Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

8F 16/2019

Urteil vom 2. Dezember 2019

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Wirthlin, Bundesrichterin Viscione,
Gerichtsschreiberin Durizzo.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
Gesuchsteller,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva), Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern,
Gesuchsgegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung (Kausalzusammenhang, Beschleunigungsmechanismus),

Revisionsgesuch gegen das Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts vom 16. September 2019 (8C 483/2019; 200 18 391 UV).

Sachverhalt:

A.

A.a. A.________, geboren 1963, zog sich am 2. Januar 2005 bei einer Auffahrkollision eine Distorsion der Halswirbelsäule zu. Zuvor - am 16. Mai 1993 und am 24. Juni 1998 - hatte er mit dem Velo zwei Unfälle erlitten und wegen letzterem auch den Rechtsweg beschritten (vgl. Urteile des Eidgenössischen Versicherungsgerichts [seit 1. Januar 2007: I. und II. sozialrechtliche Abteilungen des Bundesgerichts] U 415/01 vom 27. August 2002 und U 91/06 vom 24. November 2006). Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva) übernahm für den letzten Unfall vom 2. Januar 2005 die Heilkosten und richtete Taggelder aus. Mit Verfügung vom 11. September 2008 und Einspracheentscheid vom 30. Dezember 2008 stellte sie ihre Leistungen per 30. September 2008 ein mit der Begründung, dass die noch geklagten Beschwerden organisch objektiv nicht ausgewiesen seien und sich nicht adäquat-kausal auf den Unfall zurückführen liessen. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 7. September 2010 ab. Das Bundesgericht hob diesen Entscheid sowie den Einspracheentscheid vom 30. Dezember 2008 mit Urteil 8C 844/2010 vom 15. Februar 2011 auf und wies die Sache zu weiteren Abklärungen an die Suva zurück.

A.b. Gestützt auf ein Gutachten des Zentrums für Medizinische Begutachtung ZMB, Basel, vom 9. August 2012 schloss die Suva den Fall mit Verfügung vom 5. Februar 2013 und Einspracheentscheid vom 28. Februar 2013 - unter Berücksichtigung eines weiteren Ereignisses vom 21. Februar 2006 mit Sinus-frontalis-Vorderwandfraktur durch Anschlagen des Kopfes an einem Türpfosten - per 30. September 2008 erneut ab. Einen Anspruch auf eine Invalidenrente sowie auf eine Integritätsentschädigung lehnte sie ab. Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 29. September 2014 gut und wies die Sache an die Suva zurück, damit sie ein neues Gutachten einhole und neu verfüge.

A.c. Gestützt auf das Gutachten der Dres med. B.________, Neurologie FMH, C.________, Oto-Rhino-Laryngologie FMH, und D.________, Psychiatrie und Psychotherapie FMH, vom 29. März 2017 stellte die Suva ihre Versicherungsleistungen bezüglich der Unfälle vom 2. Januar 2005 und 21. Februar 2006 wiederum per 30. September 2008 ein und lehnte einen Anspruch auf eine Invalidenrente und eine Integritätsentschädigung ab (Verfügung vom 19. September 2017 und Einspracheentscheid vom 4. Mai 2018). Die dagegen erhobenen Beschwerden wiesen das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 28. Juni 2019 und das Bundesgericht mit Urteil 8C 483/2019 vom 16. September 2019 ab.

B.
A.________ ersucht um die revisionsweise Aufhebung des Urteils des Bundesgerichts 8C 483/2019 vom 16. September 2019 und Neubeurteilung seiner Beschwerde.
Ein Schriftenwechsel wurde nicht durchgeführt.

Erwägungen:

1.

1.1. Urteile des Bundesgerichts erwachsen am Tag ihrer Ausfällung in Rechtskraft (Art. 61
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 61 Rechtskraft - Entscheide des Bundesgerichts erwachsen am Tag ihrer Ausfällung in Rechtskraft.
BGG). Eine nochmalige Überprüfung der einem Urteil des Bundesgerichts zu Grunde liegenden Streitsache ist grundsätzlich ausgeschlossen. Das Gericht kann auf seine Urteile nur zurückkommen, wenn einer der in den Art. 121 ff
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 121 Verletzung von Verfahrensvorschriften - Die Revision eines Entscheids des Bundesgerichts kann verlangt werden, wenn:
a  die Vorschriften über die Besetzung des Gerichts oder über den Ausstand verletzt worden sind;
b  das Gericht einer Partei mehr oder, ohne dass das Gesetz es erlaubt, anderes zugesprochen hat, als sie selbst verlangt hat, oder weniger als die Gegenpartei anerkannt hat;
c  einzelne Anträge unbeurteilt geblieben sind;
d  das Gericht in den Akten liegende erhebliche Tatsachen aus Versehen nicht berücksichtigt hat.
. BGG abschliessend aufgeführten Revisionsgründe vorliegt (SVR 2014 UV Nr. 22 S. 70, Urteil 8F 14/2013 E. 1.1).

1.2. Die Revision eines Entscheids des Bundesgerichts kann nach Art. 121 lit. d
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 121 Verletzung von Verfahrensvorschriften - Die Revision eines Entscheids des Bundesgerichts kann verlangt werden, wenn:
a  die Vorschriften über die Besetzung des Gerichts oder über den Ausstand verletzt worden sind;
b  das Gericht einer Partei mehr oder, ohne dass das Gesetz es erlaubt, anderes zugesprochen hat, als sie selbst verlangt hat, oder weniger als die Gegenpartei anerkannt hat;
c  einzelne Anträge unbeurteilt geblieben sind;
d  das Gericht in den Akten liegende erhebliche Tatsachen aus Versehen nicht berücksichtigt hat.
BGG verlangt werden, wenn das Gericht in den Akten liegende erhebliche Tatsachen aus Versehen nicht berücksichtigt hat. Dieser Tatbestand ist gegeben, wenn ein bestimmtes Aktenstück übersehen oder eine bestimmte wesentliche Aktenstelle unrichtig, insbesondere nicht mit ihrem wirklichen Wortlaut oder in ihrer tatsächlichen Tragweite wahrgenommen wurde, nicht hingegen wenn die Tatsache oder das Aktenstück in der äusseren Erscheinung richtig wahrgenommen und allenfalls bloss eine unzutreffende beweismässige oder rechtliche Würdigung vorgenommen wurde. Erheblich ist die Tatsache, deren versehentliche Ausserachtlassung gerügt wird, wenn bei deren Berücksichtigung der zu revidierende Entscheid anders hätte ausfallen müssen (BGE 122 II 17 E. 3 S. 18), wenn sie also geeignet ist, zu einem für den Gesuchsteller günstigeren Ergebnis zu führen (Urteile 8F 7/2018 vom 5. Juni 2018 E. 2; 8F 11/2017 vom 30. November 2017 E. 2).

2.
Im Verfahren 8C 483/2019 war die Leistungseinstellung durch die Suva per 30. September 2008 sowie die Ablehnung der Ansprüche auf eine Invalidenrente und eine Integritätsentschädigung hinsichtlich der Unfälle vom 2. Januar 2005 und 21. Februar 2006 streitig. Zur Frage stand die Adäquanz des Kausalzusammenhanges zwischen den im Einstellungszeitpunkt noch bestehenden organisch objektiv nicht ausgewiesenen Beschwerden und den erwähnten Ereignissen, insbesondere, ob die dafür massgeblichen Kriterien in hinreichender Zahl gegeben seien (E. 2). Das Bundesgericht erachtete die Kriterien des schwierigen Heilungsverlaufs und der erheblichen unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit als erfüllt (E. 5.2). Ob, bei Verneinung aller übrigen, auch das Kriterium der erheblichen Beschwerden gegeben sei, wie der Gesuchsteller damals (allerdings ohne Hinweis auf eine besondere Ausprägung) geltend machte, konnte offen bleiben. Es handelte sich um einen Unfall, der zwar zum mittleren Bereich, aber zum Grenzbereich zu den leichten Fällen gehörte, sodass rechtsprechungsgemäss mindestens vier Kriterien hätten erfüllt sein müssen, um den adäquaten Kausalzusammenhang zu bejahen (E. 5.3).

3.
Der Gesuchsteller macht geltend, es sei im Rahmen des Kriteriums der Schwere oder besonderen Art der erlittenen Verletzungen unberücksichtigt geblieben, dass er bereits bei seinem früheren Unfall vom 24. Juni 1998 eine Schädigung der Halswirbelsäule erlitten habe. Das Kriterium hätte ebenso wie dasjenige der erheblichen Beschwerden und damit auch die Adäquanz des Kausalzusammenhanges insgesamt bejaht werden müssen.

4.

4.1. Bezüglich der Frage allenfalls zu berücksichtigender früherer Verletzungen der Halswirbelsäule verwies das Bundesgericht in Erwägung 5.1 auf sein Urteil U 415/01 vom 27. August 2002. Zu beurteilen war dort die Rechtmässigkeit der Leistungseinstellung der Suva aus dem fraglichen zweiten Velounfall vom 24. Juni 1998 (Kollision mit einem Auto) per 31. Mai 2000. Gemäss dessen Erwägung 2.2 hatte sich der Gesuchsteller damals kein Schleudertrauma zugezogen.
Soweit sich der Beschwerdeführer diesbezüglich nunmehr darauf beruft, dass nach jenem zweiten Velounfall vom 24. Juni 1998 eine zumindest teilweise Arbeitsunfähigkeit während sechs Jahren wegen Beschwerden an der Halswirbelsäule bestanden habe, ist zudem auf das ebenfalls diesen zweiten Unfall betreffende Urteil U 91/06 vom 24. November 2006 hinzuweisen. Das Bundesgericht stellte darin fest, dass die Suva im Rahmen eines Rückfalls Versicherungsleistungen für Schulterbeschwerden erbracht habe. Diese Leistungen seien mit Verfügung vom 9. Dezember 2003 und Einspracheentscheid vom 25. April 2005 eingestellt worden. Hinsichtlich der auch damals geltend gemachten Beschwerden wegen einer Verletzung der Halswirbelsäule verwies das Bundesgericht auf sein oben erwähntes Urteil U 415/01 vom 27. August 2002. Damit sei über die diesbezüglichen Ansprüche bereits rechtskräftig entschieden worden.
Das Bundesgericht hat somit bezüglich der geltend gemachten Verletzung der Halswirbelsäule beim zweiten Velounfall vom 24. Juni 1998 in seinem Urteil 8C 483/2019 vom 16. September 2019 keine Beweismittel übersehen, wie vom Gesuchsteller vorgebracht wird.

4.2. Der Gesuchsteller bemängelt, dass das Bundesgericht auch hinsichtlich des ersten Velounfalls vom 16. Mai 1993 zu Unrecht nicht von einer Verletzung der Halswirbelsäule ausgegangen sei. Die diesbezüglichen Feststellungen in Erwägung 5.1 des Urteils 8C 483/2019 vom 16. September 2019 stützten sich auf das von der Suva eingeholte jüngste neurologische Teilgutachten. Inwiefern das Bundesgericht dort erhobene Befunde verkannt oder übersehen hätte, vermag der Gesuchsteller nicht darzutun.

4.3. Zusammengefasst ist nicht zu ersehen, inwiefern das Bundesgericht hinsichtlich der Beurteilung des Kriteriums der Schwere oder besonderen Art der erlittenen Verletzungen in den Akten liegende Tatsachen übersehen oder verkannt hätte. Es ist daher auch nicht auf die das Kriterium der erheblichen Beschwerden betreffenden Erwägungen zurückzukommen. Die Voraussetzungen für eine Revision des Urteils 8C 483/2019 vom 16. September 2019 sind nicht erfüllt.

5.
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 65 Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten bestehen in der Gerichtsgebühr, der Gebühr für das Kopieren von Rechtsschriften, den Auslagen für Übersetzungen, ausgenommen solche zwischen Amtssprachen, und den Entschädigungen für Sachverständige sowie für Zeugen und Zeuginnen.
1    Die Gerichtskosten bestehen in der Gerichtsgebühr, der Gebühr für das Kopieren von Rechtsschriften, den Auslagen für Übersetzungen, ausgenommen solche zwischen Amtssprachen, und den Entschädigungen für Sachverständige sowie für Zeugen und Zeuginnen.
2    Die Gerichtsgebühr richtet sich nach Streitwert, Umfang und Schwierigkeit der Sache, Art der Prozessführung und finanzieller Lage der Parteien.
3    Sie beträgt in der Regel:
a  in Streitigkeiten ohne Vermögensinteresse 200-5000 Franken;
b  in den übrigen Streitigkeiten 200-100 000 Franken.
4    Sie beträgt 200-1000 Franken und wird nicht nach dem Streitwert bemessen in Streitigkeiten:
a  über Sozialversicherungsleistungen;
b  über Diskriminierungen auf Grund des Geschlechts;
c  aus einem Arbeitsverhältnis mit einem Streitwert bis zu 30 000 Franken;
d  nach den Artikeln 7 und 8 des Behindertengleichstellungsgesetzes vom 13. Dezember 200223.
5    Wenn besondere Gründe es rechtfertigen, kann das Bundesgericht bei der Bestimmung der Gerichtsgebühr über die Höchstbeträge hinausgehen, jedoch höchstens bis zum doppelten Betrag in den Fällen von Absatz 3 und bis zu 10 000 Franken in den Fällen von Absatz 4.
BGG). Die Gerichtskosten werden dem unterliegenden Gesuchsteller auferlegt (Art. 66 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
1    Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
2    Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden.
3    Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht.
4    Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist.
5    Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen.
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Das Revisionsgesuch wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Gesuchsteller auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 2. Dezember 2019

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Die Gerichtsschreiberin: Durizzo
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 8F_16/2019
Date : 02. Dezember 2019
Published : 20. Dezember 2019
Source : Bundesgericht
Status : Unpubliziert
Subject area : Unfallversicherung
Subject : Unfallversicherung (Kausalzusammenhang, Beschleunigungsmechanismus)


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BGG: 61  65  66  121
BGE-register
122-II-17
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