S. 10 / Nr. 3 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 64 III 10

3. Entscheid vom 25. Januar 1938 i. S. Lichtensteiger.

Regeste:
Einem Fortsetzungsbegehren, dem der Rechtsöffnungsentscheid beigelegt ist, hat
das Betreibungsamt Folge zu geben, ohne irgendwelche Einwendungen gegen das
Rechtsöffnungsverfahren zu hören; insbesondere kann es die Zuständigkeit des
Rechtsöffnungsrichters nicht nachprüfen (Art. 84
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 84 - 1 Der Richter des Betreibungsortes entscheidet über Gesuche um Rechtsöffnung.
1    Der Richter des Betreibungsortes entscheidet über Gesuche um Rechtsöffnung.
2    Er gibt dem Betriebenen sofort nach Eingang des Gesuches Gelegenheit zur mündlichen oder schriftlichen Stellungnahme und eröffnet danach innert fünf Tagen seinen Entscheid.
SchKG, Art. 7 Vo Nr. 1 des BR
über Formulare etc.).
Le préposé doit donner suite à une réquisition de continuer la poursuite,
accompagnée du jugement ordonnant la mainlevée, sans entrer en matière sur les
exceptions soulevées par le débiteur à l'encontre de la procédure de
mainlevée; il ne peut notamment pas revoir la question de la compétence du
juge de mainlevée (art. 84 LP, art. 7 Ord. CF no 1 sur les formulaires, etc.).
Ad una domanda di proseguimento dell'esecuzione, accompagnata dalla sentenza
di rigetto dell'opposizione, l'ufficio deve dar corso senza tener conto delle
eccezioni sollevate dal debitore contro la procedura di rigetto; in
particolare, non può esaminare se il giudice che ha respinto l'opposizione era
competente (art. 84 LEF; art. 7 Ordinanza CF no 1 sui formulari, ecc.).

A. - Lichtensteiger, in St. Gallen wohnhaft, wurde von Matter für Fr. 150.-
betrieben. Er erhob Rechtsvorschlag. Nachdem er inzwischen nach Speicher
umgezogen war, erhielt er die Pfändungsankündigung des

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Betreibungsamts Speicher, auf die er antwortete, dass er gegen die Betreibung
Rechtsvorschlag erhoben habe und ihm bis dahin ein Rechtsöffnungsurteil nicht
zugekommen sei. Das Betreibungsamt gab hievon dem Gläubiger Kenntnis mit der
Weisung, dass die Betreibung erst fortgesetzt werde, wenn er die Bescheinigung
beibringe, dass der Rechtsöffnungsentscheid des erstinstanzlichen Richters von
St. Gallen nicht weitergezogen worden sei. Diese Bescheinigung wurde einem
neuen Fortsetzungsbegehren beigelegt, worauf neue Pfändungsankündigung an den
Schuldner erging. Hiergegen führte dieser Beschwerde mit der Begründung, dass
er nach Speicher umgezogen sei (womit er wohl geltend zu machen gedachte, dass
die Rechtsöffnung an diesem neuen Wohnsitz hätte durchgeführt werden müssen),
und dass ihm die Vorladung zur Rechtsöffnung nicht rechtzeitig, sondern erst
nach dem Rechtsöffnungsentscheid und zugleich mit diesem durch die Post
zugekommen sei. Er verlangt ein neues Rechtsöffnungsverfahren an seinem
Wohnort, wo er seine Verteidigung anbringen könne, und sucht im übrigen die
Unbegründetheit der in Betreibung gesetzten Forderung darzutun.
B. - Die appenzellische Aufsichtsbehörde hat die Beschwerde abgewiesen, von
der Annahme ausgehend, dass der Schuldner sowohl die Vorladung zur
Rechtsöffnung als auch den Rechtsöffnungsentscheid rechtzeitig erhalten habe.
Mit der Berufung legt der Schuldner eine Bescheinigung des
Bezirksgerichtspräsidenten von St. Gallen ein, wonach die Vorladung auf den 6.
September und der Rechtsöffnungsentscheid von diesem Datum mehrere Tage nach
dem 6. September von der Zustellungsadresse «Graf, Rosenbergstrasse 50 St.
Gallen» zurückgeschickt worden seien mit dem Vermerk: «Diese Briefe wurden
(von Lichtensteiger) nicht mehr abgeholt, jedenfalls verreist, wohin
unbekannt». Darauf beruft sich Lichtensteiger in seinem Rekurs ans
Bundesgericht, und die Vorinstanz legt eine Vernehmlassung bei, in der sie
zugibt, dass ihre Annahme durch dieses neue Beweismittel entkräftet sein
dürfte.

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Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
Gemäss Art. 7 lit. d al. 3 der Verordnung des Bundesrates vom 18. Dezember
1891 soll der Gläubiger, gegen dessen Betreibung Rechtsvorschlag erhoben
worden ist, seinem Fortsetzungsbegehren den Rechtsöffnungsentscheid beilegen.
Geschieht dies, so hat das Betreibungsamt die Betreibung fortzusetzen, ohne
irgendwelche Einwendungen gegen das Rechtsöffnungsverfahren zu hören. Diese
sind vielmehr durch die gegen den Rechtsöffnungsentscheid zur Verfügung
stehenden Rechtsmittel geltend zu machen. Die gegenteilige Auffassung würde
das Vollstreckungsorgan zu einer Kontrollbehörde des Richters in
Vollstreckungsstreitigkeiten machen. Es genügt, dies aufzuzeigen, um das
Unmögliche einer solchen Ordnung zu erweisen. Insbesondere kann nicht
anerkannt werden, dass das Betreibungsamt die Zuständigkeit des
Rechtsöffnungsrichters überprüfen dürfe (so Z. b. JV 50, 463 und JAEGER,
Praxis I Art. 84 N. 2). Das Betreibungsamt hat sich daher mit Recht bei dem
Einwand des Schuldners nicht aufgehalten, dass er seit der Zustellung des
Zahlungsbefehls seinen Wohnort von St. Gallen nach Speicher verlegt habe und
daher hier hätte angesucht werden müssen. Ob dem Schuldner der
Rechtsöffnungsentscheid zugestellt war, darauf kam ebenfalls nichts an. Es
genügte nach der cit. Verordnungsbestimmung, dass der Gläubiger ihn dem
Fortsetzungsbegehren beilegte. Diesem war ja auch Folge zu geben, wenn der
Rechtsöffnungsentscheid noch gar nicht in Rechtskraft erwachsen war, weil die
Appellation dagegen offen stand; nur dass dann die Pfändung lediglich mit
provisorischer Wirkung stattfinden konnte (vgl. BGE 47 III 68, 55 III 173) und
im Falle der Aufhebung des erstinstanzlichen Rechtsöffnungsentscheides durch
die Appellationsinstanz dahinfiel. Auf ihm allfällig noch zustehende
Rechtsmittel gegen den Rechtsöffnungsentscheid - den er nunmehr zugestellt
erhalten hat - ist mithin der

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Schuldner zu verweisen, eventuell auf die Aberkennungs- oder auf die
Rückforderungsklage. Im Wege der betreibungsrechtlichen Beschwerde lässt sich
die Fortsetzung der Betreibung nicht aufhalten.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 64 III 10
Datum : 01. Januar 1937
Publiziert : 25. Januar 1938
Quelle : Bundesgericht
Status : 64 III 10
Sachgebiet : BGE - Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Gegenstand : Einem Fortsetzungsbegehren, dem der Rechtsöffnungsentscheid beigelegt ist, hat das Betreibungsamt...


Gesetzesregister
SchKG: 84
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 84 - 1 Der Richter des Betreibungsortes entscheidet über Gesuche um Rechtsöffnung.
1    Der Richter des Betreibungsortes entscheidet über Gesuche um Rechtsöffnung.
2    Er gibt dem Betriebenen sofort nach Eingang des Gesuches Gelegenheit zur mündlichen oder schriftlichen Stellungnahme und eröffnet danach innert fünf Tagen seinen Entscheid.
BGE Register
47-III-67 • 55-III-173 • 64-III-10
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
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