Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
6B 557/2011
Urteil vom 8. November 2011
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Denys,
Gerichtsschreiber Keller.
Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Rolf W. Rempfler,
Beschwerdeführer,
gegen
Amtsgerichtspräsident von Bucheggberg-Wasseramt, Amthaus 1, 4502 Solothurn,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Recht auf ein faires Verfahren (Kostenentscheid und Akteneinsicht),
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Solothurn, Beschwerdekammer, vom 25. Juli 2011.
Sachverhalt:
A.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn erliess aufgrund eines Strafantrags wegen Ehrverletzung von X.________ gegen A.________ einen Strafbefehl. Sie verurteilte ihn wegen Beschimpfung zu einer Geldstrafe von zehn Tagessätzen zu Fr. 30.--, bedingt aufgeschoben bei einer Probezeit von zwei Jahren, und zu einer Busse von Fr. 300.--. Sie auferlegte ihm ausserdem die Verfahrenskosten von Fr. 250.--.
X.________ erhob gegen den Strafbefehl Einsprache und beantragte ergänzend, A.________ zur Bezahlung einer Parteikostenentschädigung von Fr. 1'088.10 zu verpflichten und ihm (X.________) Einsicht in die Strafakten zu gewähren.
Der Amtsgerichtspräsident Bucheggberg-Wasseramt verfügte am 1. Juni 2011, die Stellungnahmen der Verfahrensbeteiligten seien ihnen gegenseitig zur Kenntnis zu bringen. Ferner sei die Entschädigungsforderung von X.________ abzuweisen und diesem Verfahrenskosten von Fr. 200.-- aufzuerlegen.
B.
Auf die von X.________ hiergegen erhobene Beschwerde trat das Obergericht des Kantons Solothurn am 25. Juli 2011 nicht ein. Es auferlegte X.________ Verfahrenskosten von Fr. 530.--.
C.
X.________ erhebt Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht. Er beantragt, der Nichteintretensbeschluss des Obergerichts des Kantons Solothurn vom 25. Juli 2011 sei aufzuheben, und es seien die Verletzungen des Rechts auf ein faires Verfahren durch die Vorinstanzen im Dispositiv festzustellen. Weiter sei der Antrag auf Einsicht in die Strafakten materiell zu behandeln und gutzuheissen. Eventualiter sei die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Erwägungen:
1.
1.1 Der Beschwerdeführer macht eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 1
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SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist. |
|
1 | Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist. |
2 | Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör. |
3 | Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand. |
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IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde. |
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a | innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden; |
b | ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben; |
c | sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist; |
d | Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten; |
e | unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht. |
Er macht weiter geltend, sein Anspruch auf rechtliches Gehör sei verletzt worden, indem seinem Antrag auf Feststellung von Verletzungen des Rechts auf ein faires Verfahren im Urteilsdispositiv nicht entsprochen worden sei. Der Anspruch auf ein faires Verfahren sei dadurch verletzt worden, dass die kantonalen Instanzen die Stellungnahmen der Staatsanwaltschaft und des Beschuldigten erst mit der angefochtenen Verfügung zugestellt und seinen Antrag auf Akteneinsicht nicht behandelt hätten. Die Vorinstanz nehme zu Unrecht an, der gerügte formelle Mangel des verweigerten rechtlichen Gehörs könne nicht unabhängig von einem Antrag auf Aufhebung oder Änderung des Anfechtungsobjekts erörtert und entschieden werden. Ferner begründet der Beschwerdeführer in weitschweifigen Ausführungen, weshalb ungeachtet der Erfolgsaussichten der Beschwerde in der Sache selber der angefochtene Entscheid aufzuheben sei (Beschwerde, S. 5 ff.).
1.2 Die Vorinstanz erwägt, die Rechtsbegehren des Beschwerdeführers bezögen sich nicht auf die erlittenen Nachteile der abgewiesenen Entschädigungsforderung sowie der Auflage der Verfahrenskosten, sondern auf angebliche Verletzungen von Grundrechten und prozessualen Rechten. Würden seine Begehren gutgeheissen, sei für ihn nichts gewonnen, zumal er nicht die Aufhebung des angefochtenen Entscheids beantragt habe. Die gerügten formellen Mängel, die dem Entscheid vorausgegangen seien, könnten nur Gegenstand eines Beschwerdeverfahrens sein, wenn ihm ein rechtlich geschütztes Interesse an der Beschwerde zukomme (angefochtenes Urteil, S. 4 f.). Da dem Beschwerdeführer ein solches Interesse abgehe, tritt die Vorinstanz auf die Beschwerde nicht ein, hält zur Frage des Akteneinsichtsrechts jedoch fest, dass er dieses vor der ersten Instanz hätte beantragen müssen. Der Gerichtspräsident sei nicht gehalten gewesen, aus den früheren Vorgängen zu interpretieren, die damals beantragte Akteneinsicht werde immer noch beansprucht (angefochtenes Urteil, S. 5).
1.3 Gemäss Art. 29 Abs. 2
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SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist. |
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1 | Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist. |
2 | Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör. |
3 | Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand. |
Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist formeller Natur, womit seine Verletzung ungeachtet der materiellen Begründetheit des Rechtsmittels zur Gutheissung der Beschwerde und zur Aufhebung des angefochtenen Entscheids führt (BGE 135 I 187 E. 2.2; 132 V 387 E. 5.1; je mit Hinweisen). Immerhin kann eine Gehörsverletzung ausnahmsweise geheilt werden. Eine solche Heilung kommt aber nur dann in Betracht, wenn dem Betroffenen durch die erst nachträgliche Gewährung des rechtlichen Gehörs kein Rechtsnachteil erwächst. Dies ist praxisgemäss dann der Fall, wenn die Verletzung des Anspruchs nicht besonders schwer wiegt und die unterbliebene Anhörung, Akteneinsicht oder Beweiserhebung in einem Rechtsmittelverfahren nachgeholt wird, in welchem der Beschwerdeinstanz die gleiche Prüfungsbefugnis wie der unteren Instanz zusteht, sie also sowohl den Sachverhalt als auch die Rechtsfragen frei überprüfen kann (vgl. zum Ganzen BGE 133 I 201 E. 2.2; 132 V 387 E. 5.1 S. 390; je mit weiteren Hinweisen).
1.4 Die Rügen des Beschwerdeführers gehen fehl. Dass ihm die Akteneinsicht bei der Staatsanwaltschaft im Rahmen der Einsprache allenfalls nicht gewährt worden ist, wie die Vorinstanz ausführt, kann hieran nichts ändern. Er räumt in seiner Beschwerde denn auch selber ein, dass die Möglichkeit bestanden hätte, beim Amtsgerichtspräsidenten, der das Einspracheverfahren durchführte, Akteneinsicht zu verlangen, und er unterlassen habe, dies zu beantragen. Selbst wenn somit der Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör verletzt worden wäre, hätte dieser Mangel durch die mögliche Akteneinsicht im Verfahren vor dem mit voller Kognition prüfenden erstinstanzlichen Amtsgerichtspräsidenten geheilt werden können.
Ebenfalls unbehelflich ist sein Vorbringen, sein Anspruch auf rechtliches Gehör sei verletzt worden, indem seinem Antrag auf Feststellung von Verletzungen des Rechts auf ein faires Verfahren im Urteilsdispositiv nicht entsprochen worden sei. Die Vorinstanz führt aus, die durch den Beschwerdeführer beantragten Feststellungen von Verfahrensverletzungen bezögen sich nicht auf die von ihm erlittenen Nachteile im Verfahren (Auflage von Verfahrenskosten sowie die Abweisung einer Entschädigungsforderung). Sie schliesst daraus zutreffend, dem Beschwerdeführer fehle es an einem aktuellen, rechtlich geschützten Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids im Sinne von Art. 382 Abs. 1
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SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 382 Legitimation der übrigen Parteien - 1 Jede Partei, die ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung eines Entscheides hat, kann ein Rechtsmittel ergreifen. |
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1 | Jede Partei, die ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung eines Entscheides hat, kann ein Rechtsmittel ergreifen. |
2 | Die Privatklägerschaft kann einen Entscheid hinsichtlich der ausgesprochenen Sanktion nicht anfechten. |
3 | Nach dem Tode der beschuldigten oder verurteilten Person oder der Privatklägerschaft können die Angehörigen im Sinne von Artikel 110 Absatz 1 StGB263 in der Reihenfolge der Erbberechtigung ein Rechtsmittel ergreifen oder das Rechtsmittelverfahren weiterführen, soweit sie in ihren rechtlich geschützten Interessen betroffen sind. |
der Verfahrensbeteiligten.
1.5 Die Beschwerde ist abzuweisen. Bei diesem Verfahrensausgang sind die bundesgerichtlichen Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1
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SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben. |
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1 | Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben. |
2 | Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden. |
3 | Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht. |
4 | Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist. |
5 | Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen. |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Solothurn, Beschwerdekammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 8. November 2011
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Mathys
Der Gerichtsschreiber: Keller