Urteilskopf

114 Ia 378

64. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 10. November 1988 i.S. S. gegen Politische Gemeinde Stäfa und Regierungsrat des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 379

BGE 114 Ia 378 S. 379

Im Rahmen einer neuen Bauordnung mit Zonenplan schuf die Politische Gemeinde Stäfa im Bereiche des SBB-Bahnhofes Uerikon eine neue Gewerbezone. Diese Gewerbezone schliesst eine Fläche von rund 400 m Länge und einer durchschnittlichen Breite von 45 m ein und umfasst das Gebiet zwischen dem Bahntrassee und der nördlich verlaufenden Stationsstrasse. An die Gewerbezone grenzt im Westen die regionale Freihaltezone mit dem Rebgebiet "Sternenhalde" an; nördlich hangaufwärts und südlich gegen den Zürichsee liegen zweigeschossige Wohnzonen, teilweise in empfindlichem Gebiet. Frau S. ist Eigentümerin einer Liegenschaft in der nördlich gelegenen zweigeschossigen Wohnzone. Sie erhob gegen die Schaffung der neuen Gewerbezone erfolglos Rekurs bei der Rekurskommission II und beim Regierungsrat des Kantons Zürich. Gegen den Entscheid des Regierungsrates reichte Frau S. beim Bundesgericht staatsrechtliche Beschwerde ein. Das Bundesgericht tritt auf die Beschwerde nicht ein und führt im übrigen aus, dass sich die Beschwerde auch in materieller Hinsicht als unbegründet erwiese.
Erwägungen

Aus den Erwägungen:

4. a) Die Beschwerdeführerin ist nicht Grundeigentümerin innerhalb desjenigen Gebietes, das neu der Gewerbezone zugeteilt ist. Sie ist lediglich Eigentümerin einer Liegenschaft oberhalb des betreffenden Areals in der Zone WE1 (zweigeschossige Wohnzone in empfindlichem Gebiet). Gemäss der Praxis des Bundesgerichtes ist zur Anfechtung eines Nutzungsplanes mit staatsrechtlicher Beschwerde sowohl der Eigentümer eines vom Plan erfassten Grundstückes befugt als auch der Eigentümer einer benachbarten Liegenschaft, der geltend macht, die Planfestsetzung verletze ihn in seinen verfassungsmässigen Rechten, weil dadurch Normen, die auch seinem Schutze dienten, nicht mehr oder in geänderter Form
BGE 114 Ia 378 S. 380

gelten würden oder weil sie die Nutzung seiner Liegenschaft beschränke. In beiden Fällen reicht die Anfechtungsbefugnis nur soweit, als die Auswirkungen des streitigen Planes auf das eigene Grundstück in Frage stehen (BGE 112 Ia 93, BGE 113 Ia 238 E. 2). b) Ob sich die Planänderung auf das Grundstück der Beschwerdeführerin im Sinne dieser Rechtsprechung auswirken wird, kann offengelassen werden. Im Hinblick auf die erhobenen Rügen kann auf die Beschwerde aus den nachfolgenden Gründen nicht eingetreten werden. Die Beschwerdeführerin macht geltend, durch die Planänderung vermindere sich der Wert ihres Grundstückes. Angesichts der benachbarten Freihalte- und Wohnzonen erscheine die Zuteilung des betreffenden Areals zur Gewerbezone geradezu als sinnwidrig. Die Eigentumsgarantie gemäss Art. 22ter BV sei in erster Linie verletzt, weil es an der gesetzlichen Grundlage fehle; weder der regionale noch der kantonale Richtplan enthielten eine Grundlage für die Gewerbezone. Die Eigentumsgarantie sei auch wegen Fehlens eines öffentlichen Interesses verletzt; es könne unmöglich im öffentlichen Interesse liegen, empfindliches Gebiet durch eine Gewerbezone zu unterbrechen. Zudem sei auch das Verhältnismässigkeitsprinzip verletzt, bestehe doch kein überwiegendes öffentliches Interesse an der Festsetzung einer Gewerbezone im fraglichen Gebiet. Die Einführung einer an ein Wohngebiet in empfindlicher Lage sowie an eine Freihaltezone angrenzenden Gewerbezone sei willkürlich. Die Beschwerdeführerin macht mit diesen Rügen keine Verletzung von irgendwelchen Normen geltend, die auch ihrem Schutze dienen und die nach der Festlegung der Gewerbezone nicht mehr oder nur noch in geänderter Form gelten würden. Insbesondere beruft sie sich nicht auf öffentlichrechtliche Immissionsschutzbestimmungen, welche mit der Festsetzung der streitigen Gewerbezone zu ihrem Nachteil aufgehoben oder gelockert würden. Mit ihren Vorbringen rügt sie auch nicht, durch die Festlegung der Gewerbezone werde die Nutzung ihrer Liegenschaft beschränkt. Die Richtplanung, der nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin die Festlegung einer Gewerbezone im fraglichen Gebiet widersprechen soll, bindet sowohl nach Bundesrecht (Art. 9
SR 700 Bundesgesetz vom 22. Juni 1979 über die Raumplanung (Raumplanungsgesetz, RPG) - Raumplanungsgesetz
RPG Art. 9 Verbindlichkeit und Anpassung - 1 Richtpläne sind für die Behörden verbindlich.
1    Richtpläne sind für die Behörden verbindlich.
2    Haben sich die Verhältnisse geändert, stellen sich neue Aufgaben oder ist eine gesamthaft bessere Lösung möglich, so werden die Richtpläne überprüft und nötigenfalls angepasst.
3    Richtpläne werden in der Regel alle zehn Jahre gesamthaft überprüft und nötigenfalls überarbeitet.
RPG) als auch nach dem zürcherischen Recht nur die (nachgeordneten) Instanzen, nicht aber direkt die privaten Grundeigentümer (vgl. §§ 18 ff. PBG; BGE 107 Ia 77). Aus diesem Grund kann die Beschwerdeführerin daraus keine privaten Rechte bzw. Normen ableiten, die
BGE 114 Ia 378 S. 381

auch ihrem Schutze dienen (unveröffentlichtes Urteil i.S. Halter vom 31. März 1988). Das gleiche gilt wesensgemäss vom behaupteten Umstand, es fehle am öffentlichen Interesse für die Festlegung einer Gewerbezone. Da die Beschwerdeführerin die Verletzung des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes ebenfalls mit dem Fehlen eines hinreichenden öffentlichen Interesses begründet, fehlt es auch diesbezüglich an Gründen, welche sie als Eigentümerin eines ausserhalb der Planfestsetzung liegenden Grundstückes als legitimiert erscheinen liessen. Auch insofern, als die Beschwerdeführerin in der Planfestsetzung eine Verletzung des Willkürverbotes sieht, ist sie nicht zur staatsrechtlichen Beschwerde legitimiert. Nach ständiger Rechtsprechung verschafft nämlich das allgemeine Willkürverbot, das bei jeder staatlichen Tätigkeit zu beachten ist, für sich allein dem Betroffenen noch keine geschützte Rechtsstellung im Sinne von Art. 88 OG. Eine Legitimation zur Willkürbeschwerde besteht erst dann, wenn der angefochtene Entscheid den Beschwerdeführer in seiner vorhandenen Rechtsstellung berührt und damit in seine rechtlich geschützten Interessen eingreift. Die Geltendmachung des Willkürverbotes setzt somit eine Berechtigung in der Sache voraus (BGE 112 Ia 178 E. 3c; 110 Ia 75 E. 2a, je mit Hinweisen). Auf die Beschwerde kann deshalb mangels Legitimation der Beschwerdeführerin nicht eingetreten werden.