110 Ia 72
14. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 9. März 1984 i.S. Peter Berger & Kons. gegen Regierungsrat des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste (de):
- Art. 88
OG; Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung des Anspruches auf Akteneinsicht.
- 1. Die Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde beurteilt sich unabhängig von der Tatsache, dass die Beschwerdeführer im kantonalen Rekursverfahren als Partei behandelt wurden (E. 1).
- 2. Der Anspruch auf rechtliches Gehör und auf Akteneinsicht kann mit staatsrechtlicher Beschwerde nur geltend gemacht werden, wenn der Beschwerdeführer in einem Verfahren rechtlich geschützte Interessen verfolgt oder - wenn es sich um lediglich tatsächliche Interessen handelt - soweit ihm kantonale Verfahrensvorschriften Rechte im Verfahren einräumen (E. 2).
Regeste (fr):
- Art. 88 OJ; qualité pour former un recours de droit public en raison de la violation du droit de consulter le dossier.
- 1. La qualité pour former un recours de droit public se détermine indépendamment du fait que les recourants aient été traités comme parties dans la procédure cantonale de recours (consid. 1).
- 2. Le droit d'être entendu et de consulter le dossier peut seulement être invoqué dans un recours de droit public, lorsque le recourant poursuit dans une procédure des intérêts juridiquement protégés ou, s'il s'agit simplement d'intérêts de fait, lorsque les dispositions de procédure cantonale lui aménagent des droits (consid. 2).
Regesto (it):
- Art. 88
OG; legittimazione a proporre ricorso di diritto pubblico per violazione del diritto di consultare gli atti.
- 1. La legittimazione a proporre ricorso di diritto pubblico si determina prescindendo dal fatto che i ricorrenti siano stati considerati come parte nella procedura ricorsuale cantonale (consid. 1).
- 2. Il diritto di essere sentito e di consultare gli atti può essere invocato con ricorso di diritto pubblico soltanto ove il ricorrente persegua in un procedimento interessi giuridicamente protetti od ove - quando si tratti semplicemente d'interessi di fatto - le disposizioni della procedura cantonale gli accordino dei diritti (consid. 2).
Sachverhalt ab Seite 72
BGE 110 Ia 72 S. 72
In Zürich ist seit Jahren eine politische Neuordnung des Verhältnisses von Staat und Kirchen im Gange, die noch nicht abgeschlossen ist. Art. 64 KV anerkennt in der Fassung vom 7. Juli 1963 in Absatz 2 die evangelisch-reformierte Landeskirche und weitere christliche Kirchen als Körperschaften öffentlichen Rechts. Nach Absatz 3 werden ihr Verhältnis zum Staate sowie die staatlichen Leistungen für das Kirchenwesen durch die Gesetzgebung geordnet. Neu wurde 1963 beigefügt: "Die auf historischen Rechtstiteln beruhenden Verpflichtungen des Staates bleiben gewahrt". Die
BGE 110 Ia 72 S. 73
Frage der sog. "historischen Rechtstitel" ist umstritten. Im Auftrag der vorbereitenden Kommission, welche eine 1977 in der Volksabstimmung verworfene Volksinitiative auf Trennung von Kirche und Staat behandelte, wurde am 27. Juni 1977 im Kantonsrat eine Motion mit dem Antrag eingebracht, eine weitere Entflechtung zwischen Kirche und Staat zu prüfen, hierüber Bericht zu erstatten und allenfalls Antrag zu stellen. Bericht und Antrag zu dieser Motion Nr. 1751 legte der Regierungsrat dem Kantonsrat am 12. Januar 1983 vor; er beantragte darin, die am 3. März 1980 erheblich erklärte Motion abzuschreiben.
In seinem Bericht erörtert der Regierungsrat insbesondere die Frage der sog. "historischen Rechtstitel", deren Klärung die evangelisch-reformierte Landeskirche verlangte und in der die Standpunkte von kirchlicher und staatlicher Seite stark voneinander abweichen. Er stellt einlässlich, aber vereinfacht den Standpunkt des Staates dar, wie er von der Direktion des Innern in drei vom 16. Mai 1979 und August 1981 datierten Exposés formuliert ist, die unter Leitung des von ihm als Experte bestellten Professors Hans Nef verfasst wurden. Danach bestünden die im Verfassungstext von 1963 vorbehaltenen "historischen Rechtstitel" nicht.
Am 14. März und 19. April 1983 ersuchten die vier Beschwerdeführer und ein weiterer Freidenker die Direktion des Innern um Einsicht in das Gutachten Nef und ihre drei Exposés. Die Direktion des Innern verweigerte ihnen am 21. April 1983 die Einsicht. Eine Eingabe vom 2. Mai 1983 mit denselben Begehren wies der Regierungsrat am 29. Juni 1983 ab, wobei er das Begehren als Rekurs entgegennahm. Die Gesuchsteller beanspruchten für sich die gleichen Informationen, die schon der Kirchenrat bzw. dessen Experten erhalten hätten. Ferner wiesen sie darauf hin, dass sie bei der Bundesversammlung ein Gesuch um Widerruf der am 4. Oktober 1963 ausgesprochenen Gewährleistung für die fragliche Verfassungsbestimmung gestellt und in diesem hängigen Verwaltungsverfahren Anspruch auf Akteneinsicht hätten. Der Regierungsrat verneinte in seinem Entscheid vom 29. Juni 1983 einen solchen auf kantonales Recht und Art. 4
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SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
BGE 110 Ia 72 S. 74
was - über die Zusammenfassung im Bericht vom 12. Januar 1983 an den Kantonsrat hinaus - gegenüber den Beschwerdeführern nicht tunlich sei, zumal sie ein besonderes schützenswertes Interesse nicht dargetan hätten. Gegen den Entscheid des Regierungsrats reichten die Beschwerdeführer am 3. August 1983 rechtzeitig staatsrechtliche Beschwerde ein. Sie machen Verletzungen von Art. 4
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SR 131.211 Verfassung des Kantons Zürich, vom 27. Februar 2005 KV/ZH Art. 64 - Die Mitglieder des Regierungsrates haben in den Verhandlungen des Kantonsrates und seiner Kommissionen beratende Stimme und Antragsrecht. |
Erwägungen
Erwägungen:
1. Nach Art. 88
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2. Die Beschwerdeführer erheben die Rüge einer Verweigerung des rechtlichen Gehörs und gleichzeitig der Willkür, weil ihnen der Regierungsrat die verlangte Einsicht in die zu seinen Akten gehörenden Gutachten mit der Begründung verweigerte, es handle sich dabei nicht um Akten eines Verfahrens, in dem sie Partei seien oder eine der Partei ähnliche Stellung hätten, weshalb
BGE 110 Ia 72 S. 75
ihnen ein Anspruch auf Akteneinsicht nach § 8 VRG und Art. 4
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BGE 110 Ia 72 S. 76
die sogenannten "historischen Rechtstitel" gebe und wie die Festschreibung solcher nichtexistenter Rechtstitel in der Kantonsverfassung rückgängig zu machen sei", handelt es sich nicht um ein Verwaltungs- oder Rechtsprechungsverfahren, sondern um einen politischen Vorgang, in dem das Verhältnis zwischen Staat und evangelisch-reformierter Landeskirche sowie die sog. "historischen Rechtstitel" dieser Kirche geklärt werden sollen. Der Regierungsrat liess das sog. Gutachten Nef für die Vorbereitung der gesetzgeberischen Initiativen erstatten, die er auf die Motion des Kantonsrats hin oder die der Kantonsrat selber ergreifen könnte. Die Beschwerdeführer als Freidenker haben wohl ein persönliches und ideelles Interesse am Ausgang dieses politischen Vorganges. Partei in einem Verfahren sind sie jedoch im politischen Meinungsbildungsprozess nicht. Die Beschwerdeführer behaupten nicht, dass § 8 VRG ZH, Art. 231
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Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Entscheid somit nicht in Interessen betroffen, in denen sie durch Vorschriften des kantonalen Verfahrensrechts geschützt würden. c) Sie könnten deshalb zur Beschwerde nur legitimiert sein, wenn sich aus Art. 4
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BGE 110 Ia 72 S. 77
selbst willen kennt die Bundesgerichtspraxis aber allein aufgrund von Art. 4
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