Urteilskopf

110 IV 35

13. Urteil des Kassationshofes vom 10. Juli 1984 i.S. C.S. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 35

BGE 110 IV 35 S. 35

A.- Auf Begehren von Frau N.S. ordnete der Richter des Superior Court of California, County of San Luis Obispo, am 11. Juni 1981 an, dass "pending the trial of this matter and such other or different order as may be made at such time, petitioner N.S. shall have the sole and exclusive custody of the parties' minor children. Respondent (also der Ehemann C.S.) shall have no visitation privileges except upon further order of this Court." Die dieser Verfügung vorausgegangene Verhandlung war in Abwesenheit des Ehemanns C.S. durchgeführt worden.
Am 23. August und 23. Dezember 1982 räumte der kalifornische Richter C.S. auf dessen Gesuch hin ein Besuchsrecht ein, indem ihm erlaubt wurde, die Kinder vom 27. Dezember 1982, 08.00 Uhr bis 1. Januar 1983, 16.00 Uhr zu sich zu nehmen. Er machte von diesem Recht Gebrauch, brachte aber nach Ablauf der Besuchszeit die Kinder der sorgeberechtigten Mutter nicht mehr zurück, sondern verbrachte sie nach L. an seinen Wohnsitz und weigerte sich in der Folge, sie herauszugeben.
B.- Am 15. Mai 1984 verurteilte das Obergericht des Kantons Basel-Landschaft C.S. im Appellationsverfahren wegen Entziehens und Vorenthaltens von Unmündigen zu einer bedingt aufgeschobenen Haftstrafe von 5 Wochen.
C.- C.S. führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das

BGE 110 IV 35 S. 36

Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung, eventuell zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Erwägungen

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Der Beschwerdeführer macht zunächst geltend, seine Frau habe seinerzeit die Trennung der Ehe verlangt und es sei nach der Verhandlung vom 5. Juni 1981, zu welcher er nicht vorgeladen worden sei, am 11. Juni 1981 die Trennung ausgesprochen und seiner Frau das Sorgerecht über die unmündigen Kinder zugewiesen worden. Es sei deshalb unverständlich, wieso das Obergericht im Trennungsurteil bloss eine vorsorgliche Anordnung erblicke. Da aber nach der eigenen Annahme der Vorinstanz der Entscheid vom 11. Juni 1981 wegen des schweizerischen ordre public nicht vollstreckbar sei, könne ihm nicht eine Verletzung von Art. 220
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 220 - Wer eine minderjährige Person dem Inhaber des Rechts zur Bestimmung des Aufenthaltsortes entzieht oder sich weigert, sie ihm zurückzugeben, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
StGB zur Last gelegt werden. Was die Verfügungen vom 23. August und vom 23. Dezember 1982 beträfe, so enthielten sie keine Entscheidung über die Zuweisung des Sorgerechts; es fehle also in jedem Fall an einem rechtsgültigen Entzug dieses Rechts. a) Soweit die Vorinstanz in Auslegung fremden Rechts im Entscheid des kalifornischen Richters vom 11. Juni 1981 eine blosse vorsorgliche Anordnung erblickte und feststellte, der Beschwerdeführer habe dessen Abänderung verlangen können, was er tatsächlich getan hatte, und er hätte sogar eine weitergehende Änderung beantragen können, als es geschehen sei, ist der Kassationshof daran gebunden; denn die Auslegung und Anwendung ausländischen Rechts kann vom Bundesgericht nicht überprüft werden (s. BGE 108 II 169 E. 1; BGE 104 IV 87). Im übrigen ergibt sich aus dem Wortlaut des Entscheides vom 11. Juni 1981 unmissverständlich, dass damit keineswegs die Trennung der Ehe ausgesprochen, sondern bloss vorsorgliche Anordnungen für die Dauer des Prozesses getroffen wurden. Das gilt insbesondere bezüglich der Erwägung 2, mit welcher der Ehefrau das ausschliessliche Sorgerecht für die drei unmündigen Kinder zugewiesen und dem Beschwerdeführer jeder Kontakt mit ihnen untersagt wurde. b) Dem Beschwerdeführer ist zuzugestehen, dass - was übrigens auch die Vorinstanz annahm - die Vollstreckbarkeit dieser Verfügung in der Schweiz aus Überlegungen des ordre public fragwürdig wäre. Indessen ist dies für den Ausgang der Sache ohne Belang. Wie das Obergericht zutreffend annahm, hat der
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Beschwerdeführer den Besuchsrechtsregelungen vom 23. August und 23. Dezember 1982 zuwidergehandelt. Diese aber waren auf sein Begehren hin und unter Wahrung seiner Parteirechte ergangen und verstossen nicht gegen den schweizerischen ordre public. Dass sie den Entzug des Sorgerechts vom 11. Juni 1981 voraussetzen, trifft zu. Indessen kann der Beschwerdeführer heute die Gültigkeit jenes Entzugs nicht bestreiten, nachdem feststeht, dass er am 23. August und 23. Dezember 1982 bloss insoweit eine Änderung der Verfügung vom 11. Juni 1981 verlangte, als er um Einräumung eines Besuchsrechts ersuchte, die ausschliessliche Zuweisung des Sorgerechts für die Kinder an seine Frau aber nicht anfocht, obschon er eine weitere Änderung in diesem Sinne hätte beantragen können. Indem er sein Begehren auf die Einräumung eines Besuchsrechts beschränkte, fand er sich implicite mit der Zuweisung der Kinder an die Frau für die Dauer des Prozesses ab, mit der Folge, dass die Besuchsrechtsregelungen vom 23. August und 23. Dezember 1982 für ihn verbindlich waren. Dass er diesen aber zuwidergehandelt hat, steht ausser Frage. c) Nach der Rechtsprechung kann Täter im Sinne des Art. 220
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 220 - Wer eine minderjährige Person dem Inhaber des Rechts zur Bestimmung des Aufenthaltsortes entzieht oder sich weigert, sie ihm zurückzugeben, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
StGB auch der Ehegatte sein, dem die Kinder für die Dauer eines Ehetrennungsverfahrens durch richterliche Zuteilung an den anderen Ehegatten weggenommen wurden (BGE 91 IV 137); in diesem Fall steht nämlich die Befugnis, über den Aufenthaltsort, die Erziehung und die Lebensgestaltung der Kinder zu verfügen, einzig diesem letzteren zu, und es macht sich grundsätzlich der erstere eines Entziehens oder Vorenthaltens im Sinne des Art. 220
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 220 - Wer eine minderjährige Person dem Inhaber des Rechts zur Bestimmung des Aufenthaltsortes entzieht oder sich weigert, sie ihm zurückzugeben, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
StGB schuldig, wenn er sich nicht an die richterliche Anordnung hält und es dem sorgeberechtigten Ehegatten verunmöglicht, im Rahmen dieser Anordnung seine Befugnis auszuüben (BGE 101 IV 305, 99 IV 270, 95 IV 68). Dabei kann offenbleiben, inwieweit auch geringfügige Überschreitungen des Besuchsrechts als ein nach Art. 220
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 220 - Wer eine minderjährige Person dem Inhaber des Rechts zur Bestimmung des Aufenthaltsortes entzieht oder sich weigert, sie ihm zurückzugeben, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
StGB beachtliches Vorenthalten oder Entziehen anzusehen sind; im vorliegenden Fall kann jedenfalls von einer geringfügigen Widerhandlung gegen die richterliche Besuchsregelung nicht gesprochen werden. d) Der Einwand des C.S., er habe dadurch, dass er die Kinder am 27. Dezember 1982 in die Schweiz verbracht habe, nicht gegen die Verfügungen vom 23. August und 23. Dezember 1982 verstossen, weil diese kein Verbot eines Ferienurlaubs in der Schweiz enthalten hätten, ist gegenstandslos. Die Vorinstanz hat ihm nicht das Verbringen der Kinder in die Schweiz an sich als Verstoss
BGE 110 IV 35 S. 38

gegen Art. 220
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 220 - Wer eine minderjährige Person dem Inhaber des Rechts zur Bestimmung des Aufenthaltsortes entzieht oder sich weigert, sie ihm zurückzugeben, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
StGB zur Last gelegt, sondern sie hat ihn verurteilt, weil er die drei Kinder "nach Ablauf der ihm vom kalifornischen Richter eingeräumten Besuchszeit vom 27. Dezember 1982 bis 1. Januar 1983 seiner in Kalifornien/USA lebenden Ehefrau nicht zurückgegeben, sondern in die Schweiz verbracht hat".
2. Dass das Obergericht ihn schliesslich des Entziehens und Vorenthaltens von Unmündigen schuldig gesprochen hat, ist entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht zu beanstanden. Es hat damit die gesetzliche Bezeichnung des Delikts verwendet, welche beides in sich schliesst, ohne damit den Vorwurf zu erheben, er habe sowohl das eine wie das andere getan. Die Verwendung der gesetzlichen Bezeichnung im Urteilsspruch ist denn auch üblich und reicht in concreto nicht weiter, als sich aus der Begründung ergibt. Nach dieser aber besteht kein Zweifel, dass das Obergericht den Beschwerdeführer lediglich wegen Vorenthaltens schuldig befunden hat.
Dispositiv

Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten ist.