S. 333 / Nr. 57 Familienrecht (d)

BGE 78 II 333

57. Urteil der Il. Zivilabteilung vom 26. September 1952 i. S. Preiswerk gegen
Gemeinderat Reigoldswil.

Regeste:
Beiratschaft, Art. 395
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 395 - 1 Errichtet die Erwachsenenschutzbehörde eine Vertretungsbeistandschaft für die Vermögensverwaltung, so bestimmt sie die Vermögenswerte, die vom Beistand oder von der Beiständin verwaltet werden sollen. Sie kann Teile des Einkommens oder das gesamte Einkommen, Teile des Vermögens oder das gesamte Vermögen oder das gesamte Einkommen und Vermögen unter die Verwaltung stellen.
1    Errichtet die Erwachsenenschutzbehörde eine Vertretungsbeistandschaft für die Vermögensverwaltung, so bestimmt sie die Vermögenswerte, die vom Beistand oder von der Beiständin verwaltet werden sollen. Sie kann Teile des Einkommens oder das gesamte Einkommen, Teile des Vermögens oder das gesamte Vermögen oder das gesamte Einkommen und Vermögen unter die Verwaltung stellen.
2    Die Verwaltungsbefugnisse umfassen auch die Ersparnisse aus dem verwalteten Einkommen oder die Erträge des verwalteten Vermögens, wenn die Erwachsenenschutzbehörde nichts anderes verfügt.
3    Ohne die Handlungsfähigkeit der betroffenen Person einzuschränken, kann ihr die Erwachsenenschutzbehörde den Zugriff auf einzelne Vermögenswerte entziehen.
4    ...480
ZGB.
Beiratschaft und Vormundschaft, Unterschied bezüglich des Zweckes. Neigung zu
Trunk und Müssiggang bildet keinen Verbeiratungsgrund, wenn der Interdizend
die Verwaltung seines Vermögens ohnehin nicht hat und dieses auch nicht durch
übertriebenen Geldbedarf gefährdet.
Conseil légal, art. 395 CC
Conseil légal et tutelle, différence quant au but. Un penchant pour la boisson
et pour l'oisiveté ne suffit pas pour justifier la nomination d'un conseil
légal lorsque l'intéressé ne gère pas sa fortune et que celle-ci n'est pas
mise en péril par in besoin d'argent excessif.
Assistente a norma dell'art. 395 CC.
Assistente e tutore, differenza quanto allo scopo. Una tendenza al bere e
all'ozio non basta per giustificare la nomina d'un assistente, quando
l'interessato non amministra la sua sostanza e questa non è messa in pericolo
da un eccessivo bisogno di denaro.


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A. - Auf den Rekurs des Th. Preiswerk gegen die vom Regierungsrat verfügte
Verbeiratung gemäss Art. 395 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 395 - 1 Errichtet die Erwachsenenschutzbehörde eine Vertretungsbeistandschaft für die Vermögensverwaltung, so bestimmt sie die Vermögenswerte, die vom Beistand oder von der Beiständin verwaltet werden sollen. Sie kann Teile des Einkommens oder das gesamte Einkommen, Teile des Vermögens oder das gesamte Vermögen oder das gesamte Einkommen und Vermögen unter die Verwaltung stellen.
1    Errichtet die Erwachsenenschutzbehörde eine Vertretungsbeistandschaft für die Vermögensverwaltung, so bestimmt sie die Vermögenswerte, die vom Beistand oder von der Beiständin verwaltet werden sollen. Sie kann Teile des Einkommens oder das gesamte Einkommen, Teile des Vermögens oder das gesamte Vermögen oder das gesamte Einkommen und Vermögen unter die Verwaltung stellen.
2    Die Verwaltungsbefugnisse umfassen auch die Ersparnisse aus dem verwalteten Einkommen oder die Erträge des verwalteten Vermögens, wenn die Erwachsenenschutzbehörde nichts anderes verfügt.
3    Ohne die Handlungsfähigkeit der betroffenen Person einzuschränken, kann ihr die Erwachsenenschutzbehörde den Zugriff auf einzelne Vermögenswerte entziehen.
4    ...480
und 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 395 - 1 Errichtet die Erwachsenenschutzbehörde eine Vertretungsbeistandschaft für die Vermögensverwaltung, so bestimmt sie die Vermögenswerte, die vom Beistand oder von der Beiständin verwaltet werden sollen. Sie kann Teile des Einkommens oder das gesamte Einkommen, Teile des Vermögens oder das gesamte Vermögen oder das gesamte Einkommen und Vermögen unter die Verwaltung stellen.
1    Errichtet die Erwachsenenschutzbehörde eine Vertretungsbeistandschaft für die Vermögensverwaltung, so bestimmt sie die Vermögenswerte, die vom Beistand oder von der Beiständin verwaltet werden sollen. Sie kann Teile des Einkommens oder das gesamte Einkommen, Teile des Vermögens oder das gesamte Vermögen oder das gesamte Einkommen und Vermögen unter die Verwaltung stellen.
2    Die Verwaltungsbefugnisse umfassen auch die Ersparnisse aus dem verwalteten Einkommen oder die Erträge des verwalteten Vermögens, wenn die Erwachsenenschutzbehörde nichts anderes verfügt.
3    Ohne die Handlungsfähigkeit der betroffenen Person einzuschränken, kann ihr die Erwachsenenschutzbehörde den Zugriff auf einzelne Vermögenswerte entziehen.
4    ...480
ZGB wegen Verschwendung und
Trunksucht setzte das Obergericht im Januar 1951 das erfahren aus und wies den
Anwalt des Interdizenden an, dem Gericht bis 1. November 1951 über dessen
persönlichen Zustand und finanzielle Lage Bericht zu erstatten zwar gehe der
Rekurrent jetzt einer geregelten Beschäftigung nach, sei im Alkoholgenuss
mässiger geworden und gebe auch in seinem übrigen Verhalten zur Zeit zu keinem
Tadel Anlass, es rechtfertige sich aber eine weitere Beobachtung seiner
Führung.
Am 6. November 1951 berichtete der Anwalt des Rekurrenten, dieser habe während
drei Monaten gewissenhaft und pünktlich gearbeitet. Eine Erkundigung des
Gerichts bei Dr. M. V. in L., der die aus dem Vermögen des Interdizenden
gebildete Th. Preiswerksche Familienstiftung verwaltet, ergab, dass dieser in
den ersten zehn Monaten des Jahres 1951 durchschnittlich Fr. 425.- aus der
Stiftung bezogen und diese ausserdem Fr. 300.- an Arztrechnungen für ihn
bezahlt hatte. Dr. V. bemerkte, der Interdizend würde noch viel grössere
Bezüge machen, wenn er über sein Vermögen frei verfügen könnte.
B. - Daraufhin wies das Obergericht den Rekurs ab. In der Begründung führt es
aus, schon seit 1941 befinde sich der Rekurrent in einem Zustande geistiger
und moralischer Haltlosigkeit, der hauptsächlich auf Trunksucht zurückzuführen
sei. Sein als Familienstiftung verwaltetes Vermögen sei von Fr. 77300.- im
Jahre 1948 bis 1. Januar 1952 auf Fr. 53670.- zurückgegangen. Einen ihm im
Jahre 1947 zur freien Verwaltung übergebenen Betrag von Fr. 9393.30 habe der
Rekurren in kürzester Frist vertrunken und vertan. Die vor der ersten
Gerichtsverhandlung eingezogenen Erkundigungen über das Verhalten des
Rekurrenten seit der Einreichung des Rekurses hätten freilich nicht ungünstig
gelautet, was zur Annahme berechtigt habe, jener werde sich auch weiterhin gut
halten.

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Dies bestätige denn auch der Bericht seines Anwaltes. Allein trotz dem
klaglosen Verhalten unter dem Damokles-Schwert des Entscheides der
Rekursinstanz bedürfe der Rekurrent nach wie vor einer gewissen persönlichen
Fürsorge. Es bestehe keine Aussicht, dass der jahrelang untätig gewesene und
in den Nerven geschwächte Mann je wieder eine auskömmliche Arbeit finden
werde. Zudem habe er auch während seiner Tätigkeit bei der öffentlichen
Krankenkasse, wo er gut verdient habe, die Mittel der Stiftung in Anspruch
genommen. Angesichts des Hanges des Rekurrenten zu Verschwendung und Trunk sei
für die Substanz seines Vermögens Sorge zu tragen. Die Anordnung einer
Beiratschaft sei daher unumgänglich notwendig.
Gegen dieses Urteil hat Preiswerk die vorliegende Berufung erklärt mit dem
Antrag auf Gutheissung seiner Einsprache gegen den Verbeiratungsbeschluss des
Regierungsrates.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
Laut Akten und tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz war der
Berufungskläger von 1941 an bis in den Herbst 1950 dem Trunk und dem
Müssiggang ergeben. Am 7. November 1941 wurde er im Zustand eines delirium
tremens in die Heil- und Pflegeanstalt Friedmatt in Basel eingeliefert und
unterzog sich dort während eines Jahres einer Alkoholentwöhnungskur. Diese wie
auch spätere Kuren blieben jedoch ohne dauernden Erfolg. Der Berufungskläger
verfiel immer wieder dem Alkohol und brachte die Kraft zu einer geordneten
Lebensweise nicht auf. Aus der Th. Preiswerkschen Stiftung bezog er erhebliche
Beträge, die er teils für Kuren verwendete, teils aber auch nutzlos
vergeudete.
Anderseits hat die Vorinstanz festgestellt, dass der Berufungskläger sich seit
September 1950 klaglos verhalten hat. Zwar hat er trotz seiner
Erwerbstätigkeit in den ersten 10 Monaten des Jahres 1951 aus dem
Stiftungsvermögen

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monatlich im Durchschnitt Fr. 424.- bezogen: dies erklärt sich jedoch aus der
durch seine frühere Liederlichkeit verursachten Schwierigkeit, sich einen
auskömmlichen Verdienst zu schaffen. Dass er mit den ihm zur Verfügung
stehenden Mitteln Verschwendung getrieben hätte, ist auf Grund der
Feststellungen der Vorinstanz nicht anzunehmen. Die starke Abnahme des
Stiftungsvermögens ist in der Hauptsache auf die vor dem Herbst 1950 erfolgten
Bezüge zurückzuführen.
Ob trotz dieser Besserung im äusseren Gehaben des Berufungsklägers eine
Entmündigung im Zeitpunkt des Urteils der Vorinstanz noch angezeigt gewesen
wäre, kann dahingestellt bleiben, nachdem diese die Anordnung einer
Beiratschaft als genügende Massnahme erachtet hat. Denn damit, dass allenfalls
eine Entmündigung geboten und nach dem Gesetz möglich wäre, lässt sich die
Bestellung eines Beirates nicht rechtfertigen. Eine Verbeiratung hat vielmehr
nur dann zu erfolgen, wenn und soweit die in Art. 395 Abs. 1 und 2 vorgesehene
Beschränkung der Handlungsfähigkeit tauglich ist, der verbeirateten Person
Schutz zu bieten. Das angefochtene Urteil lässt sich daher nicht mit der
Erwägung begründen, dass der Berufungskläger einer gewissen persönlichen
Fürsorge bedürfe; denn dem Beirat liegt nach dem eindeutigen Wortlaut des Art.
395 keine solche Fürsorge ob. Die Beiratschaft bezweckt ausschliesslich Schutz
der vermögensrechtlichen Interessen der Person, entweder durch Mitwirkung des
Beirates bei bestimmten Rechtsgeschäften (Abs. 1) oder durch Entzug der
Vermögensverwaltung (Abs. 2 BGE 65 II 142). Insbesondere hat der Beirat sich
mit der Erwerbstätigkeit und dem Lebenswandel seines Schützlings nicht zu
befassen, sondern eben nur mit dieser Mitwirkung bei Geschäften bezw. mit der
Vermögensverwaltung. Zur Verbeiratung genügt jedoch nicht schon die blosse
Möglichkeit einer Gefährdung der Vermögensinteressen einer Person durch ihr
eigenes unkluges Verhalten bei Rechtsgeschäften oder in der
Vermögensverwaltung;

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vielmehr muss sich die Beschränkung der Handlungsfähigkeit als notwendig
erweisen. Dies trifft nur zu, wenn eine Gefährdung mit grosser
Wahrscheinlichkeit als bestehend angenommen werden muss; andernfalls kann von
einer Notwendigkeit im Sinne des Gesetzes nicht gesprochen werden.
Im vorliegenden Falle erachtet nun die Vorinstanz diese Notwendigkeit als
durch den Hang des Berufungsklägers zu Trunk und Verschwendung gegeben. Dabei
muss angesichts ihrer Feststellung, dass die Haltlosigkeit des
Berufungsklägers «hauptsächlich auf Trunksucht zurückzuführen ist» angenommen
werden, dass bei ihm die Verschwendung im engsten Zusammenhang mit der
Trunksucht steht. Diese Annahme wird durch die Tatsache bestätigt, dass er
keine Verschwendung mehr treibt, seitdem er den Alkoholgenuss eingeschränkt
hat. Die einzige in Betracht kommende Gefahrenquelle ist somit sein Hang zum
Trinken, und es fragt sich daher nur, ob dieser Hang eine Verbeiratung zu
rechtfertigen vermag. Eine deswegen allenfalls wünschbare persönliche Fürsorge
ist, wie ausgeführt, nicht Sache des Beirates. Eine unmittelbare Gefahr für
das Vermögen des Berufungsklägers aber bildet seine Alkoholneigung nicht,
jedenfalls keine, der mit Beiratschaft beizukommen wäre. Dass er etwa zur
Vornahme unvernünftiger Rechtsgeschäfte im Sinne von Art. 395 Abs. 1 tendiere,
ist nicht behauptet und ein Vermögen zu verwalten hat er nicht, weil sein
ehemaliges als Familienstiftung verselbständigt ist, die von einer Drittperson
verwaltet wird. Erst wenn der Berufungskläger wieder der Trunksucht und dem
Müssiggang verfallen sollte, würde er durch erhöhte Geldbedürfnisse, insofern
dann dafür die Stiftung aufkommen müsste, «sein» Vermögen gefährden; alsdann
wäre er aber zu seinem persönlichen Schutz ohnehin gemäss Art. 370 zu
bevormunden, womit auch für die Erhaltung des Vermögens gesorgt wäre. Solange
jedoch dieser Fall nicht eintritt, erweist sich eine Beschränkung seiner
Handlungsfähigkeit als

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unzweckmässig, mithin mangels der in Art. 395 geforderten Notwendigkeit
unzulässig. Die Situation würde sich allerdings ändern, wenn der
Berufungskläger etwa darauf verfiele, seine Familienstiftung als gesetzwidrig
(BGE 73 II 81, 75 II 81) anzufechten, damit Erfolg hätte und so das Vermögen
in die Hände bekäme, in welchem Falle dann eine Verwaltungsbeiratschaft
begründet wäre. Einzig zu dem Zwecke aber, ihm die Anfechtung zu
verunmöglichen, vorsorglich eine Mitwirkungsbeiratschaft anzuordnen, liesse
sich nicht rechtfertigen; ein bezügliches Vorgehen des Berufungsklägers könnte
allenfalls mit einer vorsorglichen Entmündigung gemäss Art. 386
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 386 - 1 Die Wohn- oder Pflegeeinrichtung schützt die Persönlichkeit der urteilsunfähigen Person und fördert so weit wie möglich Kontakte zu Personen ausserhalb der Einrichtung.
1    Die Wohn- oder Pflegeeinrichtung schützt die Persönlichkeit der urteilsunfähigen Person und fördert so weit wie möglich Kontakte zu Personen ausserhalb der Einrichtung.
2    Kümmert sich niemand von ausserhalb der Einrichtung um die betroffene Person, so benachrichtigt die Wohn- oder Pflegeeinrichtung die Erwachsenenschutzbehörde.
3    Die freie Arztwahl ist gewährleistet, soweit nicht wichtige Gründe dagegen sprechen.
ZGB verhindert
werden, wie überhaupt auch bei einem Rückfall in Trunksucht und Müssiggang
dann die Entmündigung nach Art. 370 zur Verfügung stände.
Demnach erkennt das Bundesgericht
In Gutheissung der Berufung und Aufhebung des angefochtenen Urteils wird die
Einsprache des Berufungsklägers geschützt und der Verbeiratungsbeschluss des
Regierungsrates vom 21. Juli 1950 aufgehoben.