dem Beschwerdeführer von der Botschaft elektronisch zugestellt (vgl. BVGer-act. 13).

H.
Auf den weiteren Akteninhalt wird, soweit rechtserheblich, in den Erwägungen eingegangen.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

1.1 Von der Vorinstanz erlassene Einspracheentscheide bezüglich Schengen- und humanitäre Visa sind mit Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht anfechtbar (vgl. Art. 31 ff
SR 173.32 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgerichtsgesetz, VGG) - Verwaltungsgerichtsgesetz
VGG Art. 31 Grundsatz - Das Bundesverwaltungsgericht beurteilt Beschwerden gegen Verfügungen nach Artikel 5 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 196822 über das Verwaltungsverfahren (VwVG).
. VGG i.V.m. Art. 5
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 5 - 1 Als Verfügungen gelten Anordnungen der Behörden im Einzelfall, die sich auf öffentliches Recht des Bundes stützen und zum Gegenstand haben:
1    Als Verfügungen gelten Anordnungen der Behörden im Einzelfall, die sich auf öffentliches Recht des Bundes stützen und zum Gegenstand haben:
a  Begründung, Änderung oder Aufhebung von Rechten oder Pflichten;
b  Feststellung des Bestehens, Nichtbestehens oder Umfanges von Rechten oder Pflichten;
c  Abweisung von Begehren auf Begründung, Änderung, Aufhebung oder Feststellung von Rechten oder Pflichten oder Nichteintreten auf solche Begehren.
2    Als Verfügungen gelten auch Vollstreckungsverfügungen (Art. 41 Abs. 1 Bst. a und b), Zwischenverfügungen (Art. 45 und 46), Einspracheentscheide (Art. 30 Abs. 2 Bst. b und 74), Beschwerdeentscheide (Art. 61), Entscheide im Rahmen einer Revision (Art. 68) und die Erläuterung (Art. 69).25
3    Erklärungen von Behörden über Ablehnung oder Erhebung von Ansprüchen, die auf dem Klageweg zu verfolgen sind, gelten nicht als Verfügungen.
VwVG)

1.2 Sofern das VGG nichts anderes bestimmt, richtet sich das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nach dem VwVG (Art. 37
SR 173.32 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgerichtsgesetz, VGG) - Verwaltungsgerichtsgesetz
VGG Art. 37 Grundsatz - Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht richtet sich nach dem VwVG61, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt.
VGG). Da die ursprünglich zuständige Instruktionsrichterin per Ende Mai 2018 in den Ruhestand trat, wurde im vorliegenden Verfahren die Besetzung mehrfach ergänzt.

1.3 Der Beschwerdeführer ist gemäss Art. 48 Abs. 1
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 48 - 1 Zur Beschwerde ist berechtigt, wer:
1    Zur Beschwerde ist berechtigt, wer:
a  vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen hat oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat;
b  durch die angefochtene Verfügung besonders berührt ist; und
c  ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat.
2    Zur Beschwerde berechtigt sind ferner Personen, Organisationen und Behörden, denen ein anderes Bundesgesetz dieses Recht einräumt.
VwVG zur Beschwerde legitimiert. Auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt (Art. 50
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 50 - 1 Die Beschwerde ist innerhalb von 30 Tagen nach Eröffnung der Verfügung einzureichen.
1    Die Beschwerde ist innerhalb von 30 Tagen nach Eröffnung der Verfügung einzureichen.
2    Gegen das unrechtmässige Verweigern oder Verzögern einer Verfügung kann jederzeit Beschwerde geführt werden.
und 52
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 52 - 1 Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers oder seines Vertreters zu enthalten; die Ausfertigung der angefochtenen Verfügung und die als Beweismittel angerufenen Urkunden sind beizulegen, soweit der Beschwerdeführer sie in Händen hat.
1    Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers oder seines Vertreters zu enthalten; die Ausfertigung der angefochtenen Verfügung und die als Beweismittel angerufenen Urkunden sind beizulegen, soweit der Beschwerdeführer sie in Händen hat.
2    Genügt die Beschwerde diesen Anforderungen nicht oder lassen die Begehren des Beschwerdeführers oder deren Begründung die nötige Klarheit vermissen und stellt sich die Beschwerde nicht als offensichtlich unzulässig heraus, so räumt die Beschwerdeinstanz dem Beschwerdeführer eine kurze Nachfrist zur Verbesserung ein.
3    Sie verbindet diese Nachfrist mit der Androhung, nach unbenutztem Fristablauf auf Grund der Akten zu entscheiden oder, wenn Begehren, Begründung oder Unterschrift fehlen, auf die Beschwerde nicht einzutreten.
VwVG).

2.
Mit Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht können vorliegend die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes und die Unangemessenheit gerügt werden (Art. 49
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 49 - Der Beschwerdeführer kann mit der Beschwerde rügen:
a  Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens;
b  unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes;
c  Unangemessenheit; die Rüge der Unangemessenheit ist unzulässig, wenn eine kantonale Behörde als Beschwerdeinstanz verfügt hat.
VwVG). Das Bundesverwaltungsgericht wendet das bundesrecht von Amtes wegen an. Es ist gemäss Art. 62 Abs. 4
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 62 - 1 Die Beschwerdeinstanz kann die angefochtene Verfügung zugunsten einer Partei ändern.
1    Die Beschwerdeinstanz kann die angefochtene Verfügung zugunsten einer Partei ändern.
2    Zuungunsten einer Partei kann sie die angefochtene Verfügung ändern, soweit diese Bundesrecht verletzt oder auf einer unrichtigen oder unvollständigen Feststellung des Sachverhaltes beruht; wegen Unangemessenheit darf die angefochtene Verfügung nicht zuungunsten einer Partei geändert werden, ausser im Falle der Änderung zugunsten einer Gegenpartei.
3    Beabsichtigt die Beschwerdeinstanz, die angefochtene Verfügung zuungunsten einer Partei zu ändern, so bringt sie der Partei diese Absicht zur Kenntnis und räumt ihr Gelegenheit zur Gegenäusserung ein.
4    Die Begründung der Begehren bindet die Beschwerdeinstanz in keinem Falle.
VwVG nicht an die Begründung der Begehren gebunden und kann die Beschwerde auch aus anderen als den geltend gemachten Gründen gutheissen oder abweisen. Massgebend ist grundsätzlich die Sachlage zum Zeitpunkt seines Entscheides (vgl. BVGE 2014/1 E. 2 m.H.).

3.

3.1 Als Staatsangehöriger Bangladeschs unterliegt der Beschwerdeführer für die Einreise in die Schweiz der Visumspflicht. Mit seinem Gesuch beabsichtigt er einen längerfristigen Aufenthalt, weshalb nicht die Erteilung eines Schengen-Visums zu prüfen ist, sondern mit Art. 4
SR 142.204 Verordnung vom 15. August 2018 über die Einreise und die Visumerteilung (VEV)
VEV Art. 4 Einreisevoraussetzungen für einen längerfristigen Aufenthalt - 1 Für einen längerfristigen Aufenthalt müssen Ausländerinnen und Ausländer neben den Voraussetzungen nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstaben a, d und e des Schengener Grenzkodex43 zusätzlich folgende Einreisevoraussetzungen erfüllen:
1    Für einen längerfristigen Aufenthalt müssen Ausländerinnen und Ausländer neben den Voraussetzungen nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstaben a, d und e des Schengener Grenzkodex43 zusätzlich folgende Einreisevoraussetzungen erfüllen:
a  Sie müssen, sofern erforderlich, über ein Visum für einen längerfristigen Aufenthalt nach Artikel 9 verfügen.
b  Sie müssen die ausländerrechtlichen Zulassungsvoraussetzungen für den beabsichtigten Aufenthaltszweck erfüllen.
2    Ausländerinnen und Ausländern, die die Voraussetzungen von Absatz 1 nicht erfüllen, kann in begründeten Fällen aus humanitären Gründen die Einreise in die Schweiz für einen längerfristigen Aufenthalt bewilligt werden. Ein solcher Fall liegt insbesondere dann vor, wenn die betreffende Person im Herkunftsstaat unmittelbar, ernsthaft und konkret an Leib und Leben gefährdet ist.
der Verordnung vom 22. Oktober 2008 über die Einreise und die Visumerteilung (VEV, SR 142.204) nationales Recht zur Anwendung gelangt. Die revidierte VEV ersetzt die aufgehobene Verordnung vom 22. Oktober 2008 über die Einreise und die Visumerteilung (aVEV, AS 2008 5441). Gemäss der Übergangsbestimmung von Art. 70
SR 142.204 Verordnung vom 15. August 2018 über die Einreise und die Visumerteilung (VEV)
VEV Art. 70 Übergangsbestimmung - Verfahren, die bei Inkrafttreten dieser Verordnung hängig sind, werden nach neuem Recht fortgeführt.
VEV kommt im vorliegenden Verfahren das neue Recht zur Anwendung. Mit der Neufassung von Art. 4 Abs. 2
SR 142.204 Verordnung vom 15. August 2018 über die Einreise und die Visumerteilung (VEV)
VEV Art. 4 Einreisevoraussetzungen für einen längerfristigen Aufenthalt - 1 Für einen längerfristigen Aufenthalt müssen Ausländerinnen und Ausländer neben den Voraussetzungen nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstaben a, d und e des Schengener Grenzkodex43 zusätzlich folgende Einreisevoraussetzungen erfüllen:
1    Für einen längerfristigen Aufenthalt müssen Ausländerinnen und Ausländer neben den Voraussetzungen nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstaben a, d und e des Schengener Grenzkodex43 zusätzlich folgende Einreisevoraussetzungen erfüllen:
a  Sie müssen, sofern erforderlich, über ein Visum für einen längerfristigen Aufenthalt nach Artikel 9 verfügen.
b  Sie müssen die ausländerrechtlichen Zulassungsvoraussetzungen für den beabsichtigten Aufenthaltszweck erfüllen.
2    Ausländerinnen und Ausländern, die die Voraussetzungen von Absatz 1 nicht erfüllen, kann in begründeten Fällen aus humanitären Gründen die Einreise in die Schweiz für einen längerfristigen Aufenthalt bewilligt werden. Ein solcher Fall liegt insbesondere dann vor, wenn die betreffende Person im Herkunftsstaat unmittelbar, ernsthaft und konkret an Leib und Leben gefährdet ist.
VEV hat der Gesetzgeber die rechtliche Grundlage für den Anwendungsbereich der humanitären Visa für einen längerfristigen Aufenthalt geschaffen, nachdem bis anhin diese Gesetzeslücke durch die bundesgerichtliche Rechtsprechung gefüllt wurde (vgl. Urteil des BVGer F-5646/2018 vom 1. November 2018 E. 3.5 [zur Publikation vorgesehen]; F-7298/2016 vom 19. Juni 2017 E. 4.2 und E. 4.3; je m.H.).

3.2 Die materiellen Prüfkriterien für die Voraussetzungen der Erteilung eines humanitären Visums werden von der Verordnungsänderung nicht berührt. Art. 4 Abs. 2
SR 142.204 Verordnung vom 15. August 2018 über die Einreise und die Visumerteilung (VEV)
VEV Art. 4 Einreisevoraussetzungen für einen längerfristigen Aufenthalt - 1 Für einen längerfristigen Aufenthalt müssen Ausländerinnen und Ausländer neben den Voraussetzungen nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstaben a, d und e des Schengener Grenzkodex43 zusätzlich folgende Einreisevoraussetzungen erfüllen:
1    Für einen längerfristigen Aufenthalt müssen Ausländerinnen und Ausländer neben den Voraussetzungen nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstaben a, d und e des Schengener Grenzkodex43 zusätzlich folgende Einreisevoraussetzungen erfüllen:
a  Sie müssen, sofern erforderlich, über ein Visum für einen längerfristigen Aufenthalt nach Artikel 9 verfügen.
b  Sie müssen die ausländerrechtlichen Zulassungsvoraussetzungen für den beabsichtigten Aufenthaltszweck erfüllen.
2    Ausländerinnen und Ausländern, die die Voraussetzungen von Absatz 1 nicht erfüllen, kann in begründeten Fällen aus humanitären Gründen die Einreise in die Schweiz für einen längerfristigen Aufenthalt bewilligt werden. Ein solcher Fall liegt insbesondere dann vor, wenn die betreffende Person im Herkunftsstaat unmittelbar, ernsthaft und konkret an Leib und Leben gefährdet ist.
VEV hält nun ausdrücklich die bereits vor dem Erlass der neuen Rechtsgrundlage geltende Praxis fest, wonach ein humanitäres Visum dann erteilt werden kann, wenn die betreffende Person im Herkunftsstaat unmittelbar, ernsthaft und konkret an Leib und Leben gefährdet ist. Demnach kann ausnahmsweise ein nationales Visum aus humanitären Gründen erteilt werden, wenn bei einer Person aufgrund des konkreten Einzelfalls offensichtlich davon ausgegangen werden muss, dass sie sich im Heimat- oder Herkunftsstaat in einer besonderen Notsituation befindet, die ein behördliches Eingreifen zwingend erforderlich macht und es rechtfertigt, ihr - im Gegensatz zu anderen Personen in derselben Lage - ein Einreisevisum zu erteilen. Dies kann etwa bei akuten kriegerischen Ereignissen oder aufgrund einer konkreten individuellen Gefährdung, die sie mehr als alle anderen Personen betrifft, gegeben sein (Urteil des BVGer F-4658/2017 vom 7. Dezember 2018 E. 3.2 m.H.)

3.3 Das Visumsgesuch ist unter Berücksichtigung der aktuellen Gefährdung, der persönlichen Umstände der betroffenen Person und der Lage im Heimat- oder Herkunftsland sorgfältig zu prüfen. Dabei können auch weitere Kriterien wie das Bestehen von Bindungen zur Schweiz und die hier bestehenden Integrationsaussichten oder die Unmöglichkeit, in einem anderen Land nach Schutz nachzusuchen, berücksichtigt werden (vgl. Urteile des BVGer F-5646/2018 vom 1. November 2018 E. 3.6.3 [zur Publikation vorgesehen]; F-7298/2016 vom 19. Juni 2017 E. 4.2 am Ende; vgl. ferner BVGE 2015/5 E. 4.1.3; je m.H.).

4.

4.1 In der angefochtenen Verfügung verneinte die Vorinstanz, dass der Gesuchsteller und seine Familie aufgrund ihres christlichen Glaubens und des Berufs des Beschwerdeführers als Pastor in Bangladesch unmittelbar, ernsthaft und konkret an Leib und Leben bedroht seien. Sie begründet dies damit, dass die Volksrepublik Bangladesch als verfolgungssicherer Staat gelte (vgl. Urteil des BVGer E-5561/2017 vom 12. Januar 2018 E. 7.3.2 m.H.), und gibt unter Hinweis auf die bundesverwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zu bedenken, dass ein absoluter Schutz vor einer von Privatpersonen ausgehenden Verfolgung nicht erforderlich ist. Vielmehr sei entscheidend, dass Betroffene effektiven Zugang zur vorhandenen Schutzinfrastruktur haben und ihnen zugemutet werden dürfe, diese in Anspruch zu nehmen. Das SEM verkenne in diesem Zusammenhang durchaus nicht, dass sich der Beschwerdeführer in Bangladesch auf eine schwierige Situation berufe. Doch würden die Schilderungen des Beschwerdeführers auch gewisse "Unglaubhaftigkeitselemente" aufweisen, und die teils in sehr kurzen Zeitabständen beschafften bzw. datierten Unterlagen den Eindruck erwecken, diese könnten konstruiert bzw. fabriziert sein. Nicht nur aufgrund der festgestellten fehlenden Glaubhaftigkeit, sondern auch angesichts des gerichtsnotorischen Umstands, dass gefälschte Polizei- und Gerichtsdokumente - selbst Gerichtsurteile - in Bangladesch leicht käuflich erwerbbar seien (vgl. Urteil E-696/2016 vom 18. März 2016 E.7.2.2 m.H.) komme den eingereichten Unterlagen kein (eindeutiger) Beweiswert zu.

4.2 Der Beschwerdeführer führt in der Beschwerdeschrift aus, dass bedingt durch seinen christlichen Glauben und seinen Beruf als Pastor sein Leben sowie dasjenige seiner Familie in Gefahr sei. Deshalb sei ihnen die Einreise in die Schweiz zu bewilligen. Noch einmal wies er daraufhin, dass er in seiner Heimat nicht nur als ausgebildeter Pastor für die "Victory Family Church" gearbeitet habe, sondern zudem als Songwriter, Sänger und Künstler ein nationaler Pionier im modernen bengalisch-christlichen Gottesdienst geworden sei. Seit dem Jahr 1998 hätten ihn Unbekannte immer wieder gewarnt und aufgefordert, er solle sich der Verbreitung der falschen christlichen Botschaft enthalten. Die Drohungen hätten ihn veranlasst, mit seiner Familie mehrmals innerhalb Dhakas den Wohnort zu wechseln. Die Jihad (Islamic fighter)-Gruppe sei ihnen jedoch immer wieder gefolgt. Infolgedessen sei er im Jahr 2012 mit seiner Familie in seine Heimatstadt bzw. in den District Naogaon im Norden Bangladeschs gezogen, doch habe er dort ebenfalls eine Drohnachricht erhalten und es hätten sich weitere Zwischenfälle ereignet.

5.

5.1 Das Bundesverwaltungsgericht verkennt die Schwierigkeiten, die Angehörige religiöser Minderheiten in Bangladesch zu gewärtigen haben nicht. Auch ist die allgemeine Menschenrechtslage in Bangladesch in verschiedener Hinsicht als problematisch zu bezeichnen (vgl. dazu die Ausführungen im Referenzurteil des Bundesverwaltungsgerichts D-3778/2013 vom 16. Juli 2015 E. 7.2.2, die heute noch zutreffen [vgl. bspw. Urteil D-1145/2017 E. 7.4 vom 19. Oktober 2018]). Gleichwohl ist an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass Bangladesch Vertragspartei des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (UNO-Pakt II, IPbpR) ist, welcher rechtsverbindlich grundlegende Menschenrechte, unter anderem die Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit garantiert. Sodann hat die bangladeschische Legislative im Bereich des Familienrechts für Muslime, Christen und Hindus verschiedene Regelungen für Ehe, Scheidung und Adoption geschaffen und die Regierung unternimmt besondere Anstrengungen, um die buddhistischen Klöster in Chittagong und Dhaka vor allfälligen Vergeltungsmassnahmen durch Rohingyas zu schützen. Im Anschluss an den Besuch von Papst Franzikus im November 2017 gaben viele geistliche Oberhäupter über die verschiedenen Glaubensrichtungen hinweg zum Ausdruck, wie ermutigt sie durch diesen ersten Papstbesuch seit über 30 Jahren - und vom Empfang des Papstes durch Premierminister Hasima - waren und welche Bedeutung sie diesem Ereignis für die religiöse Toleranz und die überkonfessionelle Zusammenarbeit beimessen. (vgl. zum Ganzen ecoi.net Bangladesch Annual Report on Religious Freedom (covering 2017; 29. Mai 2018), besucht im Januar 2019). Schliesslich ist an dieser Stelle in Erinnerung zu rufen, dass der Beschwerdeführer aktenkundig bei der Polizei Anzeige erstatten und folglich um Schutz ersuchen konnte. Eine weitere allfällige Anlaufstelle für den Beschwerdeführer wäre ferner das "Bangladesh Hindu Buddhist Christian Unity Council" (BHBCUC). Dabei handelt es sich um eine gemeinnützige und vor Ort tätige Organisation, die im Jahr 1975 gegründet wurde, um die Menschenrechte der religiösen und ethnischen Minderheiten in Bangladesch zu schützen (vgl. www.bhbub.org).

5.2 Gestützt auf die Akten ist insgesamt keine substantiierte unmittelbare Gefährdung des Beschwerdeführers erkennbar, die die Ausstellung humanitärer Visa rechtfertigen würde. Sodann ist insbesondere nicht erkennbar, inwiefern der Beschwerdeführer mehr als alle anderen von Repressionen betroffen wäre.

5.3 Die Verweigerung der Erteilung von Schengen-Visa sowie Visa aus humanitären Gründen an den Beschwerdeführer und seine Familie ist nach dem Gesagten zu Recht erfolgt. Die angefochtene Verfügung ist somit im Lichte von Art. 49
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 49 - Der Beschwerdeführer kann mit der Beschwerde rügen:
a  Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens;
b  unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes;
c  Unangemessenheit; die Rüge der Unangemessenheit ist unzulässig, wenn eine kantonale Behörde als Beschwerdeinstanz verfügt hat.
VwVG nicht zu beanstanden. Die Beschwerde ist demnach abzuweisen.

6.
Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens wären die Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen. Angesichts der besonderen Umstände des vorliegend zu beurteilenden Einzelfalles ist jedoch auf eine Kostenauflage zu verzichten (vgl. Art. 6 Bst. b
SR 173.320.2 Reglement vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE)
VGKE Art. 6 Verzicht auf Verfahrenskosten - Die Verfahrenskosten können einer Partei, der keine unentgeltliche Rechtspflege im Sinne von Artikel 65 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 19684 über das Verwaltungsverfahren gewährt wird, ganz oder teilweise erlassen werden, wenn:
a  ein Rechtsmittel ohne erheblichen Aufwand für das Gericht durch Rückzug oder Vergleich erledigt wird;
b  andere Gründe in der Sache oder in der Person der Partei es als unverhältnismässig erscheinen lassen, sie ihr aufzuerlegen.
des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2])

(Dispositiv nächste Seite)

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Kosten auferlegt.

3.
Dieses Urteil geht an:

- den Beschwerdeführer (durch Vermittlung der Schweizerischen Vertretung in Dhaka [per EDA-Kurier])

- die Schweizerische Vertretung in Dhaka (mit der Bitte um Eröffnung des Urteils an den Beschwerdeführer gegen Empfangsbestätigung und deren Zustellung an das Bundesverwaltungsgericht [per EDA-Kurier])

- die Vorinstanz (mit den Akten Ref-Nr. [...])

Der vorsitzende Richter: Die Gerichtsschreiberin:

Martin Kayser Ulrike Raemy

Versand:
Decision information   •   DEFRITEN
Document : F-2025/2018
Date : 18. Januar 2019
Published : 30. Januar 2019
Source : Bundesverwaltungsgericht
Status : Unpubliziert
Subject area : Bürgerrecht und Ausländerrecht
Subject : Visum aus humanitären Gründen (VrG)


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AS
AS 2008/5441