1P.574/2001
[AZA 0/2]
1P.574/2001/bie
I. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG
**********************************
7. Dezember 2001
Es wirken mit: Bundesgerichtsvizepräsident Aemisegger,
Präsident der I. öffentlichrechtlichen Abteilung, Bundesrichter
Nay, Bundesrichter Aeschlimann und Gerichtsschreiberin Tophinke.
_________
In Sachen
A.________, LA-20 6AZ Cumbria (GB), F.________, LA-20 6AZ Cumbria (GB), Beschwerdeführer, beide vertreten durch Rechtsanwalt Tobias Hobi, Pilgerweg 8, Thalwil,
gegen
B KW FMB Energie AG, Kernkraftwerk Mühleberg, Mühleberg, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt Matthias Meister, c/o Stauffacher & Partner Rechtsanwälte, Dufourstrasse 22, Postfach 167, Zürich, Untersuchungsamt des Kantons Aargau, Obergericht des Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen,
betreffend
Beschlagnahme,
zieht das Bundesgericht in Erwägung:
1.- Wegen Verdachts auf Widerhandlung gegen das Atom- und Strahlenschutzgesetz reichten Greenpeace Schweiz, A.________, F.________ sowie weitere Personen 1997 und 1998 Strafanzeige ein gegen die Verantwortlichen der Nordostschweizerischen Kraftwerke AG, der Kernkraftwerk Leibstadt AG, der BKW FMB Energie AG, der Kernkraftwerk GösgenDäniken AG, des Bundesamtes für Energie (BFE) und der Hauptabteilung für Sicherheit der Kernanlagen (HSK). Die Anzeiger warfen den Angezeigten unter anderem vor, durch die Lieferung abgebrannter Brennelemente zur Wiederaufbereitung in die bestehenden Anlagen von Sellafield (GB) und La Hague (F) an der radioaktiven Umweltschädigung durch die Wiederaufbereitungsanlagen teilzunehmen und Art. 31 Abs. 1


SR 814.50 Strahlenschutzgesetz vom 22. März 1991 (StSG) StSG Art. 8 Rechtfertigung der Strahlenexposition - Eine Tätigkeit, bei der Menschen oder die Umwelt ionisierenden Strahlen ausgesetzt sind (Strahlenexposition), darf nur ausgeübt werden, wenn sie sich mit den damit verbundenen Vorteilen und Gefahren rechtfertigen lässt. |
Die Anzeiger stellten dem Untersuchungsamt des Kantons Aargau am 26. Mai 2001 den Antrag, es sei der für den nächsten geplanten Transport abgebrannter Brennelemente von Mühleberg (BE) nach Sellafield (UK) vorgesehene Behälter leer oder beladen zu beschlagnahmen. Eventualiter sei ein schriftliches Verfügungsverbot nebst Androhung von Straffolgen gemäss Art. 289

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 289 - Wer eine Sache, die amtlich mit Beschlag belegt ist, der amtlichen Gewalt entzieht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
Gegen diesen Entscheid führen A.________ und F.________ mit Eingabe vom 4. September 2001 staatsrechtliche Beschwerde ans Bundesgericht. Sie stellen folgende Anträge:
"1. Der Entscheid des Obergerichts des Kantons
Aargau vom 5. Juli 2001 betreffend Erlass einer
Beschlagnahmungsverfügung sei aufzuheben.
2. Es seien die erforderlichen präventiven Massnahmen,
namentlich die Beschlagnahme von Containern
für den Transport abgebrannter Brennelemente von
Mühleberg nach Sellafield, bzw. ein Verfügungsverbot
zu Lasten der Angeschuldigten anzuordnen.
3. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung im
Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen.
4. Es sei der Beschwerde aufschiebende Wirkung zu
erteilen und als vorsorgliche Massnahme sei ein
Verbot der Ausfuhr abgebrannter Brennstäbe von
Mühleberg nach Sellafield (UK) zu erlassen.. "
Die Beschwerdeführer rügen eine Verletzung der persönlichen Freiheit (Art. 10 Abs. 2

SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 10 Recht auf Leben und auf persönliche Freiheit - 1 Jeder Mensch hat das Recht auf Leben. Die Todesstrafe ist verboten. |

IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 2 Recht auf Leben - (1) Das Recht jedes Menschen auf Leben wird gesetzlich geschützt. Niemand darf absichtlich getötet werden, ausser durch Vollstreckung eines Todesurteils, das ein Gericht wegen eines Verbrechens verhängt hat, für das die Todesstrafe gesetzlich vorgesehen ist. |
|
a | jemanden gegen rechtswidrige Gewalt zu verteidigen; |
b | jemanden rechtmässig festzunehmen oder jemanden, dem die Freiheit rechtmässig entzogen ist, an der Flucht zu hindern; |
c | einen Aufruhr oder Aufstand rechtmässig niederzuschlagen. |

SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist. |
Die Beschwerdegegnerin und das Obergericht des Kantons Aargau beantragen, das Gesuch um Erteilung der aufschiebenden Wirkung, den Antrag auf Erlass vorsorglicher Massnahmen sowie die staatsrechtliche Beschwerde abzuweisen.
Das Untersuchungsamt des Kantons Aargau verzichtet auf eine Vernehmlassung. Am 20. September 2001 weist der Präsident der I. öffentlichrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts die Gesuche um Erteilung der aufschiebenden Wirkung und um Anordnung vorsorglicher Massnahmen ab.
2.- a) Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob und inwieweit auf eine staatsrechtliche Beschwerde einzutreten ist (BGE 127 I 92 E. 1 S. 93, mit Hinweisen). Es fragt sich namentlich, ob die Beschwerde im Lichte von Art. 87

SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist. |
b) Der angefochtene Entscheid ist ein letztinstanzlicher kantonaler Entscheid (Art. 84 Abs. 1

SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist. |

SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist. |

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 58 - 1 ...56 |
im Sinne des Atomgesetzes ist ein Entscheid über eine strafprozessuale Zwangsmassnahme. Er schliesst weder ein Einziehungsverfahren noch das Strafverfahren ab, sondern stellt bloss einen Schritt auf dem Weg zum Endentscheid dar (vgl.
BGE 126 I 97 E. 1b S. 100; zur Definition von End- und Zwischenentscheiden vgl. BGE 123 I 325 E. 3b S. 327; 117 Ia 251 E. 1a S. 253 mit Hinweisen).
Gemäss Art. 87 Abs. 2

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 58 - 1 ...56 |
c) Die Beschwerdeführer bringen vor, jeder weitere Atomtransport zur Wiederaufbereitungsanlage von Sellafield trage zur Gefährdung der dort lebenden Menschen, zu denen auch sie - die Beschwerdeführer - gehörten, bei. Auch bei einem für sie günstigen Endentscheid seien die Folgen der Wiederaufbereitung der bis dahin zusätzlich ausgeführten Brennstäbe nicht abzuwenden. Sie hätten deshalb ein rechtlich geschütztes persönliches Interesse daran, dass eine Sicherungseinziehung zum Zweck der präventiven Gefahrenabwehr angeordnet werde.
d) Das Obergericht verweigerte im vorliegenden Fall die Beschlagnahme mutmasslicher Tatwerkzeuge, nämlich der Transportbehälter. Diese von den Beschwerdeführern beantragte vorläufige Zwangsmassnahme im Strafverfahren sollte eine allfällige spätere Einziehung im Sinne von Art. 58

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 58 - 1 ...56 |

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 58 - 1 ...56 |

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 58 - 1 ...56 |
b

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 60 - 1 Ist der Täter von Suchtstoffen oder in anderer Weise abhängig, so kann das Gericht eine stationäre Behandlung anordnen, wenn: |

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 58 - 1 ...56 |

SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist. |
3.- Bei diesem Ausgang des Verfahrens tragen die Beschwerdeführer die Gerichtskosten (Art. 156 Abs. 1

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 60 - 1 Ist der Täter von Suchtstoffen oder in anderer Weise abhängig, so kann das Gericht eine stationäre Behandlung anordnen, wenn: |

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 60 - 1 Ist der Täter von Suchtstoffen oder in anderer Weise abhängig, so kann das Gericht eine stationäre Behandlung anordnen, wenn: |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.- Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten.
2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird den Beschwerdeführern unter solidarischer Haftbarkeit auferlegt.
3.- Die Beschwerdeführer haben die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen. Sie haften solidarisch.
4.- Dieses Urteil wird den Parteien sowie dem Untersuchungsamt und dem Obergericht des Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt.
______________
Lausanne, 7. Dezember 2001
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
Der Präsident:
Die Gerichtsschreiberin:
Gesetzesregister
AtG 31AtG 36 b
BV 10
BV 29
EMRK 2
OG 84OG 86OG 87OG 156OG 159
StGB 58
StGB 60
StGB 289
StSG 8
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 10 Recht auf Leben und auf persönliche Freiheit - 1 Jeder Mensch hat das Recht auf Leben. Die Todesstrafe ist verboten. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist. |
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 2 Recht auf Leben - (1) Das Recht jedes Menschen auf Leben wird gesetzlich geschützt. Niemand darf absichtlich getötet werden, ausser durch Vollstreckung eines Todesurteils, das ein Gericht wegen eines Verbrechens verhängt hat, für das die Todesstrafe gesetzlich vorgesehen ist. |
|
a | jemanden gegen rechtswidrige Gewalt zu verteidigen; |
b | jemanden rechtmässig festzunehmen oder jemanden, dem die Freiheit rechtmässig entzogen ist, an der Flucht zu hindern; |
c | einen Aufruhr oder Aufstand rechtmässig niederzuschlagen. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 58 - 1 ...56 |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 60 - 1 Ist der Täter von Suchtstoffen oder in anderer Weise abhängig, so kann das Gericht eine stationäre Behandlung anordnen, wenn: |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 289 - Wer eine Sache, die amtlich mit Beschlag belegt ist, der amtlichen Gewalt entzieht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
SR 814.50 Strahlenschutzgesetz vom 22. März 1991 (StSG) StSG Art. 8 Rechtfertigung der Strahlenexposition - Eine Tätigkeit, bei der Menschen oder die Umwelt ionisierenden Strahlen ausgesetzt sind (Strahlenexposition), darf nur ausgeübt werden, wenn sie sich mit den damit verbundenen Vorteilen und Gefahren rechtfertigen lässt. |
BGE Register
Weitere Urteile ab 2000
BBl