S. 27 / Nr. 8 Strafgesetzbuch (d)

BGE 73 IV 27

8. Urteil des Kassationshofes vom 21. Februar 1947 i.S. Schärer gegen N. N.


Seite: 27
Regeste:
1. Art. 173 StGB; üble Nachrede.
a) Wahrheitsbeweis (Erw. 2). Unter welchen Voraussetzungen besteht ein
öffentliches Interesse, den Namen eines der Amnestie teilhaftigen
Steuerhinterziehers zu kennen? Amnestierte Steuerhinterziehungen gehören zum
Privatleben.
b) Wahrung berechtigter Interessen? (Erw. 4).
2. Art. 20
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 20 - Besteht ernsthafter Anlass, an der Schuldfähigkeit des Täters zu zweifeln, so ordnet die Untersuchungsbehörde oder das Gericht die sachverständige Begutachtung durch einen Sachverständigen an.
StGB.
Rechtsirrtum als Tatfrage (Art. 273 Abs. 1 lit. b
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 20 - Besteht ernsthafter Anlass, an der Schuldfähigkeit des Täters zu zweifeln, so ordnet die Untersuchungsbehörde oder das Gericht die sachverständige Begutachtung durch einen Sachverständigen an.
, Art. 277bis
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 20 - Besteht ernsthafter Anlass, an der Schuldfähigkeit des Täters zu zweifeln, so ordnet die Untersuchungsbehörde oder das Gericht die sachverständige Begutachtung durch einen Sachverständigen an.
BStP);
«zureichende Gründe» (Erw. 3).
1. Art. 173 CP; diffamation.
a) Preuve de vérité (consid. 2). A quelles conditions y a-t-il un intérêt
public à connaître le nom d'un contribuable qui s'est soustrait à l'impôt mais
a bénéficié d'une amnistie? Des fraudes fiscales qui ont fait l'objet d'une
amnistie touchent à la vie privée.
b) Sauvegarde d'intérêts légitimes 7 (consid. 4).
2. Art. 20 CP.
Erreur de droit considérée comme question de fait (art. 273 al. 1 litt. b,
art. 277bis PPF); «raisons suffisantes» (consid. 3).
1. Art. 173 CP, diffamazione.
a) Prova della verità (consid. 2). A quali condizioni esiste un interesse
pubblico a conoscere il nome d'un contribuente che si è soltratto all'imposta,
ma ha beneficiato d'un'amnistia? Frodi fiscali che sono state amnistiate
concernono la vita privata.
b) Salvaguardia d'interessi legittimi? (consid. 4).
2. Art. 20 CP.
Errore di diritto considerato come questione di fatto (art. 273, cp. 1, lett.
b; art. 277bis PPF); «ragioni sufficienti» (consid. 3).

A. ­ Im Grossen Rat des Kantons Luzern war ein Postulat betreffend Erledigung
von Steuerrekursen, Wirksamkeit der Steueramnestie und Steuerabkommen
eingereicht und dabei ausgeführt worden, ein Unternehmer in der Gemeinde
Kriens, der in der Steuererklärung offenbar zu wenig angegeben habe, sei mit
einem Vermögen von Fr. 109000.­ eingeschätzt worden, wogegen er rekurriert
habe. Die Taxation pro 1944 habe noch nicht durchgeführt werden können, weil
der Rekurs vom Jahre 1943 noch hängig sei. Inzwischen sei die Einschätzung für
die Wehrsteuer und das Wehropfer erfolgt, verbunden mit der bekannten
Amnestie. Bei dieser Gelegenheit habe der fragliche

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Unternehmer ein Vermögen von Fr. 445658.­ deklariert. Bis jetzt habe er für
die Jahre 1943 bis 1945 nur Fr. 1500.­ angezahlt. Diesen Sommer habe er sich
in der Nachbargemeinde Hergiswil niedergelassen, wo man mit ihm ein
Steuerabkommen getroffen habe, wonach er jährlich insgesamt Fr. 4000.­ zu
bezahlen habe. Solchen skandalösen Machenschaften müsse Einhalt geboten
werden.
Am 24. Oktober 1945 berichtete Redaktor Max Schärer in der Zeitung «Freie
Innerschweiz» über dieses Postulat und fügte bei:
«Für den Krienser ist es ja kein Geheimnis, wer hier als Steuerhinterzieher in
Betracht fällt. Es ist der bekannte Herr N.N. Dieser ist an mehreren
Gemeindeversammlungen aufgetreten, um dort den senkrechten Bürger zu spielen.
Gewiss, wir anerkennen, er hat auf Missstände im bürgerlichen Lager mit Recht
hingewiesen. Seine Kritik ging aber zu weit, sie wurde an vielen Orten
unsachlich. Nun entpuppt sich aber dieser Herr, dem die Arbeiterschaft in
Kriens nie recht traute, als einer, der es gar nicht nötig hat, vor fremden
Türen zu wischen. Vor der eigenen gäbe es genug Arbeit.
Es ist schon ein starkes Stück, wenn heute noch Kapitalisten, um ihrer
Steuerpflicht zu entgehen, in andere Gemeinden ausziehen, die ihnen
Steuerabkommen gewähren. Solche Steuerabkommen sind ein Betrug am werktätigen
Volk. Der arme Teufel kann seine letzten Rappen schwitzen, und der vornehme
Herr mit dem Geldsack zieht in einen andern Kanton, der für unlautern
Wettbewerb in Steuerangelegenheiten bekannt ist. So stellt sich heute die
Frage der Gleichheit des Schweizervolkes noch immer. Hier muss endlich Remedur
geschaffen werden. Die Arbeiterschaft, die die grössten Opfer bei schweren
Einschränkungen bringt, duldet es nicht weiter, dass von gewissen Kapitalisten
noch immer solche Schindluderei getrieben wird.»
B. ­ Am 22. November 1945 reichte N.N. gegen Schärer

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Straf- und Zivilklage wegen Ehrverletzung ein. Er erblickte im Vorhalt der
Steuerhinterziehung eine Beschimpfung und Verleumdung.
Das Obergericht des Kantons Luzern, das am 23. Dezember 1946 als zweite
Instanz urteilte, erblickte im ersten Teil des Artikels eine nach Art. 27
Ziff. 5
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 27 - Besondere persönliche Verhältnisse, Eigenschaften und Umstände, welche die Strafbarkeit erhöhen, vermindern oder ausschliessen, werden bei dem Täter oder Teilnehmer berücksichtigt, bei dem sie vorliegen.
StGB straflose wahrheitsgetreue Berichterstattung über die
öffentlichen Verhandlungen einer Behörde, während es den Beklagten wegen des
zweiten Teils des Artikels der üblen Nachrede im Sinne von Art. 173
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 173 - 1. Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt,
1    Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt,
2    Beweist der Beschuldigte, dass die von ihm vorgebrachte oder weiterverbreitete Äusserung der Wahrheit entspricht, oder dass er ernsthafte Gründe hatte, sie in guten Treuen für wahr zu halten, so ist er nicht strafbar.
3    Der Beschuldigte wird zum Beweis nicht zugelassen und ist strafbar für Äusserungen, die ohne Wahrung öffentlicher Interessen oder sonst wie ohne begründete Veranlassung, vorwiegend in der Absicht vorgebracht oder verbreitet werden, jemandem Übles vorzuwerfen, insbesondere, wenn sich die Äusserungen auf das Privat- oder Familienleben beziehen.
4    Nimmt der Täter seine Äusserung als unwahr zurück, so kann er milder bestraft oder ganz von Strafe befreit werden.
5    Hat der Beschuldigte den Wahrheitsbeweis nicht erbracht oder sind seine Äusserungen unwahr oder nimmt der Beschuldigte sie zurück, so hat das Gericht dies im Urteil oder in einer andern Urkunde festzustellen.
StGB
schuldig erklärte und mit fünfzig Franken büsste. Es ordnete an, dass der
Urteilsspruch auf Kosten des Beklagten je einmal im Kantonsblatt und in der
«Freien Innerschweiz» zu veröffentlichen sei. Die weiteren Begehren des
Klägers wies es ab.
Zur Begründung führte das Obergericht im wesentlichen aus, die Taxation des
Vermögens des Klägers sei zwar von der Wehropfer-Einschätzungskommission wegen
Nichtzulassung gewisser Schuldenabzüge auf Fr. 482500.­ erhöht worden, doch
halte die Kommission die Voraussetzungen der Amnestie für erfüllt. Wer aber
der Steueramnestie teilhaftig werde, gelte vor dem Gesetz und der
Öffentlichkeit als gerechtfertigt und dürfe nicht mehr der Steuerhinterziehung
bezichtigt werden. Sein gesetzwidriges Verhalten gehöre der Vergangenheit und
dem Privatleben an, das nicht Gegenstand öffentlicher Diskussion bilden dürfe.
Der. Beklagte sei durch Nennung des Namens des vom Postulanten erwähnten
Steuerhinterziehers über die zulässige Berichterstattung hinausgegangen. Erst
dadurch sei für weitere Kreise ausserhalb der Gemeinde Kriens erkennbar
geworden, dass sich der Vorhalt gegen den Kläger richte. Zwar sei die Amnestie
damals noch nicht amtlich festgestellt gewesen, doch habe der Kläger darauf
bereits Anspruch erhoben, weshalb ohne weiteres damit zu rechnen gewesen sei.
Der Wahrheitsbeweis sei nach dem Gesagten nicht zulässig. Dass der Beklagte im
Sinne des Art. 20
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 20 - Besteht ernsthafter Anlass, an der Schuldfähigkeit des Täters zu zweifeln, so ordnet die Untersuchungsbehörde oder das Gericht die sachverständige Begutachtung durch einen Sachverständigen an.
StGB angenommen habe, er sei zu seinem Vorgehen berechtigt,
werde von der Verteidigung nicht geltend gemacht. Der

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Beklagte könnte sich jedenfalls nicht auf zureichende Gründe für eine solche
irrige Meinung berufen.
C. ­ Schärer führt gegen dieses Urteil Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag,
es sei aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an das Obergericht
zurückzuweisen. Er macht geltend, das Gericht habe den Wahrheitsbeweis zu
Unrecht nicht zugelassen. Auf alle Fälle hätte es Art. 20
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 20 - Besteht ernsthafter Anlass, an der Schuldfähigkeit des Täters zu zweifeln, so ordnet die Untersuchungsbehörde oder das Gericht die sachverständige Begutachtung durch einen Sachverständigen an.
StGB anwenden und
von einer Bestrafung Umgang nehmen sollen. Der Beschwerdeführer habe in
Wahrung berechtigter Interessen gehandelt, denn die Öffentlichkeit habe ein
Interesse gehabt, über diesen einzigartigen Fall der Benützung der
Steueramnestie unterrichtet zu werden.
D. ­ N.N. beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen.
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. ­ Der Beschwerdeführer hat den Beschwerdegegner als Steuerhinterzieher
blossgestellt. Das war geeignet, den Ruf des Beschwerdegegners zu schädigen.
Ob man in der Gemeinde Kriens dessen Verhalten schon allgemein kannte, ist
unerheblich; denn nach Art. 173 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 173 - 1. Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt,
1    Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt,
2    Beweist der Beschuldigte, dass die von ihm vorgebrachte oder weiterverbreitete Äusserung der Wahrheit entspricht, oder dass er ernsthafte Gründe hatte, sie in guten Treuen für wahr zu halten, so ist er nicht strafbar.
3    Der Beschuldigte wird zum Beweis nicht zugelassen und ist strafbar für Äusserungen, die ohne Wahrung öffentlicher Interessen oder sonst wie ohne begründete Veranlassung, vorwiegend in der Absicht vorgebracht oder verbreitet werden, jemandem Übles vorzuwerfen, insbesondere, wenn sich die Äusserungen auf das Privat- oder Familienleben beziehen.
4    Nimmt der Täter seine Äusserung als unwahr zurück, so kann er milder bestraft oder ganz von Strafe befreit werden.
5    Hat der Beschuldigte den Wahrheitsbeweis nicht erbracht oder sind seine Äusserungen unwahr oder nimmt der Beschuldigte sie zurück, so hat das Gericht dies im Urteil oder in einer andern Urkunde festzustellen.
StGB macht sich nicht nur strafbar,
wer eine noch nicht bekannte Tatsache behauptet, sondern auch, wer etwas schon
Bekanntes verbreitet. Das hat der Beschwerdeführer getan,
2. ­ Der Wahrheitsbeweis ist nach Art. 173 Ziff. 2 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 173 - 1. Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt,
1    Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt,
2    Beweist der Beschuldigte, dass die von ihm vorgebrachte oder weiterverbreitete Äusserung der Wahrheit entspricht, oder dass er ernsthafte Gründe hatte, sie in guten Treuen für wahr zu halten, so ist er nicht strafbar.
3    Der Beschuldigte wird zum Beweis nicht zugelassen und ist strafbar für Äusserungen, die ohne Wahrung öffentlicher Interessen oder sonst wie ohne begründete Veranlassung, vorwiegend in der Absicht vorgebracht oder verbreitet werden, jemandem Übles vorzuwerfen, insbesondere, wenn sich die Äusserungen auf das Privat- oder Familienleben beziehen.
4    Nimmt der Täter seine Äusserung als unwahr zurück, so kann er milder bestraft oder ganz von Strafe befreit werden.
5    Hat der Beschuldigte den Wahrheitsbeweis nicht erbracht oder sind seine Äusserungen unwahr oder nimmt der Beschuldigte sie zurück, so hat das Gericht dies im Urteil oder in einer andern Urkunde festzustellen.
StGB ausgeschlossen,
wenn drei Voraussetzungen erfüllt sind: Der Wahrheitsbeweis darf nicht im
öffentlichen Interesse liegen, die Äusserung muss sich auf das Privat- oder
Familienleben des Verletzten beziehen, und sie muss vorwiegend in der Absicht
erfolgt sein, jemandem Übles vorzuwerfen.
Die erste Voraussetzung ist hier erfüllt. Ein öffentliches Interesse, die
Steuerhinterziehungen des Beschwerdegegners bewiesen zu sehen, besteht nicht.
Durch die Amnestie will das Gesetz unter solche Vorkommnisse zugunsten derer,
die ihr Vermögen und Einkommen richtig angeben, einen Schlussstrich machen,
sie vergessen lassen. Daher kann es jedenfalls nicht schon die Steuerbehörde
interessieren,

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zu wissen, dass und in welchem Ausmass der Beschwerdegegner vor dem Jahre 1945
Steuern hinterzogen hat, ganz abgesehen davon, dass seine Wehrsteuer- und
Wehropfererklärung sie darüber bereits ins Bild gesetzt hat. Es besteht aber
auch kein Interesse, dass das, was die Steuerbehörden über die
Steuerhinterziehungen des Beschwerdegegners wissen, einem weiteren Kreise
bekanntgegeben und bewiesen werde. Wohl ist der Fall im Grossen Rat des
Kantons Luzern zur Sprache gekommen und durfte daher die Presse ihn auch dem
Volke mitteilen, aber nur als Beispiel eines Falles, der für Missstände im
Steuerwesen zeuge. Nur wegen seiner grundsätzlichen Bedeutung war darüber auch
im Grossen Rat gesprochen worden, nicht weil es eine Sache war, die gerade den
Beschwerdegegner anging. Der Postulant hatte denn auch unterlassen, den Namen
des betreffenden Steuerpflichtigen zu nennen, und dass das Volk ihn durch die
Presse erfahre, lag sowenig im öffentlichen Interesse, als es den Grossen Rat
interessiert hatte, ihn zu kennen. Wenn der Beschwerdeführer den Fall in der
Presse behandeln wollte, hatte er es losgelöst von der Person des
Beschwerdegegners zu tun, wie denn auch schon vor der Geltung des
Strafgesetzbuches die Pressfreiheit z. B. nicht erlaubte, in der
Berichterstattung über die Strafrechtsprechung der Gerichte den Namen des
Betroffenen zu nennen, wenn nicht ein öffentliches Interesse an der Kenntnis
desselben das Interesse des Betroffenen an dessen Unterdrückung überwog. Ein
solches öffentliches Interesse besteht etwa, wenn der Betroffene Träger oder
Anwärter eines öffentlichen Amtes oder eine im öffentlichen Leben stehende
Person ist und seine Verfehlungen von Bedeutung sind, um seine Eignung oder
Würdigkeit zum Amte oder zu der öffentlichen Betätigung zu beurteilen (BGE 64
I 180
f.). Weder das eine noch das andere trifft für den Beschwerdegegner zu.
Nach der Behauptung des Beschwerdeführers soll er sich zwar in Kriens an
mehreren Gemeindeversammlungen durch seine Kritik hervorgetan haben. Das ist
aber schon deshalb nicht von Bedeutung,

Seite: 32
weil er im Zeitpunkt, als der Beschwerdeführer den Artikel veröffentlichte
nicht mehr in dieser Gemeinde wohnte, dort also keine politischen Rechte mehr
auszuüben hatte.
Wie das Obergericht mit Recht ausführt, sind die Steuerhinterziehungen des
Beschwerdegegners durch die Amnestie auch eine Angelegenheit seines
Privatlebens geworden. Nach der Rechtsprechung des Kassationshofes ist der
Begriff des Privatlebens im Sinne von Art. 173 Ziff. 2 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 173 - 1. Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt,
1    Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt,
2    Beweist der Beschuldigte, dass die von ihm vorgebrachte oder weiterverbreitete Äusserung der Wahrheit entspricht, oder dass er ernsthafte Gründe hatte, sie in guten Treuen für wahr zu halten, so ist er nicht strafbar.
3    Der Beschuldigte wird zum Beweis nicht zugelassen und ist strafbar für Äusserungen, die ohne Wahrung öffentlicher Interessen oder sonst wie ohne begründete Veranlassung, vorwiegend in der Absicht vorgebracht oder verbreitet werden, jemandem Übles vorzuwerfen, insbesondere, wenn sich die Äusserungen auf das Privat- oder Familienleben beziehen.
4    Nimmt der Täter seine Äusserung als unwahr zurück, so kann er milder bestraft oder ganz von Strafe befreit werden.
5    Hat der Beschuldigte den Wahrheitsbeweis nicht erbracht oder sind seine Äusserungen unwahr oder nimmt der Beschuldigte sie zurück, so hat das Gericht dies im Urteil oder in einer andern Urkunde festzustellen.
StGB weit
auszulegen. Er umfasst z. B. auch verbüsste Strafen; solche sollen nicht
unbeschränkte Zeit zum Gegenstand des Gesprächs gemacht werden, vorwiegend um
dem Bestraften Übles vorzuwerfen (BGE 71 IV 128 ff.). Desgleichen darf der
Steuerhinterzieher, über dessen Verfehlungen der Gesetzgeber durch Amnestie
hinweggeht, nicht der Kritik- und Klatschsucht zuliebe weiterhin als Übeltäter
gebrandmarkt werden. Die Amnestie könnte ihren Zweck, den Weg zur
Pflichterfüllung zu erleichtern, nicht erfüllen, wenn der Steuerpflichtige
damit rechnen müsste, dank seiner Einsicht und Umkehr an den Pranger gestellt
zu werden. Es besteht umsoweniger Anlass, die Grenzen des Privatlebens eng zu
ziehen, als die dieser Sphäre angehörenden Tatsachen nur dann nicht bewiesen
werden dürfen, wenn der Täter vorwiegend in der Absicht gehandelt hat, dem
andern Übles vorzuwerfen.
Ob letzteres hier der Fall sei, hat das Obergericht nicht entschieden. Das
angefochtene Urteil muss deshalb aufgehoben und die Sache zur Neubeurteilung
zurückgewiesen werden. Falls der Beschwerdeführer nicht vorwiegend die Absicht
gehabt hat, dem Beschwerdegegner Übles vorzuwerfen, muss der Wahrheitsbeweis
zugelassen werden, andernfalls ist er auszuschliessen.
3. ­ Wie das Obergericht erklärt, hat der Beschwerdeführer vor den kantonalen
Gerichten nicht geltend gemacht, er habe sich zur Tat berechtigt gehalten. Er
ist deshalb mit dieser Behauptung im Beschwerdeverfahren nicht zu hören (Art.
273 lit. b
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 173 - 1. Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt,
1    Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt,
2    Beweist der Beschuldigte, dass die von ihm vorgebrachte oder weiterverbreitete Äusserung der Wahrheit entspricht, oder dass er ernsthafte Gründe hatte, sie in guten Treuen für wahr zu halten, so ist er nicht strafbar.
3    Der Beschuldigte wird zum Beweis nicht zugelassen und ist strafbar für Äusserungen, die ohne Wahrung öffentlicher Interessen oder sonst wie ohne begründete Veranlassung, vorwiegend in der Absicht vorgebracht oder verbreitet werden, jemandem Übles vorzuwerfen, insbesondere, wenn sich die Äusserungen auf das Privat- oder Familienleben beziehen.
4    Nimmt der Täter seine Äusserung als unwahr zurück, so kann er milder bestraft oder ganz von Strafe befreit werden.
5    Hat der Beschuldigte den Wahrheitsbeweis nicht erbracht oder sind seine Äusserungen unwahr oder nimmt der Beschuldigte sie zurück, so hat das Gericht dies im Urteil oder in einer andern Urkunde festzustellen.
BStP). Zudem könnte der behauptete Irrtum nicht mit zureichenden
Gründen im

Seite: 33
Sinne des Art. 20
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 20 - Besteht ernsthafter Anlass, an der Schuldfähigkeit des Täters zu zweifeln, so ordnet die Untersuchungsbehörde oder das Gericht die sachverständige Begutachtung durch einen Sachverständigen an.
StGB entschuldigt werden. Wohl hat der Beschwerdeführer den
Artikel im Anschluss an eine Verhandlung des Grossen Rates veröffentlicht.
Doch sagt er nicht, weshalb er sich für berechtigt gehalten habe, durch
Bekanntgabe des Namens des Beschwerdegegners über das hinauszugehen, was im
Rate gesprochen worden war. Auch hilft der Einwand nicht, die Taxation und
damit die Amnestie sei noch nicht rechtskräftig gewesen. Einen Anhaltspunkt,
dass der Beschwerdegegner auf Grund seiner Steuererklärung der Amnestie nicht
teilhaftig werden würde, hatte der Beschwerdeführer nicht, was er ja auch
nicht behauptet.
4. ­ Der Beschwerdeführer hat auch nicht berechtigte Interessen gewahrt. Um
die Leser der Zeitung über den Fall zu unterrichten, war es nicht nötig, den
Namen des Beschwerdegegners zu nennen; das war nicht das richtige Mittel (vgl.
BGE 70 IV 27) zur Wahrung der Interessen, die dem Beschwerdeführer
vorschwebten.
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des
Kantons Luzern vom 23. Dezember 1946 aufgehoben und die Sache zur
Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.