Bundesstrafgericht Tribunal pénal fédéral Tribunale penale federale Tribunal penal federal

Geschäftsnummer: BG.2008.25

Entscheid vom 9. Januar 2009 I. Beschwerdekammer

Besetzung

Bundesstrafrichter Emanuel Hochstrasser, Vorsitz, Tito Ponti und Alex Staub, Gerichtsschreiber Stefan Graf

Parteien

Kanton Freiburg, Kantonsgericht des Kantons Freiburg, Präsident der Strafkammer,

Gesuchsteller

gegen

Kanton Thurgau, Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau,

Gesuchsgegner

Gegenstand

Örtlicher Gerichtsstand (Art. 279 Abs. 1 BStP i.V.m. Art. 345 StGB)

Sachverhalt:

A. Am 26. August 2008 erhoben zwei Apotheker aus dem Kanton Freiburg beim Untersuchungsrichteramt des Kantons Freiburg eine Strafanzeige gegen die A. AG mit Sitz in Z. (Thurgau), gegen deren verantwortliche Organe sowie gegen die namentlich nicht bekannten, am Versandhandel der A. AG beteiligten Ärztinnen und Ärzte wegen des Verdachts der Vorteilsgewährung (Art. 322quinquies
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 322quinquies - Wer einem Mitglied einer richterlichen oder anderen Behörde, einem Beamten, einem amtlich bestellten Sachverständigen, Übersetzer oder Dolmetscher, einem Schiedsrichter oder einem Angehörigen der Armee im Hinblick auf die Amtsführung zu dessen Gunsten oder zu Gunsten eines Dritten einen nicht gebührenden Vorteil anbietet, verspricht oder gewährt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
StGB), der Vorteilsannahme (Art. 322sexies
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 322sexies - Wer als Mitglied einer richterlichen oder anderen Behörde, als Beamter, als amtlich bestellter Sachverständiger, Übersetzer oder Dolmetscher oder als Schiedsrichter im Hinblick auf die Amtsführung für sich oder einen Dritten einen nicht gebührenden Vorteil fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
StGB) sowie der aktiven und passiven Bestechung (Art. 4a
SR 241 Bundesgesetz vom 19. Dezember 1986 gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)
UWG Art. 4a Bestechen und sich bestechen lassen
1    Unlauter handelt, wer:
a  einem Arbeitnehmer, einem Gesellschafter, einem Beauftragten oder einer anderen Hilfsperson eines Dritten im privaten Sektor im Zusammenhang mit dessen dienstlicher oder geschäftlicher Tätigkeit für eine pflichtwidrige oder eine im Ermessen stehende Handlung oder Unterlassung zu dessen Gunsten oder zu Gunsten eines Dritten einen nicht gebührenden Vorteil anbietet, verspricht oder gewährt;
b  als Arbeitnehmer, als Gesellschafter, als Beauftragter oder als andere Hilfsperson eines Dritten im privaten Sektor im Zusammenhang mit seiner dienstlichen oder geschäftlichen Tätigkeit für eine pflichtwidrige oder eine im Ermessen stehende Handlung oder Unterlassung für sich oder einen Dritten einen nicht gebührenden Vorteil fordert, sich versprechen lässt oder annimmt.
2    Keine nicht gebührenden Vorteile sind vertraglich vom Dritten genehmigte sowie geringfügige, sozial übliche Vorteile.
i.V.m. Art. 23 Abs. 1
SR 241 Bundesgesetz vom 19. Dezember 1986 gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)
UWG Art. 23 Unlauterer Wettbewerb
1    Wer vorsätzlich unlauteren Wettbewerb nach Artikel 3, 4, 5 oder 6 begeht, wird auf Antrag mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.49
2    Strafantrag stellen kann, wer nach den Artikeln 9 und 10 zur Zivilklage berechtigt ist.
3    Der Bund hat im Verfahren die Rechte eines Privatklägers.50
UWG) (Dossier OTH D 08 2127, pag. 2000 ff.). Am selben Tag erhoben die beiden Apotheker zudem eine den nämlichen Versandhandel der A. AG betreffende Strafanzeige bei der swissmedic wegen des Verdachts der Widerhandlungen gegen das Bundesgesetz vom 15. Dezember 2000 über Arzneimittel und Medizinprodukte (Heilmittelgesetz, HMG; SR 812.21) (Dossier OTH D 08 2127, pag. 2246 ff.).

B. Mit Schreiben vom 4. September 2008 gelangte der Untersuchungsrichter des Kantons Freiburg an das kantonale Untersuchungsrichteramt des Kantons Thurgau und ersuchte dieses um Anerkennung des Gerichtsstandes (Dossier OTH D 08 2127, pag. 9000 ff.). Das kantonale Untersuchungsrichteramt des Kantons Thurgau lehnte die Zuständigkeit des Kantons Thurgau am 12. September 2008 ab (Dossier OTH D 08 2127, pag. 9009 f.). Hierauf ersuchte der Präsident der Strafkammer des Kantons Freiburg das kantonale Untersuchungsrichteramt des Kantons Thurgau am 26. September 2008 nochmals um Anerkennung der Zuständigkeit der thurgauischen Strafverfolgungsbehörden (act. 1.4). Mit Schreiben vom 8. Oktober 2008 lehnte die Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau dieses Ersuchen ab (act. 1.5). Am 16. Oktober 2008 ersuchte der Präsident der Strafkammer des Kantons Freiburg die Bundesanwaltschaft, das betreffende Strafverfahren gestützt auf Art. 337 Abs. 1 lit. b
SR 241 Bundesgesetz vom 19. Dezember 1986 gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)
UWG Art. 23 Unlauterer Wettbewerb
1    Wer vorsätzlich unlauteren Wettbewerb nach Artikel 3, 4, 5 oder 6 begeht, wird auf Antrag mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.49
2    Strafantrag stellen kann, wer nach den Artikeln 9 und 10 zur Zivilklage berechtigt ist.
3    Der Bund hat im Verfahren die Rechte eines Privatklägers.50
StGB zu übernehmen (act. 1.3). Die Bundesanwaltschaft lehnte ihre Zuständigkeit am 12. November 2008 ab (act. 1.1).

C. Mit Gesuch vom 20. November 2008 gelangte der Präsident der Strafkammer des Kantons Freiburg an die I. Beschwerdekammer und beantragte dieser, den Kanton Thurgau als berechtigt und verpflichtet zu bezeichnen, die Strafanzeige vom 26. August 2008 gegen die A. AG, gegen deren verantwortliche Organe sowie gegen unbekannt an die Hand zu nehmen (act. 1).

Die Rechtsvertreter der beiden Anzeigeerstatter, welche vom Präsidenten der Strafkammer des Kantons Freiburg mit einer Kopie seines Gesuchs vom 20. November 2008 bedient worden sind, liessen der I. Beschwerdekammer am 25. November 2008 unaufgefordert ihre Stellungnahme zukommen (act. 3).

In ihrer Gesuchsantwort vom 26. November 2008 beantragte die Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau, es sei der Kanton Freiburg, eventualiter der Bund, welcher in das vorliegende Verfahren miteinzubeziehen sei, als berechtigt und verpflichtet zu erklären, die Strafanzeige vom 26. August 2008 an die Hand zu nehmen (act. 4).

Die Gesuchsantwort sowie die Eingabe der Anzeigeerstatter wurden den Parteien am 28. November 2008 zur Kenntnis gebracht (act. 5 und 6).

Auf die Ausführungen der Parteien und die eingereichten Akten wird, soweit erforderlich, in den folgenden rechtlichen Erwägungen Bezug genommen.

Die I. Beschwerdekammer zieht in Erwägung:

1.

1.1 Die Zuständigkeit der I. Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts zum Entscheid über Gerichtsstandsstreitigkeiten ergibt sich aus Art. 345 StGB i.V.m. Art. 279 Abs. 1 BStP, Art. 28 Abs. 1 lit. g
SR 241 Bundesgesetz vom 19. Dezember 1986 gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)
UWG Art. 23 Unlauterer Wettbewerb
1    Wer vorsätzlich unlauteren Wettbewerb nach Artikel 3, 4, 5 oder 6 begeht, wird auf Antrag mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.49
2    Strafantrag stellen kann, wer nach den Artikeln 9 und 10 zur Zivilklage berechtigt ist.
3    Der Bund hat im Verfahren die Rechte eines Privatklägers.50
SGG und Art. 9 Abs. 2 des Reglements vom 20. Juni 2006 für das Bundesstrafgericht (SR 173.710). Voraussetzung für die Anrufung der I. Beschwerdekammer ist allerdings, dass ein Streit über einen interkantonalen Gerichtsstand vorliegt und dass die Kantone über diesen Streit einen Meinungsaustausch durchgeführt haben (Schweri/Bänziger, Interkantonale Gerichtsstandsbestimmung in Strafsachen, 2. Aufl., Bern 2004, N. 599). Die Behörden, welche berechtigt sind, ihren Kanton im Meinungsaustausch und im Verfahren vor der I. Beschwerdekammer zu vertreten, bestimmen sich nach dem jeweiligen kantonalen Recht (Schweri/Bänziger, a.a.O., N. 564; Guidon/Bänziger, Die aktuelle Rechtsprechung des Bundesstrafgerichts zum interkantonalen Gerichtsstand in Strafsachen, in: Jusletter 21. Mai 2007, [Rz 12] in fine). Eine Frist für die Anrufung der I. Beschwerdekammer besteht für die Kantone nicht (Schweri/Bänziger, a.a.O., N. 623).

1.2 Der Präsident der Strafkammer des Kantons Freiburg ist berechtigt, den Gesuchsteller bei interkantonalen Gerichtsstandskonflikten vor der I. Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts zu vertreten (Art. 26 Abs. 2 der Strafprozessordnung des Kantons Freiburg vom 14. November 1996 [StPO/FR; SGF 32.1]). Bezüglich des Gesuchsgegners steht diese Befugnis praxisgemäss der Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau zu (vgl. Schweri/Bänziger, a.a.O., Anhang II; zuletzt in TPF BG.2008.13 vom 2. Juli 2008 E. 1.2). Der Gesuchsteller hat mit dem Gesuchsgegner vor Einreichung des Gesuchs einen Meinungsaustausch durchgeführt. Auch die übrigen Eintretensvoraussetzungen geben vorliegend zu keinen weiteren Bemerkungen Anlass, so dass auf das Gesuch einzutreten ist.

1.3 Fraglich erscheint die Zulässigkeit einer unaufgeforderten Eingabe von Seiten der Anzeigeerstatter. Währenddem der Beschuldigte auch dann legitimiert ist, den Gerichtsstand mittels Beschwerde anzufechten, wenn dieser zwischen den für die Strafverfolgung in Frage kommenden Kantonen nicht streitig ist (vgl. TPF BG.2006.13 vom 21. August 2006 E. 1.1 und BG.2005.8 vom 18. Mai 2005 E. 1 jeweils m.w.H.), fehlt es Opfern, Geschädigten, Privatstrafklägern, Strafantragsstellern und Anzeigeerstattern in diesen Fällen – vorbehältlich einer ungerechtfertigten Benachteiligung in ihren Ansprüchen – an der Beschwerdelegitimation. Der vorbehaltene Ausnahmefall gegebener Legitimation ist hinsichtlich des Opfers nie und bei den anderen genannten Personen kaum je anzunehmen (vgl. zum Ganzen Guidon/Bänziger, a.a.O., [Rz 14] in fine). Die Anzeigeerstatter führen in ihrer Eingabe aus, dass sie Grund zur Annahme hätten, dass ihre Rechte von den Behörden des Gesuchsgegners nur ungenügend geschützt würden. Die entsprechenden Vorbringen zur Begründung dieses Standpunktes sind jedoch sehr allgemein gehalten, so dass nicht von einer ungerechtfertigten Benachteiligung ausgegangen werden kann. Die Eingabe der Anzeigeerstatter hat daher im vorliegenden Verfahren – was ihre materiellen Ausführungen zur Gerichtsstandsfrage betrifft – unberücksichtigt zu bleiben.

2. Beide Parteien sind sich – zurecht – dahingehend einig, dass sich der gesetzliche Gerichtsstand zur Verfolgung und Beurteilung der eingangs erwähnten Personen im Kanton Freiburg befindet (act. 1 S. 2 und act. 4 S. 2 Ziff. 2). An dieser Stelle erübrigen sich daher weitere Ausführungen zu dieser Frage.

3.

3.1 Der Gesuchsteller bringt dagegen vor, dass es sich aus zwei Gründen rechtfertige, in Anwendung von Art. 263 Abs. 3
SR 241 Bundesgesetz vom 19. Dezember 1986 gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)
UWG Art. 23 Unlauterer Wettbewerb
1    Wer vorsätzlich unlauteren Wettbewerb nach Artikel 3, 4, 5 oder 6 begeht, wird auf Antrag mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.49
2    Strafantrag stellen kann, wer nach den Artikeln 9 und 10 zur Zivilklage berechtigt ist.
3    Der Bund hat im Verfahren die Rechte eines Privatklägers.50
BStP vom gesetzlichen Gerichtsstand abzuweichen. So liege der Schwerpunkt der mutmasslichen Delikte klar im Kanton Thurgau; zudem sprächen auch prozessökonomische Gründe für eine Übernahme des Verfahrens durch die Strafverfolgungsbehörden des Gesuchsgegners.

3.2 Gemäss Art. 262 Abs. 3
SR 241 Bundesgesetz vom 19. Dezember 1986 gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)
UWG Art. 23 Unlauterer Wettbewerb
1    Wer vorsätzlich unlauteren Wettbewerb nach Artikel 3, 4, 5 oder 6 begeht, wird auf Antrag mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.49
2    Strafantrag stellen kann, wer nach den Artikeln 9 und 10 zur Zivilklage berechtigt ist.
3    Der Bund hat im Verfahren die Rechte eines Privatklägers.50
und Art. 263 Abs. 3
SR 241 Bundesgesetz vom 19. Dezember 1986 gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)
UWG Art. 23 Unlauterer Wettbewerb
1    Wer vorsätzlich unlauteren Wettbewerb nach Artikel 3, 4, 5 oder 6 begeht, wird auf Antrag mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.49
2    Strafantrag stellen kann, wer nach den Artikeln 9 und 10 zur Zivilklage berechtigt ist.
3    Der Bund hat im Verfahren die Rechte eines Privatklägers.50
BStP kann vom gesetzlichen Gerichtsstand ausnahmsweise abgewichen werden, wenn triftige Gründe es gebieten; dies kann aus Zweckmässigkeits-, Wirtschaftlichkeits- oder prozessökonomischen Gründen gerechtfertigt sein (BGE 129 IV 202 E. 2; TPF BG.2007.2 vom 1. März 2007 E. 3.1). Nach Gerichtspraxis und Lehre sind die Art. 262
SR 241 Bundesgesetz vom 19. Dezember 1986 gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)
UWG Art. 23 Unlauterer Wettbewerb
1    Wer vorsätzlich unlauteren Wettbewerb nach Artikel 3, 4, 5 oder 6 begeht, wird auf Antrag mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.49
2    Strafantrag stellen kann, wer nach den Artikeln 9 und 10 zur Zivilklage berechtigt ist.
3    Der Bund hat im Verfahren die Rechte eines Privatklägers.50
und Art. 263
SR 241 Bundesgesetz vom 19. Dezember 1986 gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)
UWG Art. 23 Unlauterer Wettbewerb
1    Wer vorsätzlich unlauteren Wettbewerb nach Artikel 3, 4, 5 oder 6 begeht, wird auf Antrag mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.49
2    Strafantrag stellen kann, wer nach den Artikeln 9 und 10 zur Zivilklage berechtigt ist.
3    Der Bund hat im Verfahren die Rechte eines Privatklägers.50
BStP bei negativen Kompetenzkonflikten analog anwendbar (Schweri/Bänziger, a.a.O., N. 423 und N. 428; TPF BG.2007.2 vom 1. März 2007 E. 3.1). Ein Abweichen vom gesetzlichen Gerichtsstand ist beispielsweise dann gerechtfertigt, wenn in einem Kanton ein offensichtliches Schwergewicht der deliktischen Tätigkeit liegt, wobei es allerdings nicht genügt, dass auf einen Kanton einige wenige Delikte mehr als auf einen anderen entfallen, sondern das Übergewicht muss so offensichtlich und bedeutsam sein, dass sich das Abweichen vom gesetzlichen Gerichtsstand geradezu aufdrängt (TPF BG.2006.30 vom 28. September 2006 E. 2.1). Wenn mehr als zwei Drittel einer grösseren Anzahl von vergleichbaren Straftaten auf einen einzigen Kanton entfallen, kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass in diesem Kanton ein Schwergewicht besteht, welches es rechtfertigt, vom gesetzlichen Gerichtsstand abzuweichen (BGE 129 IV 202 E. 2; TPF BG.2007.12 vom 5. Juni 2007 E. 3.3; BG.2006.30. vom 28. September 2006 E. 2.1).

3.3 Der Gesuchsteller bringt vor, dass auf jeden angenommenen Vorteil logischerweise ein gewährter Vorteil komme, so dass mindestens die Hälfte der mutmasslichen Delikte am Sitz der A. AG bzw. allenfalls ihrer Tochtergesellschaften, das heisst im Kanton Thurgau, erfolgt sei. Soweit Ärzten ein Vorteil versprochen, dieser aber von jenen nicht angenommen worden sei (Versuch), liege der Gerichtsstand einzig am Sitz der Anbieterin A. AG. Die übrigen Delikte (Vorteilsannahme) dürften bei der Anzahl betroffener Ärzte über die ganze Schweiz verstreut begangen worden sein.

Die genaue Anzahl der Delikte und ihre jeweiligen Begehungsorte sind bisher unbekannt geblieben. Das Vorbringen, wonach logischerweise die Hälfte aller begangenen Delikte auf dem Gebiet des Gesuchsgegners begangen worden sein muss, erscheint vordergründig zwar plausibel, jedoch lässt sich so im Lichte der oben erwähnten „zwei Drittels-Regel“ kein eindeutiges Schwergewicht strafbarer Handlungen im Kanton Thurgau annehmen. Die weiteren Überlegungen des Gesuchstellers, wonach weitere Delikte in Form des Versuchs mitzuberücksichtigen seien, sowie die Anzahl und Verteilung der übrigen Delikte (Vorteilsannahme) auf die übrige Schweiz basieren lediglich auf Vermutungen. Blosse Vermutungen genügen jedoch nicht für ein Abweichen vom gesetzlichen Gerichtsstand (TPF BK_G 108/04 vom 20. August 2004 E. 4).

3.4 Der Gesuchsteller macht weiter geltend, dass zur Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts in erster Linie am Sitz der A. AG in Z. vorgegangen werden müsse, wo diese ihre Büros habe und ihre Konten führe und sich deshalb die für das Geschäftsgebaren ihrer Organe erheblichen Unterlagen befänden (mit Hinweis auf Schweri/Bänziger, a.a.O., N. 465), womit auch prozessökonomische Gründe für ein Abweichen vom gesetzlichen Gerichtsstand sprächen. Ansonsten müsste der Gesuchsteller sämtliche Befragungen, Hausdurchsuchungen, Beschlagnahmungen etc. rogatorisch vornehmen lassen.

Im jetzigen Stadium des Verfahrens ist zwar davon auszugehen, dass die ersten Ermittlungshandlungen am Sitz der angezeigten Gesellschaft und somit im Kanton Thurgau zu erfolgen haben. Da jedoch aufgrund der bereits erwähnten Unsicherheiten bezüglich der am zur Anzeige gebrachten Versandhandelssystem beteiligten Ärzte nicht mit Sicherheit feststeht, ob sich das Schwergewicht der Ermittlungen im Sinne der „zwei-Drittels-Regel“ im weiteren Verlauf des Verfahrens verschieben wird, bestehen zum jetzigen Zeitpunkt keine triftigen Gründe für ein Abweichen vom gesetzlichen Gerichtsstand. Die ersten Ermittlungshandlungen auf dem Gebiet des Gesuchsgegners können ohne weiteres auf dem Rechtshilfeweg vorgenommen werden.

4. Nach dem Gesagten ist das Gesuch daher abzuweisen und es sind die Strafverfolgungsbehörden des Gesuchstellers für berechtigt und verpflichtet zu erklären, die der A. AG, deren verantwortlichen Organen sowie den namentlich nicht bekannten am Versandhandel der A. AG beteiligten Ärztinnen und Ärzte zur Last gelegten Straftaten zu verfolgen und zu beurteilen.

5. Es werden keine Gerichtskosten erhoben (Art. 245 Abs. 1
SR 241 Bundesgesetz vom 19. Dezember 1986 gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)
UWG Art. 23 Unlauterer Wettbewerb
1    Wer vorsätzlich unlauteren Wettbewerb nach Artikel 3, 4, 5 oder 6 begeht, wird auf Antrag mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.49
2    Strafantrag stellen kann, wer nach den Artikeln 9 und 10 zur Zivilklage berechtigt ist.
3    Der Bund hat im Verfahren die Rechte eines Privatklägers.50
BStP i.V.m. Art. 66 Abs. 4
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
1    Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
2    Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden.
3    Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht.
4    Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist.
5    Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen.
BGG).

Demnach erkennt die I. Beschwerdekammer:

1. Die Strafverfolgungsbehörden des Kantons Freiburg sind berechtigt und verpflichtet, die der A. AG, deren verantwortlichen Organen sowie den namentlich nicht bekannten am Versandhandel der A. AG beteiligten Ärztinnen und Ärzte zur Last gelegten Straftaten zu verfolgen und zu beurteilen.

2. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

Bellinzona, 12. Januar 2009

Im Namen der I. Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Zustellung an

- Kantonsgericht des Kantons Freiburg, Präsident der Strafkammer

- Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau

- Rechtsanwälte Gaudenz G. Zindel und Thomas Sprecher

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Entscheid ist kein ordentliches Rechtsmittel gegeben.

Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : BG.2008.25
Datum : 09. Januar 2009
Publiziert : 01. Juni 2009
Quelle : Bundesstrafgericht
Status : Unpubliziert
Sachgebiet : Beschwerdekammer: Strafverfahren
Gegenstand : Örtlicher Gerichtsstand (Art. 279 Abs. 1 BStP i.V.m. Art. 345 StGB)


Gesetzesregister
BGG: 66
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
1    Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
2    Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden.
3    Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht.
4    Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist.
5    Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen.
BStP: 245  262  263  279
SGG: 28
StGB: 322quinquies 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 322quinquies - Wer einem Mitglied einer richterlichen oder anderen Behörde, einem Beamten, einem amtlich bestellten Sachverständigen, Übersetzer oder Dolmetscher, einem Schiedsrichter oder einem Angehörigen der Armee im Hinblick auf die Amtsführung zu dessen Gunsten oder zu Gunsten eines Dritten einen nicht gebührenden Vorteil anbietet, verspricht oder gewährt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
322sexies 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 322sexies - Wer als Mitglied einer richterlichen oder anderen Behörde, als Beamter, als amtlich bestellter Sachverständiger, Übersetzer oder Dolmetscher oder als Schiedsrichter im Hinblick auf die Amtsführung für sich oder einen Dritten einen nicht gebührenden Vorteil fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
337  345
UWG: 4a 
SR 241 Bundesgesetz vom 19. Dezember 1986 gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)
UWG Art. 4a Bestechen und sich bestechen lassen
1    Unlauter handelt, wer:
a  einem Arbeitnehmer, einem Gesellschafter, einem Beauftragten oder einer anderen Hilfsperson eines Dritten im privaten Sektor im Zusammenhang mit dessen dienstlicher oder geschäftlicher Tätigkeit für eine pflichtwidrige oder eine im Ermessen stehende Handlung oder Unterlassung zu dessen Gunsten oder zu Gunsten eines Dritten einen nicht gebührenden Vorteil anbietet, verspricht oder gewährt;
b  als Arbeitnehmer, als Gesellschafter, als Beauftragter oder als andere Hilfsperson eines Dritten im privaten Sektor im Zusammenhang mit seiner dienstlichen oder geschäftlichen Tätigkeit für eine pflichtwidrige oder eine im Ermessen stehende Handlung oder Unterlassung für sich oder einen Dritten einen nicht gebührenden Vorteil fordert, sich versprechen lässt oder annimmt.
2    Keine nicht gebührenden Vorteile sind vertraglich vom Dritten genehmigte sowie geringfügige, sozial übliche Vorteile.
23
SR 241 Bundesgesetz vom 19. Dezember 1986 gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)
UWG Art. 23 Unlauterer Wettbewerb
1    Wer vorsätzlich unlauteren Wettbewerb nach Artikel 3, 4, 5 oder 6 begeht, wird auf Antrag mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.49
2    Strafantrag stellen kann, wer nach den Artikeln 9 und 10 zur Zivilklage berechtigt ist.
3    Der Bund hat im Verfahren die Rechte eines Privatklägers.50
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