TPF 2005 177, p.177

47. Auszug aus dem Entscheid der Beschwerdekammer in Sachen A. gegen Bundesanwaltschaft, Eidgenössisches Untersuchungsrichteramt vom 19. Oktober 2005 (BB.2005.49)

Begründung des Entscheids; Heilung des Gehörsmangels im Rahmen des Beschwerdeverfahrens.

Art. 29 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
1    Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
2    Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör.
3    Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand.
BV

Ausfluss des rechtlichen Gehörs bildet die Pflicht der Behörde, ihre Überlegungen dem Betroffenen gegenüber namhaft zu machen und sich ausdrücklich mit den entscheidrelevanten Einwänden auseinanderzusetzen oder aber zumindest die Gründe anzugeben, weshalb sie gewisse Gesichtspunkte nicht berücksichtigen kann (E. 2.3).

Die Heilung einer Verletzung des rechtlichen Gehörs vor der Beschwerdeinstanz ist nur möglich, wenn diese in freier Kognition entscheidet (E. 2.3).

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Motivation de la décision; guérison d'une violation du droit d'être entendu dans le cadre de la procédure de plainte.

Art. 29 al. 2 Cst.

Découle du droit d'être entendu l'obligation qui incombe à l'autorité de donner à l'intéressé connaissance de ses réflexions et de prendre expressément position sur les objections pertinentes au regard de la décision ou, à tout le moins, d'indiquer les raisons pour lesquelles certains arguments ne peuvent pas être pris en considération (consid. 2.3).

Une violation du droit d'être entendu ne peut être guérie devant l'instance de recours que si celle-ci statue avec un plein pouvoir de cognition (consid. 2.3).

Motivazione della decisione; sanatoria della nullità del diritto d'essere sentito nel quadro della procedura di reclamo.

Art. 29 cpv. 2 Cost.

Costituisce una conseguenza del diritto d'essere sentiti l'obbligo dell'autorità di rendere note all'interessato le proprie riflessioni e di occuparsi espressamente delle obiezioni rilevanti ai fini della decisione o allora di indicare almeno i motivi per i quali essa non può tener conto di determinati aspetti (consid. 2.3).
La sanatoria della nullità del diritto d'essere sentito davanti alla giurisdizione di reclamo è possibile unicamente se quest'ultima decide con libero potere cognitivo (consid. 2.3).

Zusammenfassung des Sachverhalts:

Im Verfahren gegen A. und B. wegen Gefährdung durch die Luftfahrt im Sinne von Art. 90
SR 748.0 Bundesgesetz vom 21. Dezember 1948 über die Luftfahrt (Luftfahrtgesetz, LFG) - Luftfahrtgesetz
LFG Art. 90 - 1 Wer während eines Fluges als Kommandant des Luftfahrzeuges, als Mitglied der Besatzung oder als Passagier die gesetzlichen Vorschriften oder Verkehrsregeln vorsätzlich missachtet und dadurch wissentlich Leib und Leben von Menschen oder fremdes Eigentum von erheblichem Wert auf der Erdoberfläche in Gefahr bringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.237
1    Wer während eines Fluges als Kommandant des Luftfahrzeuges, als Mitglied der Besatzung oder als Passagier die gesetzlichen Vorschriften oder Verkehrsregeln vorsätzlich missachtet und dadurch wissentlich Leib und Leben von Menschen oder fremdes Eigentum von erheblichem Wert auf der Erdoberfläche in Gefahr bringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.237
2    Wer fahrlässig handelt, wird mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen bestraft.
des Bundesgesetzes über die Luftfahrt vom 21. Dezember 1948 (Luftfahrtgesetz, LFG; SR 748.0) beantragte deren gemeinsamer Verteidiger einerseits die Einstellung der Untersuchung gegen A., andererseits mehrere Zeugeneinvernahmen. Das Untersuchungsrichteramt wies die Anträge mit Verfügung vom 13. Juni 2005 ab.

Die Beschwerdekammer hiess die Beschwerde von A. gut, hob die Verfü- gung auf und wies die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurück.

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Aus den Erwägungen:

2.2 (...) Mit der Beschwerde kann klarerweise nicht durchgesetzt werden, der Untersuchungsrichter habe eine ihm nach Gesetz nicht zustehende Befugnis auszuüben. Die Verfügung wäre somit im Ergebnis grundsätzlich nicht zu beanstanden.

2.3 Der Beschwerdeführer rügt in der Replik indes sinngemäss eine Verletzung des verfassungsrechtlichen Anspruchs auf das rechtliche Gehör im Sinne einer Prüfungsund Begründungspflicht, indem er ausführt, er hätte von einer Beschwerde absehen können, wenn die Ausführungen in der Beschwerdeantwort bereits Inhalt der angefochtenen Verfügung gebildet hätten. Diese Rüge erfolgt zu Recht: Ausfluss des rechtlichen Gehörs bildet die Pflicht der Behörde, ihre Überlegungen dem Betroffenen gegenüber namhaft zu machen und sich ausdrücklich mit den (entscheidrelevanten) Einwänden auseinanderzusetzen oder aber zumindest die Gründe anzugeben, weshalb sie gewisse Gesichtspunkte nicht berücksichtigen kann. Andernfalls ist für den Betroffenen wie auch für die Rechtsmittelinstanz nicht nachvollziehbar, ob und inwieweit die vorgebrachten Einwände gewürdigt wurden. Das Recht, angehört zu werden, ist formeller Natur. Die Verletzung des rechtlichen Gehörs führt ungeachtet der Erfolgsaussichten der Beschwerde in der Sache selbst zur Aufhebung der angefochtenen Verfügung. Nach der Rechtsprechung kann allerdings eine nicht besonders schwer wiegende Verletzung des rechtlichen Gehörs als geheilt gelten, wenn der Betroffene die Möglichkeit erhält, sich vor einer Beschwerdeinstanz zu äussern, die sowohl den Sachverhalt wie die Rechtslage frei überprüfen kann. Die Heilung eines allfälligen Mangels soll aber die Ausnahme bleiben (Urteil des Bundesgerichts 1S.13/2005 vom 22. April 2005 E. 4.1; BGE 130 II 530, 562 E. 7.3; BGE 126 V 130, 131 f. E. 2b; BGE 124 V 180, 183 E. 2b, 4a). Nachdem die angefochtene Verfügung ohne nähere Ausführungen lediglich damit begründet wurde, dass die Rechtsfolge der vom Beschwerdeführer vorgebrachten Einwände nicht eine Einstellung des Strafverfahrens sein könne, sondern diese Folge vielmehr ,,strafrechtlicher Natur" zu sein hätte, im Beschwerdeverfahren hingegen als neue Begründung vorgetragen wird, der Untersuchungsrichter habe gar keine gesetzliche Kompetenz zur Einstellung einer Voruntersuchung, kam die Vorinstanz offensichtlich ihrer Prüfungsund Begründungspflicht nicht bzw. nicht in genügender Art und Weise nach. Wie bereits gegenüber der Bundesanwaltschaft im Rahmen der Aufsichtstätigkeit des Bundesstrafgerichts unter Hinweis auf die vorstehend zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichts

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dem Grundsatz nach zum Ausdruck gebracht wurde, verletzt ein Entscheid oder eine Verfügung des Bundesanwalts, welche keine oder bloss eine ungenügende Begründung aufweist, das rechtliche Gehör des Betroffenen (Schreiben des Bundesstrafgerichts an die Schweizerische Bundesanwaltschaft vom 2. Juni 2005). Dies hat mutatis mutandis auch für entsprechende Entscheide und Verfügungen des Untersuchungsrichters Geltung. Da die Beschwerdekammer praxisgemäss nur Beschwerden betreffend Zwangsmassnahmen und damit zusammenhängende Amtshandlungen mit voller Kognition prüft (Entscheid des Bundesstrafgerichts BB.2005.4 vom 27. April 2005 E. 2), ist eine Heilung des Gehörsmangels im vorliegenden Beschwerdeverfahren ausgeschlossen. Daran ändert der Umstand nichts, dass eine Einstellung des Strafverfahrens auf Grund der dargelegten Kompetenzabgrenzung zwischen Untersuchungsrichter und Bundesanwalt nicht in Betracht fallen kann, denn es kommt nicht darauf an, ob die Anhörung (hier: im Sinne der Prüfungsund Begründungspflicht) im konkreten Fall für den Ausgang der materiellen Entscheidung von Bedeutung ist, das heisst die Behörde zu einer Änderung ihres Entscheides veranlasst wird oder nicht.