Tribunal federal
{T 0/2}
5A_112/2008
Urteil vom 14. April 2008
II. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Marazzi,
Gerichtsschreiber Zbinden.
Parteien
X.________,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Fürsprecher Hans Ulrich Burri,
gegen
Regierungsstatthalter von Thun, Schlossberg 4, 3600 Thun,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
unentgeltliche Rechtspflege (Annäherungsverbot),
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts
des Kantons Bern, Appellationshof, 1. Zivilkammer,
vom 14. Januar 2008.
Sachverhalt:
A.
A.a Die im Mai 2000 geborene Y.________ ist die Tochter von X.________ aus erster Ehe. Kurze Zeit nach ihrer Niederkunft wurde sie in die Obhut der Pflegeeltern A.________ und B.Z.________ gegeben. Mit Entscheid der Vormundschaftskommission Thun vom 6. August 2007 wurde die Tochter wieder unter die Obhut ihrer Mutter, X.________, gestellt. Der Beiständin der Tochter wurde die Aufgabe erteilt, die Regelung des Besuchsrechts zwischen Y.________ und den Ehegatten Z.________ auszuarbeiten und der Vormundschaftskommission bis am 7. September 2007 zur Genehmigung einzureichen.
A.b Da die Pflegeeltern auch nach diesem Entscheid - nach den Aussagen der Mutter - dem Kind auf dem Spielplatz auflauerten und ihm auch regelmässig auf dem Schulareal und auf dem Schulweg nachstellten, beantragte die Mutter mit Eingabe vom 26. September 2007 als superprovisorische und als vorsorgliche Massnahme, den Pflegeeltern sei unter Strafandrohung gemäss Art. 292
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 292 - Wer der von einer zuständigen Behörde oder einem zuständigen Beamten unter Hinweis auf die Strafdrohung dieses Artikels an ihn erlassenen Verfügung nicht Folge leistet, wird mit Busse bestraft. |
B.
Der Appellationshof des Kantons Bern wies mit Entscheid vom 14. Januar 2008 den gegen die Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege für das Verfahren betreffend zwei Annäherungsverbote erhobenen Rekurs ab.
C.
Die Mutter gelangt am 22. Februar 2008 mit Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht mit dem Begehren, den Entscheid des Appellationshofs vom 14. Januar 2008 aufzuheben und ihr für das Verfahren auf Erlass von zwei Annäherungsverboten gegen die ehemaligen Pflegeeltern die unentgeltliche Prozessführung zu erteilen und ihr einen amtlichen Anwalt beizuordnen. Für das bundesgerichtliche Verfahren ersucht sie ebenso um unentgeltliche Rechtspflege.
Der Appellationshof hat auf Vernehmlassung verzichtet.
D.
Dem Gesuch der Beschwerdeführerin um aufschiebende Wirkung entsprach der Präsident der II. zivilrechtlichen Abteilung mit Verfügung vom 10. März 2008.
Erwägungen:
1.
1.1 Angefochten ist ein letztinstanzlicher Entscheid (Art. 75 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 292 - Wer der von einer zuständigen Behörde oder einem zuständigen Beamten unter Hinweis auf die Strafdrohung dieses Artikels an ihn erlassenen Verfügung nicht Folge leistet, wird mit Busse bestraft. |
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1.2 Bei Zwischenentscheiden folgt der Rechtsweg jenem der Hauptsache. Diese betrifft einen kantonalen Entscheid über ein im Rahmen von superprovisorischen bzw. von vorsorglichen Massnahmen zu erlassendes Annäherungsverbot gestützt auf Art. 28b
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2.
2.1 Der Appellationshof hat dafürgehalten, die gesetzliche Grundlage für das von der Beschwerdeführerin beantragte Annäherungsverbot ergebe sich aus Art. 28b
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Pflegeeltern bereits eine Nachstellung und damit eine Persönlichkeitsverletzung darstellten. Immerhin sei zu erwähnen, dass die Tochter der Beschwerdeführerin über Jahre hinweg von den ehemaligen Pflegeeltern betreut worden sei, weshalb ein Bedürfnis nach Erkundigung über das Befinden des Kindes verständlich sei. Die blosse Kontaktaufnahme genüge nicht, um eine Nachstellung im Sinn des Gesetzes anzunehmen. Die Vormundschaftskommission habe mit Entscheid vom 6. August 2007 die Beiständin der Tochter beauftragt, die Regelung des Besuchsrechts zwischen Tochter und ehemaligen Pflegeeltern auszuarbeiten und der Vormundschaftskommission zur Genehmigung zu unterbreiten. Diesen Entscheid habe die Beschwerdeführerin angefochten; gegen den abweisenden Entscheid des Regierungsstatthalters sei zwar eine Appellation eingegangen, doch habe der Regierungsstatthalter der Beschwerde die aufschiebende Wirkung entzogen. Gemäss Informationen des Regierungsstatthalters stehe die Entscheidung der Vormundschaftskommission (über das Besuchsrecht) in absehbarer Zeit bevor. Es sei nicht einzusehen, inwiefern der Tochter durch die behauptete zwischenzeitliche Kontaktaufnahme ein nicht wiedergutzumachender Nachteil im Sinn von Art. 28c
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wenn die Kammer die Appellation gegen den Auftrag zur Ausarbeitung eines Besuchsrechts gutheissen sollte, bleibe darauf hinzuweisen, dass die Tochter während Jahren unter der Obhut der Pflegeeltern gestanden sei. In Anbetracht dieser zeitlichen Dimensionen des langjährigen Kontakts zwischen Pflegeeltern und Tochter und des in Kürze zu erwartenden Entscheids erscheine das Wohl der Tochter durch die Kontaktaufnahme der Pflegeeltern nicht derart gefährdet, dass sich der Erlass eines Annäherungsverbotes rechtfertige. Im Lichte dieser Überlegungen erachtete der Appellationshof das Verfahren betreffend Erlass von zwei Annäherungsverboten als aussichtslos.
2.2 Die Beschwerdeführerin macht unter Hinweis auf das Gesuch um vorsorgliche Massnahmen vom 26. September 2007 geltend, nachdem die Pflegemutter persönlich und durch Drittpersonen versucht habe, in der Schule und auf dem Schulweg mit der Tochter in Kontakt zu treten, und auf dem Schulareal heimliche Verstecke und Botschaften einzurichten, habe sich auch die Lehrerschaft zu einer Reaktion auf die Vorfälle veranlasst gesehen, was sich aus der E-Mail der Lehrerin ergebe. Aufgrund der geschilderten Sachlage könne nicht gesagt werden, das Gesuch sei von vornherein aussichtslos.
3.
3.1 Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung ihres Anspruchs auf unentgeltliche Rechtspflege im Blickwinkel der einschlägigen kantonalen Bestimmungen über die unentgeltliche Rechtspflege (Art. 26 Abs. 3 KV und Art. 77 ff
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3.2 Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat nach Art. 29 Abs. 3
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Die Prozesschancen sind in vorläufiger und summarischer Prüfung des Prozessstoffes abzuschätzen (Haefliger, Alle Schweizer sind vor dem Gesetze gleich, Bern 1985, S. 167 f. Ziffer 6).
3.3 Ob ein Begehren aussichtslos erscheint, beurteilt sich aufgrund der Verhältnisse im Zeitpunkt des Gesuchs (BGE 128 I 225 E 2.5.3 S. 236; 129 I 129 E. 2.3.1 S. 136). Es ist unzulässig, den Entscheid über das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für einen zunächst nicht aussichtslos erscheinenden Prozess bis zu den gerichtlichen Beweiserhebungen hinauszuschieben und bei nachträglich zu Tage tretender Aussichtslosigkeit die unentgeltliche Rechtspflege für das gesamte Verfahren zu verweigern (BGE 101 Ia 37 E. 2).
3.4 Der Appellationshof gibt im angefochtenen Urteil die Versuche der ehemaligen Pflegeeltern, mit der Tochter der Beschwerdeführerin in Kontakt zu treten, wieder, ohne sie in Abrede zu stellen oder auch näher auf die Vorbringen im Gesuch der Beschwerdeführerin vom 26. September 2007 einzugehen. Soweit der Appellationshof auf Art. 28b
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Annäherungsverbotes noch keine gefestigte Rechtsprechung besteht, konnte das Gesuch der Beschwerdeführerin nicht als von vornherein aussichtslos bezeichnet werden.
3.5 Im Weiteren hat die Beschwerdeführerin auch den Entscheid der Vormundschaftskommission vom 6. August 2007, wonach die Beiständin der Tochter beauftragt worden ist, das Besuchsrecht zwischen dem Kind und den früheren Pflegeeltern auszuarbeiten und den Vorschlag der Vormundschaftskommission zur Genehmigung vorzulegen, beim Regierungsstatthalter angefochten und gegen dessen abweisenden Entscheid appelliert. Der Beschwerde an den Regierungsstatthalter ist zwar die aufschiebende Wirkung entzogen worden. Das ändert aber nichts daran, dass über die Frage des Besuchsrechts weder zum Zeitpunkt des Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege noch zum Zeitpunkt des angefochtenen Entscheids rechtskräftig entschieden war. All dies lässt das Verfahren betreffend Erlass von superprovisorischen bzw. vorsorglichen Massnahmen ebensowenig als aussichtslos erscheinen wie der Hinweis des Appellationshofs, die Vormundschaftskomission werde in absehbarer Zeit über das Besuchsrecht entscheiden. Zwischen dem Verfahren betreffend Erlass von superprovisorischen bzw. von vorsorglichen Massnahmen und jenem betreffend Gewährung eines Besuchsrechts besteht insoweit ein Zusammenhang, als eine Bestätigung des Auftrages an die Beiständin zur Ausarbeitung einer
Regelung des persönlichen Verkehrs und die danach allenfalls erfolgende Genehmigung der vorgeschlagenen Regelung durch die Vormundschaftskommission dem Verfahren um Erlass einer vorsorglichen Massnahme (Annäherungsverbot) entgegenstehen könnte. Es besteht diesbezüglich ein Koordinationsbedürfnis, dem beispielsweise mit einer Sistierung des Massnahmeverfahrens entsprochen werden könnte, bis über die Frage des Besuchsrechts entschieden ist. Die vom Appellationshof festgestellten Umstände reichen indes nicht aus, um das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das Verfahren um Erlass von zwei Annäherungsverboten als zum Zeitpunkt seiner Einreichung aussichtslos erscheinen zu lassen.
4.
Zur Zeit kann noch nicht über die unentgeltliche Rechtspflege für das kantonale Verfahren entschieden werden, da das Obergericht die weiteren Voraussetzungen (Bedürftigkeit und Notwendigkeit des Anwalts) noch nicht beurteilt hat. Hiezu ist die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen.
5.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4
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6.
Bei dieser Kosten- und Entschädigungsregelung wird das Gesuch der Beschwerdeführerin um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren gegenstandslos.
erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern, Appellationshof, 1. Zivilkammer, vom 14. Januar 2008 wird aufgehoben. Die Sache wird zur Beurteilung der Bedürftigkeit der Beschwerdeführerin und der Notwendigkeit anwaltlicher Verbeiständung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
2.
Das Gesuch der Beschwerdeführerin um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren wird als gegenstandslos abgeschrieben.
3.
Es werden keine Kosten erhoben.
4.
Der Kanton Bern hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen.
5.
Dieses Urteil wird den Parteien schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 14. April 2008
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Raselli Zbinden