S. 72 / Nr. 18 Strafgesetzbuch (d)

BGE 71 IV 72

18. Urteil des Kassationshofes vom 18. Mai 1945 i.S. Gut gegen Hübscher und
Balmer.


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Regeste:
1. Der Gerichtsstand zur Anordnung der Friedensbürgschaft kann nicht durch
Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Sachurteil angefochten werden (Erw. 1).
2. Art. 57 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 57 - 1 Sind die Voraussetzungen sowohl für eine Strafe wie für eine Massnahme erfüllt, so ordnet das Gericht beide Sanktionen an.
1    Sind die Voraussetzungen sowohl für eine Strafe wie für eine Massnahme erfüllt, so ordnet das Gericht beide Sanktionen an.
2    Der Vollzug einer Massnahme nach den Artikeln 59-61 geht einer zugleich ausgesprochenen sowie einer durch Widerruf oder Rückversetzung vollziehbaren Freiheitsstrafe voraus. Ebenso geht die Rückversetzung in eine Massnahme nach Artikel 62a einer zugleich ausgesprochenen Gesamtstrafe voraus.
3    Der mit der Massnahme verbundene Freiheitsentzug ist auf die Strafe anzurechnen.
StGB, Voraussetzungen der Friedensbürgschaft.
a) Drohung mit einem Verbrechen oder Vergehen (Erw. 2).
b) Die nach erfolgter Verurteilung an den Tag gelegte Absicht, ein Verbrechen
oder Vergehen zu wiederholen (Erw. 3-5).
3. Höhe der Sicherheit und der Sicherheitshaft bei Friedensbürgschaft (Erw.
6).
1. La compétence d'un tribunal pour ordonner le cautionnement préventif ne
peut pas être contestée par un pourvoi en nullité dirigé contre le jugement au
fond (consid. 1).
2. Art. 57 ch. 1 CP, conditions du cautionnement préventif.
a) Menace de commettre un crime ou un délit (consid. 2).
b) Intention manifestée après la condamnation de réitérer le crime ou le délit
(consid. 3-5).
3. Montant de la sûreté et durée de la détention en matière de cautionnement
préventif (consid. 6).
1. La competenza di un tribunale ad ordinare la prestazione di una cauzione
preventiva non può essere contestata col ricorso per cassazione esperito
contro il giudizio di merito (consid. 1).
2. Art. 57 cifra 1 CP, condizioni della cauzione preventiva.
a) Minaccia di commettere un crimine o un delitto (consid. 2).
b) Intenzione palesata di ripetere un crimine o un delitto per il quale vi sia
già stata condanna (consid. 3-5).
3. Ammontare della cauzione e durata del carcere ai sensi dell'art. 57 cifra 2
CP (consid. 6).

A. ­ Josef Gut in Hergiswil a. S., welcher mit seiner Schwester Elise Gut um
die väterliche Erbschaft stritt, griff wiederholt sowohl den gerichtlich
bestellten Verwalter der Erbschaft, Leo Balmer, als auch den Anwalt der Elise
Gut, Dr. Oscar Hübscher, wegen ihrer Tätigkeit in der Ehre an. Am 13. Dezember
1941 bestrafte ihn das Obergericht des Kantons Luzern, weil er Hübscher durch
Zuschriften an diesen und an Drittpersonen wiederholt verleumdet und beleidigt
hatte. Ehrverletzende Äusserungen über Balmer, begangen im Februar 1943 in
einem Flugblatt und in einer Zeitung, trugen Gut gemäss Urteil des gleichen
Gerichts vom 24. Oktober 1944 eine weitere Strafe ein. Im Mai 1943 liess Gut,
welcher im Jahre 1942 beim Grossen Rat des Kantons Luzern gegen das
Obergericht eine Verantwortlichkeitsklage

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eingereicht hatte, tausend Stück einer an den Grossen Rat gerichteten
Denkschrift drucken, die weitere Angriffe auf die Ehre Hübschers und Balmers
enthielt. Gut übergab sie einigen Personen. 987 Stück wurden vom
Polizeidepartement des Kantons Luzern am 23. Juni 1943 beschlagnahmt. Gut
liess weitere dreihundert Stück drucken und versandte einen Teil davon an
sämtliche Mitglieder des Grossen Rates und an andere Personen. Am 13. Oktober
1943 erklärte er der Polizeidirektion des Kantons Nidwalden, er besitze noch
elf Stück.
B. ­ Am 1. Juni 1943 klagte Hübscher gegen Gut, dieser sei nach Art. 57
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 57 - 1 Sind die Voraussetzungen sowohl für eine Strafe wie für eine Massnahme erfüllt, so ordnet das Gericht beide Sanktionen an.
1    Sind die Voraussetzungen sowohl für eine Strafe wie für eine Massnahme erfüllt, so ordnet das Gericht beide Sanktionen an.
2    Der Vollzug einer Massnahme nach den Artikeln 59-61 geht einer zugleich ausgesprochenen sowie einer durch Widerruf oder Rückversetzung vollziehbaren Freiheitsstrafe voraus. Ebenso geht die Rückversetzung in eine Massnahme nach Artikel 62a einer zugleich ausgesprochenen Gesamtstrafe voraus.
3    Der mit der Massnahme verbundene Freiheitsentzug ist auf die Strafe anzurechnen.
StGB
zu Leistung von Friedensbürgschaft zu verhalten und habe als Sicherheit Fr.
2000.­ zu hinterlegen. Am 17. Juni 1943 schloss sich Balmer diesem Begehren
an. Beide Kläger hielten es bei der Einvernahme vom 19. Oktober 1943 aufrecht.
Am 13. Februar 1945 erkannte das Obergericht des Kantons Luzern als zweite
Instanz, dem Beklagten sei das Versprechen abzunehmen, dass er keine weitern
Angriffe gegen die Ehre der Kläger unternehmen werde, ferner habe er binnen
vierzehn Tagen nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils bei der
Obergerichtskanzlei eine Sicherheit von Fr. 2000.­ zu leisten, und für den
Fall, dass er das eine oder das andere verweigern sollte, sei er bis zu zwei
Monaten in Sicherheitshaft zu nehmen.
C. ­ Gut greift dieses Urteil mit der Nichtigkeitsbeschwerde an. Er beantragt,
es sei ganz, jedenfalls aber insoweit aufzuheben, als es zugunsten Hübschers
lautet. Eventuell sei die Sache zur Herabsetzung der Sicherheit und der
Sicherheitshaft an die Vorinstanz zurückzuweisen. Der Beschwerdeführer
bestreitet die örtliche Zuständigkeit des luzernischen Richters. In
materieller Beziehung macht er geltend, er habe den Klägern nicht gedroht; aus
konkludenten Handlungen allein könne nicht auf eine Drohung geschlossen
werden. Er habe auch nie die Absicht an den Tag gelegt, die Tat zu
wiederholen, wegen welcher er zweimal bestraft wurde. Auf keinen Fall könne
Hübscher

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auf die am 13. Dezember 1941 erfolgte Verurteilung des Beschwerdeführers einen
Anspruch auf Friedensbürgschaft stützen; die Handlungen, deretwegen er damals
verurteilt wurde, seien in den Jahren 1937 und 1938 begangen worden, lägen
also zu weit zurück. Wer neben der Verurteilung auch die Friedensbürgschaft
anstrebe, habe sich an die dreimonatige Antragsfrist zu halten. Aus dem
gleichen Grunde sei auch der Antrag Balmers verspätet, den das Obergericht
geschützt habe, weil der Beschwerdeführer am 24. Oktober 1944 wegen im Februar
1943 begangener Ehrverletzungen verurteilt wurde. Es erscheine übrigens als
merkwürdig, dass sich jemand zur Begründung eines am 17. Juni 1943
eingereichten Antrages auf ein Urteil vom 24. Oktober 1944 berufen könne. Die
Höhe der verlangten Sicherheit sei den persönlichen Verhältnissen des
Beschwerdeführers und dem, was ihm vorgeworfen werden könne, nicht angepasst;
es liege ein Ermessensmissbrauch vor, und dazu habe das Gericht übersehen,
dass das kleine Vermögen des Beschwerdeführers in einer Strafuntersuchung
wegen Betruges vom Untersuchungsrichter zum grössten Teil gesperrt worden sei,
so dass er nicht darüber verfügen könne und nicht imstande sei, die hohe
Sicherheit aufzubringen. Die angedrohte Sicherheitshaft beanstandet der
Beschwerdeführer als unangemessen, weil sie dem im Gesetz vorgesehenen
Höchstmass entspreche.
D. ­ Hübscher hat keine Gegenbemerkungen angebracht. Balmer beantragt, die
Nichtigkeitsbeschwerde sei abzuweisen.
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. ­ Wie das Bundesgericht wiederholt erkannt hat, kann die Gerichtsbarkeit
eines Kantons wegen Verletzung eidgenössischen Rechts nur angefochten werden
entweder gemäss Art. 351
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 351 - 1 Das Bundesamt für Polizei vermittelt kriminalpolizeiliche Informationen zur Verfolgung von Straftaten und zur Vollstreckung von Strafen und Massnahmen.
1    Das Bundesamt für Polizei vermittelt kriminalpolizeiliche Informationen zur Verfolgung von Straftaten und zur Vollstreckung von Strafen und Massnahmen.
2    Es kann kriminalpolizeiliche Informationen zur Verhütung von Straftaten übermitteln, wenn auf Grund konkreter Umstände mit der grossen Wahrscheinlichkeit eines Verbrechens oder Vergehens zu rechnen ist.
3    Es kann Informationen zur Suche nach Vermissten und zur Identifizierung von Unbekannten vermitteln.
4    Zur Verhinderung und Aufklärung von Straftaten kann das Bundesamt für Polizei von Privaten Informationen entgegennehmen und Private orientieren, wenn dies im Interesse der betroffenen Personen ist und deren Zustimmung vorliegt oder nach den Umständen vorausgesetzt werden kann.
StGB, Art. 264 BStrP bei der Anklagekammer, solange
ein Sachurteil nicht ergangen ist, oder gemäss Art. 268 BStrP beim
Kassationshof durch Nichtigkeitsbeschwerde

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gegen einen über die Gerichtsstandseinrede befindenden Vor- oder
Zwischenentscheid, der nicht durch ein kantonales Rechtsmittel wegen
Verletzung eidgenössischen Rechts angefochten werden kann (BGE 69 IV 191, 70
IV 94
). Dagegen hat der Kassationshof auf die Bestreitung des Gerichtsstandes
in einer Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Sachurteil nicht einzutreten (BGE 68
IV 122
, 69 IV 52, 191). Massgebend für diese Rechtsprechung ist das Interesse
des Staates an einer raschen Strafverfolgung. Das Interesse an einer raschen
Durchsetzung des Anspruchs auf Friedensbürgschaft und damit auf Verhütung von
Verbrechen oder Vergehen lässt sie auch im Verfahren um die Erwirkung einer
Friedensbürgschaft (Art. 57
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 57 - 1 Sind die Voraussetzungen sowohl für eine Strafe wie für eine Massnahme erfüllt, so ordnet das Gericht beide Sanktionen an.
1    Sind die Voraussetzungen sowohl für eine Strafe wie für eine Massnahme erfüllt, so ordnet das Gericht beide Sanktionen an.
2    Der Vollzug einer Massnahme nach den Artikeln 59-61 geht einer zugleich ausgesprochenen sowie einer durch Widerruf oder Rückversetzung vollziehbaren Freiheitsstrafe voraus. Ebenso geht die Rückversetzung in eine Massnahme nach Artikel 62a einer zugleich ausgesprochenen Gesamtstrafe voraus.
3    Der mit der Massnahme verbundene Freiheitsentzug ist auf die Strafe anzurechnen.
StGB) als zutreffend erscheinen.
2. ­ Art. 57 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 57 - 1 Sind die Voraussetzungen sowohl für eine Strafe wie für eine Massnahme erfüllt, so ordnet das Gericht beide Sanktionen an.
1    Sind die Voraussetzungen sowohl für eine Strafe wie für eine Massnahme erfüllt, so ordnet das Gericht beide Sanktionen an.
2    Der Vollzug einer Massnahme nach den Artikeln 59-61 geht einer zugleich ausgesprochenen sowie einer durch Widerruf oder Rückversetzung vollziehbaren Freiheitsstrafe voraus. Ebenso geht die Rückversetzung in eine Massnahme nach Artikel 62a einer zugleich ausgesprochenen Gesamtstrafe voraus.
3    Der mit der Massnahme verbundene Freiheitsentzug ist auf die Strafe anzurechnen.
StGB kennt die Friedensbürgschaft für zwei Fälle. Im
ersten Falle ist sie zulässig, wenn die Gefahr besteht, dass jemand ein
Verbrechen oder ein Vergehen, mit dem er gedroht hat, ausführen werde. Die
Vorinstanz hält diese Voraussetzung, namentlich auch die Drohung, für erfüllt.
Sie geht von der richtigen Auffassung aus, dass die Drohung, um Anlass zur
Friedensbürgschaft geben zu können, nicht den Tatbestand des in Art. 180
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 180 - 1 Wer jemanden durch schwere Drohung in Schrecken oder Angst versetzt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer jemanden durch schwere Drohung in Schrecken oder Angst versetzt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Der Täter wird von Amtes wegen verfolgt, wenn er:
a  der Ehegatte des Opfers ist und die Drohung während der Ehe oder bis zu einem Jahr nach der Scheidung begangen wurde; oder
abis  die eingetragene Partnerin oder der eingetragene Partner des Opfers ist und die Drohung während der eingetragenen Partnerschaft oder bis zu einem Jahr nach deren Auflösung begangen wurde; oder
b  der hetero- oder homosexuelle Lebenspartner des Opfers ist, sofern sie auf unbestimmte Zeit einen gemeinsamen Haushalt führen und die Drohung während dieser Zeit oder bis zu einem Jahr nach der Trennung begangen wurde.251
StGB
geregelten Vergehens zu erfüllen braucht. Drohung macht nach Art. 180
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 180 - 1 Wer jemanden durch schwere Drohung in Schrecken oder Angst versetzt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer jemanden durch schwere Drohung in Schrecken oder Angst versetzt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Der Täter wird von Amtes wegen verfolgt, wenn er:
a  der Ehegatte des Opfers ist und die Drohung während der Ehe oder bis zu einem Jahr nach der Scheidung begangen wurde; oder
abis  die eingetragene Partnerin oder der eingetragene Partner des Opfers ist und die Drohung während der eingetragenen Partnerschaft oder bis zu einem Jahr nach deren Auflösung begangen wurde; oder
b  der hetero- oder homosexuelle Lebenspartner des Opfers ist, sofern sie auf unbestimmte Zeit einen gemeinsamen Haushalt führen und die Drohung während dieser Zeit oder bis zu einem Jahr nach der Trennung begangen wurde.251
StGB nur
strafbar, wenn sie schwer ist und den Bedrohten in Schrecken oder Angst
versetzt. Nach Art. 57 dagegen genügt jede Drohung mit einem Verbrechen oder
Vergehen, wenn die Gefahr besteht, dass der Drohende sie verwirklichen werde.
Wie die Vorinstanz zutreffend annimmt, verlangt Art. 57 auch nicht, dass die
Drohung ausdrücklich und gegenüber dem Bedrohten geäussert werde. Sie kann
sich aus irgendwelchen schlüssigen Handlungen ergeben, durch welche der
Drohende seine auf Begehung eines Verbrechens oder Vergehens gerichtete
Absicht, sei es gegenüber dem Bedrohten, sei es gegenüber einem Dritten,
kundtut.
Ob das Verhalten des Beschwerdeführers als Drohung aufgefasst werden kann und
mit deren Verwirklichung zu

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rechnen wäre, kann indessen dahingestellt bleiben, da jedenfalls der zweite
Tatbestand, den Art. 57 Ziff. 1 als Voraussetzung der Friedensbürgschaft
anerkennt, erfüllt ist.
3. ­ Dieser zweite Tatbestand ist gegeben, wenn jemand, der wegen eines
Verbrechens oder eines Vergehens verurteilt wird, die bestimmte Absicht an den
Tag legt, die Tat zu wiederholen.
Der deutsche Text des Art. 57 mit den Worten «wegen eines Verbrechens oder
eines Vergehens verurteilt wird», könnte schliessen lassen, die Absicht, die
Tat zu wiederholen, müsse im Augenblick der Verurteilung an den Tag gelegt
werden. Der französische Text («un condamné pour crime ou délit») und
namentlich der italienische («chi è già stato condannato») lassen jedoch eine
weitere Auslegung zu, die dem Umstande Rechnung trägt, dass sich die
Friedensbürgschaft auch dann rechtfertigt, wenn der Verurteilte die Absicht
der Wiederholung der Tat erst nach der Verurteilung, und sei es auch geraume
Zeit später, an den Tag legt. Der Zweck der Friedensbürgschaft besteht darin,
eine gefährlich erscheinende Person von der Wiederholung eines Verbrechens
oder Vergehens abzuhalten. Wer seine Absicht der Wiederholung nach kühler
Überlegung bekundet, ist noch gefährlicher als einer, der dies im Augenblick
tut, in welchem ihn die Verurteilung zu einer unbedachten Äusserung hinreisst.
Es kommt auch nichts darauf an, in welchem Zeitpunkt die Tat, deretwegen die
Verurteilung erfolgt ist und die der Täter zu wiederholen beabsichtigt,
begangen worden ist. Wohl lässt Art. 57 die Friedensbürgschaft nur «auf
Antrag» des Bedrohten zu. Das heisst aber nicht, dass das Recht zur Stellung
des Antrages befristet sei, so wie das Gesetz (Art. 29) den Strafantrag nur
während drei Monaten zulässt. Der Antrag auf Leistung von Friedensbürgschaft
ist nicht Strafantrag und steht diesem auch nicht gleich. Die romanischen
Texte bezeichnen ihn denn nicht etwa wie den Strafantrag: als «plainte»
beziehungsweise «querela»

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(Art. 28, 29), sondern als «requête» beziehungsweise «richiesta». Eine
zeitliche Begrenzung des Antragsrechts in dem Sinne, dass es nur binnen
bestimmter Frist seit Begehung der früheren Tat ausgeübt werden dürfte, wäre
nicht gerechtfertigt. Friedensbürgschaft wird nicht angeordnet, weil man
verhüten möchte, dass die Tat bald nach ihrer ersten Begehung wiederholt
werde, sondern weil man ihrer Wiederholung überhaupt vorbeugen will. Auch
darauf kommt nichts an, wie weit die Verurteilung für die frühere Tat
zurückliegt.
Dahingestellt bleiben kann, ob dagegen Zeitablauf die Kundgabe der
Wiederholungsabsicht ihrer Wirkung zu entkleiden vermag, in dem Sinne, dass
der Richter aus dem Verstreichen langer Zeit schliessen dürfte, der
Verurteilte habe die Absicht der Wiederholung endgültig aufgegeben.
4. ­ Irgend ein Verhalten des Verurteilten kann schliessen lassen, dass dieser
die Tat zu wiederholen beabsichtigt. Das Gesetz verlangt nicht, dass er
jemanden die Absicht ausdrücklich mitteile, auch nicht, dass sein Verhalten
gerade dem Zwecke diene, sie bekanntzugeben. Es genügt, dass sie an den Tag
gelegt wird, was z. B. durch Vorbereitungshandlungen zur Tat geschehen kann.
Die Absicht muss aber eine bestimmte sein, d. h. die Handlungen des
Verurteilten müssen deutlich erkennen lassen, dass er die Tat wiederholen
will, nicht bloss, dass er möglicherweise einmal wiederholen wird.
5. ­ Der Beschwerdeführer ist am 13. Dezember 1941 wegen Verleumdung und
Beleidigung Hübschers bestraft worden. Im Mai 1943 liess er seine
ehrverletzende Denkschrift drucken, und als die erste Auflage beschlagnahmt
wurde, gab er sofort Auftrag zur Erstellung einer zweiten. Damit hat er die
bestimmte Absicht an den Tag gelegt, wiederum Ehrverletzungen zu begehen. Da
diese sich nach dem Inhalt der Denkschrift sowohl gegen Hübscher als auch
gegen Balmer richten würden, sind beide berechtigt, Friedensbürgschaft zu
verlangen. Das Begehren ist nicht dadurch gegenstandslos geworden, dass der
Beschwerdeführer

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im Verlaufe des Verfahrens die meisten Exemplare der Schrift verteilt, die
beabsichtigte Tat insoweit also ausgeführt hat. Der Besitz weiterer Exemplare
ermöglicht es ihm, die durch den Druck an den Tag gelegte Absicht weiter zu
verwirklichen.
Auf die am 24. Oktober 1944, also erst während des Verfahrens erfolgte
Verurteilung wegen Ehrverletzung gegenüber Balmer kommt nichts an.
6. ­ Nach Art. 57
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 57 - 1 Sind die Voraussetzungen sowohl für eine Strafe wie für eine Massnahme erfüllt, so ordnet das Gericht beide Sanktionen an.
1    Sind die Voraussetzungen sowohl für eine Strafe wie für eine Massnahme erfüllt, so ordnet das Gericht beide Sanktionen an.
2    Der Vollzug einer Massnahme nach den Artikeln 59-61 geht einer zugleich ausgesprochenen sowie einer durch Widerruf oder Rückversetzung vollziehbaren Freiheitsstrafe voraus. Ebenso geht die Rückversetzung in eine Massnahme nach Artikel 62a einer zugleich ausgesprochenen Gesamtstrafe voraus.
3    Der mit der Massnahme verbundene Freiheitsentzug ist auf die Strafe anzurechnen.
StGB muss die Sicherheit «angemessen» sein. Es ist somit
Sache des richterlichen Ermessens, ihre Höhe zu bestimmen. Die Vorinstanz hat
es nicht überschritten. Ob das Vermögen des Beschwerdeführers in einer
Strafuntersuchung wegen Betruges zum grössten Teil gesperrt sei, kann offen
bleiben. Der Beschwerdeführer behauptet nicht, die Sperre erfasse sein ganzes
Vermögen. Zudem zieht die Nichtleistung der Sicherheit nur dann
Sicherheitshaft nach sich, wenn dem Beschwerdeführer böser Wille vorgeworfen
werden kann (Art. 57 Ziff. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 57 - 1 Sind die Voraussetzungen sowohl für eine Strafe wie für eine Massnahme erfüllt, so ordnet das Gericht beide Sanktionen an.
1    Sind die Voraussetzungen sowohl für eine Strafe wie für eine Massnahme erfüllt, so ordnet das Gericht beide Sanktionen an.
2    Der Vollzug einer Massnahme nach den Artikeln 59-61 geht einer zugleich ausgesprochenen sowie einer durch Widerruf oder Rückversetzung vollziehbaren Freiheitsstrafe voraus. Ebenso geht die Rückversetzung in eine Massnahme nach Artikel 62a einer zugleich ausgesprochenen Gesamtstrafe voraus.
3    Der mit der Massnahme verbundene Freiheitsentzug ist auf die Strafe anzurechnen.
StGB), also jedenfalls dann nicht, wenn die
Sperre seiner Mittel ihn ausserstand setzt, die Sicherheit zu leisten.
Auch die Höhe der angedrohten Sicherheitshaft verletzt das Gesetz nicht. Nach
Art. 57 Ziff. 2 darf sie bis zu zwei Monaten dauern. Das angefochtene Urteil
bemisst sie nicht länger, und es erblickt zutreffend in den zwei Monaten eine
Höchstdauer, welche der Betroffene durch nachträgliche Leistung der
Friedensbürgschaft abkürzen kann.
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.