Eidgenössisches Versicherungsgericht
Tribunale federale delle assicurazioni
Tribunal federal d'assicuranzas

Sozialversicherungsabteilung
des Bundesgerichts

Prozess
{T 7}
I 314/02

Urteil vom 4. November 2002
IV. Kammer

Besetzung
Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Ferrari; Gerichtsschreiber Lanz

Parteien
C.________, 1959, Beschwerdeführer, vertreten durch lic.iur. Max S. Merkli, Praxis für Sozialversicherungsrecht, Schaffhauserstrasse 345, 8050 Zürich,

gegen

IV-Stelle für Versicherte im Ausland, Avenue Edmond-Vaucher 18, 1203 Genf, Beschwerdegegnerin

Vorinstanz
Eidgenössische Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen, Lausanne

(Entscheid vom 12. März 2002)

Sachverhalt:
A.
Mit Verfügung vom 17. Oktober 1996 sprach die IV-Stelle des Kantons St. Gallen dem 1959 geborenen portugiesischen Staatsangehörigen C.________ eine ganze Invalidenrente (nebst Zusatzrente für die Ehefrau und einer Kinderrente) zu. Sie ging dabei von einer gesundheitlich bedingten Arbeitsunfähigkeit von 100 % in jeder, insbesondere der zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Kellermeister ab 1. November 1995 aus.

Im Rahmen des im Juni 1998 eingeleiteten Revisionsverfahrens holte die infolge Wohnsitzverlegung nach Portugal neu zuständige IV-Stelle für Versicherte im Ausland ein polydisziplinäres Gutachten des Servizio Accertamento Medico dell'Assicurazione Invalidità (SAM), Bellinzona, vom 21. Oktober 1999 ein. Gestützt darauf hob sie nach Durchführung des Vorbescheidsverfahrens am 16. Mai 2000 verfügungsweise die Invalidenrente auf den 1. Juli 2000 mit der Begründung auf, der Versicherte sei aufgrund seines Gesundheitszustandes wieder in der Lage, ein rentenausschliessendes Erwerbseinkommen zu erzielen.
B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies die Eidgenössische Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen mit einzelrichterlichem Entscheid vom 12. März 2002 ab.
C.
C.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Rechtsbegehren, der Entscheid der Rekurskommission und die Revisionsverfügung seien aufzuheben; eventuell sei die Sache zur Behandlung und Fällung eines Kollegialentscheides an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Die IV-Stelle für Versicherte im Ausland schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
In formeller Hinsicht wird beanstandet, dass der Beschwerdeentscheid über die revisionsweise Aufhebung der Rente der Invalidenversicherung durch den Einzelrichter getroffen wurde. Auf diese Rüge der funktionellen Unzuständigkeit des Einzelrichters ist vorab einzugehen, da bei ihrer Begründetheit der angefochtene Entscheid ohne Prüfung der materiell streitigen Rentenfrage aufzuheben ist (BGE 125 V 502 Erw. 2c).
2.
Die Eidgenössische Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen entscheidet in Dreier- oder Fünferbesetzung über Beschwerden von Personen im Ausland gegen Verfügungen der IV-Stelle für Versicherte im Ausland. Ergibt die Vorprüfung vor oder nach einem Schriftenwechsel, dass die Beschwerde unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist, so kann ein einzelnes vollamtliches Mitglied mit summarischer Begründung auf Nichteintreten oder Abweisung erkennen (Art 85bis Abs. 3
SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG)
AHVG Art. 85bis Eidgenössische Rekursbehörde - 1 Über Beschwerden von Personen im Ausland entscheidet in Abweichung von Artikel 58 Absatz 2 ATSG389 das Bundesverwaltungsgericht. Der Bundesrat kann vorsehen, dass diese Zuständigkeit dem Versicherungsgericht des Kantons zugewiesen wird, in welchem der Arbeitgeber des Versicherten seinen Wohnsitz oder Sitz hat.390
1    Über Beschwerden von Personen im Ausland entscheidet in Abweichung von Artikel 58 Absatz 2 ATSG389 das Bundesverwaltungsgericht. Der Bundesrat kann vorsehen, dass diese Zuständigkeit dem Versicherungsgericht des Kantons zugewiesen wird, in welchem der Arbeitgeber des Versicherten seinen Wohnsitz oder Sitz hat.390
2    Bei Streitigkeiten über Leistungen ist das Verfahren für die Parteien kostenlos; einer Partei, die sich mutwillig oder leichtsinnig verhält, können jedoch Kosten auferlegt werden. Bei anderen Streitigkeiten richten sich die Kosten nach Artikel 63 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 20. Dezember 1968391.392
3    Ergibt die Vorprüfung vor oder nach einem Schriftenwechsel, dass die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist, so kann ein Einzelrichter mit summarischer Begründung auf Nichteintreten oder Abweisung erkennen.393
AHVG in Verbindung mit Art. 69
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 69 Besonderheiten der Rechtspflege - 1 In Abweichung von den Artikeln 52 und 58 ATSG415 sind die nachstehenden Verfügungen wie folgt anfechtbar:
1    In Abweichung von den Artikeln 52 und 58 ATSG415 sind die nachstehenden Verfügungen wie folgt anfechtbar:
a  Verfügungen der kantonalen IV-Stellen: direkt vor dem Versicherungsgericht am Ort der IV-Stelle;
b  Verfügungen der IV-Stelle für Versicherte im Ausland: direkt beim Bundesverwaltungsgericht.417
1bis    Das Beschwerdeverfahren bei Streitigkeiten über IV-Leistungen vor dem kantonalen Versicherungsgericht ist kostenpflichtig.418 Die Kosten werden nach dem Verfahrensaufwand und unabhängig vom Streitwert im Rahmen von 200-1000 Franken festgelegt.419
2    Absatz 1bis sowie Artikel 85bis Absatz 3 AHVG420 gelten sinngemäss für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht.421
3    Gegen Entscheide der kantonalen Schiedsgerichte nach Artikel 27quinquies kann nach Massgabe des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005422 beim Bundesgericht Beschwerde geführt werden.423
IVG, Art. 71b Abs. 2
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 69 Besonderheiten der Rechtspflege - 1 In Abweichung von den Artikeln 52 und 58 ATSG415 sind die nachstehenden Verfügungen wie folgt anfechtbar:
1    In Abweichung von den Artikeln 52 und 58 ATSG415 sind die nachstehenden Verfügungen wie folgt anfechtbar:
a  Verfügungen der kantonalen IV-Stellen: direkt vor dem Versicherungsgericht am Ort der IV-Stelle;
b  Verfügungen der IV-Stelle für Versicherte im Ausland: direkt beim Bundesverwaltungsgericht.417
1bis    Das Beschwerdeverfahren bei Streitigkeiten über IV-Leistungen vor dem kantonalen Versicherungsgericht ist kostenpflichtig.418 Die Kosten werden nach dem Verfahrensaufwand und unabhängig vom Streitwert im Rahmen von 200-1000 Franken festgelegt.419
2    Absatz 1bis sowie Artikel 85bis Absatz 3 AHVG420 gelten sinngemäss für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht.421
3    Gegen Entscheide der kantonalen Schiedsgerichte nach Artikel 27quinquies kann nach Massgabe des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005422 beim Bundesgericht Beschwerde geführt werden.423
VwVG und Art. 10 lit. c der Verordnung über Organisation und Verfahren eidgenössischer Rekurs- und Schiedskommissionen [VRSK; SR 173.31]). Als offensichtlich unbegründet sind Beschwerden gegen Verfügungen der IV-Stelle für Versicherte im Ausland zu betrachten, wenn ihnen von vornherein aufgrund einer summarischen, nichtsdestoweniger genauen Prüfung keinerlei Erfolgschance eingeräumt werden kann. Dies setzt eine klare Sach- und Rechtslage voraus, und zwar in dem Sinne, dass sich der Abweisungsentscheid summarisch begründen lässt. Bestehen auch nur geringe Zweifel in Bezug auf die richtige und vollständige Feststellung des Sachverhaltes oder die gesetzeskonforme Auslegung und Anwendung des Rechts
durch die verfügende Behörde, hat die Rekurskommission mindestens in Dreierbesetzung zu entscheiden (zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehenes Urteil R. vom 30. Oktober 2002 [I 622/01]).
3.
3.1 Ändert sich der Grad der Invalidität eines Rentenbezügers in einer für den Anspruch erheblichen Weise, so ist gemäss Art. 41
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 41
IVG die Rente für die Zukunft entsprechend zu erhöhen, herabzusetzen oder aufzuheben. Nach der Rechtsprechung ist die Invalidenrente nicht nur bei einer wesentlichen Veränderung des Gesundheitszustandes, sondern auch dann revidierbar, wenn sich die erwerblichen Auswirkungen des an sich gleich gebliebenen Gesundheitszustandes erheblich verändert haben (BGE 113 V 275 Erw. 1a mit Hinweisen; siehe auch BGE 112 V 372 Erw. 2b und 390 Erw. 1b). Ob eine solche Änderung eingetreten ist, beurteilt sich durch Vergleich des Sachverhalts, wie er im Zeitpunkt der ursprünglichen Rentenverfügung bestanden hat, mit demjenigen zur Zeit der streitigen Revisionsverfügung (BGE 125 V 369 Erw. 2 mit Hinweis; siehe auch BGE 112 V 372 Erw. 2b und 390 Erw. 1b).
3.2 Im SAM-Gutachten wird von einem "miglioramento, rispetto alle valutazioni precedenti" des Gesundheitszustandes gesprochen. Der Vergleich der medizinischen Aktenlage bei Erlass der rentenzusprechenden und der -aufhebenden Verfügung zeigt Folgendes: Mit Berichten der Klinik V.________, Rheuma- und Rehabilitationszentrum, vom 26. und 27. April 1995 wurde ein panvertebrales Schmerzsyndrom ohne erfassbares adäquates somatisches Korrelat im Rahmen einer psychosozialen Belastungssituation diagnostiziert. Weiter beschrieb Frau Dr. med. B.________, Medizinisches Zentrum B.________, eine depressive Verstimmung. Eine neuropsychologische Untersuchung ergab ausser dem Schmerzsyndrom keinen psychischen Leidensdruck. Eine (fach-)ärztliche Einschätzung der Arbeitsfähigkeit fehlt. Bei der SAM-Begutachtung im Revisionsverfahren wurden somatisch eine Fibromyalgie und aus psychiatrischer Sicht ein - die Arbeitsfähigkeit nicht einschränkendes - leichtes psychopathologisches Leiden festgestellt. Daraus lässt sich nicht eindeutig und ohne weiteres eine wesentliche Verbesserung des Gesundheitszustandes im Vergleichszeitraum ableiten.

Sodann gestattet entgegen der Rekurskommission der von der IV-Stelle für Versicherte im Ausland im vorinstanzlichen Verfahren durchgeführte Einkommensvergleich, welcher einen Invaliditätsgrad von 41 % gegenüber 100 % gemäss der rentenzusprechenden Verfügung ergeben hat, nicht etwa den Schluss auf eine revisionsrelevante Änderung in gesundheitlicher Hinsicht. Die diesbezüglich im angefochtenen Entscheid vertretene Auffassung widerspricht ebenso dem Gesetz wie die Gleichsetzung der Erwerbs- mit der medizinisch-theoretischen Arbeitsunfähigkeit. In diesem Zusammenhang bleibt festzuhalten, dass die Aktenlage auch nicht offenkundig eine erhebliche Veränderung der erwerblichen Auswirkungen des gleichgebliebenen Gesundheitszustandes aufzeigt, welche ihrerseits eine Rentenrevision zu begründen vermöchte.
3.3 Aufgrund des Gesagten ist ein Revisionsgrund nicht klar gegeben. Die Beschwerde lässt sich daher nicht als offensichtlich unbegründet bezeichnen, weshalb darüber mindestens in Dreierbesetzung hätte entschieden werden müssen. Dieser formelle Mangel führt zur Aufhebung des angefochtenen Entscheides, ohne dass zur materiell streitigen Frage der revisionsweisen Aufhebung der Invalidenrente, allenfalls mit substituierter Begründung der zweifellosen Unrichtigkeit der Rentenverfügung, Stellung zu nehmen ist.
4.
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 41
OG). Dem Ausgang des Prozesses entsprechend steht dem obsiegenden Beschwerdeführer eine Parteientschädigung zu (Art. 159 Abs. 1
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 41
in Verbindung mit Art. 135
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 41
OG).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne teilweise gutgeheissen, dass der Entscheid vom 12. März 2002 aufgehoben und die Sache an die Eidgenössische Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen zurückgewiesen wird, damit sie in richtiger Besetzung über die Beschwerde gegen die Verfügung der IV-Stelle für Versicherte im Ausland vom 16. Mai 2000 neu entscheide.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Die IV-Stelle für Versicherte im Ausland hat dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 2'000.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Eidgenössischen Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen, der Schweizerischen Ausgleichskasse und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 4. November 2002
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Die Präsidentin der IV. Kammer: Der Gerichtsschreiber:
Decision information   •   DEFRITEN
Document : I_314/02
Date : 04. November 2002
Published : 22. November 2002
Source : Bundesgericht
Status : Unpubliziert
Subject area : Invalidenversicherung
Subject : -


Legislation register
AHVG: 85bis
IVG: 41  69
OG: 134  135  159
VwVG: 71b
BGE-register
112-V-371 • 113-V-273 • 125-V-368 • 125-V-499
Weitere Urteile ab 2000
I_314/02 • I_622/01
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