[AZA 7]
I 214/01 Vr

II. Kammer

Präsident Lustenberger, Bundesrichter Meyer und Ferrari;
Gerichtsschreiber Flückiger

Urteil vom 25. Oktober 2001

in Sachen
IV-Stelle Luzern, Landenbergstrasse 35, 6005 Luzern, Beschwerdeführerin,
gegen
B.________, 1953, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt Hans Suppiger, Alpenstrasse 1, 6004 Luzern,

und
Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Luzern

A.- Die 1953 geborene B.________ meldete sich am 17. Februar 1998 wegen Rückenbeschwerden bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug (Umschulung auf eine neue Tätigkeit, Rente) an. Die IV-Stelle Luzern holte Angaben verschiedener Arbeitgeber, bei welchen die Versicherte teilzeitlich als Raumpflegerin beschäftigt war, sowie Berichte des Hausarztes Dr. med. S.________, Innere Medizin FMH, speziell Herzkrankheiten, vom 13. Juli 1998 (mit beigelegtem Bericht der Medizinischen Klinik des Spitals X.________ vom 30. Mai 1997), 25. Februar 2000 und 26. April 2000 ein. Zudem veranlasste sie Abklärungen der Beruflichen Abklärungsstelle (BEFAS), welche vom 15. Juni bis
2. Juli 1999 dauerten (Bericht vom 14. Juli 1999), und der IV-internen Abklärungsstelle (Bericht vom 11. Oktober 1999). Anschliessend beauftragte sie das Medizinische Zentrum Y.________ mit der Erstattung eines polydisziplinären Gutachtens. Die Versicherte liess jedoch mitteilen, sie werde sich dieser Untersuchung nicht unterziehen. Die Verwaltung machte sie daraufhin mit Schreiben vom 3. Juli 2000 auf ihre Mitwirkungspflicht aufmerksam, setzte ihr eine Frist zur Kontaktnahme bis 19. Juli 2000 und wies sie darauf hin, dass sie, wenn sie die Abklärungsbemühungen weiterhin erschwere, mit einem Entscheid auf Grund der Akten rechnen müsse. Nachdem diese Frist unbenutzt abgelaufen war, lehnte die IV-Stelle - nach Durchführung des Vorbescheidverfahrens - das Begehren um Zusprechung einer Rente ab mit der Begründung, der Invaliditätsgrad betrage nur 10 % (Verfügung vom 24. August 2000).

B.- Die dagegen erhobene Beschwerde mit dem Antrag auf Zusprechung einer ganzen Invalidenrente hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern mit Entscheid vom 15. Februar 2001 in dem Sinne gut, dass es die Verwaltungsverfügung vom 24. August 2000 aufhob und die Sache an die IV-Stelle zurückwies, damit sie im Sinne der Erwägungen verfahre und neu verfüge (Ziffer 1). Eine Parteientschädigung wurde nicht zugesprochen (Ziffer 2).

C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde stellt die IV-Stelle Luzern das Rechtsbegehren, Ziffer 1 des kantonalen Entscheids sei aufzuheben und die Sache sei an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie auf Grund der bis zum Verfügungserlass vorliegenden Akten entscheide, ob die IV-Stelle zu Recht einen Invaliditätsgrad von 10 % angenommen habe; eventuell sei in Bestätigung der Verwaltungsverfügung vom 24. August 2000 festzustellen, dass die Abweisung des Leistungsbegehrens zu Recht erfolgt sei.
Die Vorinstanz und B.________ schliessen auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung lässt sich nicht vernehmen.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.- a) Nach Art. 4 Abs. 1
SR 831.20 Loi fédérale du 19 juin 1959 sur l'assurance-invalidité (LAI)
LAI Art. 4 Invalidité - 1 L'invalidité (art. 8 LPGA44) peut résulter d'une infirmité congénitale, d'une maladie ou d'un accident.45
1    L'invalidité (art. 8 LPGA44) peut résulter d'une infirmité congénitale, d'une maladie ou d'un accident.45
2    L'invalidité est réputée survenue dès qu'elle est, par sa nature et sa gravité, propre à ouvrir droit aux prestations entrant en considération.46
IVG gilt als Invalidität die durch einen körperlichen oder geistigen Gesundheitsschaden als Folge von Geburtsgebrechen, Krankheit oder Unfall verursachte, voraussichtlich bleibende oder längere Zeit dauernde Erwerbsunfähigkeit.

b) Nach Art. 28 Abs. 1
SR 831.20 Loi fédérale du 19 juin 1959 sur l'assurance-invalidité (LAI)
LAI Art. 28 Principe - 1 L'assuré a droit à une rente aux conditions suivantes:
1    L'assuré a droit à une rente aux conditions suivantes:
a  sa capacité de gain ou sa capacité d'accomplir ses travaux habituels ne peut pas être rétablie, maintenue ou améliorée par des mesures de réadaptation raisonnablement exigibles;
b  il a présenté une incapacité de travail (art. 6 LPGA204) d'au moins 40 % en moyenne durant une année sans interruption notable;
c  au terme de cette année, il est invalide (art. 8 LPGA) à 40 % au moins.
1bis    Une rente au sens de l'al. 1 n'est pas octroyée tant que toutes les possibilités de réadaptation au sens de l'art. 8, al. 1bis et 1ter, n'ont pas été épuisées.205
2    ...206
IVG hat der Versicherte Anspruch auf eine ganze Rente, wenn er mindestens zu 66 2/3 %, auf eine halbe Rente, wenn er mindestens zu 50 % oder auf eine Viertelsrente, wenn er mindestens zu 40 % invalid ist; in Härtefällen hat der Versicherte nach Art. 28 Abs. 1bis
SR 831.20 Loi fédérale du 19 juin 1959 sur l'assurance-invalidité (LAI)
LAI Art. 28 Principe - 1 L'assuré a droit à une rente aux conditions suivantes:
1    L'assuré a droit à une rente aux conditions suivantes:
a  sa capacité de gain ou sa capacité d'accomplir ses travaux habituels ne peut pas être rétablie, maintenue ou améliorée par des mesures de réadaptation raisonnablement exigibles;
b  il a présenté une incapacité de travail (art. 6 LPGA204) d'au moins 40 % en moyenne durant une année sans interruption notable;
c  au terme de cette année, il est invalide (art. 8 LPGA) à 40 % au moins.
1bis    Une rente au sens de l'al. 1 n'est pas octroyée tant que toutes les possibilités de réadaptation au sens de l'art. 8, al. 1bis et 1ter, n'ont pas été épuisées.205
2    ...206
IVG bereits bei einem Invaliditätsgrad von mindestens 40 % Anspruch auf eine halbe Rente.

c) Um den Invaliditätsgrad bemessen zu können, ist die Verwaltung (und im Beschwerdefall das Gericht) auf Unterlagen angewiesen, die ärztliche und gegebenenfalls auch andere Fachleute zur Verfügung zu stellen haben. Aufgabe des Arztes oder der Ärztin ist es, den Gesundheitszustand zu beurteilen und dazu Stellung zu nehmen, in welchem Umfang und bezüglich welcher Tätigkeiten die versicherte Person arbeitsunfähig ist. Im Weiteren sind die ärztlichen Auskünfte eine wichtige Grundlage für die Beurteilung der Frage, welche Arbeitsleistungen der Person noch zugemutet werden können (BGE 125 V 261 Erw. 4, 115 V 134 Erw. 2, 114 V 314 Erw. 3c, 105 V 158 Erw. 1).

d) Gemäss Art. 73
SR 831.201 Règlement du 17 janvier 1961 sur l'assurance-invalidité (RAI)
RAI Art. 73
IVV kann die IV-Stelle, unter Ansetzung einer angemessenen Frist und Darlegung der Säumnisfolgen, auf Grund der Akten beschliessen, wenn Versicherte schuldhaft eine Begutachtung (Art. 69 Abs. 2
SR 831.201 Règlement du 17 janvier 1961 sur l'assurance-invalidité (RAI)
RAI Art. 69 Généralités - 1 L'office AI examine, au besoin en liaison avec la caisse de compensation compétente en vertu de l'art. 44, si l'assuré remplit les conditions.
1    L'office AI examine, au besoin en liaison avec la caisse de compensation compétente en vertu de l'art. 44, si l'assuré remplit les conditions.
2    Si ces conditions sont remplies, l'office AI réunit les pièces nécessaires, en particulier sur l'état de santé du requérant, son activité, sa capacité de travail et son aptitude à être réadapté, ainsi que sur l'indication de mesures déterminées de réadaptation. Des rapports ou des renseignements, des expertises ou une instruction sur place peuvent être exigés ou effectués; il peut être fait appel aux spécialistes de l'aide publique ou privée aux invalides.293
3    Les offices AI peuvent convoquer les assurés à un entretien. La date de l'entretien doit leur être communiquée dans un délai approprié.294
4    ...295
IVV) verweigern (BGE 111 V 222 Erw. 1, 107 V 28 Erw. 3; zum Mahn- und Bedenkzeitverfahren bei Widersetzlichkeit gegenüber einer Eingliederungsmassnahme vgl. BGE 122 V 219 Erw. 4b mit Hinweisen).

2.- a) Das Schreiben der IV-Stelle an die Versicherte vom 3. Juli 2000 erfüllt die formellen Voraussetzungen des Art. 73
SR 831.201 Règlement du 17 janvier 1961 sur l'assurance-invalidité (RAI)
RAI Art. 73
IVV: Die Beschwerdegegnerin wurde unter Bezugnahme auf ihre Weigerung, sich der Begutachtung durch das Medizinische Zentrum Y.________ zu unterziehen, ausdrücklich darauf hingewiesen, dass allfällige Leistungen verweigert oder entzogen werden können, wenn sich Versicherte einer angeordneten zumutbaren Abklärungsmassnahme entziehen oder widersetzen. Zudem enthielt das Schreiben die Aufforderung an die Versicherte, sich bis spätestens 19. Juli 2000 zu melden, verbunden mit dem Hinweis, dass auf Grund der Akten entschieden werden könne, wenn sie die Abklärungsbemühungen weiterhin erschwere. Entgegen den Ausführungen in der Vernehmlassung zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist die Form der Verfügung weder für das Widersetzlichkeitsschreiben gemäss Art. 73
SR 831.201 Règlement du 17 janvier 1961 sur l'assurance-invalidité (RAI)
RAI Art. 73
IVV noch für die Anordnung einer Begutachtung erforderlich (Art. 75 Abs. 2
SR 831.201 Règlement du 17 janvier 1961 sur l'assurance-invalidité (RAI)
RAI Art. 75
IVV; BGE 125 V 406 f.; ZAK 1984 S. 36 Erw. 1).

b) Wer Leistungen der Invalidenversicherung beansprucht, hat sich jeder zumutbaren Massnahme zu unterziehen.
Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit sind die gesamten (objektiven und subjektiven) Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Bei medizinischen Massnahmen, die einen starken Eingriff in die persönliche Integrität der versicherten Person darstellen können, ist an die Zumutbarkeit kein strenger Massstab anzulegen (ZAK 1985 S. 325 Erw. 1 mit Hinweisen und S. 327 Erw. 1). Diese Grundsätze gelten sinngemäss auch für Massnahmen, die der Sachverhaltsabklärung dienen. Wie das kantonale Gericht mit zutreffender Begründung, auf welche verwiesen wird, dargelegt hat, war die angeordnete Begutachtung im Medizinischen Zentrum Y.________ der Versicherten zumutbar. Da die Versicherte diese Abklärung verweigerte, war die Verwaltung befugt, gemäss Art. 73
SR 831.201 Règlement du 17 janvier 1961 sur l'assurance-invalidité (RAI)
RAI Art. 73
IVV vorzugehen und schliesslich einen Entscheid auf Grund der Akten zu fällen.

3.- Zu prüfen bleibt, ob das kantonale Gericht die Sache zu Recht zur Ergänzung der Abklärungen an die IV-Stelle zurückgewiesen hat.

a) Gemäss der Rechtsprechung zur Unfallversicherung darf das Sozialversicherungsgericht nicht ohne weiteres auf die (unvollständigen) Akten abstellen, wenn der Versicherer über den Leistungsanspruch nach Art. 47 Abs. 3
SR 832.20 Loi fédérale du 20 mars 1981 sur l'assurance-accidents (LAA)
LAA Art. 47 Autopsie - Le Conseil fédéral détermine les conditions auxquelles l'assureur peut ordonner, en cas de décès de l'assuré, une autopsie ou une mesure analogue. L'autopsie ne peut être ordonnée si les proches parents s'y opposent ou si elle est contraire à une déclaration du défunt.
Satz 2 UVG und Art. 59
SR 832.202 Ordonnance du 20 décembre 1982 sur l'assurance-accidents (OLAA)
OLAA Art. 59
UVV entschieden hat (Aktenentscheid nach vorgängiger Androhung bei Erschwerung der Abklärung des Sachverhaltes).
Denn diese Bestimmungen schränken die Pflicht des Gerichtes gemäss Art. 108 Abs. 1 lit. c
SR 832.202 Ordonnance du 20 décembre 1982 sur l'assurance-accidents (OLAA)
OLAA Art. 59
UVG, die erheblichen Tatsachen festzustellen und die notwendigen Beweise zu erheben, nicht ein. Das Gericht hat den Sachverhalt daher von Amtes wegen abzuklären und gegebenenfalls eine ärztliche Expertise zu veranlassen, wobei es ein Gerichtsgutachten in Auftrag geben oder die Sache zur Anordnung einer Begutachtung an den Unfallversicherer zurückweisen kann (RKUV 2001 Nr. U 414 S. 90 Erw. 4b mit Hinweis). Hat jedoch eine versicherte Person ohne stichhaltigen Grund eine versicherungsinterne Untersuchung und Beurteilung verweigert, ist es nicht Sache des kantonalen Gerichts, ein Gutachten anzuordnen, es sei denn, der rechtserhebliche Sachverhalt erweise sich ungeachtet der verweigerten Untersuchung als ungenügend abgeklärt (Urteil I. vom 31. August 2001, U 489/00).

b) In Bezug auf die Invalidenversicherung gilt ebenfalls der Grundsatz, dass die Rekursinstanz die für den Entscheid wesentlichen Tatsachen festzustellen und die notwendigen Beweise zu erheben hat (Art. 85 Abs. 2 lit. c
SR 831.10 Loi fédérale du 20 décembre 1946 sur l'assurance-vieillesse et survivants (LAVS)
LAVS Art. 85
AHVG in Verbindung mit Art. 69
SR 831.20 Loi fédérale du 19 juin 1959 sur l'assurance-invalidité (LAI)
LAI Art. 69 Particularités du contentieux - 1 En dérogation aux art. 52 et 58 LPGA422,
1    En dérogation aux art. 52 et 58 LPGA422,
a  les décisions des offices AI cantonaux peuvent directement faire l'objet d'un recours devant le tribunal des assurances du domicile de l'office concerné;
b  les décisions de l'office AI pour les assurés résidant à l'étranger peuvent directement faire l'objet d'un recours devant le Tribunal administratif fédéral.424
1bis    La procédure de recours en matière de contestations portant sur des prestations de l'AI devant le tribunal cantonal des assurances est soumise à des frais judiciaires.425 Le montant des frais est fixé en fonction de la charge liée à la procédure, indépendamment de la valeur litigieuse, et doit se situer entre 200 et 1000 francs.426
2    L'al. 1bis et l'art. 85bis, al. 3, LAVS427 s'appliquent par analogie à la procédure devant le Tribunal administratif fédéral.428
3    Les jugements des tribunaux arbitraux cantonaux rendus en vertu de l'art. 27quinquies peuvent faire l'objet d'un recours auprès du Tribunal fédéral, conformément à la loi du 17 juin 2005 sur le Tribunal fédéral429.430
IVG). Wenn die versicherte Person ungerechtfertigterweise eine erforderliche und zumutbare Begutachtung verweigert und die Verwaltung daraufhin zu Recht gestützt auf Art. 73
SR 831.201 Règlement du 17 janvier 1961 sur l'assurance-invalidité (RAI)
RAI Art. 73
IVV einen Entscheid auf Grund der Akten gefällt hat, hat die Rechtsmittelinstanz jedoch, entsprechend der vorstehend zitierten Rechtsprechung zur Unfallversicherung, nur zu überprüfen, ob die angefochtene Verfügung auf Grund der vorhandenen (unvollständigen) Akten korrekt war (nicht veröffentlichte Urteile W. vom 22. März 2000, I 594/99, und F. vom 11. Januar 1999, I 483/97). Diese Konstellation ist vorliegend gegeben. Der Rückweisungsentscheid des kantonalen Gerichts ist daher aufzuheben, und die Sache ist an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie diese Prüfung vornehme.

4.- Gemäss Art. 159 Abs. 2
SR 831.201 Règlement du 17 janvier 1961 sur l'assurance-invalidité (RAI)
RAI Art. 73
in Verbindung mit Art. 135
SR 831.201 Règlement du 17 janvier 1961 sur l'assurance-invalidité (RAI)
RAI Art. 73
OG ist weder der obsiegenden IV-Stelle noch der unterliegenden Versicherten eine Parteientschädigung zuzusprechen.
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

I.In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird
Dispositiv-Ziffer 1 des Entscheids des Verwaltungsgerichts
des Kantons Luzern vom 15. Februar 2001 aufgehoben
und die Sache zu neuem Entscheid an die Vorinstanz
zurückgewiesen.

II.Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, der Ausgleichskasse Luzern und dem

Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 25. Oktober 2001

Im Namen des
Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der II. Kammer:

Der Gerichtsschreiber: