Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

5A 752/2020

Urteil vom 6. Januar 2021

II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Herrmann, Präsident,
Bundesrichter von Werdt, Bovey,
Gerichtsschreiber von Roten.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Marc Ursenbacher,
Beschwerdeführerin,

gegen

Friedens gericht des Seebezirks,
Freiburgstrasse 69, 3280 Murten.

Gegenstand
Ausschlagung,

Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Freiburg, I. Zivilappellationshof, vom 5. August 2020
(101 2020 132).

Sachverhalt:

A.

A.a. B.________ liess am 15. Dezember 2015 eine letztwillige Verfügung öffentlich beurkunden. Er setzte seine beiden Kinder auf den Pflichtteil. Die frei verfügbare Quote (= ¼) seines Nachlasses wendete er seiner Lebenspartnerin A.________zu, der er auch das Eigentum am Mobiliar, Inventar und Hausrat vermachte.

A.b. Am xxx 2018 starb B.________ (Erblasser).

A.c. Die beiden Kinder des Erblassers schlugen die Erbschaft mit Erklärungen vom 2. und 6. Oktober 2019 aus.

A.d. A.________ erklärte am 28. Oktober 2019, die Erbschaft unter öffentlichem Inventar anzunehmen.

A.e. Mit Entscheid vom 16. Januar 2020 stellte das Friedensgericht des Seebezirks fest, dass nach Ausschlagung der Erbschaft durch alle nächsten gesetzlichen Erben und Annahme der Erbschaft durch die eingesetzte Erbin keine konkursamtliche Liquidation der Erbschaft erfolgen werde und sich die Geschwister als nachfolgende gesetzliche Erben des Erblassers über die Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft würden aussprechen müssen. Das Friedensgericht forderte den ihm bekannten Bruder des Erblassers auf, die Adressen sämtlicher Geschwister des Erblassers mitzuteilen, damit ihnen die für den Entscheid über die Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft nötigen Unterlagen zugestellt werden könnten.

B.
Gegen den Entscheid des Friedensgerichts legte A.________ Berufung ein. Sie beantragte die Feststellungen, dass sie Alleinerbin der Erbschaft sei und dass sich die nachfolgenden gesetzlichen Erben nicht mehr über Annahme und Ausschlagung der Erbschaft äussern müssten. Das Kantonsgericht Freiburg wies die Berufung ab (Urteil vom 5. August 2020).

C.
Mit Eingabe vom 14. September 2020 erneuert A.________ (Beschwerdeführerin) ihr Begehren auf Feststellung, dass sie Alleinerbin der Erbschaft sei. Sie ersucht um unentgeltliche Rechtspflege. Das Bundesgericht hat die kantonalen Akten, aber keine Vernehmlassungen eingeholt.

Erwägungen:

1.

1.1. Die gesetzlichen und die eingesetzten Erben haben gemäss Art. 566 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 566 - 1 Die gesetzlichen und die eingesetzten Erben haben die Befugnis, die Erbschaft, die ihnen zugefallen ist, auszuschlagen.
1    Die gesetzlichen und die eingesetzten Erben haben die Befugnis, die Erbschaft, die ihnen zugefallen ist, auszuschlagen.
2    Ist die Zahlungsunfähigkeit des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes amtlich festgestellt oder offenkundig, so wird die Ausschlagung vermutet.
ZGB die Befugnis, die Erbschaft, die ihnen zugefallen ist, auszuschlagen. Laut Art. 570
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 570 - 1 Die Ausschlagung ist von dem Erben bei der zuständigen Behörde mündlich oder schriftlich zu erklären.
1    Die Ausschlagung ist von dem Erben bei der zuständigen Behörde mündlich oder schriftlich zu erklären.
2    Sie muss unbedingt und vorbehaltlos geschehen.
3    Die Behörde hat über die Ausschlagungen ein Protokoll zu führen.
ZGB ist die Ausschlagung von dem Erben bei der zuständigen Behörde mündlich oder schriftlich zu erklären (Abs. 1), die über die Ausschlagungen ein Protokoll zu führen hat (Abs. 3). Die (protokollierte) Ausschlagungserklärung ist beschwerdefähiger Endentscheid im Sinne von Art. 90
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 90 Endentscheide - Die Beschwerde ist zulässig gegen Entscheide, die das Verfahren abschliessen.
BGG (Urteile 5A 104/2014 vom 10. Oktober 2014 E. 1; 5A 44/2013 vom 25. April 2013 E. 1, nicht veröffentlicht in: BGE 139 III 225; 5A 594/2009 vom 20. April 2010 E. 1.1; 5A 578/2009 vom 12. Oktober 2009 E. 1; SABRINA GAURON-CARLIN, Les conditions de la recevabilité du recours en matière successorale devant le Tribunal fédéral, in: Journée de droit successoral 2019, 2019, S. 61 ff., S. 63 Rz. 4 bei/in Anm. 9).

1.2. Der angefochtene Entscheid protokolliert keine Ausschlagung, sondern stellt lediglich fest, wer sich über Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft noch wird aussprechen müssen. Im Verfahren der Ausschlagung vor Friedensgericht stellt er damit bloss einen Schritt auf dem Weg zur Protokollierung der Ausschlagungserklärungen dar. Er ist begrifflich ein selbstständig eröffneter Vor- oder Zwischenentscheid (BGE 135 III 566 E. 1.1 S. 568; 134 II 142 E. 1.2.2 S. 143; z.B. zur Feststellung der Erbenstellung im ordentlichen Prozess: Urteil 5A 469/2010 vom 2. November 2010 E. 1.2). Da er weder die Zuständigkeit noch ein Ausstandsbegehren betrifft (Art. 92
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 92 - 1 Gegen selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide über die Zuständigkeit und über Ausstandsbegehren ist die Beschwerde zulässig.
1    Gegen selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide über die Zuständigkeit und über Ausstandsbegehren ist die Beschwerde zulässig.
2    Diese Entscheide können später nicht mehr angefochten werden.
BGG), unterliegt er der Beschwerde gemäss Art. 93 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 93 Andere Vor- und Zwischenentscheide - 1 Gegen andere selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist die Beschwerde zulässig:
1    Gegen andere selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist die Beschwerde zulässig:
a  wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können; oder
b  wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde.
2    Auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen und dem Gebiet des Asyls sind Vor- und Zwischenentscheide nicht anfechtbar.85 Vorbehalten bleiben Beschwerden gegen Entscheide über die Auslieferungshaft sowie über die Beschlagnahme von Vermögenswerten und Wertgegenständen, sofern die Voraussetzungen von Absatz 1 erfüllt sind.
3    Ist die Beschwerde nach den Absätzen 1 und 2 nicht zulässig oder wurde von ihr kein Gebrauch gemacht, so sind die betreffenden Vor- und Zwischenentscheide durch Beschwerde gegen den Endentscheid anfechtbar, soweit sie sich auf dessen Inhalt auswirken.
BGG, wenn er einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (lit. a) oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (lit. b). Nach der Rechtsprechung obliegt es der Beschwerdeführerin darzutun, dass eine dieser beiden Voraussetzungen erfüllt ist, es sei denn, deren Vorliegen springe geradezu in die Augen (BGE 144 III 475 E. 1.2 S. 480; 142 V 26 E. 1.2 S. 28; 141 III 395 E. 2.5 S.
400).

1.3. Die Beschwerdeführerin setzt sich mit den Voraussetzungen von Art. 93 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 93 Andere Vor- und Zwischenentscheide - 1 Gegen andere selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist die Beschwerde zulässig:
1    Gegen andere selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist die Beschwerde zulässig:
a  wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können; oder
b  wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde.
2    Auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen und dem Gebiet des Asyls sind Vor- und Zwischenentscheide nicht anfechtbar.85 Vorbehalten bleiben Beschwerden gegen Entscheide über die Auslieferungshaft sowie über die Beschlagnahme von Vermögenswerten und Wertgegenständen, sofern die Voraussetzungen von Absatz 1 erfüllt sind.
3    Ist die Beschwerde nach den Absätzen 1 und 2 nicht zulässig oder wurde von ihr kein Gebrauch gemacht, so sind die betreffenden Vor- und Zwischenentscheide durch Beschwerde gegen den Endentscheid anfechtbar, soweit sie sich auf dessen Inhalt auswirken.
BGG nicht auseinander. Deren Erfüllung ist auch nicht offenkundig. Die Beschwerdeführerin wird ihre Fragen allenfalls im Rahmen einer Beschwerde gegen die Erklärungen der zur Ausschlagung befugten nachfolgenden gesetzlichen Erben aufwerfen können. Sie wird dabei freilich zu bedenken haben, dass die Prüfungsbefugnis der zuständigen Behörde beschränkt ist und materielle Streitfragen auf dem ordentlichen Prozessweg zu klären sind (in E. 1.1 zitiertes Urteil 5A 44/2013 E. 3, wiedergegeben in: EITEL/HORAT, Erbrecht 2013-2015, successio 2016 S. 148; ausführlich: GULDENER, Grundzüge der freiwilligen Gerichtsbarkeit in der Schweiz, 1954, S. 44 f.).

2.
Auf die Beschwerde kann nicht eingetreten werden. Die Beschwerdeführerin ersucht um unentgeltliche Rechtspflege. Eine Gutheissung ihres Gesuchs setzte insbesondere voraus, dass die Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheinen (Art. 64 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 64 Unentgeltliche Rechtspflege - 1 Das Bundesgericht befreit eine Partei, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, auf Antrag von der Bezahlung der Gerichtskosten und von der Sicherstellung der Parteientschädigung, sofern ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint.
1    Das Bundesgericht befreit eine Partei, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, auf Antrag von der Bezahlung der Gerichtskosten und von der Sicherstellung der Parteientschädigung, sofern ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint.
2    Wenn es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, bestellt das Bundesgericht der Partei einen Anwalt oder eine Anwältin. Der Anwalt oder die Anwältin hat Anspruch auf eine angemessene Entschädigung aus der Gerichtskasse, soweit der Aufwand für die Vertretung nicht aus einer zugesprochenen Parteientschädigung gedeckt werden kann.
3    Über das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege entscheidet die Abteilung in der Besetzung mit drei Richtern oder Richterinnen. Vorbehalten bleiben Fälle, die im vereinfachten Verfahren nach Artikel 108 behandelt werden. Der Instruktionsrichter oder die Instruktionsrichterin kann die unentgeltliche Rechtspflege selbst gewähren, wenn keine Zweifel bestehen, dass die Voraussetzungen erfüllt sind.
4    Die Partei hat der Gerichtskasse Ersatz zu leisten, wenn sie später dazu in der Lage ist.
BGG). Die vorstehenden Erwägungen verdeutlichen indessen, dass die gestellten Rechtsbegehren von Beginn an keinen Erfolg haben konnten. Die anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin hat sich nicht einmal gefragt, was zulässiger Anfechtungsgegenstand ihrer Beschwerde sein könnte. Ihrem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege darf nicht entsprochen werden. Die Beschwerdeführerin wird damit kosten-, nicht hingegen entschädigungspflichtig, da keine Vernehmlassungen eingeholt wurden (Art. 66 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
1    Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
2    Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden.
3    Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht.
4    Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist.
5    Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen.
und Art. 68 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 68 Parteientschädigung - 1 Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind.
1    Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind.
2    Die unterliegende Partei wird in der Regel verpflichtet, der obsiegenden Partei nach Massgabe des Tarifs des Bundesgerichts alle durch den Rechtsstreit verursachten notwendigen Kosten zu ersetzen.
3    Bund, Kantonen und Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen wird in der Regel keine Parteientschädigung zugesprochen, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis obsiegen.
4    Artikel 66 Absätze 3 und 5 ist sinngemäss anwendbar.
5    Der Entscheid der Vorinstanz über die Parteientschädigung wird vom Bundesgericht je nach Ausgang des Verfahrens bestätigt, aufgehoben oder geändert. Dabei kann das Gericht die Entschädigung nach Massgabe des anwendbaren eidgenössischen oder kantonalen Tarifs selbst festsetzen oder die Festsetzung der Vorinstanz übertragen.
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Das Gesuch der Beschwerdeführerin um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Friedensgericht des Seebezirks und dem Kantonsgericht Freiburg, I. Zivilappellationshof, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 6. Januar 2021

Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Herrmann

Der Gerichtsschreiber: von Roten
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 5A_752/2020
Date : 06. Januar 2021
Published : 24. Januar 2021
Source : Bundesgericht
Status : Unpubliziert
Subject area : Erbrecht
Subject : Ausschlagung


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