Urteilskopf
95 II 281
36. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 26. März 1969 i.S. Abtrag AG gegen Walter.
Regeste (de):
- Art. 46 OG. Die Verrechnung mit der umstrittenen Gegenforderung macht die Klageforderung streitig, weshalb deren Höhe den Streitwert der Klage bestimmt.
- Art. 47 Abs. 3 OG. Berufungsfähigkeit der Widerklage, die den Streitwert des Art. 46 OG nicht erreicht.
Regeste (fr):
- Art. 46 OJ. La créance du demandeur devient litigieuse si le défendeur lui oppose en compensation une créance qui est contestée. Le montant de la créance du demandeur détermine alors la valeur litigieuse de la demande.
- Art. 47 al.3 OJ. Recevabilité du recours en réforme en ce qui concerne la demande reconventionnelle dont le montant n'atteint pas la valeur litigieuse prévue à l'art. 46 OJ.
Regesto (it):
- Art. 46 OG. Il credito dell'attore diviene litigioso se il convenuto gli oppone in compensazione un credito che è contestato. L'ammontare del credito dell'attore determina allora il valore litigioso dell'azione.
- Art. 47 cpv. 3 OG. Ammissibilità del ricorso per riforma per quanto riguarda la domanda riconvenzionale che non raggiunge il valore litigioso previsto dall'art. 46 OG.
Erwägungen ab Seite 281
BGE 95 II 281 S. 281
Aus den Erwägungen:
Das Begehren der Hauptklage wurde vom Bezirksgericht im Umfange von Fr. 8500.-- geschützt. Der Kläger fand sich damit ab, nicht aber die Beklagte, die auch noch vor dem Obergericht die Abweisung der Hauptklage beantragte. Die Sache ist daher hinsichtlich des Hauptklagebegehrens berufungsfähig (Art. 46 OG). Dass die Beklagte die Forderung des Klägers als solche anerkannte und sich der Hauptklage nur mit der Begründung widersetzte, sie habe eine verrechenbare Gegenforderung von Fr. 12 000.--, ändert nichts. Zwar hat die I. Zivilabteilung am 31. März 1952 i.S. Kobelt und am 14. Januar 1958 i.S. Faust unter Hinweis auf BGE 41 II 320 f. den nicht bestrittenen, aber mit einer bestrittenen Gegenforderung verrechneten Betrag des Klagebegehrens bei der Bestimmung des Streitwertes der Hauptklage ausser Betracht gelassen und ihn auch nicht zu dem widerklageweise geltend gemachten Mehrbetrag der Gegenforderung hinzugerechnet, um den Streitwert der Widerklage zu ermitteln. Gleicher Meinung ist BIRCHMEIER (Bundesrechtspflege,
BGE 95 II 281 S. 282
Art. 47 Anm. 6 S. 157), der sich ausser auf BGE 41 II 320 auf BGE 31 II 533 beruft. Diese Auffassung überzeugt jedoch nicht. Wenn der Beklagte die Hauptforderung an sich anerkennt, aber mit einer bestrittenen Gegenforderung verrechnet und für den Überschuss Widerklage erhebt, verhält es sich gleich, wie wenn er unter Anerkennung der Klageforderung mit einer bestrittenen Gegenforderung verrechnet, ohne für deren Überschuss Widerklage zu erheben. Die Verrechnung mit der umstrittenen Gegenforderung macht die Klageforderung streitig, weshalb deren Höhe den Streitwert der Klage bestimmt. Wenn nur die verrechnete Forderung eingeklagt ist, wäre sonst der Streitwert gleich Null, eine Annahme, die angesichts des Umstandes, dass die Parteien um die Gegenforderung streiten, nicht standhielte. Warum es sich anders verhalten sollte, wenn der Beklagte für den Mehrbetrag seiner angeblichen Gegenforderung eine Widerklage erhebt, ist nicht einzusehen. Soweit Verrechnung geltend gemacht wird, ist auch in diesem Falle die Forderung des Hauptklägers trotz ihrer grundsätzlichen Anerkennung streitig. In BGE 31 II 533 ff. stellte sich die Frage nicht, weil mit der Hauptklage weniger als Fr. 2000.-- verlangt wurden, die damals hätten gefordert werden müssen, um die Sache unter dem Gesichtspunkt der Hauptklage berufungsfähig zu machen (Art. 59 aoG). In BGE 41 II 320 f. sodann war nicht zu entscheiden, ob die Sache berufungsfähig sei, sondern ob der Berufungskläger gemäss Art. 67 Abs. 4 aoG die Berufung schriftlich hätte begründen sollen, weilder Wert des Streitgegenstandes unter Fr. 4000.-- blieb. Diese Frage war zweifellos zu bejahen, denn die an sich anerkannte Hauptklageforderung betrug nur Fr. 2183.--, und auch der Streitwert der Widerklage erreichte nur Fr. 2817.--, weil die Gegenforderung des Beklagten sich auf Fr. 5000.-- belief und nach der Verrechnung mit der Klageforderung nur der Unterschied von Fr. 2817.-- Gegenstand der Widerklage bildete. An BGE 41 II 320 f. lässt sich also nichts aussetzen. Im Urteil vom 31. März 1952 i.S. Kobelt wurde aus BGE 41 II 320 f. zu Unrecht gefolgert, der an sich anerkannte, aber wegen der Verrechnung mit einer streitigen Gegenforderung dennoch umstrittene Teil der Forderung des Klägers falle bei der Bestimmung der Berufungsfähigkeit der Hauptklage ausser Betracht. Das ist in BGE 41 II 320 f. nicht gesagt worden. Am gleichen Fehler leidet das Urteil vom 14. Januar 1958
BGE 95 II 281 S. 283
i.S. Faust. Dazu kommt, dass in diesem Falle sich die Frage, ob die Sache hinsichtlich der Hauptklage berufungsfähig sei, überhaupt nicht stellte, da die Forderung des Klägers nur Fr. 3351.10 betrug, also unter der Streitwertgrenze blieb, die im Jahre 1921 auf Fr. 4000.-- erhöht worden war. Der Streitwert der Widerklage erreicht den in Art. 46 OG vorgesehenen Betrag von Fr. 8000.-- nicht, weil die Beklagte von ihrer umstrittenen Gegenforderung von Fr. 12 000.-- einen Teil als durch Verrechnung getilgt erachtete und mit dem Widerklagebegehren nur Fr. 1500.-- forderte. Der zur Verrechnung gestellte Teil der Gegenforderung darf nicht zu diesem Betrag hinzugerechnet werden; er dient nur dazu, die Hauptforderung streitig zu machen, und ist nicht Gegenstand der Widerklage. Dennoch ist die Sache auch hinsichtlich der Widerklage berufungsfähig. Zwar wird der Betrag der Widerklage nicht mit demjenigen der Hauptklage zusammengerechnet (Art. 47 Abs. 2 OG). Wegen der Verrechnungserklärung der Beklagten kann aber die Hauptklage nur gutgeheissen werden, wenn und soweit die unbestrittene Forderung des Klägers die bestrittene Gegenforderung der Beklagten übersteigt, und anderseits dringt die Widerklage nur durch, wenn und soweit die Gegenforderung der Beklagten grösser ist als die Forderung des Klägers. Die Gutheissung der Hauptklage schliesst die Gutheissung der Widerklage aus und umgekehrt. Es trifft also Art. 47 Abs. 3 OG zu, wonach die Zulässigkeit der Berufung hinsichtlich der einen Klage die Berufung auch hinsichtlich der anderen erlaubt.