S. 89 / Nr. 26 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 65 III 89

26. Entscheid vom 2. August 1939 i. S. Uhertype A.-G.


Seite: 89
Regeste:
Aberkennungsklage, Hemmung der Betreibung trotz bestrittener Zuständigkeit des
angerufenen Richters:
Ob der Zuständigkeit des mit der Klage befassten Richters des Betreibungsortes
(Art. 83 Abs. 2
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 83 - 1 Der Gläubiger, welchem die provisorische Rechtsöffnung erteilt ist, kann nach Ablauf der Zahlungsfrist, je nach der Person des Schuldners, die provisorische Pfändung verlangen oder nach Massgabe des Artikels 162 die Aufnahme des Güterverzeichnisses beantragen.
1    Der Gläubiger, welchem die provisorische Rechtsöffnung erteilt ist, kann nach Ablauf der Zahlungsfrist, je nach der Person des Schuldners, die provisorische Pfändung verlangen oder nach Massgabe des Artikels 162 die Aufnahme des Güterverzeichnisses beantragen.
2    Der Betriebene kann indessen innert 20 Tagen nach der Rechtsöffnung auf dem Weg des ordentlichen Prozesses beim Gericht des Betreibungsortes auf Aberkennung der Forderung klagen.161
3    Unterlässt er dies oder wird die Aberkennungsklage abgewiesen, so werden die Rechtsöffnung sowie gegebenenfalls die provisorische Pfändung definitiv.162
4    Zwischen der Erhebung und der gerichtlichen Erledigung der Aberkennungsklage steht die Frist nach Artikel 165 Absatz 2 still. Das Konkursgericht hebt indessen die Wirkungen des Güterverzeichnisses auf, wenn die Voraussetzungen zu dessen Anordnung nicht mehr gegeben sind.163
SchKG) eine Gerichtsstandsklausel entgegengehalten werden
könne, haben die Betreibungsbehörden nicht zu prüfen.
Sie haben die Aberkennungsklage trotz der Unzuständigkeitseinrede des
Gläubigers zu beachten und eine Fortsetzung. der Betreibung abzulehnen,
solange die Zuständigkeitsfrage nicht rechtskräftig von den gerichtlichen
Instanzen erledigt ist.
Action en libération de dette. Suspension de la poursuite lorsque la
compétence du juge saisi est litigieuse:
Les autorités de poursuite ne peuvent examiner si la compétence du juge saisi
de l'action au for de la poursuite (art. 83 al. 2 LP) peut être contestée en
vertu d'une clause contractuelle portant élection de for.
Elles doivent tenir compte de l'action en libération de dette malgré
l'exception d'incompétence soulevée par le créancier et refuser de continuer
la poursuite tant que le juge ne s'est pas prononcé définitivement sur la
question de compétence.
Azione di disconoscimento di debito. Sospensione dell'esecuzione ancorché la
competenza del giudice adito sia contestata:
Alle autorità di esecuzione non spetta di esaminare se la competenza del
giudice del luogo dell'esecuzione, davanti al quale l'azione è stata promossa
(art. 83 cp. 2 LEF), possa essere contestata in virtù di una clausola di
elezione di foro.
Esse debbono tener conto dell'azione di disconoscimento di debito, ancorché il
creditore abbia sollevato l'eccezione d'incompetenza, e rifiutare il
proseguimento dell'esecuzione sino a tanto che le istanze giudiziarie non si
saranno pronunciate definitivamente sulla questione della competenza.

Die an ihrem Sitz Glarus betriebene Schuldnerin hat gegenüber der dort
erteilten provisorischen Rechtsöffnung beim Zivilgericht Glarus binnen zehn
Tagen auf Aberkennung geklagt. Die Forderung stützte sich auf einen Vertrag
vom 29. Januar 1935, der in Zürich, dem damaligen Wohnort der später nach St.
Gallen verzogenen Gläubigerin, abgeschlossen wurde und die Vereinbarung des
Gerichtsstandes Zürich enthält. Mit Berufung hierauf wollte die Gläubigerin
die am Betreibungsort Glarus eingereichte Aberkennungsklage nicht beachtet
wissen und verlangte die Fortsetzung der Betreibung. Das Betreibungsamt
entsprach dem Begehren und drohte der Schuldnerin

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den Konkurs an. Deren Beschwerde mit dem Antrag auf Aufhebung der
Konkursandrohung wurde in erster Instanz geschützt, von der kantonalen
Aufsichtsbehörde dagegen am 29. Juni 1939 abgewiesen mit der Begründung, die
von der Gläubigerin angerufene Gerichtsstandsvereinbarung sei auch auf den
Fall der Aberkennungsklage zu beziehen und gehe dem in Art. 83 Abs. 2
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 83 - 1 Der Gläubiger, welchem die provisorische Rechtsöffnung erteilt ist, kann nach Ablauf der Zahlungsfrist, je nach der Person des Schuldners, die provisorische Pfändung verlangen oder nach Massgabe des Artikels 162 die Aufnahme des Güterverzeichnisses beantragen.
1    Der Gläubiger, welchem die provisorische Rechtsöffnung erteilt ist, kann nach Ablauf der Zahlungsfrist, je nach der Person des Schuldners, die provisorische Pfändung verlangen oder nach Massgabe des Artikels 162 die Aufnahme des Güterverzeichnisses beantragen.
2    Der Betriebene kann indessen innert 20 Tagen nach der Rechtsöffnung auf dem Weg des ordentlichen Prozesses beim Gericht des Betreibungsortes auf Aberkennung der Forderung klagen.161
3    Unterlässt er dies oder wird die Aberkennungsklage abgewiesen, so werden die Rechtsöffnung sowie gegebenenfalls die provisorische Pfändung definitiv.162
4    Zwischen der Erhebung und der gerichtlichen Erledigung der Aberkennungsklage steht die Frist nach Artikel 165 Absatz 2 still. Das Konkursgericht hebt indessen die Wirkungen des Güterverzeichnisses auf, wenn die Voraussetzungen zu dessen Anordnung nicht mehr gegeben sind.163
SchKG
für solche Klagen vorgesehenen Gerichtsstand des Betreibungsortes vor; um die
Betreibung wirksam zu hemmen, hätte die Klage daher in Zürich angehoben werden
müssen.
Die Schuldnerin zieht diesen Entscheid an das Bundesgericht mit dem erneuten
Antrag, die Konkursandrohung sei aufzuheben.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
zieht in Erwägung:
Erst nach endgültiger Beseitigung des Rechtsvorschlages kann eine Betreibung,
je nach der zutreffenden Betreibungsart, durch endgültige Pfändung oder durch
Androhung des Konkurses fortgesetzt werden (arg. Art. 83 Abs. 1
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 83 - 1 Der Gläubiger, welchem die provisorische Rechtsöffnung erteilt ist, kann nach Ablauf der Zahlungsfrist, je nach der Person des Schuldners, die provisorische Pfändung verlangen oder nach Massgabe des Artikels 162 die Aufnahme des Güterverzeichnisses beantragen.
1    Der Gläubiger, welchem die provisorische Rechtsöffnung erteilt ist, kann nach Ablauf der Zahlungsfrist, je nach der Person des Schuldners, die provisorische Pfändung verlangen oder nach Massgabe des Artikels 162 die Aufnahme des Güterverzeichnisses beantragen.
2    Der Betriebene kann indessen innert 20 Tagen nach der Rechtsöffnung auf dem Weg des ordentlichen Prozesses beim Gericht des Betreibungsortes auf Aberkennung der Forderung klagen.161
3    Unterlässt er dies oder wird die Aberkennungsklage abgewiesen, so werden die Rechtsöffnung sowie gegebenenfalls die provisorische Pfändung definitiv.162
4    Zwischen der Erhebung und der gerichtlichen Erledigung der Aberkennungsklage steht die Frist nach Artikel 165 Absatz 2 still. Das Konkursgericht hebt indessen die Wirkungen des Güterverzeichnisses auf, wenn die Voraussetzungen zu dessen Anordnung nicht mehr gegeben sind.163
SchKG). Nun
wird freilich die provisorische Rechtsöffnung ohne weiteres endgültig durch
unbenutzten Ablauf der Frist zur Einreichung der Aberkennungsklage (Art. 83
Abs. 3), und der Versäumung dieser bundesrechtlichen Klagefrist steht nach der
bisherigen Rechtsprechung die Einreichung der Klage bei einem unzuständigen
Gerichte gleich. Jedoch kann eine, wie hier, binnen der gesetzlichen Frist bei
einem als zuständig in Betracht kommenden Gericht angehobene Klage nicht als
verwirkt gelten, solange das darüber durchgeführte gerichtliche Verfahren
nicht zu rechtskräftiger Ablehnung der vom Schuldner in Anspruch genommenen
Zuständigkeit geführt hat. Nur und erst, wenn der hier am Betreibungsorte
Glarus angehobene Aberkennungsprozess diesen Ausgang finden sollte, wäre die
Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes in einer für das Betreibungsamt wie
dann auch für die betreibungsrechtlichen Aufsichtsbehörden verbindlichen und
beachtlichen Weise festgestellt.

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Nur auf den Entscheid der mit der Klage bezw. mit der Zuständigkeitsfrage
befassten Gerichte haben die Organe der Zwangsvollstreckung abzustellen, nicht
auf Angaben des Gläubigers, worüber sie nicht ihrerseits eine die Gerichte
bindende Entscheidung zu fällen vermögen. Sowenig dem Betreibungsamt und
demgemäss auch den Aufsichtsbehörden zusteht, die örtliche Zuständigkeit des
Rechtsöffnungsrichters und das von diesem befolgte Verfahren nachzuprüfen (BGE
64 III 10), sowenig darf in die gerichtliche Entscheidungsgewalt hinsichtlich
des Aberkennungsverfahrens eingegriffen oder der gerichtlichen Entscheidung
durch voreilige Fortsetzung der Betreibung vorgegriffen werden. Wie die
Zuständigkeit ist übrigens auch die Rechtzeitigkeit der Klageanhebung vom
Gerichte zu beurteilen. Ergibt sich allerdings aus den dem Betreibungsamte
vorzulegenden Bescheinigungen über die Zustellung des letztinstanzlichen
Rechtsöffnungsentscheides und allenfalls den unbenutzten Ablauf einer
Weiterziehungsfrist einer- und die erste als Erhebung der Aberkennungsklage in
Frage kommende Handlung anderseits zweifelsfrei, dass die Klagefrist von zehn
Tagen nicht gewahrt ist, so braucht nicht erst der gerichtliche Entscheid
abgewartet zu werden (BGE 28 I 275 = Sep. Ausg. 5 S. 169, BGE 53 III 67). In
allen Zweifelsfällen muss dagegen die Klage bis zur massgebenden gerichtlichen
Entscheidung für die Vollstreckungsbehörden beachtlich bleiben. Hinsichtlich
der Zuständigkeit ist noch grössere Zurückhaltung geboten; steht doch in den
wenigsten Fällen von vornherein fest, dass ein binnen der zehntägigen Frist
angegangenes Gericht sich unzuständig erklären wird (und dass die Ablehnung
der Zuständigkeit auch von allfälligen Rechtsmittelinstanzen geschützt werden
wird). Das ist höchstens dann der Fall, wenn der Schuldner einen Gerichtsstand
in Anspruch genommen hat, für dessen Vorliegen er schlechterdings nichts
Einleuchtendes anzugeben vermag. So verhält es sich aber hier keineswegs. Die
Klage ist am gesetzlichen Gerichtsstand angebracht, womit

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für die Vollstreckungsbehörden jeder Grund entfällt, sie nicht gelten zu
lassen und sich mit der Frage zu befassen, ob die Gerichtsstandsvereinbarung
nach Aufgabe des zürcherischen Wohnsitzes durch die Gläubigerin und des dort
von der Schuldnerin geführten Bureaus überhaupt noch angerufen werden kann und
ob der Gerichtsstand Zürich, speziell auch für den Fall einer
Aberkennungsklage, als ausschliesslicher vereinbart oder bloss zur Wahl
gestellt war (vgl. BGE 56 I 443 ff.), sowie, ob die Klausel nach § 16 Abs. 2
der zürcherischen ZPO («Ausgeschlossen ist die Vereinbarung eines
Gerichtsstandes in Ehe- .... sachen und wenn der Gerichtsstand .... der
Betreibung .... zutrifft» Aberkennungsklagen von vornherein nicht betreffen
konnte oder doch den dortigen Richter nach Abs. 1 daselbst bei den nun
gegebenen Wohnsitzverhältnissen nicht zu materieller Beurteilung verpflichtet,
und endlich, ob es angesichts dieser Sachlage nicht auf eine
Rechtsverweigerung hinausliefe, die am Betreibungsort angehobene Klage mit
Hinweis auf die Gerichtsstandsvereinbarung von der Hand zu weisen. Über alle
diese Fragen, die sich stellen, nachdem die Gerichtsstandsbestimmung des Art.
83 Abs. 2
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 83 - 1 Der Gläubiger, welchem die provisorische Rechtsöffnung erteilt ist, kann nach Ablauf der Zahlungsfrist, je nach der Person des Schuldners, die provisorische Pfändung verlangen oder nach Massgabe des Artikels 162 die Aufnahme des Güterverzeichnisses beantragen.
1    Der Gläubiger, welchem die provisorische Rechtsöffnung erteilt ist, kann nach Ablauf der Zahlungsfrist, je nach der Person des Schuldners, die provisorische Pfändung verlangen oder nach Massgabe des Artikels 162 die Aufnahme des Güterverzeichnisses beantragen.
2    Der Betriebene kann indessen innert 20 Tagen nach der Rechtsöffnung auf dem Weg des ordentlichen Prozesses beim Gericht des Betreibungsortes auf Aberkennung der Forderung klagen.161
3    Unterlässt er dies oder wird die Aberkennungsklage abgewiesen, so werden die Rechtsöffnung sowie gegebenenfalls die provisorische Pfändung definitiv.162
4    Zwischen der Erhebung und der gerichtlichen Erledigung der Aberkennungsklage steht die Frist nach Artikel 165 Absatz 2 still. Das Konkursgericht hebt indessen die Wirkungen des Güterverzeichnisses auf, wenn die Voraussetzungen zu dessen Anordnung nicht mehr gegeben sind.163
SchKG nicht als zwingende aufgefasst wird, lässt sich kaum so leicht
hinwegkommen, wie die Vorinstanz glaubt. Die Entscheidung darüber muss den
gerichtlichen Instanzen des Aberkennungsprozesses vorbehalten bleiben.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird gutgeheissen und der angefochtene Entscheid sowie die
Konkursandrohung vom 28. März 1939 aufgehoben.