S. 191 / Nr. 33 Familienrecht (d)

BGE 70 II 191

33. Urteil der II. Zivilabteilung vom 4. Juli 1944 i.S. Jakob-Scheidegger
gegen Einwohnergemeinderat Huttwil und Genossen.


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Regeste:
Behördliche Ermächtigung zur Kindesannahme (Art. 267
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 267 - 1 Das Adoptivkind erhält die Rechtsstellung eines Kindes der adoptierenden Personen.
1    Das Adoptivkind erhält die Rechtsstellung eines Kindes der adoptierenden Personen.
2    Das bisherige Kindesverhältnis erlischt.
3    Das Kindesverhältnis erlischt nicht zum Elternteil, der mit der adoptierenden Person:
1  verheiratet ist;
2  in eingetragener Partnerschaft lebt;
3  eine faktische Lebensgemeinschaft führt.
ZGB). Allfällige
Mitwirkung einer vorgesetzten Behörde nach kantonalem Recht. Kann auch eine
Beschwerde von Drittpersonen an die vorgesetzte Behörde zugelassen werden?
Jedenfalls ist die Weiterziehung des Entscheides dieser Behörde an das
Bundesgericht (mit Berufung oder zivilrechtlicher Beschwerde) ausgeschlossen.
Art. 56 ff
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 267 - 1 Das Adoptivkind erhält die Rechtsstellung eines Kindes der adoptierenden Personen.
1    Das Adoptivkind erhält die Rechtsstellung eines Kindes der adoptierenden Personen.
2    Das bisherige Kindesverhältnis erlischt.
3    Das Kindesverhältnis erlischt nicht zum Elternteil, der mit der adoptierenden Person:
1  verheiratet ist;
2  in eingetragener Partnerschaft lebt;
3  eine faktische Lebensgemeinschaft führt.
., 86 OG.
Adoption. Approbation de l'autorité (art. 267 CC). Il appartient aux Cantons
de prévoir l'intervention d'une seconde autorité hiérarchiquement supérieure à
la première. Un tiers a-t-il qualité pour interjeter un recours à l'autorité
supérieure? Il ne peut en tout cas pas recourir au Tribunal fédéral, ni par la
voie du recours en réforme, ni par celle du recours de droit civil contre la
décision de l'autorité supérieure. (Art. 56 et suiv. et 86 OJ.)

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Adozione. Autorizzazione dell'autorità (art. 267 CC). Spetta ai Cantoni di
prevedere l'intervento d'una seconda autorità superiore alla prima. Un terzo
ha veste per ricorrere all'autorità superiore? Non può comunque ricorrere al
Tribunale federale contro la decisione dell'autorità superiore, ne mediante
ricorso in appello, nè mediante ricorso di diritto civile (art. 56 e seg.; 86
OGF).

A. ­ Die Rekurrentin wurde von den Eheleuten Scheidegger-Bösiger in Huttwil
auferzogen und im Jahre 1912 adoptiert. Nach dem Tode seiner Ehefrau
verheiratete sich der Adoptivvater im Alter von 76 Jahren mit einer Witwe. Im
August 1942 adoptierte er deren Tochter Hanna.
B. ­ Als die Rekurrentin im Oktober 1942 davon erfuhr, focht sie die vom
Einwohnergemeinderat Huttwil hiezu erteilte Ermächtigung auf dem Beschwerdeweg
an: Weder habe Johann Scheidegger der Stieftochter Hanna Fürsorge und Pflege
erwiesen, noch liege ein sonstiger triftiger Grund zu deren Adoption vor.
Diese Massnahme erkläre sich vielmehr nur als Akt der Rache ihr selbst
gegenüber, mit dem Zweck, sie in ihren Erbanwartschaften zu beeinträchtigen.
C.­Der Regierungsstatthalter schützte die Beschwerde und hob den
Ermächtigungsbeschluss des Einwohnergemeinderates auf. Auf dessen Rekurs und
nach Anhörung des Johann Scheidegger und der zweiten Adoptivtochter Hanna wies
dann aber der Regierungsrat des Kantons Bern am 21. April 1944 die Beschwerde
der ersten Adoptivtochter ab.
D.­Diese hat gegen den Entscheid des Regierungsrates Berufung (neben
staatsrechtlicher Beschwerde) eingereicht.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. ­ Die Kindesannahme erfolgt auf Grund einer öffentlichen Urkunde mit
Ermächtigung der zuständigen Behörde (Art. 267 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 267 - 1 Das Adoptivkind erhält die Rechtsstellung eines Kindes der adoptierenden Personen.
1    Das Adoptivkind erhält die Rechtsstellung eines Kindes der adoptierenden Personen.
2    Das bisherige Kindesverhältnis erlischt.
3    Das Kindesverhältnis erlischt nicht zum Elternteil, der mit der adoptierenden Person:
1  verheiratet ist;
2  in eingetragener Partnerschaft lebt;
3  eine faktische Lebensgemeinschaft führt.
ZGB). Diese hat die
gesetzlichen Voraussetzungen gemäss Art. 264
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 264 - 1 Ein minderjähriges Kind darf adoptiert werden, wenn die adoptionswilligen Personen während mindestens eines Jahres für Pflege und Erziehung des Kindes gesorgt haben und nach den gesamten Umständen zu erwarten ist, die Begründung eines Kindesverhältnisses diene seinem Wohl, ohne andere Kinder dieser Personen in unbilliger Weise zurückzusetzen.
1    Ein minderjähriges Kind darf adoptiert werden, wenn die adoptionswilligen Personen während mindestens eines Jahres für Pflege und Erziehung des Kindes gesorgt haben und nach den gesamten Umständen zu erwarten ist, die Begründung eines Kindesverhältnisses diene seinem Wohl, ohne andere Kinder dieser Personen in unbilliger Weise zurückzusetzen.
2    Eine Adoption ist nur möglich, wenn die adoptionswilligen Personen aufgrund ihres Alters und ihrer persönlichen Verhältnisse für das Kind voraussichtlich bis zu dessen Volljährigkeit sorgen können.
-266
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 266 - 1 Eine volljährige Person darf adoptiert werden, wenn:
1    Eine volljährige Person darf adoptiert werden, wenn:
1  sie aus körperlichen, geistigen oder psychischen Gründen dauernd hilfsbedürftig ist und die adoptionswilligen Personen ihr während mindestens eines Jahres Pflege erwiesen haben;
2  die adoptionswilligen Personen ihr während ihrer Minderjährigkeit mindestens ein Jahr lang Pflege und Erziehung erwiesen haben; oder
3  andere wichtige Gründe vorliegen und sie während mindestens eines Jahres mit den adoptionswilligen Personen im gleichen Haushalt gelebt hat.
2    Im Übrigen sind die Bestimmungen über die Adoption Minderjähriger sinngemäss anwendbar; ausgenommen davon ist die Bestimmung über die Zustimmung der Eltern.
ZGB

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nachzuprüfen. Ausserdem darf die Ermächtigung nur dann erteilt werden, wenn
der Annehmende dem Kinde Fürsorge und Pflege erwiesen hat oder andere wichtige
Gründe vorliegen und dem Kinde aus der Annahme kein Nachteil entsteht.
Die Bezeichnung der zuständigen Behörde steht dem kantonalen Rechte frei (Art.
54
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 54 - Die juristischen Personen sind handlungsfähig, sobald die nach Gesetz und Statuten hiefür unentbehrlichen Organe bestellt sind.
des Schlusstitels des ZGB). Es braucht nicht wie nach Art. 292 des
Vorentwurfes die Regierung zu sein. Nichts steht entgegen, die Mitwirkung
einer vorgesetzten Behörde vorzuschreiben, so dass allenfalls der Beschluss
der ersten Behörde nur die Bedeutung eines Antrages hat. Darum handelt es sich
hier jedoch nicht. Vielmehr hat die Rekurrentin, nachdem sie zufällig (auf
Anfrage) von der Ermächtigung vernommen, ein Recht auf Anfechtung oder ­ wenn
man den Ermächtigungsbeschluss als rechtskräftig ansieht ­ auf Widerruf oder
nachträgliche Aufhebung der Ermächtigung und damit der Kindesannahme in
Anspruch genommen.
Ob ein solches Vorgehen einer Drittperson sich mit der Ordnung der
Kindesannahme im ZGB vereinbaren lässt, kann dahingestellt bleiben; ebenso, ob
der Ermächtigungsbehörde oder einer ihr vorgesetzten Behörde zusteht,
nachträglich die Ermächtigung zu widerrufen oder aufzuheben, sei es auf Antrag
einer daran interessierten Person oder von Amtes wegen. Wie dem auch sei, und
in welchem Sinne der Entscheid des Regierungsrates ergangen sein möge, ist die
Berufung an das Bundesgericht ausgeschlossen. Es liegt kein Zivilrechtsstreit
im Sinne der Vorschriften über die Berufung (Art. 56 ff
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 267 - 1 Das Adoptivkind erhält die Rechtsstellung eines Kindes der adoptierenden Personen.
1    Das Adoptivkind erhält die Rechtsstellung eines Kindes der adoptierenden Personen.
2    Das bisherige Kindesverhältnis erlischt.
3    Das Kindesverhältnis erlischt nicht zum Elternteil, der mit der adoptierenden Person:
1  verheiratet ist;
2  in eingetragener Partnerschaft lebt;
3  eine faktische Lebensgemeinschaft führt.
. OG) vor. Die Aufgabe
der in Art. 267
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 267 - 1 Das Adoptivkind erhält die Rechtsstellung eines Kindes der adoptierenden Personen.
1    Das Adoptivkind erhält die Rechtsstellung eines Kindes der adoptierenden Personen.
2    Das bisherige Kindesverhältnis erlischt.
3    Das Kindesverhältnis erlischt nicht zum Elternteil, der mit der adoptierenden Person:
1  verheiratet ist;
2  in eingetragener Partnerschaft lebt;
3  eine faktische Lebensgemeinschaft führt.
ZGB vorgesehenen Behörde hat hauptsächlich vormundschaftlichen
Charakter (BGE 50 I 274). Die Beschwerde gegen ihren Beschluss stellt sich
nicht als Einleitung eines Zivilrechtsstreites dar, im Unterschied etwa zu dem
wenngleich vor Verwaltungsbehörden ausgetragenen Streit zwischen
Blutsverwandten über Unterstützungsansprüche nach Art.

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328 ff. ZGB (BGE 58 II 443). Noch weniger lässt sich beim Einschreiten der
Behörde von Amtes wegen von einem Zivilrechtsstreite sprechen.
Dagegen liegt allerdings eine Zivilsache im weitern Sinne vor. Solche Fälle,
insbesondere im Gebiete des Vormundschaftsrechtes, unterliegen aber der
Weiterziehung an das Bundesgericht ­ auf dem Wege der zivilrechtlichen
Beschwerde ­ nur in den ausdrücklich vorgesehenen Fällen. Art. 86
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 267 - 1 Das Adoptivkind erhält die Rechtsstellung eines Kindes der adoptierenden Personen.
1    Das Adoptivkind erhält die Rechtsstellung eines Kindes der adoptierenden Personen.
2    Das bisherige Kindesverhältnis erlischt.
3    Das Kindesverhältnis erlischt nicht zum Elternteil, der mit der adoptierenden Person:
1  verheiratet ist;
2  in eingetragener Partnerschaft lebt;
3  eine faktische Lebensgemeinschaft führt.
OG
berücksichtigt die Kindesannahme nicht, entgegen den Entwürfen, insbesondere
demjenigen des Bundesrates mit Botschaft vom 11. Mai 1911 (Bundesblatt 1911
III 60 ff., 79 ff.). Bei der Beratung des Gesetzes wurde gefunden, in dieser
Materie (wie auch noch in andern von den Entwürfen einbezogenen) bestehe kein
Bedürfnis, die Weiterziehung an das Bundesgericht zuzulassen (Stenographisches
Bulletin der Bundesversammlung, 1911, Nationalrat 272-273, Ständerat 138).
Nicht ausgeschlossen ist freilich, dass das Vorliegen einer gültigen Adoption
Gegenstand der Entscheidung in einem eigentlichen Zivilrechtsstreite wird:
etwa als Vorfrage, wobei nicht nur an die Aufhebungsklage nach Art. 269
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 269 - 1 Ist eine Zustimmung ohne gesetzlichen Grund nicht eingeholt worden, so können die Zustimmungsberechtigten die Adoption beim Gericht anfechten, sofern dadurch das Wohl des Kindes nicht ernstlich beeinträchtigt wird.
1    Ist eine Zustimmung ohne gesetzlichen Grund nicht eingeholt worden, so können die Zustimmungsberechtigten die Adoption beim Gericht anfechten, sofern dadurch das Wohl des Kindes nicht ernstlich beeinträchtigt wird.
2    Den Eltern steht diese Klage jedoch nicht zu, wenn sie den Entscheid ans Bundesgericht weiterziehen können.
ZGB zu
denken ist, oder auch als Hauptfrage in einem Statusprozesse, der eben auf
Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer gültigen Adoption geht.
Eine solche Klage liegt aber hier nicht vor, weshalb auch nicht zu prüfen ist,
ob die Rekurrentin zu deren Erhebung legitimiert wäre.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Auf die Berufung wird nicht eingetreten.