S. 38 / Nr. 10 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 69 III 38

10. Entscheid vom 10. Mai 1943 i. S. Scherz.


Seite: 38
Regeste:
Widerspruchsverfahren. Art. 106
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 106 - 1 Wird geltend gemacht, einem Dritten stehe am gepfändeten Gegenstand das Eigentum, ein Pfandrecht oder ein anderes Recht zu, das der Pfändung entgegensteht oder im weitern Verlauf des Vollstreckungsverfahrens zu berücksichtigen ist, so merkt das Betreibungsamt den Anspruch des Dritten in der Pfändungsurkunde vor oder zeigt ihn, falls die Urkunde bereits zugestellt ist, den Parteien besonders an.
1    Wird geltend gemacht, einem Dritten stehe am gepfändeten Gegenstand das Eigentum, ein Pfandrecht oder ein anderes Recht zu, das der Pfändung entgegensteht oder im weitern Verlauf des Vollstreckungsverfahrens zu berücksichtigen ist, so merkt das Betreibungsamt den Anspruch des Dritten in der Pfändungsurkunde vor oder zeigt ihn, falls die Urkunde bereits zugestellt ist, den Parteien besonders an.
2    Dritte können ihre Ansprüche anmelden, solange der Erlös aus der Verwertung des gepfändeten Gegenstandes noch nicht verteilt ist.
3    Nach der Verwertung kann der Dritte die Ansprüche, die ihm nach Zivilrecht bei Diebstahl, Verlust oder sonstigem Abhandenkommen einer beweglichen Sache (Art. 934 und 935 ZGB223) oder bei bösem Glauben des Erwerbers (Art. 936 und 974 Abs. 3 ZGB) zustehen, ausserhalb des Betreibungsverfahrens geltend machen. Als öffentliche Versteigerung im Sinne von Artikel 934 Absatz 2 ZGB gilt dabei auch der Freihandverkauf nach Artikel 130 dieses Gesetzes.
-109
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 109 - 1 Beim Gericht des Betreibungsortes sind einzureichen:
1    Beim Gericht des Betreibungsortes sind einzureichen:
1  Klagen nach Artikel 107 Absatz 5;
2  Klagen nach Artikel 108 Absatz 1, sofern der Beklagte Wohnsitz im Ausland hat.
2    Richtet sich die Klage nach Artikel 108 Absatz 1 gegen einen Beklagten mit Wohnsitz in der Schweiz, so ist sie an dessen Wohnsitz einzureichen.
3    Bezieht sich der Anspruch auf ein Grundstück, so ist die Klage in jedem Fall beim Gericht des Ortes einzureichen, wo das Grundstück oder sein wertvollster Teil liegt.
4    Das Gericht zeigt dem Betreibungsamt den Eingang und die Erledigung der Klage an. ...227
5    Bis zur Erledigung der Klage bleibt die Betreibung in Bezug auf die streitigen Gegenstände eingestellt, und die Fristen für Verwertungsbegehren (Art. 116) stehen still.
SchKG. Eigentums-, eventuell
Pfandansprache. Die letztere ist zu berücksichtigen, auch wenn sie erst nach
Abschluss des Eigentumsprozesses erhoben wird, ausser bei Arglist des
Ansprechers.
Tierce opposition. Art. 106-109 LP. Revendication d'un droit de propriété et
subsidiairement d'un droit de gage. Il faut tenir compte de cette dernière
revendication même si elle est élevée après la fin du procès sur le droit de
propriété, sauf le cas de mauvaise foi du revendiquant.
Procedura di rivendicazione. Art. 106-109 LEF. Rivendicazione d'un diritto di
proprietà ed eventualmente di pegno. Devesi tener conto di quest'ultima
rivendicazione anche se formulata dopo la fine del processo sul diritto di
proprietà, salvo il caso di malafede del rivendicante

A. ­ In 17 gegen den Bauunternehmer Schaufelberger in Grüningen hängigen
Betreibungen wurden am 9. November 1942 requisitionsweise auf einem Bauplatz
in Ütikon verschiedene Baugeräte gepfändet (Pfändungsgruppe 177). Der Bauherr
Scherz beanspruchte diese Geräte auf Grund einer Erklärung des Schuldners vom
3. Juli 1942 als sein Eigentum. Das Betreibungsamt eröffnete über diese
Ansprache das Widerspruchsverfahren nach Art. 109
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 109 - 1 Beim Gericht des Betreibungsortes sind einzureichen:
1    Beim Gericht des Betreibungsortes sind einzureichen:
1  Klagen nach Artikel 107 Absatz 5;
2  Klagen nach Artikel 108 Absatz 1, sofern der Beklagte Wohnsitz im Ausland hat.
2    Richtet sich die Klage nach Artikel 108 Absatz 1 gegen einen Beklagten mit Wohnsitz in der Schweiz, so ist sie an dessen Wohnsitz einzureichen.
3    Bezieht sich der Anspruch auf ein Grundstück, so ist die Klage in jedem Fall beim Gericht des Ortes einzureichen, wo das Grundstück oder sein wertvollster Teil liegt.
4    Das Gericht zeigt dem Betreibungsamt den Eingang und die Erledigung der Klage an. ...227
5    Bis zur Erledigung der Klage bleibt die Betreibung in Bezug auf die streitigen Gegenstände eingestellt, und die Fristen für Verwertungsbegehren (Art. 116) stehen still.
SchKG. Drei
Pfändungsgläubiger belangten Scherz auf Aberkennung des Eigentums. Nach Erhalt
der Klageschrift zog Scherz am. 7. Januar die Eigentumsansprache beim Richter
zurück, «um an deren Stelle Pfand- bezw. Retentionsrechte an denjenigen
Gegenständen anzumelden, für die nicht bereits Pfändungsvorstände bestehen.»
Gleichen Tages reichte er denn auch eine solche Anmeldung beim Betreibungsamt
ein. Am 13. Januar 1943 schrieb der Richter jenen Prozess zufolge
vorbehaltlosen Rückzuges der Eigentumsansprache als erledigt ab. Das
Betreibungsamt seinerseits eröffnete am 16. Januar ein neues
Widerspruchsverfahren über das «Faustpfandrecht» durch Fristansetzung nach
Art. 109
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 109 - 1 Beim Gericht des Betreibungsortes sind einzureichen:
1    Beim Gericht des Betreibungsortes sind einzureichen:
1  Klagen nach Artikel 107 Absatz 5;
2  Klagen nach Artikel 108 Absatz 1, sofern der Beklagte Wohnsitz im Ausland hat.
2    Richtet sich die Klage nach Artikel 108 Absatz 1 gegen einen Beklagten mit Wohnsitz in der Schweiz, so ist sie an dessen Wohnsitz einzureichen.
3    Bezieht sich der Anspruch auf ein Grundstück, so ist die Klage in jedem Fall beim Gericht des Ortes einzureichen, wo das Grundstück oder sein wertvollster Teil liegt.
4    Das Gericht zeigt dem Betreibungsamt den Eingang und die Erledigung der Klage an. ...227
5    Bis zur Erledigung der Klage bleibt die Betreibung in Bezug auf die streitigen Gegenstände eingestellt, und die Fristen für Verwertungsbegehren (Art. 116) stehen still.
SchKG an die Pfändungsgläubiger.
B. ­ Darüber beschwerten sich die drei Pfändungsgläubiger, die mit Erfolg
gegen die Eigentumsansprache aufgetreten waren. Sie liessen nicht gelten, dass
Scherz

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nach verlorenem Prozess über seine Eigentumsansprache nun «Variante 2»,
nämlich eine Pfandansprache geltend machen könne. Die untere Aufsichtsbehörde
wies indessen die Beschwerde ab und hielt das Betreibungsamt lediglich (von
Amtes wegen) an, die erlassenen Fristansetzungen durch neue mit vollständiger
Angabe der neuen Ansprachen zu ersetzen. Die obere Aufsichtsbehörde gab
dagegen den beschwerdeführenden Pfändungsgläubigern Recht und erklärte das
neue Widerspruchsverfahren als unzulässig: nicht weil dem Drittansprecher
vorzuwerfen wäre, er habe mit der neuen Ansprache arglistig zugewartet, um das
Betreibungsverfahren hintanzuhalten (im Sinne der neuen Rechtsprechung: BGE 67
III 65
, 68 III 185); doch könne «der Prozess um die Existenz oder
Nichtexistenz des Pfändungspfandrechtes an angesprochenen Gegenständen nur
einmal geführt und deshalb auch die den Klagegrund bestimmende Ansprache nur
einmal angemeldet werden.»
C. ­ Mit dem vorliegenden Rekurs hält der Drittansprecher Scherz daran fest,
dass seiner Pfand- bezw. Retentionsansprache Folge zu geben sei.
Die Schuldbetr.- u. Konkurskammer zieht in Erwägung:
1. ­ Wenn ein Dritter gleichzeitig Eigentum und eventuell Pfand- bezw.
Retentionsrecht an einer gepfändeten Sache geltend macht, so ist das
Widerspruchsverfahren zugleich über alle diese Ansprachen einzuleiten. Das
ermöglicht (bei entsprechender Ordnung des Prozessverfahrens) die Erledigung
der verschiedenen Ansprachen im nämlichen Prozess. Der Ansicht der Vorinstanz,
eine nachträgliche Anmeldung von Eventualansprache, sei es für den Fall der
Abweisung der Hauptansprachen, sei es unter Verzicht auf diese nunmehr
ausschliesslich, habe zur unerlässlichen Voraussetzung, dass sie noch im
gleichen, d. h. in dem über die Hauptansprache hängig gewordenen Prozess
erledigt werden können, ist dagegen nicht beizutreten. Die Zulässigkeit einer
Eventualansprache, solange die betreffende Sache noch gepfändet oder doch der
daraus

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gewonnene Erlös noch nicht verteilt ist, hängt, wie die Zulässigkeit von
Drittansprachen überhaupt, nur davon ab, dass den nachträglich Anmeldenden
keine Arglist trifft (vgl. die oben unter B. angeführten Entscheidungen).
Gegenstand des Widerspruchsverfahrens ist nicht, wie die Vorinstanz annimmt,
der gültige Bestand des «Pfändungspfandrechtes» der betreibenden Gläubiger,
sondern das vom Dritten angemeldete Recht, das er gegenüber den Rechten der
betreibenden Gläubiger gewahrt wissen möchte. Ist dieses Recht des Dritten von
dem früher angemeldeten verschieden, so kann seiner Geltendmachung in einem
neuen Prozessverfahren daher nicht Identität der Streitsache entgegengehalten
werden. Die Pfändung mit den daraus entspringenden Rechten der betreibenden
Gläubiger bildet nur die Veranlassung, nicht den Gegenstand der
Widerspruchsprozesse.
2. ­ Dass der Rekurrent mit der Anmeldung der Pfand- bezw. Retentionsansprache
nicht arglistig zugewartet hat, stellt die Vorinstanz selbst fest. Er merkte
erst nach Erhalt der gegen die Eigentumsansprache gerichteten Klageschrift,
dass ihm nicht Eigentum, sondern nur allenfalls ein Pfand- oder
Retentionsrecht zustehen könne. Und nun beeilte er sich, die als verfehlt
erkannte Eigentumsansprache zurückzuziehen und eine neue Anmeldung einzugeben.
Es ist keiner Arglist, sondern höchstens einer Ungeschicklichkeit des
Rekurrenten zuzuschreiben, dass er nicht seinerseits die Einbeziehung der
neuen Ansprachen in den damals noch hängigen Prozess verlangte. Weder die
Verzögerung noch die Art der Anmeldung der neuen Ansprachen beruht somit auf
einer Arglist des Rekurrenten.
Demnach erkennt die Schuldbetreibungs- und
Konkurskammer:
Der Rekurs wird gutgeheissen, der angefochtene Entscheid aufgehoben und das
Betreibungsamt angewiesen, über die Pfand- bezw. Retentionsansprache das
Widerspruchsverfahren zu eröffnen.