Bundesstrafgericht Tribunal pénal fédéral Tribunale penale federale Tribunal penal federal

Geschäftsnummer: BH.2005.29

Entscheid vom 3. Oktober 2005 Beschwerdekammer

Besetzung

Bundesstrafrichter Emanuel Hochstrasser, Vorsitz, Andreas J. Keller und Tito Ponti , Gerichtsschreiberin Petra Williner

Parteien

Schweizerische Bundesanwaltschaft,

Gesuchstellerin

gegen

A., vertreten durch Rechtsanwalt Jakob Rhyner,

Gesuchsgegner

Gegenstand

Gesuch um Haftverlängerung (Art. 51 Abs. 2 und 3 BStP)

Sachverhalt:

A. Die Schweizerische Bundesanwaltschaft (nachfolgend „Bundesanwaltschaft“) dehnte am 18. August 2005 das am 13. Oktober 2004 gegen B. und C. wegen Verdachts des Verstosses gegen das Güterkontroll- und das Kriegsmaterialgesetz eröffnete Ermittlungsverfahren auf deren Vater A. (nachfolgend „A.“) aus, wobei die Strafverfolgung gegen die Beschuldigten gleichzeitig auf den Tatbestand der Geldwäscherei ausgedehnt wurde (Verfahren BH.2005.27 act. 3.4.7, 3.4.8 und 3.4.9). A. wird im Wesentlichen vorgeworfen, mit seinen Söhnen bei der Beschaffung von proliferationsrelevanten Gütern bewusst für das libysche Atomwaffenprogramm tätig gewesen zu sein und dabei eine zentrale Rolle gespielt zu haben (Verfahren BH.2005.27 act. 1.1).

B. Im Rahmen dieses Verfahrens eröffnete die Bundesanwaltschaft A. am 5. September 2005 die Haft, wobei sie am 7. September 2005 beim Eidgenössischen Untersuchungsrichteramt (nachfolgend „Untersuchungsrichteramt“) einen Antrag auf Haftbestätigung wegen Kollusionsgefahr stellte. Mit Entscheid vom 8. September 2005 gab das Untersuchungsrichteramt dem Antrag der Bundesanwaltschaft statt und verfügte, A. verbleibe weiterhin in Haft (Verfahren BH.2005.27 act. 1.1). Gegen diesen Entscheid führte A. mit Eingabe vom 12. September 2005 Beschwerde bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts (Verfahren BH.2005.27 act. 1).

C. Die Bundesanwaltschaft ihrerseits gelangt im laufenden Beschwerdeverfahren (BH.2005.27) mit Eingabe vom 19. September 2005 an die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts und stellt den Antrag, die Verlängerung der Untersuchungshaft des Beschuldigten A. sei um mindestens sechs Wochen zu bewilligen, unter Kostenfolge zu Lasten desselben (act. 1).

Mit Stellungnahme vom 20. September 2005 verlangt A. für das vorliegende Verfahren unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten des Staates, der Antrag um Haftverlängerung sei abzuweisen (act. 2).

Die Bundesanwaltschaft reichte im Verfahren BH.2005.27 am 27. September 2005 eine Duplik ein und hält replikando betreffend das vorliegende Verfahren an den vorgebrachten Begehren fest (act. 4).

A. verweist mit Eingabe vom 29. September 2005 auf seine bereits gestellten Anträge (act. 6).

Auf die Ausführungen der Parteien und die eingereichten Akten wird, soweit erforderlich, in den rechtlichen Erwägungen eingegangen.

Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung:

1.

1.1 Beabsichtigt die Bundesanwaltschaft, die im Ermittlungsverfahren ausschliesslich wegen Kollusionsgefahr gemäss Art. 44 Ziff. 2 BStP verfügte Untersuchungshaft länger als 14 Tage aufrechtzuerhalten, so hat sie vor Ablauf dieser Frist bei der Beschwerdekammer um Haftverlängerung nachzusuchen (Art. 51 Abs. 2 und 3 BStP). Das Gesuch um Haftverlängerung muss am letzten Tag der Frist bei einer schweizerischen Poststelle aufgegeben werden (Entscheid des Bundesstrafgerichts BK_H 214/04 vom 25. Januar 2005 E. 1.1 m.w.H sowie BK_H 205 + 206/04 vom 24. November 2004 E. 2 m.w.H.).

1.2 Der Gesuchsgegner ist seit dem 5. September 2005 ausschliesslich wegen bestehender Kollusionsgefahr inhaftiert. Mit Postaufgabe des vorliegenden Haftverlängerungsgesuchs am 19. September 2005 ist die 14-tägige Frist gewahrt. Auf das Gesuch ist demnach einzutreten.

1.3 Die Beschwerde des Gesuchsgegners gegen den Entscheid des Untersuchungsrichteramtes vom 8. September 2005 bildet demgegenüber nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Auf die diesbezüglichen Begehren wird daher vorliegend nicht eingegangen, da hierüber mit separatem Entscheid im Verfahren BH.2005.27 entschieden wird.

1.4 Da die Verfahren BH.2005.27 und BH.2005.29 eng zusammenhängen und insbesondere denselben Sachverhalt betreffen, rechtfertigt es sich infolge Gerichtsnotorietät – wenn nötig – auf die Akten des Parallelverfahrens zu verweisen.

2.

2.1 Untersuchungshaft setzt gemäss Art. 44 BStP voraus, dass gegen den Beschuldigten ein dringender Tatverdacht wegen eines Verbrechens oder Vergehens besteht und zusätzlich, dass einer der besonderen Haftgründe der Kollusions- oder der Fluchtgefahr gegeben ist. Ein dringender Tatverdacht liegt dann vor, wenn erstens nach dem gegenwärtigen Stand der Ermittlungen oder Untersuchungen aufgrund konkreter Anhaltspunkte eine hohe Wahrscheinlichkeit für ein bestimmtes strafbares Verhalten des Beschuldigten besteht und zweitens keine Umstände ersichtlich sind, aus denen schon zum Zeitpunkt der Anordnung der Untersuchungshaft oder deren Fortsetzung geschlossen werden kann, dass eine Überführung und Verurteilung scheitern werde. Die Beweislage und damit die Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung muss bezogen auf das jeweilige Verfahrensstadium beurteilt werden (vgl. Entscheid des Bundesstrafgerichts BK_H 232/04 vom 26. Januar 2005 E. 2 m.w.H.).

2.2 Die Gesuchstellerin geht derzeit im Wesentlichen und zusammengefasst davon aus, der Gesuchsgegner sei bei der Beschaffung von proliferationsrelevanten Gütern bewusst und entgeltlich ab 1998 für das libysche Atomwaffenprogramm tätig gewesen und habe dabei eine zentrale Rolle gespielt. Er habe zudem seine beiden Söhne durch seine geschäftlichen und privaten Kontakte zu E. (nachfolgend „E.“) – dem „Vater der pakistanischen Atombombe“ und mutmasslichen Drahtzieher des libyschen Atomwaffenprogramms – in das illegale Beschaffungsnetz eingeführt. Die detaillierten Ausführungen der Gesuchstellerin sind als solche nachvollziehbar und gründen insbesondere auf den aktenkundigen Aussagen vom mutmasslich direkt involvierten D. (nachfolgend „D.“; Verfahren BH.2005.27 act. 3.4.2) sowie dem veröffentlichten malaysischen Polizeibericht vom 20. Februar 2004 (Verfahren BH.2005.27 act. 3.4.1), wobei sich letzterer wiederum auf die Geheimdienste der USA und Grossbritannien – nämlich CIA und MI 6 – beruft. Der Gesuchsgegner seinerseits wendet sich im Grundsatz nicht gegen diese Sachverhaltsdarstellung der Gesuchstellerin. Vor diesem Hintergrund und in Berücksichtigung der heutigen Aktenlage erübrigen sich weitere diesbezügliche Ausführungen. Im jetzigen Zeitpunkt des Verfahrens besteht gegen den Gesuchsgegner der begründete dringende Tatverdacht wegen eines Verbrechens oder Vergehens, nämlich der Widerhandlung gegen Art. 14 des Bundesgesetzes über die Kontrolle zivil und militärisch verwendbarer Güter sowie besonderer militärischer Güter vom 13. Dezember 1996 (Güterkontrollgesetz, GKG; SR 946.202) und Art. 4
SR 946.202.1 Verordnung vom 3. Juni 2016 über die Kontrolle zivil und militärisch verwendbarer Güter, besonderer militärischer Güter sowie strategischer Güter (Güterkontrollverordnung, GKV) - Güterkontrollverordnung
GKV Art. 4 Ausnahmen - Keine Ausfuhrbewilligung ist erforderlich für:
a  Güter nach den Anhängen 2-5, die an die ursprüngliche Lieferantin oder den ursprünglichen Lieferanten zurückgeschickt werden, falls sie keine technologische Aufwertung erfahren haben;
b  Chemikalien nach Anhang 2 Teil 2 mit der EKN 1C111 oder der EKN 1C350, sofern sie zu Musterzwecken verwendet werden und die Gesamtmenge pro Sendung weniger als 1 kg beträgt; vorbehalten bleibt Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe a der Chemikalienkontrollverordnung vom 21. August 20135;
c  Feuerwaffen, deren Bestandteile und Zubehör sowie deren Munition und Munitionsbestandteile, die von Anhang 3 oder 5 erfasst werden und in einen Staat nach Anhang 6 ausgeführt werden;
d  Feuerwaffen mit dazugehöriger Munition, die von ausländischen Staaten beauftragte Sicherheitsbegleiterinnen oder -begleiter nach angemeldeten offiziellen Besuchen wieder ausführen;
e  Feuerwaffen mit dazugehöriger Munition, die von der Schweiz beauftragte Sicherheitsbegleiterinnen oder -begleiter für angemeldete offizielle Besuche im Ausland ausführen, falls sie diese Waffen anschliessend wieder in die Schweiz einführen;
f  Güter, die von schweizerischen Truppen und deren Angehörigen für internationale Einsätze oder zu Ausbildungszwecken ausgeführt werden;
g  Güter, die von ausländischen Truppen und deren Angehörigen nach einer Ausbildung in der Schweiz wieder ausgeführt werden;
h  Jagd- und Sportwaffen mit dazugehöriger Munition von Personen, die diese glaubhaft für die Jagd oder den Schiess- oder Kampfsport im Ausland benötigen, falls diese Waffen anschliessend wieder in die Schweiz eingeführt werden;
i  Jagd- und Sportwaffen mit dazugehöriger Munition von Personen, die diese glaubhaft für die Jagd oder den Schiess- oder Kampfsport im Inland benötigt haben und wieder ausführen.
der entsprechenden Verordnung (Güterkontrollverordnung, GKV; 946.202.1), Art. 7
SR 514.51 Bundesgesetz vom 13. Dezember 1996 über das Kriegsmaterial (Kriegsmaterialgesetz, KMG) - Kriegsmaterialgesetz
KMG Art. 7 Kernwaffen, biologische und chemische Waffen - 1 Es ist verboten:
1    Es ist verboten:
a  Kernwaffen, biologische oder chemische Waffen (ABC-Waffen) zu entwickeln, herzustellen, zu vermitteln, zu erwerben, jemandem zu überlassen, ein-, aus-, durchzuführen, zu lagern oder anderweitig über sie zu verfügen;
b  jemanden zu einer Handlung nach Buchstabe a zu verleiten;
c  eine Handlung nach Buchstabe a zu fördern.
2    Nicht unter das Verbot fallen Handlungen, die bestimmt sind:
a  zur Vernichtung von ABC-Waffen durch die dafür zuständigen Stellen; oder
b  zum Schutz gegen Wirkungen von ABC-Waffen oder zur Abwehr dieser Wirkungen.
3    Das Verbot gilt, unabhängig vom Recht des Tatorts, auch für Handlungen, die im Ausland begangen werden, wenn:
a  sie völkerrechtliche Vereinbarungen verletzen, an welche die Schweiz gebunden ist; und
b  der Täter Schweizer ist oder Wohnsitz in der Schweiz hat.
i.V.m. Art. 34
SR 514.51 Bundesgesetz vom 13. Dezember 1996 über das Kriegsmaterial (Kriegsmaterialgesetz, KMG) - Kriegsmaterialgesetz
KMG Art. 34 Widerhandlungen gegen das Verbot von Kernwaffen, biologischen und chemischen Waffen - 1 Mit einer Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer vorsätzlich und ohne dass er eine Ausnahme nach Artikel 7 Absatz 2 in Anspruch nehmen kann:41
1    Mit einer Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer vorsätzlich und ohne dass er eine Ausnahme nach Artikel 7 Absatz 2 in Anspruch nehmen kann:41
a  Kernwaffen, biologische oder chemische Waffen (ABC-Waffen) entwickelt, herstellt, vermittelt, erwirbt, jemandem überlässt, einführt, ausführt, durchführt, lagert oder anderweitig über sie verfügt;
b  jemanden zu einer der unter Buchstabe a bezeichneten Handlungen verleitet; oder
c  eine unter Buchstabe a bezeichnete Handlung fördert.
2    ...42
3    Wird die Tat fahrlässig begangen, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.43
4    Die im Ausland verübte Tat ist, unabhängig vom Recht des Tatorts, nach diesen Bestimmungen strafbar, wenn:
a  sie völkerrechtliche Vereinbarungen verletzt, an welche die Schweiz gebunden ist; und
b  der Täter Schweizer ist oder Wohnsitz in der Schweiz hat.
5    Artikel 7 Absätze 4 und 5 des Strafgesetzbuches44 sind anwendbar.45
des Bundesgesetzes über das Kriegsmaterial vom 13. Dezember 1996 (Kriegsmaterialgesetz, KMG; SR 514.51) sowie Art. 305bis
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 305bis - 1. Wer eine Handlung vornimmt, die geeignet ist, die Ermittlung der Herkunft, die Auffindung oder die Einziehung von Vermögenswerten zu vereiteln, die, wie er weiss oder annehmen muss, aus einem Verbrechen oder aus einem qualifizierten Steuervergehen herrühren, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.421
1    Wer eine Handlung vornimmt, die geeignet ist, die Ermittlung der Herkunft, die Auffindung oder die Einziehung von Vermögenswerten zu vereiteln, die, wie er weiss oder annehmen muss, aus einem Verbrechen oder aus einem qualifizierten Steuervergehen herrühren, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.421
2    In schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.425
a  als Mitglied einer kriminellen oder terroristischen Organisation (Art. 260ter) handelt;
b  als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Ausübung der Geldwäscherei zusammengefunden hat;
c  durch gewerbsmässige Geldwäscherei einen grossen Umsatz oder einen erheblichen Gewinn erzielt.
3    Der Täter wird auch bestraft, wenn die Haupttat im Ausland begangen wurde und diese auch am Begehungsort strafbar ist.427
StGB.

3.

3.1 Untersuchungshaft setzt hier sodann Kollusionsgefahr voraus. Art. 44 Ziff. 2 BStP umschreibt die Kollusionsgefahr mit dem Vorliegen bestimmter Umstände, welche den Verdacht begründen, dass der Beschuldigte Spuren der Tat vernichten oder Zeugen oder Mitbeschuldigte zu falschen Aussagen verleiten oder sonst den Zweck der Untersuchung gefährden könnte. Kollusionsgefahr muss in objektiver Hinsicht (Kollusionsmöglichkeit) wie in subjektiver Hinsicht (Kollusionsbereitschaft) erfüllt sein. Kollusionsmöglichkeit besteht solange, als die Ermittlungsbehörde die Beweise noch nicht erhoben, also z.B. Zeugen, Mitbeschuldigte noch nicht befragt hat. Sind die wesentlichen Beweismittel einmal in der gesetzlich vorgesehenen Form erhoben, hat namentlich der Beschuldigte mit Bezug auf Personen, die ihn belasten, die Rechte nach Art. 6 Ziff. 3 lit. d
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde.
a  innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden;
b  ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben;
c  sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist;
d  Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten;
e  unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht.
EMRK wahrnehmen können, so fehlt es meist an substantieller Kollusionsmöglichkeit. Kollusionsgefahr setzt zusätzlich voraus, dass konkrete Indizien für eine verdunkelnde Handlung des Angeschuldigten sprechen (Kollusionswahrscheinlichkeit). Die bloss theoretische Möglichkeit, dass der Beschuldigte in Freiheit kolludieren könnte, genügt nicht (vgl. Urteil des Bundesgerichts 1P.534/2003 vom 6. Oktober 2003 E. 6.1; BGE 117 Ia 257, 261 E. 4c). Zu Beginn von Ermittlungen sind die Anforderungen an die Kollusionswahrscheinlichkeit und -bereitschaft allerdings nicht zu hoch anzusetzen. Vor allem sind dann an die Konkretisierung der Kollusionsbereitschaft keine übermässigen Anforderungen zu stellen, wenn der Beschuldigte mutmasslich in einem Tätermilieu operiert, in welchem die Beeinflussung von Zeugen erfahrungsgemäss sehr einfach bzw. die Regel ist (vgl. zum Ganzen Entscheid des Bundesstrafgerichts BK_H 026/04 vom 27. April 2004 E. 4.1 m.w.H.).

3.2 Das Ermittlungsverfahren gegen die Söhne des Gesuchsgegners wurde am 18. August 2005 auf diesen ausgedehnt (Verfahren BH.2005.27 act. 3.4.8). Zumindest gegen den Gesuchsgegner befinden sich die Ermittlungen damit noch im Anfangsstadium. Gleichentags weitete die Gesuchstellerin das Verfahren gegen den Gesuchsgegner und dessen Söhne zusätzlich auf den Tatbestand der Geldwäscherei aus (Verfahren BH.2005.27 act. 3.4.9), womit auch die diesbezüglichen Ermittlungen – insbesondere betreffend die Geldflüsse und die Lokalisierung von Vermögenswerten – am Anfang stehen. Angesichts dieses neuen Vorwurfes und des nunmehr zusätzlich verdächtigen Gesuchsgegners sind derzeit zahlreiche Fragen bezüglich des möglicherweise relevanten Sachverhalts ungeklärt. Namentlich herrschen hinsichtlich der finanziellen Belange des Handels und betreffend das Ventilgeschäft mit Südafrika erhebliche Unklarheiten. In diesem Zusammenhang und vor dem Hintergrund dieser neuen Umstände werden inskünftig – allenfalls bereits befragte – Zeugen und Auskunftspersonen einzuvernehmen und gegebenenfalls weitere Ermittlungen an Hand zu nehmen sein. Da es sich bei den Einzuvernehmenden um dem Gesuchsgegner namentlich bekannte und teils in einem engen persönlichen Verhältnis zu ihm stehende Personen handelt, wie beispielsweise seine Ehefrau, E., vormalige Mitarbeiter und Konkurrenten, die über wesentliche, mitunter neue Informationen verfügen dürften, besteht für ihn durchaus die Möglichkeit und auch ein konkretes Interesse, auf deren Aussagen Einfluss zu nehmen. Damit könnte die Untersuchung in diesen Punkten und bezüglich der Involvierung des Gesuchgegners selbst gefährdet werden. Die Erfahrung zeigt nämlich, dass bei Vorliegen eines umfangreichen, komplexen und zahlreiche Tatbeteiligte umfassenden Sachverhalts – wie dies vorliegend der Fall ist – solche Absprachen zwischen den Beteiligten im Voraus, das heisst vor Einvernahme zu den konkreten einzelnen Teilkomplexen, zwar möglich, Kolludierende dabei jedoch kaum alle Eventualitäten für künftige Befragungen absprechen können. Insofern besteht eine fortlaufende Möglichkeit des Gesuchsgegners, sich entsprechend dem Stand der Untersuchung abzusprechen, sofern er sich in Freiheit befindet (Urteil des Bundesgerichts 1S.2/2005 vom 25. Januar 2005 E. 3.3; Entscheid des Bundesstrafgerichts BK_H
211/04 vom 16. Dezember 2004 E. 3.3, beide im gleichen, weiteren Sachverhaltskomplex ergangen). Vor diesem Hintergrund schlägt auch der Einwand des Gesuchsgegners fehl, als medial schon lange Verdächtiger hätte er allfällige Kollusionshandlungen längst bewerkstelligen können. Damit ist auch gesagt, dass eine Kollusionsmöglichkeit weiterhin gegeben ist.

Kollusionsmöglichkeit besteht zusätzlich auch mit Bezug auf mögliche Vermögenswerte aus den mutmasslich strafbaren Handlungen, die im Falle einer Verurteilung der Einziehung unterlägen. Diese sind erkennbar zumindest teilweise in Off-shore-Destinationen geflossen. Damit besteht auch bezüglich ihrer Auffindbarkeit und Sicherstellung Kollusionsmöglichkeit.

3.3 Bezüglich der Kollusionsbereitschaft wirft die Gesuchstellerin dem Gesuchsgegner vor, seinem Sohn B. eine Farbschachtel ins Gefängnis geschickt zu haben, unter der ein Brief derart zusammengelegt und angeklebt gewesen sei, dass daraus einzig geschlossen werden könne, der Brief hätte versteckt ins Gefängnis geschmuggelt werden sollen (Verfahren BH.2005.27 act. 3.4.3 S. 9). Der Gesuchsgegner führt zwar diesbezüglich aus, seine Frau mache die Pakete für B., und er wisse nicht, wer ein Interesse daran haben könnte, B. etwas ins Gefängnis zu schmuggeln. Auch wenn die Kollusionshandlung dem Gesuchsgegner nicht stringent nachgewiesen werden kann, steht doch fest, dass offensichtlich in seinem engsten Umfeld ein konkretes Kollusionsinteresse besteht. Überdies erscheint es wenig einleuchtend, dass der Gesuchsgegner unter seinem Namen eine Sendung ins Gefängnis aufgibt, von der er annehmen muss, dass sie kontrolliert wird und allfällige Unregelmässigkeiten Dritter ihn in ein schlechtes Licht rücken würden, bevor er dessen Inhalt vor Versand nicht eigens überprüft und gutgeheissen hat. Gerade auch vor diesem Hintergrund sind die diesbezüglichen Ausführungen der Gesuchstellerin nachvollziehbar, und es muss allein schon aus diesem Grund von einer gewissen Kollusionsbereitschaft seitens des Gesuchgegners ausgegangen werden.

Diese wird zudem durch den Umstand bestärkt, dass es sich beim „Netzwerk des E.“ um ein mutmasslich international agierendes Geflecht handelt (Verfahren BH.2005.27 act. 3.4.2 S. 6 ff.), das im heiklen und nach aussen bestmöglich abgeschotteten – dies ergibt sich allein schon aus Benutzung von Pseudonymen – illegalen Atomwaffengeschäft eine zentrale Rolle spielen soll. In einem derartigen Tätermilieu wird erfahrungsgemäss alles daran gesetzt, geheime, belastende Machenschaften möglichst verborgen zu halten.

Zudem deutet auch das Kooperationsverhalten des Gesuchsgegners auf eine bestehende Kollusionsbereitschaft hin. So hat beispielsweise der Gesuchsgegner trotz vorhandener Dokumente, die das Gegenteil vermuten lassen (act. 1.3), zu Protokoll gegeben, er habe keine Kenntnis über die getätigten Geldtransaktionen (act. 1.2 S. 10 f.).

Der Gesuchsgegner wendet ein, anlässlich der Hausdurchsuchung hätten 35 Positionen gefunden und beschlagnahmt werden können, was gegen Kollusionsbereitschaft seinerseits spreche. Dieser Überlegung kann nicht gefolgt werden, da daraus gerade nicht geschlossen werden kann, dass andere, belastenden Unterlagen nicht bereits weggeschafft wurden. Erst eine vertiefte Analyse der beschlagnahmten Unterlagen wird diesbezüglich Klarheit schaffen können.

Nach dem Gesagten ist im jetzigen Zeitpunkt des Verfahrens die Vereitelungsgefahr auch in subjektiver Hinsicht zu bejahen.

3.4 Betreffs des Ausmasses der Kollusionswahrscheinlichkeit gilt es festzuhalten, dass der Gesuchsgegner einräumt, E. seit den 70iger Jahren zu kennen. Dieser sei bei ihm zu Hause ein und aus gegangen (Verfahren BH.2005.27 act. 3.4.3 S. 4). Zudem erklärt er, mit dem E. vermutlich direkt unterstellten D. über Jahre hinweg geschäftliche Kontakte gepflegt zu haben. Obwohl er angibt, mit D. verschiedentlich Differenzen gehabt zu haben, war er unbestrittenermassen doch an dessen Hochzeit in Malaysia anwesend, an der wiederum auch E. teilnahm. Zuletzt habe er D. im Jahre 2003/2004 anlässlich eines Ferienaufenthaltes bei seinem Sohn B. in Dubai gesehen (Verfahren BH.2005.27 act. 3.2 S. 2 und 3.4.3 S. 4). Aus diesen Aussagen erhellt, dass der Gesuchsgegner über Jahre hinweg sowohl zu E. als auch zu D. eine enge, nicht ausschliesslich geschäftliche Beziehung gepflegt hat. Da sich diese beiden mutmasslich massgeblich in den Handel involvierten Personen auf freiem Fuss befinden (act. 1 S. 4), erscheint es aufgrund dieser persönlichen Bindung wahrscheinlich, dass der Gesuchsgegner in Freiheit mit ihnen Kontakt halten oder aufnehmen wird, um sich je nach Entwicklung des Strafverfahrens situativ mit ihnen abzusprechen. Mutatis mutandis gilt dies auch hinsichtlich seiner Ehefrau, seiner vormaligen Mitarbeiter und weiterer potentiell Beteiligter.

Damit ist auch die Kollusionswahrscheinlichkeit nicht von der Hand zu weisen.

3.5 Nach Massgabe der vorstehenden Ausführungen ist deshalb Kollusionsgefahr zu bejahen.

4. Angesichts der noch vorzunehmenden aufwendigen Ermittlungen, der diversen ausstehenden internationalen Rechtshilfeersuchen und deren Auswertung sowie der bei einer Verurteilung mutmasslich erheblichen Freiheitsstrafe – Art. 34 Abs. 1
SR 514.51 Bundesgesetz vom 13. Dezember 1996 über das Kriegsmaterial (Kriegsmaterialgesetz, KMG) - Kriegsmaterialgesetz
KMG Art. 34 Widerhandlungen gegen das Verbot von Kernwaffen, biologischen und chemischen Waffen - 1 Mit einer Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer vorsätzlich und ohne dass er eine Ausnahme nach Artikel 7 Absatz 2 in Anspruch nehmen kann:41
1    Mit einer Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer vorsätzlich und ohne dass er eine Ausnahme nach Artikel 7 Absatz 2 in Anspruch nehmen kann:41
a  Kernwaffen, biologische oder chemische Waffen (ABC-Waffen) entwickelt, herstellt, vermittelt, erwirbt, jemandem überlässt, einführt, ausführt, durchführt, lagert oder anderweitig über sie verfügt;
b  jemanden zu einer der unter Buchstabe a bezeichneten Handlungen verleitet; oder
c  eine unter Buchstabe a bezeichnete Handlung fördert.
2    ...42
3    Wird die Tat fahrlässig begangen, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.43
4    Die im Ausland verübte Tat ist, unabhängig vom Recht des Tatorts, nach diesen Bestimmungen strafbar, wenn:
a  sie völkerrechtliche Vereinbarungen verletzt, an welche die Schweiz gebunden ist; und
b  der Täter Schweizer ist oder Wohnsitz in der Schweiz hat.
5    Artikel 7 Absätze 4 und 5 des Strafgesetzbuches44 sind anwendbar.45
KMG sieht als Strafe Zuchthaus bis zu zehn Jahren oder Gefängnis auch für vorsätzliche Förderungshandlungen im Zusammenhang mit der Entwicklung oder Herstellung von Kernwaffen vor – erweist sich eine Verlängerung der Untersuchungshaft um sechs Wochen – die ab dem Zeitpunkt der Gesuchseinreichung zu verstehen ist – als verhältnismässig. Die Untersuchungshaft ist deshalb gestützt auf Art. 44 Ziff. 2 i.V.m. Art. 51 Abs. 2 und 3 BStP bis 31. Oktober 2005 zu verlängern.

5. Die Gerichtsgebühr ist auf Fr. 800.-- festzusetzen (Art. 3 des Reglements über die Gerichtsgebühren vor dem Bundesstrafgericht vom 11. Februar 2004; SR 173.711.32) und bei der Hauptsache zu belassen.

Infolge Unterliegens wird dem Gesuchsgegner keine Parteientschädigung ausgerichtet.

Demnach erkennt die Beschwerdekammer:

1. Das Gesuch wird gutgeheissen und die Verlängerung der Untersuchungshaft wird bis 31. Oktober 2005 bewilligt.

2. Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- bleiben bei der Hauptsache.

Bellinzona, 4. Oktober 2005

Im Namen der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Zustellung an

- Schweizerische Bundesanwaltschaft

- Rechtsanwalt Jakob Rhyner

Rechtsmittelbelehrung

Gegen Entscheide der Beschwerdekammer über Zwangsmassnahmen kann innert 30 Tagen seit der Eröffnung wegen Verletzung von Bundesrecht beim Bundesgericht Beschwerde geführt werden. Das Verfahren richtet sich sinngemäss nach den Artikeln 214 bis 216, 218 und 219 des Bundesgesetzes über die Bundesstrafrechtspflege (Art. 33 Abs. 3 lit. a
SR 514.51 Bundesgesetz vom 13. Dezember 1996 über das Kriegsmaterial (Kriegsmaterialgesetz, KMG) - Kriegsmaterialgesetz
KMG Art. 34 Widerhandlungen gegen das Verbot von Kernwaffen, biologischen und chemischen Waffen - 1 Mit einer Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer vorsätzlich und ohne dass er eine Ausnahme nach Artikel 7 Absatz 2 in Anspruch nehmen kann:41
1    Mit einer Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer vorsätzlich und ohne dass er eine Ausnahme nach Artikel 7 Absatz 2 in Anspruch nehmen kann:41
a  Kernwaffen, biologische oder chemische Waffen (ABC-Waffen) entwickelt, herstellt, vermittelt, erwirbt, jemandem überlässt, einführt, ausführt, durchführt, lagert oder anderweitig über sie verfügt;
b  jemanden zu einer der unter Buchstabe a bezeichneten Handlungen verleitet; oder
c  eine unter Buchstabe a bezeichnete Handlung fördert.
2    ...42
3    Wird die Tat fahrlässig begangen, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.43
4    Die im Ausland verübte Tat ist, unabhängig vom Recht des Tatorts, nach diesen Bestimmungen strafbar, wenn:
a  sie völkerrechtliche Vereinbarungen verletzt, an welche die Schweiz gebunden ist; und
b  der Täter Schweizer ist oder Wohnsitz in der Schweiz hat.
5    Artikel 7 Absätze 4 und 5 des Strafgesetzbuches44 sind anwendbar.45
SGG).

Eine Beschwerde hemmt den Vollzug des angefochtenen Entscheides nur, wenn die Rechtsmittelinstanz oder deren Präsident es anordnet.

Decision information   •   DEFRITEN
Document : BH.2005.29
Date : 03. Oktober 2005
Published : 01. Juni 2009
Source : Bundesstrafgericht
Status : Unpubliziert
Subject area : Beschwerdekammer: Strafverfahren
Subject : Gesuch um Haftverlängerung (Art. 51 Abs. 2 und 3 BStP)


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BStP: 44  51
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KMG: 7  34
SGG: 33
StGB: 305bis
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