S. 5 / Nr. 3 Rechtsgleichheit {Rechtsverweigerung} (d)

BGE 76 I 5

3. Auszug aus dem Urteil vom 15. Februar 1950 i. S. Trüb gegen Staat Zürich
und Oberrekurskommission des Kantons Zürich.

Regeste:
Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV. Revision von Steuerentscheiden.
Ein Anspruch unmittelbar aus Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV auf Revision eines Steuerentscheides
besteht nicht bei Mängeln, die der Steuerpflichtige bei der ihm zumutbaren
Aufmerksamkeit schon im Veranlagungsverfahren hätte entdecken können.
Art. 4 Cst. Révision de décisions fiscales,
A défaut d'une disposition de droit cantonal, l'art. 4 est. ne confère pas de
droit à la révision d'une décision fiscale lorsque le contribuable aurait pu,
au cours de la procédure de taxation déjà et en y portant l'attention voulue,
découvrir les vices dont cette décision est entachée.
Art. 4 CF. Revisione di decisioni fiscali.
In mancanza d'una disposizione di diritto cantonale, l'art. 4 CF non
conferisce il diritto di chiedere la revisione d'una decisione fiscale, quando
il contribuente avrebbe potuto scoprire, già nel corso della procedura di
tassazione e usando la debita attenzione, i vizi di questa decisione.


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Aus dem Tatbestand:
Am 31. Oktober 1942 stellte das kantonale Steueramt Zürich im Auftrag der
Finanzdirektion der Beschwerdeführerin eine Steuerverfügung zu, mit der eine
dieser auferlegte Erbschaftssteuer festgesetzt wurde. Gegen diese Verfügung
wurde das Rechtsmittel des Rekurses nicht ergriffen.
Am 17. Juli 1946 ersuchte die Beschwerdeführerin die Finanzdirektion. die
Erbschaftssteuerveranlagung vom 31. Oktober 1942 in Revision zu ziehen und ihr
einen Teil der entrichteten Steuer zurückzuerstatten.
Die Finanzdirektion lehnte das Eintreten auf das Gesuch ab. Ein Rekurs
hiegegen wurde von der Oberrekurskommission zur Hauptsache abgewiesen, da das
Revisionsgesuch in Bezug auf die meisten. zum nachträglichen Abzug vom
erbschaftssteuerpflichtigen Vermögen geltend gemachten Posten mit Tatsachen
begründet werde, die die Beschwerdeführerin gekannt habe oder bei
pflichtgemässer Aufmerksamkeit hätte kennen sollen. Als ausserordentliches
Rechtsmittel stehe die Revision dem Steuerpflichtigen nur da zu Gebote, wo er
nicht in der Lage gewesen sei, auf dem Wege des ordentlichen Rechtsmittels des
Rekurses die unrichtige Veranlagung zu verhindern. Das müsse auch gelten, wenn
die Veranlagung, wie die Beschwerdeführerin behaupte, handgreiflich unrichtig
sei. Gerade unter dieser Voraussetzung habe der Steuerpflichtige allen Anlass.
das ordentliche Rechtsmittel zu ergreifen.
Mit der vorliegenden staatsrechtlichen Beschwerde wird neben willkürlicher
Anwendung kantonalen Steuerrechts auch geltend gemacht, die
Oberrekurskommission habe dadurch Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV verletzt, dass sie die
Erbschaftssteuerveranlagung nicht aus einem bundesrechtlichen Revisionsgrund»,
nämlich wegen handgreiflicher Unrichtigkeiten, aufgehoben habe.
Das Bundesgericht hat die Beschwerde abgewiesen.

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Aus den Erwägungen:
Die Beschwerde könnte nur gutgeheissen werden, wenn eine Rechtverweigerung
darin läge, dass die Oberrekurskommission in Erbschaftssteuersachen zugunsten
des Steuerpflichtigen eine Revision nur Im Rahmen von § 23 des zürch.
Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes zulässt. Dies trifft aber nicht zu.
In einer Reihe von Entscheiden hat das Bundesgericht erklärt, dass die das
Ergebnis eines Veranlagungsverfahrens bildende Feststellung der Steuerpflicht
sowohl für den Steuerpflichtigen als auch für das besteuernde Gemeinwesen
grundsätzlich verbindlich und rechtskräftig sei und nur abgeändert werden
dürfe, wenn und soweit eine gesetzliche Bestimmung es besonders vorsehe (BGE
52 I 12 und dort zitierte frühere Entscheide). Die Missachtung dieses
Grundsatzes wurde jeweils als Willkür behandelt. Hieran kann freilich nicht
mehr festgehalten werden, nachdem die verwaltungsrechtliche Kammer des
Bundesgerichts die Revision auch beim Fehlen einer gesetzlichen Bestimmung
zulässt (BGE 70 I 170, 71 I 106, 74 I 406). Doch folgt daraus noch nicht, dass
einer kantonalen Behörde Willkür oder Rechtsverweigerung vorgeworfen werden
darf, wenn sie sich heute noch an den vom Staatsgerichtshof in einer Reihe von
Entscheiden aufgestellten Grundsatz hält und die Revision von
Steuerentscheiden nur zulässt, soweit sie durch das Gesetz vorgesehen ist.
Unmittelbar auf Grund von Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV kann eine kantonale Behörde zur Revision
eines Steuerentscheides auch bei Fehlen einer gesetzlichen Bestimmung zwar
dann verpflichtet werden, wenn den Steuerpflichtigen nicht nur kein
Verschulden daran trifft, dass er den Mangel nicht früher geltend machte,
sondern dies ausserdem darauf zurückzuführen ist, dass die Steuerbehörde ihn
über Inhalt oder Anwendung der gesetzlichen Vorschriften in einen Irrtum
versetzt oder ihm über massgebliche Umstände eine unrichtige Auskunft erteilt
hat (BGE 75 I 309).

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Dagegen lässt sich aus Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV für die kantonalen Behörden nicht die
Verpflichtung ableiten, die Revision eines Steuerentscheides, der auf
handgreiflich unrichtigen Voraussetzungen beruht oder amtliche Akten
unberücksichtigt lässt, auch dann zuzulassen, wenn der Steuerpflichtige bei
Anwendung der ihm zumutbaren Aufmerksamkeit schon im früheren Verfahren den
Mangel hätte entdecken und dessen Behebung hätte erwirken können. Eine solche
Erweiterung der Revisionsmöglichkeit hätte zur Folge, dass der
Steuerpflichtige kein Interesse an einer sorgfältigen Durchführung des
Veranlagungs- und Rekursverfahrens mehr hätte und die Zahl der
Revisionsgesuche bedeutend zunehmen würde. Auch der für die staats- und
verwaltungsrechtlichen Entscheide geltende Art. 137 lit. b
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
OG lässt die
«revisio propter nova» nur zu, «wenn der Gesuchsteller nachträglich neue
erhebliche Tatsachen erfährt oder entscheidende Beweismittel auffindet, die er
im früheren Verfahren nicht beibringen konnte».
Ein Steuerpflichtiger, der es im Veranlagungs- und Rekursverfahren an der ihm
zumutbaren Aufmerksamkeit hat fehlen lassen, kann auf Grund von Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV eine
Revision des Veranlagungsentscheides auch dann nicht verlangen, wenn die
Steuerbehörde bei sorgfältiger Prüfung der Akten den Fehler hätte entdecken
können, was im vorliegenden Fall wenigstens bei einzelnen Posten zutreffen
mag. Es verstösst nicht gegen Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV, wenn die Unachtsamkeit für beide
Parteien (d.h. für die Steuerbehörde und den Steuerpflichtigen) den Ausschluss
der Revisionsmöglichkeit zur Folge hat, ohne Rücksicht darauf, ob die
Gegenpartei den Fehler hätte entdecken können oder nicht.