Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}

5A 205/2013

Urteil vom 16. August 2013

II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
Bundesrichterin Hohl, Bundesrichter Herrmann,
Gerichtsschreiber Möckli.

Verfahrensbeteiligte
Verein A.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Petra Ducksch,
Beschwerdeführer,

gegen

1. B.________,
2. C.________,
3. D.________,
4. E.________,
5. F.________,
alle vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Kurt Pfau,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Klage auf Feststellung der Nichtigkeit von Vereinsbeschlüssen,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, vom 20. Februar 2013.

Sachverhalt:

A.
Der Verein A.________ bezweckt die Bereitstellung und Verwaltung preiswerten Wohnraumes für Sehbehinderte. Zur Erfüllung dieses Zwecks führt er an der G.________strasse xx eine in seinem Eigentum stehende Liegenschaft mit 13 Zimmern. Mitglieder des Vereins können natürliche und juristische Personen sein. Die Aufnahme und der Ausschluss von Mitgliedern erfolgt durch den Vorstand. Die Vorstandsmitglieder werden durch die Vereinsversammlung (in den Statuten bezeichnet als Generalversammlung) für eine Amtsdauer von drei Jahren gewählt.
Die Beschwerdegegner sind Mitglieder des Vereins. In einem früheren Verfahren hatten sie - ihnen wurde im Zusammenhang mit kritischen Berichten im Beobachter zum finanziellen Gebaren des Vereinspräsidenten und des Geschäftsführers seitens des Vereins bzw. der betroffenen Personen ein rufschädigendes Verhalten vorgeworfen - die Aufhebung ihres Ausschlusses aus dem Verein gemäss Beschluss der Generalversammlung vom 28. März 2008 erwirkt. Anlässlich der Vorstandssitzung vom 15. Januar 2010 wurden sie mit Mehrheitsentscheid erneut aus dem Verein ausgeschlossen. An der darauf folgenden Generalversammlung vom 26. März 2010 sollten sie nochmals angehört werden und die Versammlung sollte über die angefochtenen Ausschlüsse befinden. Die betreffende Versammlung wurde abgebrochen und es wurde zu deren Weiterführung auf den 29. Mai 2010 eingeladen.
Die Einladung zur Generalversammlung vom 26. März 2010 erfolgte am 27. Februar 2010. Sie war nicht unterzeichnet, sondern lediglich mit dem Vermerk "Mit freundlichen Grüssen, Verein A.________" versehen. Die Einladung ging vom Präsidenten des Vereins aus. Die Versammlung wurde wie erwähnt nicht vollständig durchgeführt, sondern unter dem Traktandum "Anhörung der Rekurrenten" (d.h. der ausgeschlossenen Mitglieder) durch den Präsidenten abgebrochen. Dabei erwähnte er als mögliche Daten für die Fortsetzung den 23. oder 24. April bzw. den 7. oder 8. Mai 2010. Schliesslich lud er am 5. Mai 2010 zur Weiterführung der Generalversammlung auf den 29. Mai 2010 ein, dies erneut mit dem Vermerk "Mit freundlichen Grüssen: Verein A.________".

B.
Am 16. Mai 2010 gelangten die heutigen Beschwerdegegner an das Friedensrichteramt der Stadt H.________. Nach Durchführung der Sühneverhandlung am 17. August 2010 reichten sie am 9. November 2010 beim Bezirksgericht H.________ eine Klage ein mit den Feststellungsbegehren, dass die Generalversammlung vom 29. Mai 2010 nicht statutengemäss einberufen worden und sämtliche Beschlüsse nichtig seien, sowie mit dem Anfechtungsbegehren, dass die Vereinsausschlüsse ungültig seien.
Mit Urteilen vom 23. März 2012 bzw. 20. Februar 2013 stellten das Bezirksgericht H.________ und sodann das Obergericht des Kantons Zürich fest, dass die Beschlüsse der Generalversammlung des Vereins A.________ vom 29. Mai 2010 nichtig seien.

C.
Gegen das obergerichtliche Urteil hat der Verein A.________ am 18. März 2013 eine Beschwerde eingereicht mit den Begehren um dessen Aufhebung und Abweisung der Klage. Mit Präsidialverfügung vom 22. April 2013 wurde festgestellt, dass der Beschwerde die aufschiebende Wirkung nicht von Gesetzes wegen zukommt, weil es sich nicht um eine Gestaltungs-, sondern um eine negative Feststellungsklage handelt. Mit Vernehmlassung vom 22. Mai 2013 schlossen die Beschwerdegegner auf Abweisung der Beschwerde. Das Obergericht verzichtete auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
Angefochten ist eine kantonal letztinstanzlich beurteilte nicht vermögensrechtliche Zivilrechtsstreitigkeit, gegen welche streitwertunabhängig die Beschwerde in Zivilsachen offen steht (Art. 72 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 72 Grundsatz - 1 Das Bundesgericht beurteilt Beschwerden gegen Entscheide in Zivilsachen.
1    Das Bundesgericht beurteilt Beschwerden gegen Entscheide in Zivilsachen.
2    Der Beschwerde in Zivilsachen unterliegen auch:
a  Entscheide in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen;
b  öffentlich-rechtliche Entscheide, die in unmittelbarem Zusammenhang mit Zivilrecht stehen, insbesondere Entscheide:
b1  über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheiden und über die Rechtshilfe in Zivilsachen,
b2  über die Führung des Grundbuchs, des Zivilstands- und des Handelsregisters sowie der Register für Marken, Muster und Modelle, Erfindungspatente, Pflanzensorten und Topografien,
b3  über die Bewilligung zur Namensänderung,
b4  auf dem Gebiet der Aufsicht über die Stiftungen mit Ausnahme der Vorsorge- und Freizügigkeitseinrichtungen,
b5  auf dem Gebiet der Aufsicht über die Willensvollstrecker und -vollstreckerinnen und andere erbrechtliche Vertreter und Vertreterinnen,
b6  auf dem Gebiet des Kindes- und Erwachsenenschutzes,
b7  ...
, Abs. 75 Abs. 1 und Art. 90
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 90 Endentscheide - Die Beschwerde ist zulässig gegen Entscheide, die das Verfahren abschliessen.
BGG).

2.
Das Obergericht hat erwogen, dass gemäss Art. 7 der Statuten die Generalversammlung einmal jährlich durch den Vorstand einzuberufen ist und ausserordentlicherweise dann, wenn dieser oder ein Fünftel der Mitglieder unter Angabe des Traktandums dies verlangen. Sowohl die Einladung zur Versammlung vom 26. März 2010 als auch diejenige zur Weiterführung am 29. Mai 2010 seien mithin nicht statutengemäss erfolgt, da die Kompetenz zur Einladung nicht dem Vereinspräsidenten, sondern dem Vorstand zukomme, was auch Art. 64 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 64 - 1 Die Versammlung der Mitglieder bildet das oberste Organ des Vereins.
1    Die Versammlung der Mitglieder bildet das oberste Organ des Vereins.
2    Sie wird vom Vorstand einberufen.
3    Die Einberufung erfolgt nach Vorschrift der Statuten und überdies von Gesetzes wegen, wenn ein Fünftel der Mitglieder die Einberufung verlangt.
ZGB entspreche. Der Verein anerkenne dies selbst und behaupte auch nicht, dass die Aufgabe an den Präsidenten delegiert worden wäre. Die Einladung zur Weiterführung der Versammlung am 29. Mai 2010, welche vorliegend angefochten sei, leide damit an einem formellen Mangel. Gemäss übereinstimmender und auf BGE 71 I 383 E. 2a S. 388 basierender Lehre seien Vereinsbeschlüsse nichtig, wenn die Einberufung durch ein unzuständiges Organ erfolgt sei. Dies müsse umso mehr angesichts der konkreten Umstände gelten: Zwischen den Beschwerdegegnern und dem Vereinspräsidenten hätten erhebliche Differenzen bestanden. An der Versammlung vom 26. März 2010 sei ein Ordnungsantrag, wonach der Beschluss über die Ausschliessung auszusetzen
sei, nur mit dem Stichentscheid des Präsidenten abgelehnt worden. Sodann habe der Beschwerdegegner Nr. 5 anlässlich seiner Stellungnahme die Abwahl mehrerer Vorstandsmitglieder beantragt. Schliesslich sei am 26. März 2010 weder hierüber noch über die Ausschliessung der Beschwerdegegner abgestimmt worden; vielmehr habe der Präsident die Verhandlung von sich aus abgebrochen und eine neue Einladung in Aussicht gestellt. Angesichts dieser Turbulenzen und der umstrittenen Geschäfte wäre es auf jeden Fall Sache des Vorstandes und nicht diejenige des in Frage gestellten Präsidenten gewesen, entsprechend dem Gesetz und den Statuten die Weiterführung der Generalversammlung sowie die Erstellung der Traktandenliste vorzubereiten und hierzu einzuladen, zumal der Präsident nicht einmal bei der mit einem Ordnungsantrag aufgeworfenen Frage, ob bei der Wahl der Vorstandsmitglieder und v.a. bei der Wahl des Präsidenten ein Tagungspräsident zu bestimmen wäre, in den Ausstand getreten sei und er bei dem weiteren Ordnungsantrag, wonach die Frage des Ausschlusses der fraglichen Mitglieder auszusetzen sei, mit Stichentscheid die Ablehnung des Antrages bestimmt habe.

3.
In ihrer Klage hatten die Beschwerdeführer sowohl Begehren um Feststellung der Nichtigkeit als auch ein Anfechtungsbegehren gestellt. Die kantonalen Gerichte haben sich mit dem Anfechtungsbegehren zufolge Bejahung der Nichtigkeit der Beschlüsse nicht näher auseinandergesetzt. Soweit dies vor Bundesrecht standhalten sollte, was zu prüfen sein wird, zumal sich auch die Beschwerde auf dieses Thema konzentriert, erübrigen sich Weiterungen zur Frage des Verhältnisses der beiden Klagearten.
In der Beschwerde wird nicht angezweifelt, dass die Kompetenz zur Einladung nach Art. 7
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 7 - Die allgemeinen Bestimmungen des Obligationenrechtes6 über die Entstehung, Erfüllung und Aufhebung der Verträge finden auch Anwendung auf andere zivilrechtliche Verhältnisse.
der Statuten, welcher der subsidiären gesetzlichen Regelung von Art. 64 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 64 - 1 Die Versammlung der Mitglieder bildet das oberste Organ des Vereins.
1    Die Versammlung der Mitglieder bildet das oberste Organ des Vereins.
2    Sie wird vom Vorstand einberufen.
3    Die Einberufung erfolgt nach Vorschrift der Statuten und überdies von Gesetzes wegen, wenn ein Fünftel der Mitglieder die Einberufung verlangt.
ZGB entspricht, dem Vorstand zusteht. Ebenso wenig wird die obergerichtliche Sachverhaltsfeststellung in Frage gestellt, wonach keine nachträgliche Genehmigung für das Handeln des Präsidenten vorliegt. Schliesslich beanstandet die Beschwerdeführerin nicht, dass das Obergericht implizit davon ausgegangen ist, für die Einladung zur (Fortsetzungs-) Versammlung vom 29. Mai 2010 hätten die gleichen Voraussetzungen gegolten wie für die ursprüngliche vom 26. März 2010. Weil das Bundesgericht nur hinreichend begründete Vorbringen prüft (vgl. Art. 42 Abs. 2
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 42 Rechtsschriften - 1 Rechtsschriften sind in einer Amtssprache abzufassen und haben die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten.
1    Rechtsschriften sind in einer Amtssprache abzufassen und haben die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten.
2    In der Begründung ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt. Ist eine Beschwerde nur unter der Voraussetzung zulässig, dass sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt oder aus anderen Gründen ein besonders bedeutender Fall vorliegt, so ist auszuführen, warum die jeweilige Voraussetzung erfüllt ist. 14 15
3    Die Urkunden, auf die sich die Partei als Beweismittel beruft, sind beizulegen, soweit die Partei sie in Händen hat; richtet sich die Rechtsschrift gegen einen Entscheid, so ist auch dieser beizulegen.
4    Bei elektronischer Einreichung muss die Rechtsschrift von der Partei oder ihrem Vertreter beziehungsweise ihrer Vertreterin mit einer qualifizierten elektronischen Signatur gemäss Bundesgesetz vom 18. März 201616 über die elektronische Signatur versehen werden. Das Bundesgericht bestimmt in einem Reglement:
a  das Format der Rechtsschrift und ihrer Beilagen;
b  die Art und Weise der Übermittlung;
c  die Voraussetzungen, unter denen bei technischen Problemen die Nachreichung von Dokumenten auf Papier verlangt werden kann.17
5    Fehlen die Unterschrift der Partei oder ihrer Vertretung, deren Vollmacht oder die vorgeschriebenen Beilagen oder ist die Vertretung nicht zugelassen, so wird eine angemessene Frist zur Behebung des Mangels angesetzt mit der Androhung, dass die Rechtsschrift sonst unbeachtet bleibt.
6    Unleserliche, ungebührliche, unverständliche, übermässig weitschweifige oder nicht in einer Amtssprache verfasste Rechtsschriften können in gleicher Weise zur Änderung zurückgewiesen werden.
7    Rechtsschriften, die auf querulatorischer oder rechtsmissbräuchlicher Prozessführung beruhen, sind unzulässig.
BGG), ist auf diese Punkte nicht einzugehen.
Die Beschwerdeführerin wirft dem Obergericht vor, gegen Art. 75
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 75 - Beschlüsse, die das Gesetz oder die Statuten verletzen, kann jedes Mitglied, das nicht zugestimmt hat, von Gesetzes wegen binnen Monatsfrist, nachdem es von ihnen Kenntnis erhalten hat, beim Gericht anfechten.
ZGB verstossen zu haben, weil diese Norm grundsätzlich nur die Anfechtbarkeit von Vereinsbeschlüssen vorsehe und im Übrigen für die Nichtigkeit der Subsidiaritätsgrundsatz gelte. Das Obergericht habe aber nicht begründet, inwiefern vorliegend die Anfechtung keine genügende Sanktion darstelle; auf die relevanten Unterscheidungskriterien sei es nicht eingegangen, sondern es habe vielmehr auf einen alten Bundesgerichtsentscheid abgestellt, der eine andere Konstellation betroffen habe. Ohnehin habe vorliegend gar nicht ein unzuständiges Organ zur Versammlung eingeladen, sondern vielmehr der Vereinspräsident als Mitglied des zuständigen Organs. Dies entspreche denn auch einer langjährigen Usanz und dieser sei ein besonderes Gewicht beizulegen. Schliesslich sei zu berücksichtigen, dass sich bei korrekter Einladung am Abstimmungsergebnis nichts geändert hätte.

4.
Art. 75
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 75 - Beschlüsse, die das Gesetz oder die Statuten verletzen, kann jedes Mitglied, das nicht zugestimmt hat, von Gesetzes wegen binnen Monatsfrist, nachdem es von ihnen Kenntnis erhalten hat, beim Gericht anfechten.
ZGB gibt einem jeden Vereinsmitglied die Möglichkeit, gesetzes- oder statutenwidrige Beschlüsse innert Monatsfrist anzufechten, soweit es diesen nicht zugestimmt hat. Leiden Beschlüsse an einer qualifizierten Gesetzes- oder Statutenwidrigkeit, müssen sie als nichtig betrachtet werden. Dies kann, unter Vorbehalt des Rechtsmissbrauchs, grundsätzlich von jedermann ohne Bindung an eine Frist geltend gemacht werden; bei der Annahme von Nichtigkeit ist jedoch Zurückhaltung geboten (BGE 115 II 468 E. 3b S. 473 f.; 137 III 460 E. 3.3.2 S. 465).
Vorliegend geht es um einen formellen Mangel, nämlich um die Einladung durch ein unzuständiges Organ. Die Auswirkungen auf die körperschaftliche Willensbildung mögen hier geringer sein als beispielsweise bei der bewussten Nichteinladung oder Fernhaltung von Vereinsmitgliedern, denn grundsätzlich hatten diese vorliegend Kenntnis von Ort und Zeit der anberaumten Versammlung. Dennoch gehen Lehre und Rechtsprechung bei der Einladung durch ein unzuständiges Organ grundsätzlich von Nichtigkeit aus (betr. Verein: BGE 71 I 383 E. 2a 387 f.; RIEMER, Berner Kommentar, N. 99 f. zu Art. 75
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 75 - Beschlüsse, die das Gesetz oder die Statuten verletzen, kann jedes Mitglied, das nicht zugestimmt hat, von Gesetzes wegen binnen Monatsfrist, nachdem es von ihnen Kenntnis erhalten hat, beim Gericht anfechten.
ZGB; HEINI/ SCHERRER, Basler Kommentar, N. 36 zu Art. 75
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 75 - Beschlüsse, die das Gesetz oder die Statuten verletzen, kann jedes Mitglied, das nicht zugestimmt hat, von Gesetzes wegen binnen Monatsfrist, nachdem es von ihnen Kenntnis erhalten hat, beim Gericht anfechten.
ZGB; HEINI/PORTMANN/ Seemann, Grundriss des Vereinsrechts, Basel 2009, Rz. 231; betr. andere Körperschaften oder Personengemeinschaften: BGE 78 III 33 E. 11 S. 46 (Genossenschaft); BGE 115 II 468 E. 3b S. 473 (AG); Urteil 5A.37/2004 vom 1. Juni 2005 E. 4.1 (Stiftung); Urteil 5A 590/2011 vom 27. Februar 2012 E. 3.1 (Stockwerkeigentümergemeinschaft); Riemer, Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage im schweizerischen Gesellschaftsrecht, Bern 1998, S. 123; KNOBLOCH, Das System zur Durchsetzung von Aktionärsrechten, Habil. Zürich 2011, S. 81; Schott, Aktienrechtliche Anfechtbarkeit und Nichtigkeit von
Generalversammlungsbeschlüssen wegen Verfahrensmängeln, Diss. Zürich 2009, S. 142 ff.; Studer, Die Einberufung der Generalversammlung der Aktiengesellschaft, Diss. Zürich 1995, S. 122 ff.; TRUFFER/DUBS, Basler Kommentar, N. 18 zu Art. 706b
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 706b - Nichtig sind insbesondere Beschlüsse der Generalversammlung, die:
1  das Recht auf Teilnahme an der Generalversammlung, das Mindeststimmrecht, die Klagerechte oder andere vom Gesetz zwingend gewährte Rechte des Aktionärs entziehen oder beschränken;
2  Kontrollrechte von Aktionären über das gesetzlich zulässige Mass hinaus beschränken oder
3  die Grundstrukturen der Aktiengesellschaft missachten oder die Bestimmungen zum Kapitalschutz verletzen.
OR). Die Begründung liegt darin, dass die Mitglieder nicht gehalten sein sollen, einer Einberufung, welche von einem unzuständigen Organ ausgeht, Beachtung zu schenken ( STUDER, a.a.O., S. 122; SCHOTT, a.a.O., S. 144; KNOBLOCH, a.a.O., S. 82) und dass diesfalls auch gar keine Mitgliederversammlung im Rechtssinn zustande kommt, weshalb keine gemäss Körperschaftsrecht anfechtbaren Beschlüsse gefasst werden können (Riemer, Klage, S. 122; RIEMER, Kommentar, N. 99 zu Art. 75
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 75 - Beschlüsse, die das Gesetz oder die Statuten verletzen, kann jedes Mitglied, das nicht zugestimmt hat, von Gesetzes wegen binnen Monatsfrist, nachdem es von ihnen Kenntnis erhalten hat, beim Gericht anfechten.
ZGB).
Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, es habe nicht irgendwer eingeladen, sondern der Vereinspräsident, der zugleich auch Mitglied des Vereinsvorstandes sei, so dürfte sie eine partielle Lehrmeinung zur Aktiengesellschaft ansprechen, wonach nur dann von Nichtigkeit auszugehen sei, wenn ein offensichtlich bzw. generell unzuständiges Organ eine Versammlung einberufen hat (dahingehend STUDER, a.a.O. S. 123; SCHOTT, a.a.O., S. 144 f.), was namentlich nicht der Fall sein soll, wenn bei einer AG ein einzelnes Verwaltungsratsmitglied eigenmächtig einberuft (Schott, a.a.O., S. 146). Die herrschende Lehre und die Rechtsprechung treffen diese Unterscheidung jedoch nicht, und RIEMER (Klage, S. 123; Kommentar, N. 100 zu Art. 75
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 75 - Beschlüsse, die das Gesetz oder die Statuten verletzen, kann jedes Mitglied, das nicht zugestimmt hat, von Gesetzes wegen binnen Monatsfrist, nachdem es von ihnen Kenntnis erhalten hat, beim Gericht anfechten.
ZGB) hält im Gegenteil explizit fest, dass Nichtigkeit insbesondere auch dann vorliege, wenn die Einladung vom Präsidenten statt vom Vorstand oder Verwaltungsrat ausgegangen sei. Diese Ansicht verdient Zustimmung. Wie das Obergericht festgehalten hat, würde die Abgrenzung mangels eindeutiger Unterscheidungskriterien Schwierigkeiten bieten. Dies zeigt sich exemplarisch im vorliegenden Fall: Es liesse sich in guten Treuen die Ansicht vertreten, die Einladung durch den Präsidenten sei (gerade nicht) vergleichbar
der Einladung durch den Geschäftsleiter, wie sie in BGE 71 I 383 zu beurteilen war. Es rechtfertigt sich daher, in Übereinstimmung mit der herrschenden Lehre an der bisherigen Rechtsprechung festzuhalten und davon auszugehen, dass keine beschlussfähige Versammlung zustande kommt, wenn eine unzuständige Person oder ein unzuständiges Organ eingeladen hat.
Als Frage bleibt, ob eine langjährige unangefochtene Praxis eine stillschweigende Delegation der Kompetenzen des Vorstandes an den Präsidenten begründen und aus diesem Grund die Nichtigkeit zu verneinen sein könnte (so z.B. RIEMER, Klage, S. 123). Hierfür fehlt es allerdings an einer verbindlichen Sachverhaltsfeststellung im angefochtenen Entscheid. Das Obergericht hat die Behauptung der Beschwerdeführerin erwähnt, wonach eine langjährige Übung bestehen soll (angefochtener Entscheid S. 12 mit Verweis auf Klageantwort S. 10), aber festgehalten, dass die Beschwerdegegner eine solche Übung bestritten und vorgebracht hätten, erst der heutige Präsident sei eigenmächtig so vorgegangen (angefochtener Entscheid S. 17 mit Verweis auf Berufungsantwort S. 9). Wenn die Beschwerdeführerin dem Obergericht in diesem Zusammenhang eine falsche Anwendung von Art. 75
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 75 - Beschlüsse, die das Gesetz oder die Statuten verletzen, kann jedes Mitglied, das nicht zugestimmt hat, von Gesetzes wegen binnen Monatsfrist, nachdem es von ihnen Kenntnis erhalten hat, beim Gericht anfechten.
ZGB vorwirft, verkennt sie, dass es bei der Feststellung einer langjährigen Handhabung nicht um eine Rechts-, sondern um eine Tatfrage geht. Die Sachverhaltsfeststellung im angefochtenen Entscheid ist für das Bundesgericht verbindlich (Art. 105 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 105 Massgebender Sachverhalt - 1 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat.
1    Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat.
2    Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht.
3    Richtet sich die Beschwerde gegen einen Entscheid über die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung, so ist das Bundesgericht nicht an die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz gebunden.95
BGG); die Beschwerdeführerin könnte einzig eine offensichtlich unrichtige bzw. willkürliche Sachverhaltsfeststellung geltend machen (Art.
97 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 97 Unrichtige Feststellung des Sachverhalts - 1 Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann.
1    Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann.
2    Richtet sich die Beschwerde gegen einen Entscheid über die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung, so kann jede unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gerügt werden.86
BGG; BGE 133 III 393 E. 7.1 S. 398), was sie unterlässt. Damit hat es bei den Ausführungen im angefochtenen Entscheid zu bleiben und nach diesen liegt keine genügende Sachverhaltsbasis für die Annahme einer langjährigen Übung vor, welche so geartet wäre, dass von einer klaren Delegation der Einladungskompetenz vom statutarisch zuständigen Vorstand an den Präsidenten ausgegangen werden müsste.

5.
Zusammenfassend ergibt sich, dass die Beschwerde abzuweisen ist, soweit auf sie eingetreten werden kann. Die Beschwerdeführerin wird damit kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
1    Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
2    Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden.
3    Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht.
4    Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist.
5    Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen.
und Art. 68 Abs. 2
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 68 Parteientschädigung - 1 Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind.
1    Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind.
2    Die unterliegende Partei wird in der Regel verpflichtet, der obsiegenden Partei nach Massgabe des Tarifs des Bundesgerichts alle durch den Rechtsstreit verursachten notwendigen Kosten zu ersetzen.
3    Bund, Kantonen und Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen wird in der Regel keine Parteientschädigung zugesprochen, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis obsiegen.
4    Artikel 66 Absätze 3 und 5 ist sinngemäss anwendbar.
5    Der Entscheid der Vorinstanz über die Parteientschädigung wird vom Bundesgericht je nach Ausgang des Verfahrens bestätigt, aufgehoben oder geändert. Dabei kann das Gericht die Entschädigung nach Massgabe des anwendbaren eidgenössischen oder kantonalen Tarifs selbst festsetzen oder die Festsetzung der Vorinstanz übertragen.
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde in Zivilsachen wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 16. August 2013
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: von Werdt

Der Gerichtsschreiber: Möckli
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 5A_205/2013
Date : 16. August 2013
Published : 03. September 2013
Source : Bundesgericht
Status : Unpubliziert
Subject area : Personenrecht
Subject : Klage auf Feststellung der Nichtigkeit von Vereinsbeschlüssen


Legislation register
BGG: 42  66  68  72  90  97  105
OR: 706b
ZGB: 7  64  75
BGE-register
115-II-468 • 133-III-393 • 137-III-460 • 71-I-383 • 78-III-33
Weitere Urteile ab 2000
5A_205/2013 • 5A_590/2011 • 5A.37/2004
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